Zum Inhalt springen

ADB:Stadegge, Rudolf von

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Stadegge, Rudolf von“ von Konrad Burdach in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 356–358, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Stadegge,_Rudolf_von&oldid=- (Version vom 20. Dezember 2024, 08:49 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Stade, Diederich von
Band 35 (1893), S. 356–358 (Quelle).
Der von Stadegge bei Wikisource
Stadeck#Rudolf II. „von Stadegge“, Minnesänger in der Wikipedia
Rudolf von Stadegge in Wikidata
GND-Nummer 104104333
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|35|356|358|Stadegge, Rudolf von|Konrad Burdach|ADB:Stadegge, Rudolf von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=104104333}}    

Stadegge: v. St., Minnesänger. Er gehört dem steirischen Geschlecht der Herren von Stadeck an, deren Stammsitz Burg Stadeck zwei Stunden nördlich von Graz in einer waldigen Schlucht über dem kleinen gleichnamigen Ort lag und die im 13. Jahrhundert Ministerialen des Herzogs von Steier und Lehnsmänner des Erzbischofs von Salzburg waren. Seine Dichtung bewegt sich in der Bahn des höfischen Minnesangs der Steiermark, den ich oben (in dem Artikel von Scharfenberg A. D. B. XXX, 774) charakterisirt habe, und verräth die Schule Reinmar’s des Alten und Walther’s von der Vogelweide. Diejenige Form zumal, die Walther dem höfischen Minnesang gegeben hat durch die lebendige Beziehung auf die Natur, durch das persönliche Verhältniß zu den Hörern, durch die Einfügung volksthümlicher Elemente, ist ihm Muster gewesen. Erhalten sind uns nur drei Lieder unter seinem Namen von der großen Heidelberger Minnesingerhandschrift. Allen gemeinsam sind ausführliche, frische Natureingänge. Ein Winterlied stellt Nebel, Schnee und Reif und die Leiden der Liebe nebeneinander, betheuert Treue und Aufrichtigkeit, erhebt verwunderte Beschwerde über die der Geliebten bei aller Schönheit fehlende Güte und klingt in der allgemeinen Sentenz aus, daß Weibes Schönheit ohne Güte nichts tauge. Ein höchst anmuthiges Sommerlied ruft die Mädchen auf, den süßen Mai loben zu helfen: man sieht seine Kraft durch die breiten Bäume aufdringen der Sonne entgegen; niemals schaute man einen Mai mit reicherer [357] Farbe bekleidet; die kleinen Vöglein, die Heide, die lichten Tage, alles nimmt Theil an der allgemeinen Freude; die Blumen schwanken im Winde des Frühlings und die wilden Rosen haben sich mit ihrer besten Röthe geputzt dem grünen Hag zu Gefallen. Eine dritte Strophe sollte wol folgen und die Wendung zum Persönlichen enthalten. Aus dem kleinen Bruchstück leuchtet morgenlicher Glanz, unschuldige jugendliche Frühlingslust: die ewige Erneuerung der Natur abgebildet wie sie sich spiegelt in hellen Kinderaugen, die in Mensch und Vogel, in Wald und Wiese, in dem Grün der Bäume und dem Roth der Blumen, in Sonnenlicht und Windesrauschen nur den tiefen Einklang des quellenden jubelnden Lebens gewahren. Das dritte Gedicht, gleichfalls ein Sommerlied, bringt in einem Eingang voll naiver Plastik die alten einfachen typischen Züge der volksthümlichen Naturschilderung, klagt dann vor allen edlen Frauen über die Geliebte, welche treuem Werben nicht lohnt, und sagt ihr unter Segenswünschen geradezu den Dienst auf. Mit Beziehung hierauf stellt das Bild der Heidelberger Liederhandschrift den Dichter dar, wie er seine Dame gar unsänftiglich zerzaust. – Ohne Frage gehört der Sänger noch der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts an: er hat, wie es nur in der besten Zeit möglich war, höfische Kunst mit volksthümlichem Inhalt erfüllt. Wenn er in einigen formelhaften Wendungen (z. B. alle wolgemuoten leien) an Neidhart von Reuenthal und Gottfried von Neifen erinnert, so steht er doch der höfischen Dorfpoesie wie dem parodistisch volksthümlichen Minnesang des schwäbischen Sängerkreises ganz fern. Er ist vielmehr ein echter Anhänger jenes höfisch-ritterlichen Idealismus, wie ihn Walther und die Dichter der classischen Zeit vertraten. Man muß daher in dem Dichter Rudolf II. von Stadeck erkennen, der von 1230 – beziehungsweise 1243, falls man in dem Rudolf der Urkunde von 1230 noch den Vater, Rudolf I., erblickt – bis 1261 (v. d. Hagen: 1262) nachgewiesen ist, einen Zeitgenossen Ulrich’s von Liechtenstein. Zusammen mit diesem, an dessen Lieder die seinigen mehrfach anklingen, zusammen mit dem Minnesänger und Epiker Herrand von Wildonie und dessen Verwandten kommt er öfter in Urkunden vor. Wir finden ihn 1246 in der Umgebung des Erzbischofs Eberhard von Salzburg, 1249 in der des Erzbischofs Philipp, 1250 bei dem vom Grafen Meinhard von Görz in Graz gehaltenen Landgericht, im December 1260 zu Graz bei König Ottokar. Die Herren von Stadeck waren ein Zweig der steirischen Ministerialen von Landesere im Mürzthal. Erchenger I. von Landesere († 1211), der Oheim unseres Dichters, stand dem Gönner Reinmar’s Herzog Leopold V. von Oesterreich nahe, den er 1190 auf den Regensburger Reichstag begleitete, aber auch dem Mäcen Walther’s Bischof Wolfger von Passau. Dessen Sohn Erchenger II. von Landesere († nach 1269), ein Vetter Rudolf’s II. von Stadeck, erwartete 1240 bei Hohenwang den als Artus verkleideten Ulrich von Liechtenstein, selbst den Ritter Iwein spielend, und zog dann mit ihm über den Semmering. Die ganze Familie der Herren von Landesere und Stadeck hatte zum Babenbergischen Hause enge Beziehungen. Durch Verwandtschaft und Freundschaft also steht unser Dichter, wie man sieht, mitten in der Strömung der höfischen Litteratur Oesterreichs und der Steiermark. Und so ist er ohne Zweifel auch jener Rudolf von Stadeck gewesen, der das Exemplar von Veldeke’s Eneide herstellen ließ, auf dem die Münchener Handschrift derselben Cgm. 57 (13.–14. Jahrhundert) beruht. Einen späteren Sprossen der Familie, Leutold II. von Stadeck († 1367) feierte der fahrende österreichische Wappendichter Peter Suchenwirt in einer Totenklage: er preist ihn als einen kriegsgewaltigen Mann, der an vielen Fehden und Feldzügen, insbesondere auch an den Preußenfahrten, jenen verspäteten Imitationen der ritterlichen Kreuzzüge, Theil genommen, der allewege tapfer gefochten, der aber nicht bloß die alte ritterliche Waffentüchtigkeit [358] bewahrt, sondern der ererbten Standessitte getreu auch Frauendienst und Freigebigkeit geübt hatte: man sieht, wie in ihm die alten Traditionen aus der Blüthezeit des Ritterthums nachleben. Die Wittwe des letzten männlichen Stadeckers heirathete der letzte Minnesänger, Hugo von Montfort, während gleichzeitig sein Sohn Ulrich mit der Erbtochter Guta von Stadeck vermählt ward (1401/2). So bewahrt dies Geschlecht der Stadecker und seine Verwandten länger als zwei Jahrhunderte die Pflege ritterlicher Bildung und Dichtung, bis in die Tage hinein, da bereits der Geist der Reformation und der Renaissance anfing, der gesammten deutschen Cultur einen neuen Stempel einzudrücken.

v. d. Hagen, Minnesinger II, 74 f.; III, 662; IV, 415 ff. – Weinhold, Ueber den Antheil Steiermarks an der deutschen Dichtkunst des 13. Jahrhunderts. Wiener Akademierede 1860, S. 222 f., 231. – Weinhold, Der Minnesinger von Stadeck und sein Geschlecht. Sitzungsberichte der Wiener Akademie, Philolog.-histor. Klasse, 1860 Bd. 35, S. 152 ff. (darin S. 162 f. eine Ausgabe der drei Lieder). – Kummer, Herrand von Wildonie. Wien 1880, S. 86, 90 f., 96, 109 f., 184 ff., 218 ff. – Wackernell, Hugo v. Montfort. Innsbruck 1881. S. LIII. – Das urkundliche Material weisen nach die Indices von: v. Meiller, Regesten der Babenberger. Wien 1850; v. Meiller, Regesta archiepiscoporum Salisburgensium. Wien 1866; Zahn, Urkundenbuch der Steiermark II. Graz 1879. – Grimme’s Bemerkungen in der Germania XXXII, 462 f., die lediglich aus ihnen schöpfen, sind ohne Kenntniß der Arbeit Weinhold’s geschrieben und ohne selbständigen Werth.