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ADB:Schupart, Johann Gottfried

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Artikel „Schupart, Johann Gottfried“ von Bernhard Beß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 33 (1891), S. 65–67, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schupart,_Johann_Gottfried&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 21:57 Uhr UTC)
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Band 33 (1891), S. 65–67 (Quelle).
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Schupart: Johann Gottfried S. wurde am 22. October 1677 zu Heinsheim in der fränkischen, jetzt zum Königreich Württemberg gehörigen Grafschaft Limburg[1] geboren, wo sein Vater Johann Friedrich S. Prediger war. Ueber den Tod seiner Mutter Marie Euphrosine, geb. Hörner, existirt noch ein Leichengedicht (gedruckt Gießen 1723). – S. studirte zu Jena, vorzugsweise Orientalia unter Danz, daneben Theologie unter Valentin Veltheim (bekannt aus seinem Streit mit Pufendorf). Er wurde Magister, dann Adjunct der philosophischen Facultät und hielt philologische Collegien. 1703 folgte er einem Rufe als gräflich Hohenlohescher Pastor und Consistorialrath nach Pfedelbach; fünf Jahre später siedelte er in gleicher Eigenschaft nach Heilbronn über. 1721 wurde er nach der pietistischen Universität Gießen als dritter Professor der Theologie, Superintendent der Diöcese Alsfeld und Consistorialassessor berufen. Noch in demselben Jahre erschien er als Abgeordneter Gießens bei dem Universitätsjubiläum [66] zu Rinteln. 1727 führte ihn ein gleicher Auftrag nach Marburg. 1729 wurde er, ohne indessen Doctor der Theologie zu sein, professor primarius und erster Superintendent. Im folgenden Jahr zum Rector gewählt, starb er während einer Badecur in Schwalbach am Schlagfluß und wurde auch dort beerdigt. – In die Jenenser Periode gehören einige Dissertationen zur jüdischen Geschichte: „De secta Karaeorum“; „De anno jubilaeo Hebraeorum ejusdem juribus, annexa defensione contra Rich. Simonem“; „De ritibus lapidationis Hebraeorum“; „Rabbinismus philologiae sacrae ancillans“. In die Gießener Periode gehören: seine Antrittsrede „Gregorius Nazianzenus, cognomento Theologus, Theologis ad imitandum propositus“; eine Grabrede auf den berühmten Pietisten Joh. Heinrich Mai: „Monumentum Sionis saeculi nostri“, nebst ausführlichem Verzeichniß seiner Werke, 1723; „Diss. exeg. theol. de gratia Pauli ad ministerium data, Galat. I, 15“, 1728; „Confessio Augustana per Tridentinos patres non triumphata, sed triumphans“ und „Progr. de fide per confessionem vocali, occasione jubilaei sec. Aug. Conf. exhibit.“, 1730. – Bedeutung hat S. durch seinen Streit mit Joh. Wilh. Petersen: Seit dem Jahre 1695 hatte der Pietismus die unbestrittene Herrschaft an der Universität Gießen gehabt. Petersen hatte hier studirt, dann selbst Vorlesungen gehalten. Auch während seines späteren bewegten Lebens blieb er in steter Verbindung mit der hessischen Geistlichkeit. Seine schwärmerischen Ideen, insbesondere der von ihm und seiner Frau ausgebildete Chiliasmus, fanden hier großen Anklang und wurden lebhaft besprochen. Das veranlaßte S. für ein collegium disputatorium, welches er leitete, ein Programm unter dem Titel „De chiliasmo Nepotis“ zu veröffentlichen. Anscheinend war hier nur das rechte auf christlicher Liebe beruhende Disputiren empfohlen; thatsächlich aber hatte S., indem er die Argumente rühmte, mit denen einst der Alexandriner Bischof Dionysius den Chiliasten Nepos widerlegt hatte, alle neueren Schwärmer angegriffen. Weigel, Böhme und Dippel waren auch namentlich angeführt. Es war ein gewagter Schritt, denn selbst unter seinen nächsten Collegen erfreute sich Petersen großer Sympathieen. Sofort erschien in Frankfurt eine anonyme Gegenschrift „Apologia Nepotis“, welche im Land einen reißenden Absatz fand. Der Regierung war indessen schon längst die zunehmende schwärmerische Bewegung bedenklich geworden. Ein Edict vom 20. October 1724 ließ sämmtliche Exemplare jener Schrift confisciren und erneuerte die Censur für alle theologischen Publicationen. Ein Pfarrer Stier aus Schupart’s Diöcese wurde als muthmaßlicher Verfasser in Untersuchungshaft gebracht. Es stellte sich aber heraus, daß er die Schrift nur verbreitet hatte. Durch zwei deutsche Schriften, welche im folgenden Jahr gegen S. und seinen Collegen Rüdiger erschienen, gab sich Petersen selbst als Verfasser kund. Nach längerem Zögern veröffentlichte S. 1727 auf die Aufforderung der Regierung hin eine Entgegnung unter dem Titel „Examen apologiae pro nepote ejusve Chiliasmo, qua infrenem linguam, orthodoxorum conviciis plenam, calumniose et in dedecus sui nominis exercuit D. Joh. Wilh. Petersenius“. Die Schrift, ein charakteristisches Glied jener großen pietistischen Streitlitteratur, hätte wegen ihres Reichthums an Personalnotizen mehr Beachtung verdient. S. ist bemüht, Männer wie Spener und Mai von den pietistischen Schwärmern zu scheiden; er thut sich etwas darauf zu gute, ein Orthodoxer zu sein. Sein Streit bezeichnet das Ende der Herrschaft des Pietismus an der Universität Gießen. S. dürfte überhaupt der erste deutliche Zeuge des Niedergangs der pietistischen Bewegung sein.

Kurtze Historie der vormaligen und gegenwärtigen Gelehrtheit derer Hessen von unpartheyischer Feder entworfen, Gießen 1725–1729. – Hessisches [67] Heb-Opfer theologischer und philologischer Anmerkungen I, Gießen 1734. – Joh. Georg Walch, Einleitung in die Streitigkeiten der evang.-luth. Kirche, II, 613 f. – Chr. Fr. Ayrmann, Libellum postumum de peregrinis in Hassia professoribus, Gießen 1751. – F. W. Strieder, Grundlage zu einer hessischen Gelehrten- und Schriftstellergeschichte, Bd. 14. – H. Heppe, Kirchengeschichte beider Hessen II, 423 f. – Das Hanauische Magazin von 1785, VII, 58 berichtet von einer Dämonengeschichte, welche S. selbst erlebt haben will.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 65. Z. 12 v. u. l. Heinsheim in Baden. [Bd. 45, S. 672]