ADB:Wimpina, Konrad
Luther’s, den er als einer der letzten Scholastiker in zahlreichen Schriften bekämpfte, geboren um 1460 zu Buchen im Odenwalde (Conradus ex Fagis), wo sein Vater Gerber war, gewöhnlich genannt Wimpina oder Wimpinas von Wimpfen a. Neckar, nach dem Kanonikat, das er dort besaß. 1479 in Leipzig unter dem Rector Johann Herold immatriculirt, ward er 1481 Baccalaureus, ging dann wahrscheinlich einige Zeit nach Rom, um classische Studien zu betreiben, begann 1484 als Magister in Leipzig philosophische Vorlesungen zu halten, disputirte eifrig und verfaßte 1486 oder 1487 für seine Zuhörer seine erste Schrift: „Praecepta augmentandae rhetoricae orationis commodissima et ars epistolandi“, eine Anweisung zur Anfertigung von Reden und Briefen mit Beispielen und Mustern in vier Theilen, die einen guten Einblick gewährt in die manierirte und hohle Phrasenkunst, Schmeichelei und sittliche Unbedenklichkeit (vgl. als Beispiel für das genus scommaticum Ovid, amorum I el. V.) der damaligen humanistischen Rhetorik. Ganz hat sich W. von derselben nie frei zu machen vermocht, auch in seinen späteren reiferen Schriften bleibt noch ein beträchtliches Maß davon bestehen. – Nachdem er in Würzburg die Priesterweihe empfangen hatte, Kanonikus in Wimpfen, Professor der Philosophie in Leipzig (1491), Mitglied des Fürstencollegiums daselbst (1492), Vorsteher desselben (1493–1505), dann Baccalaureus (1492) und Licentiat der Theologie (1494) geworden war, begann er seine Laufbahn als Lehrer der Theologie, die ihn später in die großen Glaubenskämpfe des 16. Jahrhunderts führte. – Seinen damaligen Standpunkt bezeichnen zwei von ihm 1493 und 1496 herausgegebene Schriften: „De ortu, progressu et fructu theologiae“, eine Einleitung in seine Vorlesungen über Thomas von Aquino, und „Errologium sive De erroribus philosophorum lib. 1“, später unter dem Titel: „De sex philosophorum erramentis eorumque confutationibus“ in drei Büchern erschienen. W. steht hier ganz auf dem Boden der Scholastik. Aristoteles, Averroes, Avicenna u. a. m. erscheinen ihm an sich als durchaus brauchbare Stützen des christlichen Lehrgebäudes; er verwirft sie nicht wegen ihres unchristlichen Geistes, sondern insofern ihre Schriften Irrthümer allgemeiner Natur enthalten. Beide Schriften sind wissenschaftlich wenig gründlich. – Daneben beschäftigte er sich eifrig mit der Pflege der Dichtkunst, obwol ihm dichterische Begabung mangelte. Sein frühestes lateinisches Gedicht war wol das Lobgedicht auf die Stadt und Universität Leipzig (vgl. Geiger, Renaissance und Humanismus. Berlin 1882, S. 472 f.). Es hebt nach altem Brauch von den ältesten Zeiten (Caesar) an und schildert in zahlreichen Versen die Stadt und die Universitätsverhältnisse in Leipzig. Schlechter Versbau und Nachlässigkeiten mancher Art beeinträchtigen die geschichtlich beachtenswerthe Dichtung. – Dem folgte nach mehr als zehn Jahren (1497) ein umfangreiches Heldengedicht von 1832 Hexametern, in welchem W. die Thaten des Herzogs Albrecht von Sachsen besingt (von neuem hrsg. von Chr. G. Wilisch, Altenburg 1725). – Die Bekleidung der Rectorwürde (Sommersemester 1494) und des Decanates (im folgenden Wintersemester) der Artistenfacultät gab ihm Veranlassung und Gelegenheit, auch seine Beredsamkeit zu zeigen. Drei seiner Reden aus jener Zeit sind erhalten in Orationum sive Sermonum liber unus. Coloniae s. a., Fol. Sie sind reich an Vergleichen [331] aus der Geschichte, besonders der römischen, bringen eine Menge von Citaten aus den mannichfaltigsten Schriftstellern wie sie damals in Collectaneen eifrigst gesammelt wurden, ermangeln aber des feineren, geschmackvollen lateinischen Ausdrucks und ermüden durch zu lange Perioden. – Hierzu kamen Studien über das Wesen und die Wirkungen der himmlischen Kräfte, die er in der Schrift: „Tractatus utiles et admodum jucundi …“ veröffentlichte, sie umfassen die Schriften: 1) De nobilitate corporis coelestis; 2) de eo, an animati possint coeli appellari; 3) de nobilitate animarum (motricum) und fanden Aufnahme in der Farrago miscellaneorum. Coloniae apud Joa. Soterem 1531 fol., die der Kölnische Dominicaner Joh. Romberg von Kierspe, ein sehr thätiger Gegner der Reformation, herausgab. – W. steht hier mit seinen Anschauungen noch ganz auf dem Grunde der Scholastik mit starrer Hinneigung zur Astrologie. Daß die himmlischen Körper leben bezw. Seelen haben, die sie zu selbständigen, geistigen Wesen machen, leugnet er allerdings, aber indem er alle scheinbar selbständigen Kräfte der Welt von Gott, als der Urkraft, durch Mittelwesen, Engel, in Bewegung gesetzt und erhalten werden läßt, kommt er zu der Behauptung (lib. II), daß diese Wesen (intelligentiae et motrices) zu denjenigen Engeln gehörten, die man sonst virtutes zu nennen pflege. Nur die Klugheit und Vorsicht, welche jede Unterstützung der Idololatrie zu vermeiden fordere, rathe von der Verehrung derselben als göttlicher Wesen ab. – Derselben Zeit gehört an die „Oratio invocatoria“, eine selbständige Einleitung in freie Disputationen, disputationes quodlibeticae, welche er zwar mit den olympischen Spielen vergleicht und von diesen herleitet, aber im christlichen Sinne als ein certamen gehalten sehen will. – Ebenfalls noch in Leipzig verfaßte er seine beiden theologischen Schriften: „Pallilogia de nobilitate Christi“ (so der Titel in der Farrago) und die „Panegyrici de laudibus Christi“. Wenn wir sie theologische Schriften nennen, so entspricht dies zwar dem Urtheile des Verfassers; wir können sie nur als philosophische Dissertationen bezeichnen, welche mit der Theologie wenig oder nichts zu thun haben, sondern z. B. die nobilitas oder laus Christi für sehr weltliche Zwecke in Anspruch nehmen. Denn in der ersten sucht W. den Nachweis zu führen, daß der Theologie, da sie das Studium Christi zum Gegenstande habe, welcher vom Vater entstammend alle Geschöpfe an Herrlichkeit (nobilitas) übertreffe, Niemand das Vorrecht vor allen übrigen Wissenschaften streitig machen dürfe. Die Abhandlung zeigt nicht nur eine ermüdende Breite, sondern stößt geradezu ab durch hohles rednerisches Pathos und durch unbedenkliche Heranziehung der heidnischen Mythologie zur Erklärung und Verherrlichung des hohen christlichen Gegenstandes. – Die „Panegyrici“ sind fünf ins Latein übertragene Predigten über denselben Gegenstand, quod alio quodam jam pridem concionante vernacula fere lingua declamatum fuit. Sie schildern mit demselben Aufwand von Phrasen die hohen Eigenschaften und Thaten Christi, ohne irgendwie in das Wesen und die Tiefe des erhobenen Stoffes einzudringen, wiederum mit widerlicher Einmischung heidnisch–mythologischer Bilder und Beziehungen. – Die Abfassung fällt auf die Grenze des 15. und 16. Jahrhunderts. Daß er seinen eigenen Ruhm dabei nicht vergessen, zeigt die „Centuria scriporum insignium, qui in accademiis, praesertim Lipsiensi et Francofordiensi, floruerunt“. Die Schrift ist erst 1514 verfaßt, geht aber auch auf seine Leipziger Wirksamkeit zurück, die durch ihre Trefflichkeit den Neid und die Eifersucht Vieler erregt habe. Zarncke (vgl. unten) u. A. haben nicht ohne Grund W. im Verdacht, daß er selbst der Verfasser der Centuria und so sein eigner Lobredner gewesen sei. – Aber dieser Ruhm blieb nicht unwidersprochen. W. erfuhr später eine Reihe von heftigen Angriffen, besonders aus den Kreisen der Humanisten, sodaß sogar der Erzbischof Albrecht von Magdeburg veranlaßt [332] wurde, zu seinen Gunsten einzuschreiten. – Ernster und bedeutsamer war indeß ein Kampf, den W. noch in Leipzig auszufechten hatte. W. war in Gemeinschaft mit seinen Leipziger Collegen Martin Pollich (Mellerstadt) und Johann Staupitz bei der Begründung der Universität Wittenberg von dem Kurfürsten Friedrich dem Weisen (1501 u. 2) zu Rathe gezogen worden. Sei es nun, daß die Berufung Pollich’s, der zwar auch Theolog war, aber hauptsächlich als Mediciner sich einen verbreiteten Ruf erworben hatte (vgl. den Streit Pollich’s mit Simon Pistoris), zum Rector der neuen kursächsischen Universität den Neid Wimpina’s erregt hatte, sei es, daß Pollich Wimpina’s hochmüthige Ueberschätzung der Theologie gegenüber den anderen Wissenschaften geißeln wollte – er bezeichnete in einer Schrift in ziemlich wegwerfendem Sinne die Theologie als aus der ars poetica hervorgegangen. Das konnte trotz der Unbestimmtheit des Ausdrucks damals nur so gedeutet werden, daß die Beschäftigung mit der Theologie nicht einen besondern, heiligen und an Würden vor allen anderen ausgezeichneten Stand von Gelehrten voraussetze, sondern wie auch andere Wissenschaften von denjenigen betrieben werden müsse, welche die liberales artes, insbesondere die ars poetica betrieben, also von den Humanisten. Dagegen erhob sich W. in einer stolzen und hochfahrenden Rede, welche er am 5. Januar 1503 in der Paulinerkirche in Leipzig bei Gelegenheit seiner Promotion zum Doctor der Theologie in Gegenwart des Cardinals Raymund hielt, und verfaßte, als Pollich nicht schwieg, zur weiteren Widerlegung des Gegners nicht weniger als sechs Streitschriften (1503–1505), in welchen er mit allem Aufwande scholastischer Scheingelehrsamkeit den Nachweis zu führen suchte, daß die Theologie monarcham et architectonicam habituum scientialium sei. W. scheint Pollich nicht völlig verstanden zu haben; allerdings wechselte dieser in späteren Entgegnungen seinen Standpunkt: er habe bei der Bezeichnung ars poetica nur an poetische Figuren, Gleichnisse u. A. gedacht, die Gott verwende, um den Empfängern der göttlichen Offenbarung deutlich zu werden; sodann sei die Theologie als Dichtkunst zu bezeichnen, quod principia theologiae se ipsa in esse verbi intelligibilis praecedant, endlich sei der Glaube schon durch die Schöpfung in uns gepflanzt und daher die Anfänge der Theologie uns, d. h. jedem Gläubigen, anerschaffen. – W. vertheidigte seine Sache im Tone verletzter Eitelkeit mit oft nur scheinbaren, oft auch gesuchten Gründen; Pollich erwiderte die hochmüthigen Verunglimpfungen des Gegners mit Spott und Hohn und traf ihn gerade an seiner schwächsten Seite, indem er dessen poetische Leistungen, besonders das Gedicht auf den Herzog Albrecht von Sachsen, unbarmherzig geißelte. – Dieser Streit war nicht nur eine Gelehrtenfehde wie viele jener Zeit; seine Bedeutung beruhte darin, daß durch ihn im Zeitalter der nahenden Reformation einer der ersten, aber auch nachhaltigsten Versuche gemacht wurde, die Theologie, insbesondere die scholastische, von ihrem angemaßten Throne herabzustürzen. Er gewinnt auch an wissenschaftlichem Interesse dadurch, daß in den beiden Kämpfen, wenn wir von der der Zeitgewohnheit angehörigen Klopffechterei absehen, der sich später schärfer ausbildende Gegensatz zwischen der neuen und der alten wissenschaftlichen Richtung in den Anfängen erscheint, der bald darauf auf den beiden von ihnen gegründeten und in gewisser Weise vertretenen Universitäten Frankfurt und Wittenberg geschichtliche Bedeutung gewann.
Wimpina: Konrad (Koch) W., Theolog, erster Rector der Universität Frankfurt a. O., eifriger GegnerW. wurde 1505 mit einer großen Zahl anderer Gelehrten vom Kurfürsten Joachim I. von Brandenburg zur Einweihung jener Universität (4. Oct. 1505) nach Berlin geladen, zum Dank für seine Bemühungen um die Einrichtung derselben zu ihrem ersten Rector ernannt und durch die Verleihung von Kanonikaten zu Brandenburg und Havelberg geehrt. Da der Zulauf Studiender anfänglich zu gering war, wurde die thatsächliche Eröffnung der [333] neuen Akademie bis ins nächste Jahr verschoben und endlich der 26. April 1506 als unwiderruflich letzter Termin des Beginnes der Vorlesungen festgesetzt. Durch lockende Einladungsschreiben gelang es ihm wirklich schon unter seinem Rectorat 988 Studirende in Frankfurt zu vereinigen. – Als Decan der theologischen Facultät verfaßte er 1508, um akademische Disputationen anzuregen, die „Epitome problematum“. Sie enthält die Dispositionen für 120 Disputationen über ebensoviele Thesen (Problemata), welche wissenschaftlich meist unfruchtbare, ganz in der hergebrachten scholastischen Art durchgeführte metaphysisch-abstracte Themata behandeln. Durch solche Bücher konnte das Herabsinken der theologischen Disputationen zu geistlosen Spielereien nur befördert werden. Dasselbe gilt von den „Disputationes quodlibeticae“, die über allgemein-wissenschaftliche Fragen gehalten werden sollten. Er leitete sie durch eine Rede ein (1510), in der er Anweisungen für ihre Abhaltungen ertheilte. Er spricht darin seine Ansichten über das oberste Princip, über die Naturkräfte und die in ihnen waltenden geistigen (böse und gute) Wesen und über den Menschen in seiner Abhängigkeit von diesen Wesen aus. Es sind zum Theil dieselben Anschauungen, welche wir in seiner etwa gleichzeitigen Schrift „De Fato“ (verfaßt in der ersten Zeit seines Frankfurter Aufenthaltes) kennen lernen, in der er auch die reale Existenz des Fatums als einer „quidditas in rerum natura“ und seine thatsächliche Wirksamkeit in der Astrologie behauptet. – Im J. 1513 wurde er nach Cöln an der Spree berufen, um bei der Priesterweihe des zum Erzbischof von Mainz postulirten und zum Erzbischof von Magdeburg designirten Bruders Joachim’s I., des Markgrafen Albrecht, in der Marienkirche zu Berlin die Weiherede zu halten. In der ihm schon zur Natur gewordenen superlativen Art pries er in ihr die unvergleichliche Erhabenheit des Amtes eines Priesters, der als Taufender gleichsam Schöpfer, in der Beichte Erlöser, am Altare Befreier aus dem Fegefeuer sei; gleichzeitig schmeichelte er dem Kurfürsten und dessen Hause in einer auch für die damalige Zeit übertriebenen Weise. – Auch seine damals in Frankfurt gehaltenen religiösen Festreden bezw. Predigten über Christus, die Hoheit Mariae und über die Sendung des heiligen Geistes erscheinen abstoßend durch das Uebermaß rhetorischer Mittel und die unnöthige Heranziehung abstracter metaphysischer Speculationen. – Eine besonders eifrige polemische Thätigkeit entfaltete W. gegen Luther bei dessen erstem öffentlichen Auftreten. Schon 1517 war der Grund zur Gegnerschaft gegeben, als Luther, welcher erfahren hatte, daß W. dem Sylvius Egranus, der die Legende von den drei Ehemännern der h. Anna bekämpft hatte, entgegenzutreten beabsichtige, seine Schrift gegen diese Legende veröffentlichte (vgl. Enders, Briefwechsel Luthers I, 133). W. erwiderte darauf in der Schrift: „De divae Annae trinubio eiusque generosa trium filiarum et nepotum propagine asservandis“ (1518), in welcher er die Ueberlieferung der Legende aufrecht zu erhalten suchte. Der heftigste Kampf entbrannte indeß erst um die Lehre vom Ablaß in den Luther’schen Thesen. W. nahm sofort nach der Veröffentlichung derselben für Tetzel Partei. Von Frankfurt a. O. aus ließ er diesen, der bei ihm verweilte (s. A. D. B. XXXVII, 608) 106 Gegenthesen gegen Luther veröffentlichen, die er offenbar selbst verfaßt hatte (vgl. Anacephalaeosis I, fol. XXXIX: At huius Martini Lutheri errorum auspicia subscripta scheda invulgata fuere. Quibus quum nos pari invulgata scheda tum primum replicuissemus et quaquaversum hanc pro vostris exhibitam ac in disputationem quoque Francophordii ad Oderam missam archivis post hac inclusissemus, coeptae Anacephalaeosis series nunc poscere videtur ut hanc quoque hic subnecteremus. Tetzel sollte nach der Vertheidigung dieser Thesen zum Doctor der Theologie promovirt werden. Im Grunde enthielten sie nichts als die Wiederholung der bisher geltenden Ablaßlehre, im übrigen aber eine [334] schwache Erwiderung auf die ernsten Bedenken und Zweifel des Wittenberger Augustiners. Sie bleiben dabei, daß der Ablaß nicht nur von allen Sündenstrafen, sondern auch die Seelen aus dem Fegefeuer befreie; schon die geringste Zerknirschung reiche aus zur Vergebung der Sünden. Der Papst verkaufe darum den Ablaß, damit auch die anderen Menschen an dem guten Werke der Herstellung der Peterskirche theilnehmen könnten. Das frivole Wort Tetzel’s vom klingenden Gelde im Kasten bestätigte und erweiterte These 33 mit fast höhnischer Wendung des Gedankens: Quisquis ergo dicit non citius posse animam evolare, quam in fundo cistae denarius possit tinnire, errat. – Auch die 50 weiteren Thesen, welche unter dem Namen Tetzel’s im Mai 1518 gegen Luther’s „Sermon von Ablaß und Gnade“ (1518) veröffentlicht wurden, dürften zu einem guten Theile auf die Mitarbeit Wimpina’s zurückgeführt werden, wenn sie dieser auch nicht wie jene sich zu eigen gemacht hat durch Aufnahme in sein größeres Werk „Sectarum, errorum … ab origine ferme christianae ecclesiae ad haec usque nostra tempora … anacephalaeoseos librorum partem tres“, das er Francophordiae ad Oderam 1528 herausgab. In dieses Werk nahm er auch alle diejenigen kleineren Schriften auf, in welchen er Luther entgegengetreten war, um zu zeigen, daß das Lutherthum nicht eine besondere neue Lehre, sondern nur die Zusammenfassung aller bisher in der Kirche hervorgetretenen schlimmsten Irrlehren, vor allem aber der Pighardischen, Hussitischen und Wiclefitischen Ketzereien enthalte. Die drei Bücher zerfallen in acht, neun und vier Theile, von denen die letzten die vier Jahre früher herausgegebenen Schriften: „De fato“; „De providentia“; „De praedestinatione“ und „De bona fortuna“ enthalten. Die alten Häretiker, meint W., hätten nur einzelne Lehren der Kirche angegriffen und geleugnet, Luther greife die Kirche selbst und die göttliche Einsetzung des römischen Primates an. Damit stelle er sich dem Arius gleich, der Christum für einen bloßen Menschen erklärte, damit er nicht als das Haupt der Kirche eingesetzt werden könne (Fol. Vb u. VI). Ist der Gedanke auch unklar, so war damit doch erreicht, daß Luther als zweiter Arius hingestellt war. – Im weiteren schildert er in den ersten vier Büchern die Häresien der Katharer, Waldenser, Albigenser bis zu Wiclef, bei welchem er mit der Widerlegung beginnt und so bis zu Huß u. A. m. fortschreitet. Bei Luther setzt er mit allen Mitteln seiner Gelehrsamkeit ein, um, gestützt auf die Kirchenväter, besonders Augustin und Thomas von Aquino, nachzuweisen, daß dessen Lehren vom Ablaß, der Erbsünde, den Sacramenten, der Ohrenbeichte, dem freien Willen u. s. w. völlig falsch und verwerflich seien. In gleicher Weise behandelte der zweite Theil die Lehren von den Gelübden, dem Priesterthum, dem Meßopfer (in den Worten: dies thut zu meinem Gedächtniß habe facite die Bedeutung: opfert; daher die Meßopfer), der Heiligenverehrung und der Rechtfertigung. Auch der Verwerfung des Aristoteles durch Luther, der diesen einen calumniosissimum calumniatorem, histrionem, Prothea, illusorem vaferrimum genannt hatte, „der die Kirche mit der griechischen Larve so sehr geäfft hatte“, tritt er zu Gunsten des Philosophen sehr entschieden entgegen. Es sei durchaus nicht Unrecht, wenn die Wahrheiten, die dieser erkannt habe, zum Vortheile der christlichen Wahrheit verwendet würden. – Alles in allem darf man urtheilen, daß die Anacephalaeosis das Bedeutendste enthält, was in dieser Zeit neben Cochlaeus und Berthold von Chiemsee (Tewtsche Theologey) von römischer Seite gegen die Lehre Luther’s vorgebracht worden ist. – Ueber Wimpina’s späteres Leben besitzen wir weniger Nachrichten. Daß er bis 1530 in Frankfurt a. O. gelebt habe, ist wol nicht zu bezweifeln. In diesem Jahre begleitete er mit seinen Collegen Mensing und Elgersma und dem Stendaler Propst Redorffer den Kurfürsten Joachim auf den Reichstag nach Augsburg. Offenbar zur Bekämpfung der Lutheraner berufen, [335] trat er bald hervor, indem er in Gemeinschaft mit jenen Theologen die 17 Schwabacher Artikel, welche ein Coburger Drucker hinter dem Rücken Luther’s veröffentlicht hatte, fälschlich als das für den Reichstag vorbereitete Bekenntniß der Evangelischen ansah und zur Widerlegung desselben die ebenfalls in 17 Artikeln verfaßte Schrift: „Gegen die Bekanntnus Martini Luthers auff dem jetzigen angestellten Reychßtag zu Augsburg … Augsburg 1530“ (mit einer Widmung an Joachim I.) herausgab. Der Zweck war, von vornherein die Gemüther gegen Luther und seine Lehre einzunehmen. Man solle sich nicht täuschen lassen durch die scheinbare Rechtgläubigkeit der Artikel. Luther habe darin viele Irrthümer verschwiegen, welche sich in seinen anderen Schriften fänden, und müsse zweifellos bestraft werden, da er viele Menschen durch Gotteslästerungen und andere Verbrechen verführt habe. Auch unter den zwanzig katholischen Theologen, welche die Confessio Augustana zu widerlegen bestimmt wurden, befand sich W. (mit Mensing und Redorffer), ebenso unter den am 13. August gewählten Theologen (nebst Eck und Cochläus), welche mit den Evangelischen über die streitigen Artikel unterhandeln sollten. Am 21. August meldete Eck, am 22. August Melanchthon dem Kaiser das Ergebniß der Verhandlungen, der am 24. August noch einmal eine gemischte Commission von sechs Mitgliedern zur Beilegung aller Streitigkeiten zusammentreten ließ, in welcher sich indeß W. nicht befand. – Von Augsburg begleitete er seinen Kurfürsten wahrscheinlich nach Köln und vermittelte hier die Herausgabe seiner späteren Schriften durch Romberg von Kierspe in der oben erwähnten Farrago miscellaneorum 1531. Nach Frankfurt a. O. kam er wol nicht wieder zurück; er starb in dem Kloster Amorbach in Franken (17. Mai 1531), in dessen Kirche er auch sein Grab fand.
- Eine ausführliche Geschichte des Lebens und der Werke Wimpina’s hat (vom katholischen Standpunkte) R. Mittermüller im 21. Bande der Zeitschrift: „Der Katholik“, Mainz 1869, 1. Hälfte, S. 640 ff.; 2. Hälfte, S. 1 ff., 129 ff., 257 ff. u. 385 ff. gegeben. Vgl. dazu H. Laemmer, Die vortridentinische Theologie. Berlin 1858, S. 30. – Fr. Zarncke, Die urkundlichen Quellen zur Geschichte der Univ. Leipzig; in d. Abhandlungen d. k. sächs. Gesellsch. d. Wissensch. III, 525 f., 914. – A. Kawerau in Herzogs Real-Encyclopädie, 2. Aufl., Bd. 17, S. 195 ff. – A. W. Dieckhoff, Der Ablaßstreit. Gotha 1886. – C. J. Hefele, Conciliengeschichte IX, herausg. von J. Hergenröther. Freiburg 1890, S. 25 ff. u. 848 ff. – Jul. Heidemann, Die Reformation in der Mark Brandenburg. Berlin 1889, S. 79, 162, 164, 174. – Von den Aelteren: J. J. Mader, Scriptorum insignium, qui in celeberrimis, praesertim Lipsiensi … academiis … floruerunt, Centuria. Helmstedt 1660. – Wilisch, Commentarius poeticus de Alberti animosi expeditionibus bellicis. Altenburg 1725. – Küster in Seidel’s Bildersammlung, S. 33–35.