ADB:Tschudi, Aegidius
Tschudi: Gilg (Aegidius) T., der „schweizerische Herodot“, geboren am 5. Februar 1505, † am 28. Februar 1572 zu Glarus, entstammte einer hochangesehenen Familie dieses Landes. Die von ihm überlieferten Urkunden, die den Stammbaum der Tschudi in lückenloser Folge von einem im J. 906 freigelassenen Königsknecht Johann herleiten und sie von diesem Urahn bis 1253 als Vasallen der Aebtissin von Seckingen im Besitz des Meieramtes dieses Gotteshauses zu Glarus erscheinen lassen, sind freilich neulich als Fälschungen erwiesen worden, und alle darauf gegründeten Angaben der Biographen Tschudi’s sind einfach zu streichen. Immerhin läßt sich das Geschlecht, das sich von der Masse der Thalbewohner, seckingischen Eigenleuten, in nichts unterschieden zu haben scheint, bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgen. Eine echte Urkunde vom 14. November 1289 erwähnt zwei Angehörige desselben, und ein Heinzi Schudi erscheint um die Zeit der Schlacht am Morgarten unter den Zeugen eines Friedensschlusses zwischen Glarus und Uri (7. Juli 1315). Der ursprüngliche Sitz der „Schudin“ war Lintthal, die hinterste Gemeinde des Thales, wo 1339 fünf Personen dieses Namens sich bei der Stiftung eines Schwesternhauses betheiligten. Zwei Schudi v. Lintthal, Hans und Hermann, verloren nach dem Jahrzeitbuch der Gemeinde in der Mordnacht von Wesen (22. Febr. 1388) das Leben. Von dort aus scheint sich das Geschlecht nach Schwanden und Glarus verbreitet zu haben.
Der erste Angehörige desselben, der eine bedeutendere Stelle in der Geschichte seiner engeren und weiteren Heimath einnimmt, ist Jost T., der Urgroßvater des Geschichtsschreibers, der 1419–1454 fast ununterbrochen das Landammannamt in Glarus bekleidete und in dem unter dem Namen des alten Zürichkrieges bekannten großen schweizerischen Bürgerkriege eine Hauptrolle spielte. Er schloß sich aufs engste an den energischen Führer der Schwyzer, Landammann Ital Reding, an, um nach dem Erlöschen der Grafen v. Toggenburg die Zürcher an der einseitigen Besitznahme der Landschaft zwischen Zürichsee und Cur zu hindern, erwirkte mit diesem im December 1436 den engen Anschluß von Toggenburg, Uznach und Gaster an Schwyz und Glarus durch ein Landrecht, sowie 1437 die Verpfändung von Uznach seitens der toggenburgischen Erben und 1438 diejenige von Gaster seitens der Herzöge von Oesterreich an die beiden Länder. Wie im Frieden, so führte der Ammann Jost T. seine Glarner auch im Kriege und wird von dem Zeitgenossen Fründ speciell in der Schilderung der Schlacht bei St. Jacob an der Sihl (22. Juli 1443) mit Auszeichnung hervorgehoben. Nach der Angabe Gilg Tschudi’s, die zu bezweifeln kein Grund vorliegt, befehligte er die Glarner auch in dem für die Eidgenossen siegreichen Treffen bei Ragaz (6. März 1446). Beim Friedensschluß wirkte er ebenfalls mit. Wenn Glarus 1450 aus einem zugewandten zu einem vollberechtigten Ort der Eidgenossenschaft erhoben wurde und im Gegensatz zu Uri und Unterwalden an den für die Erweiterung derselben wichtigen Bündnissen mit dem Abt und der Stadt St. Gallen, so wie mit Schaffhausen (1451/1454) theilnahm, so wird das in erster Linie dem Einflusse Jost Tschudi’s zuzuschreiben sein, wenn sich dieser auch im einzelnen [729] nicht mehr nachweisen läßt. Bis zum 30. Juli 1454 erscheint der um sein Land so hochverdiente Mann auf den eidgenössischen Tagsatzungen; dann verschwindet sein Name aus den Acten.
In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts tritt Hans T., der Sohn des vorhergehenden und Großvater des Chronisten, besonders hervor. Seit 1471 öfters Vertreter seines Standes auf der Tagsatzung, nahm er nach der Erzählung seines Enkels als Anführer des Glarner Contingentes an der Schlacht von Murten (22. Juni 1476) theil, eine Angabe, die dadurch erhärtet wird, daß Hans T. neben den übrigen Helden der Murtener Schlacht auf dem nach derselben veranstalteten Friedenscongreß zu Freiburg (25. Juli ff.) urkundlich als Bote erwähnt wird. Spätestens 1483 erlangte er die Würde eines Landammannes, die er bis 1494 abwechselnd mit andern bekleidete. Hans T. hinterließ mehrere Söhne. Der älteste Marquard, Vater von Valentin T., dem Nachfolger Zwingli’s im Pfarramte zu Glarus, begleitete seinen Vater in die Schlacht von Murten, vertrat von 1494 bis 1511 öfter seinen Kanton auf der Tagsatzung, war (nach Gilg T.) im Schwabenkrieg Befehlshaber des Landesfähnleins von Glarus und amtete 1504 als Landvogt im Thurgau. Ein jüngerer Bruder Marquard’s, Ludwig T., der Vater unseres Chronisten, war im Schwabenkrieg Bannerträger und bestand in der Schlacht am Schwaderloch (11. April 1499) einen ruhmreichen Zweikampf mit einem Anführer der Landsknechte. 1512 nahm er theil an einer eidgenössischen Gesandtschaft nach Venedig, 1513 befehligte er das Glarner Contingent in einem Hülfsheer, das die Tagsatzung der Besatzung von Novara zuschickte, das aber einen Tag zu spät kam, um an der Schlacht theilzunehmen. Dagegen kämpfte Ludwig T. als Hauptmann eines Glarner Fähnleins in der Schlacht bei Marignano (13./14. Sept. 1515). Den Weg zum Landammannamt versperrten ihm zwei Vettern, Heinrich T., der 1513 bis 1515, und Jost T., der 1522 und 1523 als Ammann erwähnt wird. Dagegen war Ludwig Mitglied des Raths, 1510 Landvogt in den freien Aemtern im Aargau und seit 1507 öfter Gesandter seines Standes auf der Tagsatzung.
Der „Vogt“ T., wie Ludwig im Gegensatz zu seinen Verwandten, den Ammännern Heinrich und Jost, gewöhnlich genannt wurde, hatte von seiner ersten Gemahlin, Margaretha Aebli, fünf Söhne, Fridolin, Ludwig, Meinrad, Peter und Gilg, denen später aus einer zweiten Ehe noch sechs andere nachfolgten. In die Erziehung eines Theils der ersteren hat Zwingli bedeutsam eingegriffen. Der spätere Reformator muß, nach seinem Briefwechsel zu schließen, als Pfarrer von Glarus im intimsten Verkehr mit dem Tschudi’schen Hause gestanden und das Vertrauen seines Hauptes in hohem Maaße genossen haben. Von Zwingli empfingen Söhne und Neffe Ludwig Tschudi’s die erste Bildung, er überwachte ihre Studien in der Fremde und machte noch in Zürich gelegentlich ihren Fürsprecher bei dem gestrengen Vater, bis die Reformation einen jähen Riß in dies Verhältniß brachte. Mochte der wackere Glarner Kriegsmann anfänglich Zwingli’s Ideen Beifall gezollt haben, als die Consequenzen derselben zur kirchlichen Revolution führten, wurde er einer seiner entschiedensten Gegner. Ludwig T. wurde, als die Bewegung auch Glarus ergriff, das Haupt der dortigen Altgläubigen, die ihr mit Hülfe der V inneren Orte zu wehren suchten und diesen kraft ihrer anfänglichen Mehrheit durch Landsgemeindeschlüsse 1526, 1527 und noch am 15. März 1528 – freilich nur mit 33 Stimmen Mehrheit – die feierliche Zusage gaben, beim alten Herkommen zu verbleiben und die Neuerung mit Strafen zu unterdrücken. Als sich trotzdem schon im Mai 1528 die Mehrheit des Glarner Volkes auf die reformirte Seite neigte, bestritt die altgläubige Minderheit unter Ludwig Tschudi’s Führung der Landsgemeinde [730] das Recht, in Sachen des Glaubens neue Beschlüsse zu fassen, da der Stand Glarus durch seine Zusagen gegenüber den V Orten gebunden sei, und suchte durch hartnäckige Obstructionspolitik, sowie durch Anrufung der Hülfe der V Orte den Uebergang zur Reformation zu verhindern. Da die letzteren jedoch gegenüber Zürich und Bern nicht wagten, dem Begehren der altgläubigen Glarner um bewaffnetes Einschreiten zu entsprechen, so mußten diese schließlich im Frühjahr 1529 die Hand zu einem Vergleiche bieten, der die Beschlußfassung über Bilder und Messe in das Belieben der einzelnen Gemeinden stellte. Beim Ausbruch des Kappeler Krieges, in dem sich Glarus neutral verhielt, wurde Ludwig T. zum Stellvertreter des Landammanns Aebli, der als Vermittler im Felde thätig war, gewählt. Als im zweiten Kappeler Krieg die evangelischen Glarner mit dem Landesbanner ihren von Schwyz bedrohten Glaubensgenossen im Gaster zu Hülfe ziehen wollten, verhinderte Ludwig T. mit seinen Gesinnungsgenossen durch Drohungen den Aufbruch und setzte die Einhaltung der Neutralität durch. Im J. 1532 half er die bedingungslose Unterwerfung des Gaster unter Schwyz vermitteln und erlebte noch die Genugthuung, daß hier, wie in Glarus und in der ganzen Ostschweiz infolge der Niederlage der Reformirten eine starke katholische Reaction eintrat. Er soll 1534, 72 Jahre alt, gestorben sein.
Von seinen Söhnen soll der älteste, Fridolin, den Tod bei Marignano gefunden haben. Der zweite, Ludwig der Jüngere, begleitete 1513 den Vater auf dem Zuge nach Novara, machte 1519 mit dem Freiburger Schultheißen Peter Falk eine Fahrt nach Palästina, über die er ausführliche Notizen hinterließ, die sein Bruder Gilg zu einer 1606 zu Rorschach gedruckten Reisebeschreibung ausarbeitete, bekleidete die Landvogtei Werdenberg und erwarb sich in fremden Diensten den Ruf eines ausgezeichneten Kriegsmannes, so daß ihn 1523 und 1524 die französische Botschaft in der Schweiz unter den Hauptleuten aufführte, deren Ernennung der König besonders wünsche. In der Schlacht von Pavia (24. Febr. 1525) fiel er in Gefangenschaft und mußte sich mit schwerem Gelde loskaufen. Schon vorher hatte er die Herrschaft Ortenstein in Bünden erworben, gestattete aber 1527 der Gemeinde, sich freizukaufen, und brachte dafür 1528 Schloß und Herrschaft Gräplang bei Flums in der Grafschaft Sargans an sich, eine Besitzung, die bis 1767 im Eigenthum der Familie Tschudi verblieb. Ob Ludwig in der Jugend gleich seinen Brüdern Peter und Gilg Zwingli’s Unterricht genoß, ist nicht sicher. Jedenfalls stand auch er anfänglich mit dem Reformator auf bestem Fuße, so daß er ihm noch im Juli 1523 vertrauliche Mittheilung von dem auf der Tagsatzung zu Bern gegen ihn ergangenen Verhaftungsbefehl machte und ihm ein sicheres Asyl in Glarus anbot. Später scheint er unter dem Einfluß des Vaters und Gilg’s sich ebenfalls den Gegnern der Reformation zugewendet zu haben, ohne jedoch einen so ausgesprochenen Antheil an ihrer Bekämpfung zu nehmen. Er starb am 12. Januar 1530 zu Gräplang. Ihm folgte als Besitzer des Schlosses der dritte Bruder Meinrad, der sich ebenfalls fremden Kriegsdiensten widmete, die Feindschaft seiner Familie gegen die Glaubensneuerung theilte und um 1550 starb. Im Gegensatz zu den übrigen Brüdern steht der vierte, Peter T., der zum geistlichen oder gelehrten Beruf bestimmt wurde. Auf ihn erwies sich Zwingli’s Einfluß am nachhaltigsten. Nachdem er von diesem in die classischen Studien eingeführt worden war, setzte er sie mit seinem Vetter Valentin unter der Leitung des damals Zwingli noch eng befreundeten Glarner Humanisten Loriti, genannt Glareanus, zunächst zu Basel (1516), dann zu Paris (1517–21) fort, unterhielt aber mit seinem früheren Lehrer stets den lebhaftesten Briefwechsel. Ende 1521 oder Anfang 1522 kehrte er in die Heimath zurück und wandte sich völlig der religiösen Neuerung zu. Vermuthlich deshalb mit seiner Familie zerfallen, siedelte er nach Cur über, [731] wo er mit Comander und anderen Bündnerreformatoren in Verkehr stand und noch 1529 und 1530 mit Zwingli correspondirte. Der Curer Schulmeister Niklaus Baling rühmt ihn 1530 in einem Brief an Zwingli als einen bedeutenden Gelehrten, von dem eine nicht geringe Förderung der Wissenschaften und des Evangeliums zu erwarten sei. Mit December 1530 verschwinden die Spuren des jungen Mannes; er soll 1532 in Cur gestorben sein.
Keinem von den Söhnen Ludwig Tschudi’s war eine so hervorragende Wirksamkeit in Politik und Wissenschaft beschieden, wie dem fünften, dem jüngsten aus erster Ehe, Aegidius oder, wie er sich gewöhnlich auf schweizerdeutsch schrieb, Gilg T. Auch dieser empfing von Zwingli, der im Jahre nach Gilg’s Geburt nach Glarus berufen wurde, die Anfangsgründe der humanistischen Bildung. Doch vermochte der Reformator auf ihn keine dauernde Wirkung auszuüben, da Gilg schon im elften Jahre nach Basel in Glarean’s Pensionat kam. Als Peter und Valentin Ende 1516 nach Paris abgingen und auch Glarean’s Uebersiedlung nach der französischen Hauptstadt in Aussicht stand, wandte sich der Knabe an Zwingli, der inzwischen seine Stellung in Glarus mit derjenigen in Einsiedeln vertauscht hatte, mit der dringenden Bitte, ihn zu sich zu nehmen, da er sonst wahrscheinlich nach Hause müsse und alles Gelernte wieder vergessen werde. Seine Bitte blieb, wir wissen nicht aus welchem Grunde, unerfüllt. Von weiteren Beziehungen Gilg’s zu Zwingli findet sich keine Spur mehr; überhaupt ist über seinen weiteren Bildungsgang nichts Sicheres bekannt. Nach der gewöhnlichen Annahme soll er 1517 Glarean nach Paris gefolgt sein und sich hier bis 1520 aufgehalten haben. In der Gallia Comata behauptet T., er habe 1520, also 15 Jahre alt, zu Constanz die römische Inschrift über den Wiederaufbau des Kastells Oberwintertur copirt, was von dem außergewöhnlich früh erwachten selbständigen Forschertriebe des Jünglings zeugen würde, wenn T. nicht zugleich seine selbsterfundenen Ergänzungen jener Inschrift als Aufzeichnung von dem damals angeblich noch unversehrten Stein ausgäbe, eine Unwahrheit, welche die ganze Angabe verdächtig macht. Jedenfalls wandte er sich unmittelbar nach Abschluß seiner Schulbildung mit Eifer historisch-antiquarischen Forschungen über seine Heimath zu, zu denen ihm sein Lehrer und Landsmann Glarean, mit dem er stets im Verkehre blieb, die Anregung gab. Er durchlas die Autoren des Alterthums und excerpirte, was sie über das Gebiet der Schweiz und ihre Umgebung enthielten. Mit diesen classischen Studien wechselten Gebirgsreisen in einem Umfange. wie sie damals noch selten waren. Im Frühjahr 1524 überschritt er den Gr. St. Bernhard; außerdem besuchte er die Furka mit dem Rhonegletscher, den Gotthard, Luckmanier, Splügen, Septimer, Julier u. s. w., wobei er die durchwanderten Gegenden skizzirte und auf Land und Volk ein scharfes Auge hatte. Die Frucht dieser Forschungen und Wanderungen war Tschudi’s Erstlingsarbeit, „die urallt warhafftig Alpisch Rhetia“, die er im wesentlichen 1528 vollendet hatte, sowie eine Schweizerkarte, welche die einzige ihr vorausgehende des Züricher Arztes Konrad Türst in der Genauigkeit der Anlage weit übertrifft, ihr dagegen in manchem Detail nachsteht.
Zugleich warf sich aber der junge Mann, der die staatsmännische Laufbahn im Auge hatte, mit ganzer Seele in den Kampf der religiösen Parteien. Im Gegensatz zu seinem Bruder Peter trat Gilg völlig in die Fußtapfen des Vaters und wurde vermöge seiner litterarischen Begabung trotz seiner Jugend der Schriftführer der Glarner Katholiken. Noch existiren im Archiv Schwyz zwei äußerst leidenschaftlich gehaltene Denkschriften gegen die neugläubigen Glarner und ihre Beschützer, die Zürcher, „bei denen der Teufel mehr Zeichen denn Christus wirkt“, vom Herbst 1528, die wahrscheinlich von dem 23jährigen Gilg T. verfaßt oder doch unter seiner Mithülfe zu Stande gekommen sind. In diese Zeit fällt auch [732] sein erstes öffentliches Auftreten in den eidgenössischen Rathssälen, indem er im November 1528 mit seinem Vater und vier anderen Glarnern als Vertreter der Altgläubigen auf eine Tagsatzung nach Einsiedeln geschickt wurde. Wie hoch man in den Reihen seiner Partei das Talent des jungen Mannes schätzte, zeigt die Thatsache, daß eine Gesandtschaft des neu gewählten, aber von Zürich nicht anerkannten Fürstabtes Kilian von St. Gallen, die im Mai 1529 die Anerkennung ihres Herrn in Glarus betreiben sollte, sich zu diesem Zweck von ihm eine schriftliche Instruction aufsetzen ließ, die genau befolgt wurde. Trotz dieser entschiedenen Parteinahme wurde Gilg im Frühling 1529 von der überwiegend evangelischen Landsgemeinde seiner Heimath zum Landvogt von Sargans gewählt, ohne Zweifel infolge des Compromisses, der gleichzeitig zwischen Neu- und Altgläubigen zu Stande kam. 25 Jahre alt, trat er Anfang 1530 sein erstes Amt an und setzte auch in der Grafschaft Sargans, einer gemeinen Herrschaft der VII alten Orte (ohne Bern), der Reformation, die Zürich mit allen Mitteln in den gemeinen Vogteien durchzuführen trachtete, zähen Widerstand entgegen. Da der erste Kappeler Friede den einzelnen Gemeinden in denselben das Recht sicherte, sich durch Mehrheitsbeschluß über Bilder und Messe zu entscheiden und Zürich auch im Sarganserlande auf solche Abstimmungen drängte, suchte T. diese im Einverständniß mit den V inneren Orten möglichst zu Gunsten des alten Glaubens zu lenken oder zum mindesten in den Gemeinden, die zur Reformation übergingen, den katholischen Minderheiten eigenen Gottesdienst zu sichern. Den Befehlen Zürichs setzte er die Erklärung entgegen, daß er aller VII Orte „Knecht und Amtmann“ sei und sich nach dem Entscheid der Mehrheit zu richten habe. So entsetzte er gemäß einem von ihm provocirten Befehl der V Orte trotz Zürichs Einsprache den Pfarrer Martin Mannhart von Flums, einen hitzigen Vorfechter der Reformation, und behandelte überhaupt die Neugläubigen in seiner Vogtei mit sichtlicher Ungunst, so daß der geheime Rath in Zürich im Februar 1531 beschloß, in Glarus gegen ihn wegen parteiischer Justiz Klage zu führen und womöglich seine Entsetzung zu betreiben. Als die Reformirten im Mai 1531 eine allgemeine Verkehrssperre gegen die V Orte verhängten, war das Sarganserland eine der wenigen Lücken, durch welche diese insbesondere das unentbehrliche Salz bezogen. Im Gegensatz zu den evangelisch gesinnten Vögten, die Glarus damals im Thurgau und Gaster hatte, legte T. die Weisungen Zürichs, die Sperre ebenfalls zu handhaben, unbeachtet bei Seite und ließ auf das wiederholte Drängen der Stadt durch den Landrath der Grafschaft erklären, es gebühre ihr als Unterthanenland nicht, einem der regierenden Orte das Salz abzuschlagen. Dementsprechend bewirkte er auch beim Ausbruch des zweiten Kappeler Krieges im October 1531, daß die Landschaft trotz den Gegenanstrengungen der starken evangelischen Partei sich neutral erklärte und sogar den Boten der V Orte, welche die Hülfe Oesterreichs anrufen sollten, freien Durchpaß gewährte. T. vermittelte selber zum Theil den Verkehr zwischen den V Orten und den österreichischen Vögten im Vorarlberg. Auch besetzte er im Interesse der V Orte Schloß und Kloster Pfävers, dessen Abt zur Reformation übergetreten war und mit Zürich ein besonderes Schirmverhältniß eingegangen hatte. Begreiflich, daß hochstehende Züricher sich äußerten, der Landvogt von Sargans handle an ihnen wie ein „Mörders Böswicht“ und müsse „unter der Klinge durchlaufen“. Der Sieg der V Orte enthob T. weiterer Gefahren.
Man hat Gilg T. als einen zweiten Niklaus von Flüe, als ein versöhnliches, zwischen und über den Glaubensparteien stehendes Element hingestellt, aber mit Unrecht; er war von Anfang bis zu Ende seiner politischen Laufbahn stets einer der leidenschaftlichsten Gegner der Reformation. Allerdings dachte er schweizerisch genug, um zur Zeit des Friedensschlusses in einem Schreiben vom [733] 23. November 1531 die Führer der V Orte zu ermahnen, die mit Zürich und Bern verburgrechtete Stadt Constanz in Betrachtung des Nutzens der Eidgenossenschaft „nicht zu verschupfen“, sondern sie ins Bündniß aufzunehmen, da er während des Krieges die Ueberzeugung gewonnen hatte, daß die auf Constanz lauernden Kaiserlichen den schweizerischen Katholiken keine wirkliche Stütze sein würden und nur auf eine Zerstörung der Eidgenossenschaft hinarbeiteten. Aber nach innen hätte er eine viel rücksichtslosere Ausbeutung des Sieges gewünscht, zum mindesten die Ausrottung der Reformation, in der er nur ein Product böswilliger Prädicanten erblickte, in den gemeinen Herrschaften. Wenn er in seinem Kappelerkrieg den Rath des Luzerner Schultheißen Golder, der gemäßigtere Forderungen durchsetzte, schädlich und dem wahren Glauben nachtheilig nennt und den vorzeitigen Tod Golder’s und anderer katholischer Führer, die beim Friedensschluß mitwirkten, auf Rechnung ihres damaligen Verhaltens setzt, so lehren die Thatsachen, daß er schon im J. 1531 die Dinge nicht anders ansah. An seinem Orte that er sein Möglichstes in diesem Sinne. Unter dem Vorwand, daß der Friede Schmähungen des Glaubens verbiete, veranstaltete er noch vor Ablauf seiner Amtsdauer eine große Strafuntersuchung, infolge deren im Frühjahr 1532 die V Orte als Mehrheit der regierenden Orte die evangelischen Prädicanten im Sarganserlande verjagten und zahlreiche Personen wegen antikatholischer Aeußerungen einthürmten und mit Geldbußen belegten. Der Erfolg dieser Maßregel war, daß die ganze Landschaft bis auf eine einzige Gemeinde wieder katholisch wurde. Auch der mit Entsetzung bedrohte Abt von Pfävers kehrte in den Schooß der alten Kirche zurück und erhielt durch die Vermittlung Tschudi’s, der sein Verwandter war, Verzeihung.
Der Ausgang der Kappelerkriege ermuthigte die altgläubigen Glarner zu einem Versuch, die reformirte Mehrheit im Lande mit Hülfe der V Orte zur Rückkehr zum Katholicismus zu zwingen, und Gilg T. stand dabei in vorderster Linie. Unter seiner Mitwirkung wurde der Plan dazu entworfen. Die V Orte sollten durch eine Gesandtschaft die Glarner Landsgemeinde zur Erfüllung ihrer Zusagen von 1527 und 1528 auffordern und ihr im Fall eines Abschlags erklären, daß die neugläubigen Glarner wegen ihres Wortbruchs und ihrer feindseligen Haltung gegen sie während des Krieges die Bünde verwirkt hätten, daß man sie nicht mehr zur Tagsatzung, noch zur Verwaltung der gemeinen Herrschaften zulasse und bloß noch die altgläubigen Glarner als Eidgenossen betrachte. Wirklich stellten die V Orte wiederholt (December 1531 und Mai 1532) die Forderung an die Glaruer Landsgemeinde, sie sollte die alte Ordnung in den Kirchen wieder aufrichten. Die Mehrheit lehnte dies ab, kam aber der altgläubigen Minderheit möglichst entgegen, indem sie in die Herstellung des katholischen Gottesdienstes zu Lintthal, Schwanden, Glarus und Näfels willigte. All diese Zugeständnisse befriedigten jedoch die Minderheit, die der kräftigen Unterstützung der V Orte sicher war, nicht. Im November 1532 kam es deshalb zu tumultuarischen Auftritten. Die Katholiken, deren Forderungen Gilg T. in ausführlichen Klagschriften motivirte, verlangten kurzer Hand Austreibung aller evangelischen Prädicanten. So weit, wie T. und seine Gesinnungsgenossen es wünschten, wagten nun doch im entscheidenden Moment die V Orte nicht zu gehen. Als sie die evangelischen Glarner zur Vertheidigung ihres Glaubens entschlossen sahen, willigten sie für ihre Schützlinge in eine Uebereinkunft (21. November 1532), die für beide Theile Religionsfreiheit stipulirte, die aber zugleich der katholischen Minderheit eine Sonderstellung sicherte, infolge deren Streitigkeiten zwischen den beiden Confessionen nicht durch Mehrheitsbeschlüsse, sondern auf dem Wege des Vertrags zu regeln waren.
[734] Da die Landvogteien alle zwei Jahre wechselten, war Tschudi’s Amt in Sargans im Frühjahr 1532 abgelaufen und er als Obervogt von Rorschach in den Dienst des ihm verwandten Fürstabtes Diethelm Blaarer von St. Gallen getreten. Dieser mochte in T. einen geeigneten Helfer für das schwierige Werk der Rekatholisirung seines ganz reformirt gewordenen Fürstenthums erblicken. Schon im Frühling 1533 wurde Gilg aber von Glarus wieder an die Spitze einer eidgenössischen Landvogtei berufen, und zwar der wichtigsten, Baden. Drei Wochen nach Pfingsten hielt T. seinen feierlichen Aufritt in das niedere Schloß zu Baden, die Residenz der Landvögte. Kraft seines neuen Amtes sah er sich mit einem Mal in den Mittelpunkt der eidgenössischen Geschäfte gerückt; er wurde gewissermaßen eidgenössischer Kanzler. Da seit der Reformation fast alle gemeineidgenössischen Tagsatzungen in Baden abgehalten wurden, hatte der Landvogt mit seinem Landschreiber ihren Sitzungen beizuwohnen, die Ausfertigung ihrer Beschlüsse und Missiven zu überwachen und sie mit seinem Siegel zu bekräftigen. Außerdem hatte er die hohe und in vielen Fällen auch die niedere Gerichtsbarkeit in der Grafschaft Baden auszuüben, für die öffentliche Sicherheit zu sorgen, Zölle und Weggelder einzuziehen, Geleite zu geben, die berühmten Messen in Zurzach zu überwachen und Anstände aller Art zu schlichten. Nicht selten wurde T. von der Tagsatzung auch in außeramtlichen Geschäften und Sendungen verwendet. Soweit uns die Acten einen Einblick in seine Verwaltung gewähren, scheint er sich in derselben mit großem praktischen Geschick bewegt zu haben. Auch in Baden fühlte er sich aber in erster Linie als Vertreter der altgläubigen Orte. Er stand mit diesen in ununterbrochenem Austausch von Mittheilungen über die Bewegungen der Reformirten und unterhielt für sie ständige Kundschafter im Gebiet von Zürich und Bern. Er verfolgte die evangelischen Prädicanten, die sich unvorsichtige Aeußerungen erlaubten, wegen Schmähung des katholischen Glaubens, suchte die Theilung der Kirchengüter in paritätischen Gemeinden möglichst zum Vortheil der Katholiken zu wenden und machte sich zum Anwalt des Johanniterordens, als derselbe von Bern die Rückgabe der 1526 eingezogenen Herrschaft Biberstein verlangte. Auch indirect wirkte er der Reformation entgegen. indem er sich bemühte, paritätische Gemeinden, denen es an katholischen Priestern fehlte, mit solchen zu versehen. Mit Argwohn überwachte Zürich das Thun des energischen Gegners; aber T. war vorsichtig genug, sich nie auf einem formal ungesetzlichen Schritt überraschen zu lassen.
Ueberblickt man die vielgestaltige politische Thätigkeit Tschudi’s in Baden, so staunt man darüber, daß er noch Zeit fand, gerade in diesen Jahren seine historischen Studien in umfassendster Weise zu fördern. Neben seiner Rhetia hatte er eine Geschichte des römischen und deutschen Reiches mit Beziehung auf die schweizerischen Lande unternommen und den Anfang derselben von 130 v. Chr. bis 269 n. Chr. völlig ausgearbeitet, für die Fortsetzung aber Materialien bis 958 gesammelt (Codex Einsidelensis 507), als ihn die Berufung nach Baden an der Weiterführung dieser Arbeit hinderte. Dafür stellte er jetzt seine Forschungen auf einen neuen Boden. Schon als Landvogt von Sargans hatte er bei der Anfertigung eines neuen Urbars, die auf seine Anregung hin beschlossen worden war, archivalische Studien gemacht und dieselben in St. Gallen fortgesetzt. Jetzt veranlaßten ihn sowohl die Obliegenheiten seines Amtes als das wissenschaftliche Interesse zu einer gründlichen Durcharbeitung des reichhaltigen eidgenössischen Archivs in Baden, das ihm völlig zur Verfügung stand. Zugleich benutzte er seine intimen Beziehungen zu den benachbarten geistlichen Stiftungen Wettingen, Muri u. a., die er sich durch mancherlei Dienste verpflichtete, um ihre Schätze an Urkunden und alten Handschriften zu ergründen. In Baden und Umgebung, besonders auf dem Boden des alten Vindonissa, fand er auch [735] Gelegenheit, seine epigraphischen Studien fortzusetzen. Damals hat er die Inschriften von Baden, Wettingen, Windisch, Altenburg, Zurzach, die sich in seiner ältesten vor 1542 entstandenen Sammlung helvetischer Inschriften (Codex Sangallensis 1083) befinden, copirt. Einen Meilenstein von 99 n. Chr., den ein Bauer im Mai 1534 zu Wylen unterhalb Baden beim Pflügen auffand, ließ er „von Wunders und alter Geschichten Anzeigung wegen“ bei seiner Amtswohnung aufstellen. Die antiquarischen Neigungen des Badener Landvogts waren so bekannt, daß ihm Antiquitäten von Windisch, wie die 1536 an Beatus Rhenanus übersandte Thonlampe, sowie zu Zurzach aufgefundene Gold-, Silber- und Kupfermünzen überbracht und geschenkt wurden. Im Juni 1535 verließ T. Baden und trat mit Beginn des folgenden Jahres 1536 zur Abwechslung in französische Kriegsdienste. Trotzdem die Tagsatzung aus Neutralitäts- und anderen Gründen die Werbung aufs strengste verbot, führte ihr gewesener Kanzler eine Schaar Reisläufer in die damals von einem Angriff des Kaisers bedrohte Provence. Die Kriegsfahrt Tschudi’s, die übrigens nur vier Monate dauerte und ganz friedlich verlief, ging nach Narbonne, von da über Nimes, Aigues mortes, Arles, durch das Steinfeld der Crau nach Marseille und berührte, sei es auf dem Hin- oder Rückweg oder auf beiden zusammen, auch Vienne und Lyon. Dieselbe diente T. vor allem dazu, seine Orts- und Inschriftenkenntniß zu erweitern. So copirte der schweizerische Kriegshauptmann in Lyon allein 17 Steine, sowie die große Erztafel des Claudius in vorzüglicher Weise und verschaffte sich von anderen Abschriften. Auf dieser Reise besuchte er auch die alte Hauptstadt Helvetiens, Avenches, und zeichnete dort ebenfalls Inschriften auf. Mit solcher Beute und einer französischen Pension kehrte er Ende Mai oder anfangs Juni 1536 in die Heimath zurück, wobei ihm das unangenehme Abenteuer zustieß, von Zürich, wo er mit seinen Kriegsgesellen einritt, in schroffster Weise aus Stadt und Landschaft weggewiesen zu werden. Der Rath der Stadt rechtfertigte auf die Beschwerde von Glarus sein Verfahren damit, daß in Tschudi’s Benehmen bei den wohlbekannten strengen Reisläuferverboten Zürichs eine bewußte Provocation gelegen habe.
Unmittelbar nach der Heimkehr wurde T. Mitglied des Rathes von Glarus, das er noch im gleichen Jahre zweimal als Bote auf der Tagsatzung vertrat. Sonst begann jetzt für ihn ein längeres Stillleben in der Heimath, das fast ausschließlich den Studien gewidmet war. Zunächst beschäftigte ihn die Herausgabe seiner Rhetia, an die er nunmehr die letzte Hand legte. Ermuntert durch seinen alten Lehrer Glarean, der nicht bloß die heftige Abneigung gegen die religiöse Neuerung mit ihm theilte, sondern auch ein naher Verwandter seiner Gattin Anna Stucki war, übersandte er ihm das Manuscript im November 1536 sammt seiner Schweizer Karte nach Freiburg i. Br. in der ausgesprochenen Absicht, beides zu publiciren. Glarean schickte Buch und Karte weiter an Beatus Rhenanus, mit dem T. schon früher in gelehrten Gedankenaustausch getreten war und dem er jetzt die zu Windisch gefundene Thonlampe, sowie die von ihm aufgezeichneten frühmittelalterlichen Curer Inschriften übersandte. Derselbe sollte das Werk prüfen und, wie Glarean hoffte, die als unerläßlich betrachtete lateinische Uebersetzung besorgen. Beatus äußerte über gewisse Punkte sein Bedenken, was T. Anlaß gab, in einem großen Briefe an ihn, der dann der lateinischen Ausgabe der Rhetia angehängt wurde, seine Ansichten zu vertheidigen, und lehnte es schließlich ab, sich mit der Uebersetzung zu befassen. Darauf übersandte Glarean die Karte Tschudi’s an Sebastian Münster in Basel zur Publication, und dieser erbat sich, nachdem er in Freiburg von der Rhetia Einsicht genommen, im August 1537 vom Verfasser die Erlaubniß, den deutschen und lateinischen Druck derselben ebenfalls besorgen zu dürfen. T. hat ohne Zweifel diese Erlaubniß [736] gegeben, und alles, was er in späterem Alter über den hinter seinem Rücken und gegen seinen Willen von Münster veranstalteten Druck erzählt hat, ist ein Mährchen, mit dem er sich gegen den Vorwurf, unreife Ansichten, die mit seinen späteren nicht mehr stimmten, in die Welt geschleudert zu haben, zu schützen suchte. Die im April 1538 zu Basel deutsch und lateinisch erschienene, mit der Schweizerkarte ausgestattete Erstlingsschrift Tschudi’s, die mit reichem gelehrtem Apparat und in origineller, lebendiger Darstellung ein damals so völlig unbekanntes Gebiet, wie die Urgeschichte und Topographie der Alpenländer, in einem wichtigen Stück erhellte, hatte beim gelehrten Publicum großen Erfolg. Glarean erklärte, seit 1000 Jahren sei in topographischen Dingen kein besseres Werk erschienen, und 1560 wurde dasselbe von Konrad Wolfhart zum zweiten Male, wiederum mit der Karte, herausgegeben. Um so auffallender ist es, daß die Rhetia das einzige Werk Tschudi’s geblieben ist, das zu seinen Lebzeiten im Druck erschien. Die Erklärung liegt darin, daß der Kreis seiner Studien sich immer mehr erweiterte und vertiefte, daß sie einerseits das ganze Gebiet des römischen Alterthums, andererseits die gesammte Schweizergeschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart umfaßten. Im J. 1540 (zwischen März und August) machte er, sei es aus wissenschaftlichen, sei es aus anderen Gründen, eine Reise nach Rom, die ihn über Mailand, Brescia, Verona, Padua, Bologna, Ravenna, Rimini, Ancona, Terni, Otricoli, Bolsena führte. An all diesen Orten, besonders aber in Rom, zeichnete T. wieder eine Menge Inschriften nach den Originalen auf. So gerüstet, wagte er sich an größere Arbeiten über das römische Alterthum. In die vierziger Jahre fällt die erste lateinische Bearbeitung des Stoffes der Gallia Comata (ohne Aquitanien und Rätien, Cod. Sangallensis 668), die, durchweg mit Quellenbelegen und Inschriften versehen, in den außerschweizerischen Theilen weit ausführlicher ist, als die entsprechenden Abschnitte in dem später gedruckten Werk, dann die Entstehung der Codices Sangallenses 661 und 1089, die eine gewaltige, aus den Autoren, Inschriften und Münzen geschöpfte Materialsammlung für eine römische Epigraphie und Alterthumskunde enthalten und den Beweis ablegen, daß Glarean nicht zu viel sagt, wenn er in einem Brief an König Ferdinand T. „einen vielbelesenen Mann und emsigsten Erforscher alles Alterthums“ nennt. Ein Verzeichniß seiner Münzsammlung aus dieser Zeit weist 152 Stücke auf; welchen Werth er darauf legte, zeigt ein gegenseitiges Testament zwischen ihm und dem gelehrten Luzerner Rathsherrn und späteren päpstlichen Gardehauptmann Jost v. Meggen, vom 11. Juni 1545, worin jeder dem anderen für den Fall seines Ablebens seine „numismata, oder heidnischen Pfennige“ vermacht. Hand in Hand mit diesen Alterthumsforschungen ging eine stäte Vermehrung seiner mittelalterlichen Collectanea, die er so anlegte, daß er für jedes Jahr ein oder mehrere Blätter bestimmte, auf die er dann alles, was ihm an Urkunden oder Chronikauszügen des betr. Jahres bekannt war, bald als Citat, bald in vollem Text eintrug. Diese riesigen Materialsammlungen stellte er anderen Mitforschern in uneigennützigster Weise zur Verfügung, und es ist ein schöner Zug, daß er dabei zwischen Protestanten und Katholiken keinen Unterschied machte. So theilte er dem Basler Historiker Niklaus Briefer 1540/41 eine Menge von Urkunden und Urkundenauszügen, namentlich aus den von ihm durchforschten aargauischen Archiven mit. Dem Züricher Pfarrer Stumpf überließ er für dessen große Schweizerchronik nicht bloß seine helvetische Inschriftensammlung; er gab sich auch große Mühe, die von Stumpf selber 1544 aufgezeichneten, aber nicht verstandenen Walliserinschriften lesbar zu machen, und stellte ihm seine „Gallia Belgica“, sowie seine „Annalia“, d. h. seine chronologisch geordneten Urkunden- und Chronikenauszüge zur Verfügung, war dann freilich, als Stumpf’s Werk [737] Ende 1547 erschien, über die polemischen Abschweifungen desselben gegen Mönchsthum, Bilder etc. peinlich überrascht.
War T. als einfaches Rathsglied in den Jahren 1536–1548 verhältnißmäßig selten in Staatsgeschäften thätig – wir sehen ihn außer 1536 bloß 1538, 1540, 1541 und 1546 als Boten seines Standes auf Tagsatzungen oder Conferenzen einzelner Orte –, so tritt dagegen mit Ende 1548 seine politische Thätigkeit für anderthalb Jahrzehnte durchaus in den Vordergrund. In einem Rechtsstreit zwischen den im Thurgau regierenden VII Orten und den Städten Bern, Freiburg und Solothurn von den ersteren zu einem ihrer Anwälte bestimmt, fungirte er als solcher im November 1548 und Januar 1549 auf Rechtstagen zu Zofingen. Dann vertrat er Glarus im Februar, März und April auf der Tagsatzung und wurde im Juni 1549 zum zweiten Mal zum Landvogt von Baden gewählt. Auch die zweite Verwaltungsperiode in Baden zeigt, daß T. mit seinen gelehrten Kenntnissen praktische Gewandtheit und Energie zu verbinden wußte. So faßten die regierenden Orte auf seine Vorschläge hin eine Reihe von Beschlüssen, die der Ueberschuldung der Güter, der Proceßsucht der Bewohner, den Betrügereien auf der Zurzacher Messe u. s. w. entgegentreten sollten. Da ihm nach dem Tod des Abtes Johann Nöthlich von Wettingen keiner der Conventualen zum Nachfolger tauglich schien, bewirkte er, daß die VIII regierenden Orte von sich aus den Bruder des ihm befreundeten Abtes Joachim von Einsiedeln, den Decan Petrus Eichhorn in St. Gallen, zum Vorsteher des Klosters ernannten, und nöthigte die Conventualen zur Huldigung gegen den neuen Abt durch Androhung der Einkerkerung im Schloß zu Baden oder der Verweisung aus dem Kloster. Auch jetzt erhielt T. Gelegenheit, mit den Amtsgeschäften eine bedeutende Förderung seiner historischen Studien zu verbinden. Infolge der Autorität, die er sich als Kenner des urkundlichen Rechts erworben hatte, erhielt er 1550 von den VII alten Orten den geheimen Auftrag, zur Feststellung ihrer obrigkeitlichen Rechte sämmtliche Archive der thurgauischen Gotteshäuser und Gerichtsherrn, sowie der Stadt Frauenfeld zu untersuchen. In Baden verlor T. am 16. April 1550 seine erste Gattin, Anna Stucki, die ihm mehrere Kinder geboren hatte, vermählte sich aber schon gegen Ende des Jahres wieder mit Barbara Schorno, der Schwester des späteren Landammanns Christof Schorno von Schwyz.
Nach Ablauf seiner zweijährigen Amtsdauer kehrte T. nach Glarus zurück; aber sein Ansehen in der Eidgenossenschaft war so gestiegen, daß er fortwährend für Staatsgeschäfte in Anspruch genommen wurde, namentlich da, wo es schwierige Rechtshändel zu erledigen galt. So wurde er 1553 von den VII alten Orten mit der Führung eines Rechtsstreites gegen Graubünden wegen der Herrschaft Haldenstein betraut und vom Grafen von Greyerz zum Schiedsrichter in einem langwierigen Rechtshandel mit seinen Gläubigern, insbesondere Bern und Freiburg, ernannt. 1554 wählte ihn Luzern in einem Grenzstreit mit Bern und Solothurn in Zollstreitigkeiten mit Basel zum Schiedsrichter. Zugleich gaben ihm die VII alten Orte den Auftrag, für Herstellung der unfahrbar gewordenen Landstraße in der Grafschaft Sargans zu sorgen. 1555 ernannten ihn dieselben wieder zum Anwalt in ihrem Conflict mit Bern, Freiburg und Solothurn wegen des Thurgaues, und die VIII alten Orte zum Schiedsrichter in einem Grenzstreit mit der Herrschaft Lauffenburg. Von größter Wichtigkeit war die Rolle, die T. 1554/55 in dem Streit wegen der evangelischen Locarner, der beinahe zu einem neuen Religionskrieg geführt hätte, spielte. T. übernahm als Vertreter des paritätischen Standes Glarus im Verein mit dem gleichfalls katholischen Landammann von Appenzell die Vermittlung und wußte dieselbe so zu [738] wenden, daß die Reformirten ohne Kampf die stärkste Niederlage erlitten. Die evangelischen Locarner mußten ihre Heimath verlassen und das für die Reformirten verhängnißvolle Recht der Mehrheit der Orte, auch in Glaubenssachen zu entscheiden, mußte von jenen, die nicht den Muth hatten, dagegen mit den Waffen zu protestiren, anerkannt werden. Die Geschicklichkeit, mit welcher T. diesen ganzen Handel zum Vortheil der Katholiken zu lenken verstand, entlockte seinem alten Freunde Glarean den Ausruf: „Hätten wir noch zwei oder drei Tschudi’s, so würde unser Krebsgeschwür geheilt!“ Mit dem Locarnerhandel hatte Tschudi’s Ansehen als Staatsmann den Höhepunkt erreicht. Papst Paul IV. hielt dasselbe für so groß, daß er seinen Nuntius, den Bischof von Terracina, durch Schreiben vom 12. Juni 1556 bei ihm besonders accreditirte. In Glarus selbst rückte T. 1554 zur zweiten Stelle des Landes, zum Statthalter vor, dagegen sah er sich 1556 bei der Landammannwahl einen reformirten Nebenbuhler, Paul Schuler, vorgezogen. Mit dem zunehmenden Alter hatte sich seine Abneigung gegen die Reformation trotz seines freundschaftlichen Verkehrs mit einzelnen Reformirten keineswegs gemildert; jetzt verband sich der allgemeine Impuls, der seit der Thronbesteigung Paul’s IV. durch die katholische Welt ging, mit seinem verletzten Ehrgeiz, um in ihm den Plan einer gewaltsamen Gegenreformation in der Schweiz zur Reife zu bringen. Die Sieger von Kappel, deren Thaten er eben in einer tendenziösen, aber wohl abgerundeten und lebendig geschriebenen Geschichte des Kappeler Krieges aufgezeichnet hatte, waren in seinen Augen das auserlesene Werkzeug Gottes, um das Krebsgeschwür zunächst in Glarus auszuschneiden. Aus den früheren Interventionen der V Orte leitete er das Recht derselben zu erneutem Einschreiten ab; da die neugläubigen Glarner ihre 1531 gegebenen Zusagen nicht gehalten hätten – die Messe in Lintthal und Schwanden war nämlich eingegangen –, seien die älteren Zusagen von 1527 und 1528 wieder in Kraft getreten, und die V Orte hätten kraft derselben das Recht, von Glarus einfach die Herstellung des Katholicismus zu verlangen. Die Staatsmänner der V Orte, denen T. alle die Acten über die früheren Interventionen zustellte und die ihm eng befreundet, zum Theil, wie Landammann Schorno in Schwyz, nahe verwandt waren, gingen auf seine Ansichten ein und beschlossen auf einer Conferenz vom 28. Juli 1556, gegen Glarus vorzugehen. T. spielte dabei eine eigenthümliche Doppelrolle. Während er im Geheimen der spiritus rector des ganzen Feldzuges gegen seine evangelischen Mitlandleute war, führte er öffentlich als Glarner Magistrat, wenigstens anfänglich, eine versöhnliche Sprache. Am 23. August 1556 stellten die V Orte durch ihre Botschaft an die Glarner Landsgemeinde in schroffster Form das Begehren, sich unverzüglich nach Meßpriestern umzusehen und die Prädicanten wegen Glaubensschmähungen aus dem Lande zu weisen. Die Glarner beeilten sich, in Lintthal einen katholischen Priester anzustellen und in Schwanden, wo es nach Tschudi’s eigenem Zugeständniß kaum mehr einen Katholiken gab, durch den Pfarrer von Glarus Messe lesen zu lassen. Die V Orte ließen durch diese Bereitwilligkeit entwaffnet, die Sache einstweilen ruhen, weigerten sich aber, ohne Zweifel nach Tschudi’s Anweisung, den Glarnern eine bestimmte Anwort zu ertheilen, ob sie damit die Angelegenheit für erledigt hielten oder nicht. Als der Pfarrer von Glarus nicht länger in Schwanden vor leeren Bänken Messe lesen wollte, faßten sie, obwohl T. mittlerweile im Mai 1558 zum Landammann gewählt worden war, im October dieses Jahres neuerdings feindselige Beschlüsse gegen Glarus. Um dieselbe Zeit wurde T. – bezeichnend für sein Verhältniß zu den V Orten – ins Landrecht von Schwyz und Uri aufgenommen. Eine eidgenössische Mission des Mannes, der als Lenker unentbehrlich war, verzögerte indeß den Angriff. Im Frühjahr 1559 wurde er nämlich mit dem Zürcher Stadtschreiber Escher [739] an den Reichstag nach Augsburg gesandt, um vom Kaiser Ferdinand die Freigebung des Silberkaufs und zugleich eine allgemeine Bestätigung aller Freiheiten der eidgenössischen Orte und Zugewandten zu verlangen. Die Gesandten erreichten ihren Zweck und fanden ehrenvolle Aufnahme; jeder erhielt vom Kaiser eine goldene Kette, T. noch besonders für sich am 23. April 1559 ein Diplom, das sein Geschlecht von Alters her für adlig erklärte und bestimmte, daß auch Heirathen mit nichtadligen Frauen dem Stand desselben keinen Eintrag thun sollten. Leider hat T. diesen Adelsbrief unter Umständen erlangt, die auf seinen Charakter ein schlimmes Licht werfen. Da das Diplom sich auf Documente beruft, aus denen die uralte edle Abstammung der T. klar hervorgehe, so steht wohl außer Zweifel, daß T. in Augsburg von jenen Eingangs erwähnten unächten Meieramtsurkunden Gebrauch gemacht hat, sei es, daß er sie damals zu diesem bestimmten Zwecke fälschte, sei es, daß er sie schon früher angefertigt hatte, um den Glanz seiner Familie zu erhöhen.
Mit Tschudi’s Rückkunft trat der Streit zwischen den V Orten und den Glarnern in sein acutes Stadium. Da an freiwillige Rückkehr der evangelischen Glarner zum Katholicismus nicht zu denken war, beschlossen die Staatsmänner der V Orte in geheimen Conferenzen im Spätherbst 1559, zur Gewalt zu schreiten und, da voraussichtlich Zürich und Bern eine solche Unterdrückung ihrer Glaubensgenossen nicht gutwillig geschehen ließen, alle Vorbereitungen zum Kriege zu treffen, insbesondere den Papst um Geld- und Truppenhülfe anzugehen. Daß T., der regierende Landammann, bei all diesen Zettelungen gegen sein Land die Hand im Spiele hatte, beweist ein von ihm geschriebener, im Archiv Schwyz befindlicher Entwurf der Kriegserklärung an Evangelisch-Glarus. So verdeckt er auch sein Spiel trieb, das Mißtrauen gegen ihn wurde so groß, daß er im Mai 1560 nicht wieder gewählt und durch einen gemäßigten Katholiken, Gabriel Hässi ersetzt wurde. Es kam indeß nicht zu dem von ihm so heiß gewünschten Kriege. Uri und Zug zeigten sich unentschlossen, die unbetheiligten Orte, auch die katholischen Städte Freiburg und Solothurn legten sich ins Mittel und drängten auf rechtliche oder gütliche Erledigung des Streites. Zwar kündeten die V Orte im October 1560 den evangelischen Glarnern in aller Form die Bundesgemeinschaft auf und wiesen alle Vergleichsvorschläge zurück, so daß jene jeden Augenblick einen Ueberfall erwarteten. T. und seine Genossen ließen es in der That an Bemühungen, denselben zu beschleunigen, nicht fehlen. Während er in Glarus durch öffentliche Disputationen mit den evangelischen Prädicanten, sowie durch theologische Tractate, die seine Gelehrsamkeit auch in dieser Richtung bezeugen, für den Katholicismus Propaganda machte, sandte er heimlich an seinen Schwager, Landammann Schorno in Schwyz, ein Schreiben um das andere, um die V Orte zum unverzüglichen Losschlagen zu ermuntern; sogar durch die Schilderung eines Wunderzeichens von fünf Feuern, die sich in der Nacht des Unschuldigenkindleintages am Horizont in der Richtung gegen Schwyz hin hätten sehen lassen, suchte er ihren Eifer für den Glaubenskampf anzustacheln. In Schwyz und Unterwalden war in der That die Stimmung der Vorsteher, wie der Massen sehr kriegerisch. Aber die Zurückhaltung des Papstes und die Rücksicht auf das zu eröffnende Concil von Trient ließ den anderen drei Orten, insbesondere den gewichtigen Luzernern einen Aufschub wünschbar erscheinen. Deshalb ließen sich die V Orte mit Glarus in einen Rechtsstreit ein, so daß sich der ganze Handel verschleppte. Noch immer hoffte T. von der Beendigung des Concils die Erfüllung seiner Wünsche und suchte deshalb durch die ihm befreundeten schweizerischen Gesandten auf demselben, Landammann Lussi und Abt Joachim von Einsiedeln, den sein Sohn Martin als Edelknabe nach Trient begleitete, auf einen raschern Gang der Berathungen der Versammlung hinzuwirken. [740] In Glarus selbst wuchs die Erbitterung gegen ihn, den die Volksstimme allgemein als Urheber dieses „Tschudikrieges“ bezeichnete, derart, daß er, als eines Morgens ein Galgen an sein Haus gemalt war, sich entschloß, nach Rapperswil überzusiedeln (Nov. 1562). Allmählich machte sich in den V Orten eine Ermüdung in dem ohne jeden triftigen Grund heraufbeschworenen Glaubensstreit bemerklich. Ein von beiden Parteien bezeichnetes Schiedsgericht brachte im Mai 1563 Vergleichsvorschläge zu stande, die von Evangelisch-Glarus sofort angenommen wurden. Obwohl dieselben allen billigen Forderungen der Katholiken Genüge thaten, wirkte T. von Rapperswil aus ihrer Annahme in den V Orten nach Kräften entgegen. Er verlangte, die V Orte sollten in erster Linie darauf dringen, daß Glarus sich den Beschlüssen des Concils zu unterziehen habe, in zweiter, falls Luzern, Uri und Zug dazu nicht die Hand bieten würden, daß die Katholiken, die nach seinem eigenen Zugeständniß nur etwa 300 Mann zählten, die Hälfte aller Landesbeamtungen in besonderer Gemeinde wählen sollten, in dritter endlich, daß wenigstens im Hauptflecken der reformirte Gottesdienst unterdrückt werde. Während Luzern und Zug nach gewissen Modificationen in die Vergleichsartikel willigten, stellten in der That die drei Waldstätte im Januar 1564 an Glarus noch einmal das Ansinnen, daß es sich dem tridentinischen Concil unterwerfen müsse. Auf die Bitten der vermittelnden Orte traten jedoch auch Uri und Unterwalden schließlich dem Vergleiche bei, der am 3. Juli 1564 zu Baden in aller Form aufgerichtet wurde. Nur Schwyz beharrte unter dem Einfluß neuer Vorstellungen Tschudi’s auf seiner Weigerung, erklärte aber, nachdem Zürich, Bern, Luzern und Zug es in aller Form von bundeswidrigen Gewaltthaten abgemahnt hatten, am 27. October, wieder neben Glarus auf der Tagsatzung sitzen und es an der Verwaltung der gemeinen Herrschaften theilnehmen lassen zu wollen. Damit war der „Tschudikrieg“, der fünf Jahre lang die ganze Eidgenossenschaft in Athem gehalten und sie an den Rand des Bürgerkrieges gebracht hatte, von einem kleinen Nachspiel abgesehen, zu Ende. Als T. nämlich bei einem Besuch in Glarus bei seinem Bruder Jost übernachtete, waren an die Hausthüre die Worte: „O Du Verräther, bist auch wieder hier“; geschrieben worden. Er erhob wegen dieser und anderer Beschimpfungen beim Rath von Glarus Injurienklage. Da dieser Neigung zeigte, sich auf den Standpunkt zu stellen, daß die Annahme des Religionsvertrages eine allgemeine Amnestie involvire, brachte er durch Schwyz die Sache vor die Tagsatzung, welche im März 1565 sich des Friedens halber im wesentlichen auf den Standpunkt von Glarus stellte und T., den die „Boten der Eidgenossen für einen frommen, braven Mann halten“, bat, sich damit zufrieden zu geben. Die Tagsatzung vom 1. Juli 1565 ersuchte ihn sogar, wieder nach Glarus zu ziehen, und bat in einem Schreiben, worin sie ihn einen „weisen, verständigen Mann“ nannte, „der die unter den Eidgenossen waltenden Anstände oft gütlich und rechtlich hat schlichten helfen und der von eidgenössischen Sachen mehr Wissen hat, als kein anderer“, die Glarner Regierung, ihm in gleichem Sinne zu schreiben. Obwohl diese einen solchen Schritt ablehnte, kehrte T. im Herbst 1565 nach Glarus zurück. Seine politische Laufbahn aber war zu Ende. Auf der Tagsatzung erschien er nicht mehr, wenigstens nicht als officieller Vertreter seines Standes. 1566 war er noch einmal als Mitglied eines Schiedsgerichtes zwischen dem Abt und der Stadt St. Gallen thätig, und 1570 sandte ihn der Rath von Glarus in einer Angelegenheit des Gasterlandes nach Schwyz. Im übrigen scheint er zu keinen Staatsgeschäften mehr gebraucht worden zu sein.
So gewann der mit ungewöhnlicher Arbeitskraft begabte Mann die Muße, um sich wieder ganz seinen wissenschaftlichen Arbeiten zuzuwenden, die indeß auch in der bewegtesten Periode seines Lebens nie völlig geruht hatten. Aus Briefen, [741] die er in den fünfziger Jahren an Stadtschreiber Escher in Zürich und den Unterschreiber Zacharius Bletz in Luzern richtete, sieht man, wie er sich fortwährend bemühte, seine schweizergeschichtlichen Collectaneen durch Copien von Actenstücken zu ergänzen, während er sich das in einem Gewölbe verfaulende Glarner Archiv in natura aneignete. Auch hatte er schon die Ausarbeitung des ersten Entwurfes der eidgenössischen Chronik, wie er für die Jahre 1200–1470 in dem Autograph der Stadtbibliothek Zürich vorliegt, begonnen, wenn nicht vollendet; wenigstens lieh er seine Darstellung des Zürichkrieges, die er aus den Chroniken Fründ’s, des Landschreibers Wanner von Glarus und des Stadtschreibers Eberhard Wüst von Rapperswil, sowie aus Glarner Archivalien, „zusammen gelesen“ habe, 1556 dem Zacharias Bletz. In die fünfziger Jahre scheinen außer dem Kappelerkrieg auch seine Arbeiten zur Geschichte des Klosters Einsiedeln, die lateinische Material- und Notizensammlung, die als liber Heremi im ersten Band des Geschichtsfreundes der V Orte publicirt worden ist, und die deutsche Ausarbeitung der Annalen des Klosters mit Urkunden, die noch nicht veröffentlichte Antiquitatum Monasterii Einsidlensis Collectio, zu fallen. Während seines Aufenthalts in Rapperswil trat er mit dem jungen Züricher Gelehrten Josias Simler, Antistes Bullinger’s Schwiegersohn, der sich mit dem Plan einer Beschreibung und Geschichte der Eidgenossenschaft trug, in Verbindung, und ein freundschaftlicher Austausch von wissenschaftlichen Mittheilungen entspann sich zwischen den beiden, der bis zu Tschudi’s Tod fortdauerte und uns werthvolle Aufschlüsse über den Gang seiner Arbeiten, wie über seine Auffassung der Aufgabe des Historikers gewährt. T. übersandte Simler einzelne Beiträge, wie er sich andererseits dessen Arbeiten vorlegen ließ und dazu seine kritischen Bemerkungen machte. Im Juni 1568 mahnte ihn Simler, selber die helvetischen Geschichten zu beschreiben, da ihm so viele Archive der Eidgenossen offen gestanden hätten, worauf T. erwiderte, daß er allerdings den Stoff dazu, in große Bücher oder Corpus geordnet, großentheils bei einander habe und daß mit geringer Arbeit eine förmliche Historie daraus zu ziehen wäre; indeß fehle ihm noch Manches und er fürchte, er sei zu alt, um ein solches Werk zu vollbringen. Doch übersandte er schon im October 1568 seinem Freunde eine Geschichte des Cimbrischen Krieges, die dann ein Bestandtheil der Gallia Comata wurde. Ermuntert durch den Beifall, den diese Probe bei Bullinger und anderen Zürcher Gelehrten fand, machte sich der 63jährige rüstig an die Arbeit. Sein Plan war, die Ergebnisse seiner Forschungen zu einer großen Historie des Schweizerlandes für den Druck zusammenzufassen. Noch immer suchte er seine Materialien mit größtem Eifer zu vervollständigen. Nicht nur wandte er sich zu diesem Zweck an seine Zürcher Freunde und an Zacharias Bletz; er machte auch im Sommer 1569 selber eine Archivreise in die Urschweiz und fand namentlich in Unterwalden reiche Ausbeute. Auf das Drängen seiner Freunde in den Waldstätten redigirte er (nach dieser Reise) zunächst ein „Mittelbuch“, d. h. er fing seine Historie im Jahr 1000 n. Chr. an und arbeitete seinen im Züricher Autograph enthaltenen früheren Entwurf in den ältern Partien nach den von ihm neu aufgefundenen Archivalien und den mündlichen Erzählungen, die er in der Urschweiz vernommen hatte, vollständig um, während er für die Zeit von 1414 an jenen Entwurf endgültig adoptirte. Am 15. Mai 1571 konnte er Simler berichten, daß die Jahre 1000 bis 1470 fertig seien. Erst nach Vollendung dieses Mittelbuchs (der spätern „Chronik“) machte er sich an den Anfang seines großen Werkes. Als Einleitung gedachte er demselben einen beschreibenden Theil vorauszuschicken, der im Rahmen einer Schilderung des römischen Galliens und Rätiens Topographie und Alterthümer der schweizerischen Lande enthalten sollte. Den Stoff dazu hatte er in seiner in den Vierziger Jahren entstandenen Beschreibung [742] Galliens und der Rhetia im wesentlichen beieinander, so daß es sich nur noch um eine die außerschweizerischen Theile abkürzende Redaction handelte. Das Anerbieten Simler’s, seine Arbeit ins Lateinische zu übersetzen, nahm er gerne an unter der Bedingung, daß die Uebersetzung nicht ohne sein Wissen vor dem deutschen Original erscheine, und übersandte ihm am 26. Februar 1572 das vollständige Manuscript der Einleitung (der später sogenannten (Gallia Comata) zur Abschrift, indem er den Entschluß aussprach, nun mit der Historia bis zum Jahre 1000, womit die Lücke zwischen der Einleitung und dem vollendeten Mittelbuch ausgefüllt werden sollte, zu beginnen. Zwei Tage später erlag er jedoch einer Krankheit, die ihn schon seit Jahren heimgesucht und zeitweilig arbeitsunfähig gemacht hatte. Wenige Jahre vor seinem Tode hatte er sich zum dritten Mal mit einer Witwe Püntiner aus Uri verheirathet. Von mehreren Söhnen aus erster und zweiter Ehe überlebte ihn keiner; doch hatte sein Sohn Herkules, der 1552 gestorben war, einen Sohn Johann Rudolf hinterlassen. Außerdem waren vier Töchter da, von denen sich eine mit dem späteren Landammann Melchior Hässi vermählt hatte.
Ueber Tschudi’s litterarischer Verlassenschaft waltete ein eigenthümlicher Unstern. Die Erben konnten sich nicht entschließen, Simler’s Anerbieten, das Werk Tschudi’s zu vollenden, anzunehmen und ließen sich von ihm das Manuscript der Gallia Comata. zurücksenden. So blieben Tschudi’s Arbeiten ungedruckt. 1652 kam sein handschriftlicher Nachlaß durch einen Bruderenkel Tschudi’s, Landammann Fridolin T., auf das Schloß Gräplang. Dieser Manuscriptenschatz blieb aber fortwährend ein Gegenstand der Aufmerksamkeit seitens aller Geschichtsfreunde in der Schweiz und Kenntniß davon wurde durch zahlreiche Abschriften verbreitet. Namentlich bemühten sich die Abteien Muri und Engelberg um solche, während auch manche Originalien in fremden Besitz gelangten. Endlich gab der Basler Professor Johann Rudolf Iselin, nachdem er sich umsonst bemüht hatte, die Mittheilung des Manuscripts auf Gräplang zu erlangen, 1734 den ersten Band der Chronik nach einer Abschrift in Muri heraus. Für den zweiten Band, der 1736 nachfolgte, erhielt er nun doch Einsicht in das Original und überzeugte sich, daß dasselbe mit der Murenser Copie stimme. 1758 publicirte Johann Jacob Gallati, Pfarrer zu Bärschis bei Flums, auch die Gallia Comata nach dem auf Gräplang liegenden Original, freilich in modernisirtem Deutsch und unter Beifügung mancher störenden Einschiebsel aus andern Tschudi’schen Manuscripten. Die Veröffentlichung des Kappelerkriegs erfolgte erst 1826 in Balthasar’s Helvetia. Den Handschriftenschatz aber veräußerte der letzte Baron Tschudi auf Gräplang wegen bedrängter Vermögensverhältnisse stückweise; die Hauptmasse erwarben 1767 die Regierung von Zürich und der Fürstabt Beda von St. Gallen, so daß sich jetzt derselbe größtentheils im Staatsarchiv und in der Stadtbibliothek Zürich, sowie in der Stiftsbibliothek St. Gallen befindet; doch sind auch werthvolle Stücke, insbesondere das Originalmanuscript der letzten Redaction der Chronik verschwunden.
Es ist bekannt, wie vollständig T. bis tief ins 19. Jahrhundert hinein die Auffassung der Schweizergeschichte beherrscht hat, wie insbesondere seine Darstellung des Ursprungs der Eidgenossenschaft europäisches Gemeingut geworden ist und Schiller, wie Johannes v. Müller als Quelle gedient hat. Erst durch Kopp’s bahnbrechende Forschungen ist das kanonische Ansehen Tschudi’s zerstört worden. Aber es zeugt gerade von der Bedeutung des Historikers des 16. Jahrhunderts, daß der Fortschritt der schweizerischen Geschichtsforschung des 19. Jahrhunderts in erster Linie eine Auflehnung gegen seine Autorität sein mußte. T. bildet in der schweizerischen Historiographie einen Markstein und für die ältere [743] Periode den Höhepunkt. In Bezug auf kräftige Sprache, anschauliche epische Darstellung kommen ihm Bullinger und andere gleich, aber alle älteren Historiker der Schweiz überragt er durch die Größe der Aufgabe, die er sich setzte und durch den gewaltigen Forscherfleiß, mit dem er sie durchführte. Vor ihm hatte es in der Schweiz vortreffliche Chroniken einzelner Städte und einzelner Perioden gegeben, aber, wenn wir von der dürftigen Compilation Etterlin’s absehen, keine Schweizergeschichte. T. war der erste, der es unternahm, auf Grund wirklicher Forschung einen Gesammtbau der schweizerischen Landesgeschichte zu errichten, und er war sich über die Anforderungen, die ein solches Unternehmen an ihn stellte, vollkommen klar. Wie er für die römisch-keltische Epoche nicht nur alle Autoren durchlas, sondern, der erste in der Schweiz, den Ueberresten, den Inschriften und Münzen nachging und über dem Bemühen, sie zu entziffern, ein Alterthumskenner wurde, wie es zu seiner Zeit wenige diesseits der Alpen gab, so hat er für das Mittelalter nicht bloß die gedruckten und handschriftlichen Chronikwerke in seltener Vollständigkeit verwerthet, sondern mit Jahrzehnte langer Ausdauer ein Urkundenmaterial zusammengebracht, für das wir ihm noch heute dankbar sein müssen, da viele der von ihm copirten Originalien verloren sind. Auch die Sprache, die Ortsnamen, Sitten und Gebräuche hat er als Geschichtsquellen erfaßt und ihnen seine Aufmerksamkeit zugewendet, wie er durch seine Rhetia der Begründer der schweizerischen Topographie geworden ist. Wenn aber T. im Princip der Geschichtsforschung, in der Aufsuchung ihrer Mittel ganz modern ist, so steht er allerdings in Bezug auf ihre kritische Verwerthung selbst hinter Zeitgenossen, z. B. hinter Vadian zurück. Die Ergebnisse seiner großartigen Forschungen stehen in keinem Verhältniß zu den aufgewendeten Mitteln. Von vorgefaßten Theorieen ausgehend, wie der Identität der Kelten und Germanen, der Zusammensetzung der Alamannen aus Vindeliciern und Tigurinern, construirt er nicht ohne Geist und Scharfsinn die Urgeschichte seines Landes in so grundverkehrter Weise, daß heute seine Ausführungen nur noch unser Lächeln erregen können. Die mündliche Tradition hält er für eine ächte Geschichtsquelle und findet sich in rationalistischer Weise damit ab, wie er z. B. die angebliche Herkunft der Schwyzer aus Schweden mit dem Cimbernzug und die Tellsage mit der Ländergier Albrecht’s in Zusammenhang bringt. Und während er in der Rhetia seine gewagten Vermuthungen und Combinationen noch als solche gibt, kann er im Alter der Versuchung nicht widerstehen, ihnen das Gewand apodiktischer Wahrheiten zu verleihen. Je länger je mehr läßt er einem Mangel seines Intellects, dem Hang zur bewußten Unwahrheit die Zügel schießen. Er combinirt nicht bloß in willkürlichster Weise, er erfindet sogar Namen, Daten, Zahlen, Histörchen, um seinem künstlerischen Bedürfniß nach Abrundung und Vollständigkeit zu genügen. Daß er bei seiner Geschichtschreibung patriotische Rücksichten in starkem Maaße walten läßt, mag mit seiner Vaterlandsliebe entschuldigt werden; aber er hat sich der bewußten Unwahrheit schuldig gemacht, auch da, wo keine solchen Rücksichten im Spiel waren. Wie er als Politiker sich von den V Orten auf offener Tagsatzung seine Unschuld im Tschudikrieg bezeugen ließ, während seine Briefe das Gegentheil beweisen, wie er zu Ehren des Klosters Einsiedeln selbsterlebte Wundergeschichten erfand, so hat er Sebastian Münster eine perfide Handlung angedichtet, nur um vor der Welt nicht als mit sich selbst im Widerspruch stehend zu erscheinen, behauptet, Inschriftenfragmente, die nie dagewesen sind, copirt zu haben, um seinen Ergänzungen den Schein der Authenticität zu verleihen, und endlich eine ganze Serie von Urkunden gefälscht, um sich und den Seinen den Adelstitel beizulegen. Trotz der tiefen Schatten, die T. als Mensch, Politiker und Gelehrten anhaften, [744] wird er nach wie vor vermöge seines staunenswerthen Sammelfleißes, seiner umfassenden Gelehrsamkeit, seiner Erzählungs- und Gestaltungsgabe seinen hervorragenden Platz unter den Geschichtschreibern deutscher Zunge, den ihm der bekannte Ausspruch Goethe’s zuerkannt hat, behaupten.
- Fuchs, Egidius Tschudi’s Leben und Schriften. Mit Urkunden. 2 Theile. 1805. – Vogel, Egidius Tschudi als Staatsmann und Geschichtschreiber. 1856. – Blumer, Aegidius Tschudi (Jahrb. des historischen Vereins Glarus VII. 1871). – Derselbe, Aegidius Tschudi als Geschichtschreiber (Jahrb. des hist. Vereins Glarus X. 1874). – v. Liebenau, Zu Tschudi’s Cappelerkriege (Anzeiger f. Schweiz. Gesch. III. 1881). – Vögelin, Wer hat zuerst die römischen Inschriften in der Schweiz gesammelt und erklärt? (Jahrb. für schweiz. Gesch. XI. 1886). – Derselbe, Aegidius Tschudi’s Epigraphische Studien in Südfrankreich und Italien (Mitteil. Antiquar. Gesellschaft Zürich XXIII. 1887). – Derselbe, Gilg Tschudi’s Bemühungen um eine urkundliche Grundlage für die Schweizergeschichte (Jahrb. für schweiz. Gesch. XIV u. XV. 1889 u. 1890). – G. v. Wyß, Ueber die Antiquitates Monasterii Einsidlensis und den liber Heremi des Aegidius Tschudi (Jahrb. für schweiz. Gesch., 1885). – Derselbe, Die eigenhändige Handschrift der Eidgenössischen Chronik des Aegidius Tschudi in der Stadtbibliothek Zürich (Neujahrsblatt 1889). – Derselbe, Zu den Forschungen von Schulte über Aegidius Tschudi (Jahrb. des historischen Vereins Glarus XX. 1894). – Herzog, Die Beziehungen des Chronisten Aegidius Tschudi zum Aargau (Argovia 1888). – Wolf, Geschichte der Vermessungen in der Schweiz. 1879. – Graf, Beitrag zur Kenntniß der ältesten Schweizerkarte von Aegidius Tschudi. 1885. – Schulte, Gilg Tschudi, Glarues und Säckingen (Jahrb. für schweiz. Gesch. XVIII. 1893). – Wattelet, die Jahre 1298 bis 1308 aus Egidius Tschudi’s Chronik aus dem Entwurf auf der Stadtbibliothek Zürich (Arch. für schweiz. Gesch. XIX. 1874). – Vogel, Einige Bruchstücke aus der Fortsetzung von Tschudi’s Schweizerchronik (Arch. für schweiz. Gesch. X. 1855). – Briefe an und von Tschudi, soweit sie nicht bei Vogel abgedruckt sind, im Geschichtsfreund der V Orte XVI. 1860. – Anzeiger für schweiz. Gesch. u. Alterthumskunde, 1864 u. 1865. – Anzeiger für schweiz. Gesch. IV. – Argovia IX. – Der Pilger (Einsiedler Sonntagsblatt 1845). – Archiv für Reformationsgesch. I. (1869). – Briefe Glarean’s an Tschudi (Manuscript, Stadtbibl. Zürich). – Vgl. ferner Eidgenössische Abschiede, Strickler’s Actensammlung zur Reformationsgeschichte, Valentin Tschudi’s Chronik (her. v. Strickler, Jahrb. hist. Ver. Glarus XXIV. 1888). – Blumer, Urkundensammlung zur Gesch. des Kantons Glarus. – Derselbe, Geschichte der Reformation im Land Glarus (Jahrb. hist. Ver. Glarus IX u. XI. 1873–1875).– Ders., Staats und Rechtsgesch. der schweiz. Demokraten II. 1858.