ADB:Plamann, Johann Ernst
Tiedge Anregung las er Pestalozzi’s Schriften und faßte den Entschluß, Pestalozzi zu besuchen, um unter seiner Führung und Belehrung sich von dem geisttödtenden Schlendrian loszureißen, dem er bisher im Lehrgeschäft habe dienen müssen. Am 8. Mai 1803 trat er seine Reise nach der Schweiz mit geliehenem Gelde an und wurde in Burgdorf von Pestalozzi mit herzlicher Wärme und großer Auszeichnung empfangen. Sie schlossen eine auf gegenseitige Anerkennung gegründete Freundschaft, und Pestalozzi wollte den neuen jungen Freund und begeisterten Anhänger seiner Lehre gern für seine Anstalt gewinnen. Allein P. zog es vor, unabhängig sich im engeren Vaterlande einen eigenen Wirkungskreis zu schaffen und dort „den Samen des Guten, den er in Burgdorf gefunden, auszustreuen“. Kaum war er in Berlin wieder angelangt, so erbat er die königliche Erlaubniß zur Begründung einer Erziehungsanstalt nach Pestalozzi’s Methode. Die allerhöchste Genehmigung erfolgte noch vor Ablauf des Jahres 1803, die Eröffnung der Anstalt kam aber erst im Herbst 1805 zu Stande. Bald wurde sie als Musteranstalt betrachtet und von den Behörden eifrig gefördert. Sie bestand bis zum Jahre 1827, erfuhr aber 1812 eine Unterbrechung und durchgreifende Abänderung, indem sie aus einer Schule in eine Erziehungsanstalt umgewandelt wurde, damit nachdrücklich gezeigt werden könne, daß die rechte Unterweisung sich auf Erziehung gründen müsse. Plamann’s Bedeutung liegt in der Leitung dieser Schule und Erziehungsanstalt, welche die Schüler bis zur Tertia eines Gymnasiums vorbereitete. Er hatte ein besonderes Geschick und Glück in der Wahl der Lehrer, und eine verhältnißmäßig große Zahl derselben hat sich nicht nur an seiner Anstalt bewährt, sondern später in der weiteren Wirksamkeit sich einen bedeutenden Namen verschafft, so z. B. Friedrich Friesen (vgl. A. D. B. VIII, 188), Jahn (eb. XIII, 662), Harnisch (eb. X, 614), Dreist (eb. V, 395), Eiselen (eb. V, 763), Klöden (eb. XVI, 203), Fröbel (eb. VIII, 123), August (eb. I, 683). P. selbst hielt sich eng an die Lehrweise Pestalozzi’s und entschloß sich oft erst nach langem Streit, der durch seine krankhafte Gereiztheit bisweilen einen heftigen Ton erhielt, seinen Lehrern nachzugeben, die weniger auf Pestalozzi’s Methode Werth legten, als auf seine Grundgedanken und Ziele, sowie auf sein Beispiel in der begeisterten Hingabe an seinen Beruf. Aber P. ließ eben schließlich den Lehrern doch die erforderliche Freiheit und wußte in der Anstalt einen vortrefflichen Geist frischester Fröhlichkeit, ernsten Lehr- und Lerneifers und ungeheuchelter Gottesfurcht und Vaterlandsliebe zu wecken und zu erhalten. Die Schüler waren meist Söhne wohlhabender und angesehener Eltern und haben vielfach später hohe Stellungen erreicht. Noch in den letzten Jahren ihres Bestehens hatte die Anstalt den heutigen Reichskanzler Fürsten Otto von Bismarck unter ihren Schülern. Die Regierung erkannte Plamann’s Verdienste um die Entwickelung und Verbreitung Pestalozzischer Gedanken an. Wie sie eine Reihe junger Männer zu Pestalozzi in die Schweiz geschickt hatte, so ließ [223] sie auf ihre Kosten Harnisch und Schmidt an der Plamann’schen Anstalt zu Lehrern ausbilden, und später gab sie an P. einen Zuschuß von 800 Thalern mit der Bedingung, daß er Studirende, andere junge Männer, Lehrer und Geistliche, welche das Ministerium ihm zusenden würde, mit der Einrichtung seiner Anstalt genau bekannt mache. Am 8. Mai 1818 wurde ihm das Prädicat Professor verliehen. Von geringerer Bedeutung als Plamann’s praktische Thätigkeit sind seine Schriften. Er veröffentlichte 1805: „Anordnung des Unterrichts für die Pestalozzische Knabenschule in Berlin“, und: „Einzige Grundregel der Unterrichtskunst nach Pestalozzi’s Methode“; ferner 1806: „Elementarformen des Sprach- und wissenschaftlichen Unterrichts“, Berlin. 1 Theil in drei Heften (das erste Heft ist von D. F. Schmidt ausgearbeitet). 1812 folgte: „Bericht an das Publikum über die nothwendige Veränderung meiner Anstalt“. Sodann: „Beiträge zur Vertheidigung der Pestalozzi’schen Methode“, Heft 1 u. 2, 1812. 1815; „Zurechtweisung des Herrn Directors Snethlage in seinem abermaligen Eifer über Pestalozzi’s Methode“, 1814. Außerdem ließ er durch Klöden auf 24 großen Tafeln eine große Anzahl von Thierbildern in Kupfer stechen. Wegen zunehmender Kränklichkeit löste er 1827 die Anstalt auf. Trotz wiederholten Gebrauchs der Bäder in Teplitz und in Suderode, welche letztere er im „Freimüthigen“ 1832 ihrer heilkräftigen Wirkungen wegen öffentlich empfahl, genas er nicht wieder von seinem quälenden Hustenleiden. Seine sterbliche Hülle wurde am 6. September 1834 auf dem Kirchhofe vor dem Hallischen Thore in Berlin bestattet, auf welchem auch Schleiermacher wenige Monate vorher gebettet worden war.
Plamann: Johann Ernst P., Schulmann, geb. am 22. Juni 1771 zu Repzin in der Neumark, † zu Berlin am 3. September 1834, besuchte in Berlin die königliche Realschule und das Joachimsthal’sche Gymnasium. Michaelis 1790 bezog er mit dem Zeugniß der Reife die Universität Halle, wo er bis 1793 Theologie studirte. Nachdem er einige Jahre in Neustadt-Eberswalde im Hause eines Schwagers gewohnt und seine Prüfungen bestanden hatte, begab er sich 1797 wieder nach Berlin, unterrichtete dort an Privatschulen und las eifrig die alten Classiker. Eine kleine Schrift über weibliche Koketterie, die er damals verfaßte, scheint ungedruckt geblieben zu sein. Auf des Dichters- J. E. Plamann von Dr. Franz Bredow, Breslau 1836. – W. Harnisch, Mein Lebensmorgen, herausgeg. von Schmieder, Berlin 1868. – Jugenderinnerungen Karl Friedrichs von Klöden, herausgeg. von Max Jähns, Leipzig 1874. – Bildnisse der berühmtesten und verdienstvollsten Pädagogen und Schulmänner älterer und neuerer Zeit, Quedlinburg und Leipzig, 5. Lieferung.