Anekdote aus dem Privatleben Wilhelms von Grumbach

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Autor: Bernhard Georg Walch
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Titel: Anekdote aus dem Privatleben Wilhelms von Grumbach
Untertitel:
aus: Journal von und für Franken, Band 5, S. 165–176
Herausgeber: Johann Caspar Bundschuh, Johann Christian Siebenkees
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1792
Verlag: Raw
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Erscheinungsort: Nürnberg
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Quelle: UB Bielefeld, Commons
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III.
Anekdote aus dem Privatleben Wilhelms von Grumbach.
Männer, die vor der ganzen Welt auftreten, werden nach ihrem inneren Charakter von der spätern Nachwelt nie so gut aus ihrer öffentlichen Rolle, als aus ihrem Privatleben gekannt. Alles, was vor der Welt im Ganzen geschehen ist, wird nur nach dem Anstrich des Großen, des Mittelmäßigen und des Unbedeutenden beurtheilt, den man in den Handlungen wahrzunehmen glaubt. Den Mann in seinem öffentlichen Spiele zu verkennen, ist um so leichter, weil der Mann so spielen muß, daß er nicht erkannt werden kann. Dieses war und ist der Fall mit Wilhelm Grumbach. So hart und entscheidend das Urtheil seiner Zeitgenossen über ihn war, so nachgiebig, wenigstens so getheilt und wankend ist das Urtheil der Nachkommenschaft über ihn. Rachsucht, Tücke und Starrsinn mögen noch so stark aus seinen Handlungen hervorblicken, so übersieht man sie doch gerne und leicht, weil von| der andern Seite eben so viel Unerschrockenheit, Standhaftigkeit und Geisteskraft durchzuschimmern scheint. Und alles kommt am Ende doch nur allein darauf an, ob der Mann, aus Geisteskraft ohne Rücksicht auf seine Privatvortheile, oder aus Tücke mit seinem Interesse vor Augen, so zu handeln gewohnt war.

Ich selbst war lange unentschieden über den Charakter dieses Mannes, über die Rechtmäßigkeit des Urtheils seiner Zeitgenossen über ihn, bis ich einen Zug in der geheimeren Geschichte seines Privatlebens entdeckte, der mit einen etwas tiefern Blick in seine eigentliche Denkungs- und Handlungsart gewährte.[1]

Es ist bekannt, daß Wilhelm von Grumbach der Vertraute, der Liebling des Fürstbischoffs Conrad von Bibra zu Wirzburg war. Er war mit Conraden, noch ehe dieser auf den bischöfflichen Stuhl erhoben wurde, durch enge Bande der Freundschaft| verbunden. Zwey seiner Schwestern, Anna und Heßra von Grumbach, waren an die zwey geliebtesten Vettern des Bischoffs Conrad, jene an Wilhelm von Bibra zu Schwebheim und diese an Michael von Bibra zu Gemünde verheyrathet. Wilhelm Grumbach war diesen beyden Schwägern, so wie dem Bischoff Conrad überaus viele Verbindlichkeiten schuldig. Beyde, besonders Wilhelm von Bibra, hatten ihn von Zeit zu Zeit so sehr mit Geld unterstützt, daß die Schuld bis auf mehrere tausend Gulden angewachsen war. Michael war ihm so ganz ergeben, daß er, so wie sein naher Vetter, der Bischoff Conrad, über die Vortheile seines Schwagers und seiner Gattin Heßra die Vortheile seines eigenen Geschlechts vergessen hatte. Und wie betrug sich Wilhelm Grumbach, der im Ganzen dem Bibraischen Geschlechte so vieles zu danken hatte, gegen die Erben des Michaels, gegen das damahlige Geschlecht von Bibra?
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Michael von Bibra starb 1543 zu Bamberg, ohne Erben von seiner Heßra zu haben. Er machte wenige Tage vor seinem Tode ein Testament, mit welchem er die declarirte Vorliebe für seine Gattin und ihre Erben, also auch für Wilhelm Grumbach| versiegelte. Seine Geschlechtsvettern, Georg von Bibra zu Irmelshausen, Wilhelm von Bibra zu Schwebheim und Wolfs von Bibra zu Kleinbardorf Söhne, Steffan und Heinrich wurden zwar von ihm zu seinen Lehnserben ernannt, aber so, daß seine noch junge Gattin Heßra, so lange sie lebte, in dem vollen Besitze und Genusse aller seiner Güter, doch ohne etwas von den Lehengütern veräussern zu dürfen, bleiben, und ausser den von ihr eingebrachten Ehegeldern und der stipulirten Wiederlage alle fahrende Haube, unter welcher so gar das Jagdzeug begriffen war, alles Silbergeschirr und ein Capital von 1000 fl. als Geschenk von den Lehenserben ausgezahlt erhalten sollte. So sehr Michael seine Gattin begünstigt hatte, so sehr hatte er seine einzige Schwester Veronica vervortheilt. Sie, die auf die ganze Allodialerbschaft ihres Bruders Anspruch machen konnte, erhielt für ihr ganzes Vermächtniß mehr nicht als ein Capital von 500 fl. ausgesetzt, das erst nach dem Tode der Heßra ausgezahlt werden sollte. Dabey setzte Michael seinen Schwager Wilhelm von Grumbach zum Testamentsexecutor ein. Das ganze Testament blieb bestehen, bis auf das Vermächtniß der Veronica, das| der Bischoff Conrad auf die wiederhohlten Klagen derselben nach Recht und Billigkeit auf 2000 fl. erhöhete.

Die Heßra lebte noch 34 volle Jahre nach ihres Mannes Tode bis gegen Ende des May 1577 fort, also Jahre genug, um den Besitz und Genuß der Bibraischen Güter zum Vortheil ihres Geschlechts benutzen zu können. Bey dem allen war Wilhelm von Grumbach nicht zufrieden, brachte auf Kosten der Lehnserben, auf wirkliche Erwerbung und – fischte als Testamentsexecutor im Trüben.

Das Schloß und die Güter zu Gemünde haben die sonderbare Eigenschaft, daß sie drey verschiedenen Lehnhöfen unterworfen sind. Das Schloß mit den darzu gehörigen Gütern, Äckern und Wiesen ist Wirzburgisches, ein Sitz bey der Kirche, (in den damahligen Urkunden der neue Sitz genannt) mit zwey Seldengütern Sächsisches, und der Zehende ursprünglich Gräflich-Rieneckisches Lehen. Das Schloß mit dem Gute hatte Lorenz von Bibra, der Vater Michaels, die Sächsischen Lehngüter mit dem Zehenden aber Michael von Bibra selbst erkauft. Die Lehnserben ließen zwar die Heßra, so wie es ihnen der Testator befohlen hatte, in dem| Besitze aller dieser Güter, hielten es aber doch für rathsam, die Belehnung bey den verschiedenen Lehnsherren bey Zeiten zu suchen. Die Beleihung mit dem Schlosse, mit den Sächsischen Lehen ging glücklich von statten; wie es an die Beleihung mit dem Zehenden kam, so hatte sie Wilhelm von Grumbach für seinen Antheil zum voraus weggefischt. Er hatte sich alsobald nach dem Tode seines Schwagers Michael von Bibra an den Grafen Philipp von Rienek gewandt und die Beleihung mit dem Zehenden unter dem Vorwand, daß er als ein von Michael von Bibra neuerworbenes Lehen dem Grafen eröffnet sey, mit dem Anerbieten für sich erbeten: daß er dem Grafen eben so viele andre von seinen Allodial- oder freyen Gütern zu Lehen aufgeben wolle. Der Graf willigte ohne weitere Untersuchung in seine Bitte ein, weil er an Wilhelm von Grumbach einen neuen wichtigen Vasallen erhielt. Das war doch Tücke, unverzeihliche Tücke, weil er seinen eigenen Schwager, Wilhelm von Bibra, betrog, als Testamentsexecutor betrog, der doch durchaus ehrlich zu Werke gehen sollte, das Testament, dessen Aufrechthaltung seinem Gewissen anvertrauet war, am ersten brach, weil er von der ganzen Erbschaftsmasse,| von welcher gar nichts veräussert werden sollte, ein nicht unbeträchtliches Lehen selbst an sich riß.

Der Zehende zu Gemünde war damahls wenigstens beträchtlich und für den Wehrt des ganzen Gutes eine sehr wichtige Sache. Unmöglich konnten also die Lehnserben eine so ungerechte Entäusserung desselben mit gleichgültigen Augen ansehen. Eigentlich hätte die Heßra für die Gerechtsame der Lehnserben auftreten sollen, weil ihr die Erhaltung aller Lehngüter in dem Testamente anempfohlen war. Aber sie schwieg, wahrscheinlich, weil sie für das Interesse ihres Bruders mit demselben unter einer Decke spielte.

Die Lehnserben drangen bey dem Grafen von Rieneck auf die Beleihung mit dem Zehenden. Der Graf verweigerte sie, so lange er lebte, mit der Zumuthung, daß sie zuvor den dem Wilhelm von Grumbach ertheilten Lehnbrief auswirken und beybringen sollten. Eine unmögliche Sache! Die Sache blieb also bis nach dem Tode des Grafen, so wie sie war.

Unterdessen hatte Wilhelm von Grumbach seine unglückliche Rolle auf eine traurige Art ausgespielt und den mit ausgedachter| Tücke an sich gebrachten Zehenden zu Gemünde auf seinen Sohn Conrad fortgeerbt. Die Heßra, die ihrem unglücklichen Bruder mit ihrem Herzen sowohl als mit ihrem Vermögen ergeben gewesen war, wollte auch seinem Sohne wohl. Sie blieb also nicht nur ferner unwirksam für die Lehnserben ihres verstorbenen Mannes, sondern übergab auch, ausser den von ihr eingebrachten Ehegeldern, der ihr in der Eheberedung stipulirten Wieder- und Morgengabe und der fahrenden Haabe mit dem Silbergeschirr, alle ihre aus dem Testamente ihres Ehegatten rechtlich und vermeintlich zu machenden Anforderungen diesem Conrad noch bey ihren Lebzeiten als eine Schenkung.
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Conrad, welcher aller väterlichen Erbschaft entsagt hatte, um die Schuldenlast seines Vaters nicht auf den Hals zu bekommen, nur dem Zehenden zu Gemünde nicht, nahm diese Schenkung an und verfochte sein Recht auf beyde ohne Schonung des Bibraischen Geschlechts durch einen förmlichen Proceß am Reichskammergericht. Die Lehnserben von Bibra würden das Ende dieses Processes vielleicht erst in ihren späten Nachkommen erlebt haben, wenn nicht der Tod des Grafen Philipp von Rieneck und der Heimfall seiner Grafschaft| an das Erzstift Mainz der Sache eine glücklichere Wendung gegeben hätte. Sie brachten ihre Zehendenklage vor den neuen Lehnherrn und der Kurfürst Daniel zu Mainz sah sie ganz aus dem Gesichtspuncte an, aus welchem sie angesehen werden mußte. Er hatte aber noch mehr die Vergleichung aller gegenseitigen Anforderungen beyder Geschlechter am Herzen. Er lud also beyde Parteyen den 6 Dec. 1571 – so lange hatten die Lehnserben den Zehenden in fremden Händen sehen müssen – vor seine Canzley zu Aschaffenburg, um einen Vergleich in der Güte zwischen beyden zu versuchen. Wegen der vielen Widersprüche und Einreden, welche beyde Theile gegen einander hatten, konnte es die Canzley nicht weiter bringen, als daß Conrad von Grumbach und die Lehnserben zu einem gänzlichen Austrage ihrer Sache vor einem selbst gewählten in der damahligen Zeit üblichen Austrägalgerichte sich verbindlich machten. Dieses Austrägalgericht, zu welchem ausser dem Obmann und den vier Beyständen noch drey und dreyßig Mittelspersonen aus der Fränkischen Ritterschaft verschrieben waren, kam auch den 23 Apr. 1572 zu Schweinfurt zu Stande und verglich diesen von den Vätern auf die| Söhne fortgeerbten, immer mit gleicher Passion fortgeführten Rechtsstreit dahin, daß Conrad von Grumbach von dem Zehenden zu Gemünde abstehen und die Lehnserben von Bibra demselben nach dem Tode der Heßra für alle Anforderungen 2100 fl. auszahlen sollten. Ein geheimer Artikel, der aber vor dem Kurfürsten von Mainz verborgen gehalten werden mußte, war, daß die Lehnerben von Bibra dem Conrad von Grumbach die Abtretung des Zehenden mit 200 fl. Fr. aus ihren Mitteln vergüten wollten.
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Dieser Vergleich wurde von den Nachkommen und Erben der erstern bey dem Tode des Michael von Bibra vorhandenen Lehnserben geschlossen, welche also die Heßra alle und auch den Wilhelm von Bibra zu Schwebheim, den zweyten Schwager des Wilhelms von Grumbach, überlebt hatte. Wilhelm von Bibra war in seinem Testamente nicht so freygebig gegen seine Gattin, die Anna von Grumbach, wie Michael, gegen seine Heßra gewesen; hatte ihr aber doch ein Vermächtniß ausgesetzt, das beträchtlich war. Weil aber die von Wilhelm von Bibra dem Wilhelm von Grumbach vorgeliehene Summe noch beträchtlicher, als dieses Vermächtnis war, und die Lehnserben Schuld| und Vermächtniß gegen einander zu berechnen verlangten, so entsagte Conrad dem letztern, um der erstern zu entgehen. Um die Ehre des Bruders zu retten, bezahlte die Heßra den Überschuß der Schuld, unter dem Vorwand, daß ihr der Bruder die ganze Erbschaft ihrer Schwester Anna noch bey seinen Lebzeiten abgetreten habe.
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Wilhelm von Grumbach war also ein für das Bibraische Geschlecht in allem Betracht theurer und kostbarer Mann[.] Er hatte es so wohl durch öffentliche Tücke, als durch geheime für sein Interesse allein betretene Schleichwege um wirklich beträchtliche Vortheile gebracht. Er hatte über den Bischoff Conrad von Bibra zu Wirzburg und über den Michael von Bibra, den nächsten Stammvetter des Bischoffs Conrad gleich starkes Gewicht. Der letztere machte ein Testament, das seinen Geschlechtsvettern den Genuß seiner Erbschaft, im Grunde zum Vortheil seines Schwagers Grumbachs, um viele Jahre entzog und diesem so gar zu seinen Betrügereyen freye Hände gab, und der erstere vergaß über seinen Grumbach die Vortheile seines Geschlechts ganz. Gerade unter der Regierung des Bischoffs Conrad sagte der Fürstgraf Wilhelm von Henneberg das Erbmarschallamt| des Stifts Wirzburg auf. Hätte Conrad von Bibra auf sein Geschlecht, das schon seit Jahrhunderten das Erbuntermarschallamt geführt hatte, eben so gedacht, wie die Bischöffe aus den Geschlechtern der Esper und der Guttenberg auf die ihrigen dachten, so hätte ihnen schon damahls das Erbmarschallamt selbst zuwenden können. Aber da stand niemand, wie mich eben die Privatacten, aus welchen ich diese ganze Anekdote genommen habe, belehret haben, als – sein Liebling und Obermarschall Wilhelm Grumbach im Wege.
B. G. W.     



  1. Diese Anekdote ist ganz aus den Privatacten gezogen, welche über die Erbschaft des Michael von Bibra zu Gemünde geführt worden sind. Es würde mir ein leichtes gewesen seyn, sie mit mehreren Documenten und Urkunden zu belegen, wenn hier der Ort dazu wäre.