BLKÖ:Eckardt, Siegfried Gotthilf

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Eckardt, Ludwig
Band: 3 (1858), ab Seite: 419. (Quelle)
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Eckardt, Siegfried Gotthilf, genannt Koch (dramatischer Künstler und Hofschauspieler, geb. zu Berlin 26. Oct. 1754, gest. zu Alland bei Baden nächst Wien 11. Juni 1831). Ist der Sohn eines angesehenen Berliner Kaufmanns, der ein Freund Engels, des Verfassers der Ideen zu einer Mimik war. In Lorenz Stark hat Engel den alten Eckardt gezeichnet. Der junge Koch erhielt eine vortreffliche Erziehung und hatte im väterlichen Hause Gelegenheit, mit geistig hervorragenden Männern umzugehen. Nach vollendeten Studien trat er – 18 Jahre alt – bei der Bergwerks-Administration als Registratur-Assistent ein, wo er das Zifferwesen nicht über drei Jahre aushielt, nach welchen er expedirender Secretär wurde. Der Umgang mit Engel und dem Baron Gemmingen, der im „Deutschen Hausvater“ auch den alten Eckardt porträtirte, wirkten entscheidend auf den Jüngling; er beschloß sich der Bühne zu widmen, verließ sein Amt und Berlin und begab sich nach Hamburg. Seine Angehörigen waren mit diesem Entschlusse nicht einverstanden. In Hamburg sah er Schröder und Brockmann , welche seine Muster wurden. Unter dem angenommenen Namen Koch betrat er im Oct. 1778 zu Schleswig zuerst die Bühne. Die erste Rolle, welche er spielte, war der Edelsee im „Postzug“, und gefiel sehr. Nun spielte er den Medon im gleichnamigen Stücke, den Waller in Gotters „Marianne“, den Guelfo in den „Zwillingen“ und den „Hamlet“, den Brockmann zuerst in Deutschland gespielt, und dem Eckardt nachgefolgt war. Eckardts Spiel wurde von den Dramaturgen seiner Zeit, an deren Spitze ein Lessing stand, anerkannt [420] und bald sein Name in ganz Deutschland ehrenvoll genannt. Nun folgte er einem Rufe an das erzbischöfliche Hoftheater zu Hildesheim, wo sich sein Künstlerruhm vermehrte. 1780 trat er in die Gesellschaft der Witwe Schuch, welche damals in Danzig spielte, und dort gab E. den Macbeth, Lear und Fallstaf. Hier muß bemerkt werden, daß Eckardt für diese Rollen zu jener Zeit keine Vorbilder besaß, sondern die Gestalten aus sich selbst schaffen mußte. Als er später in Mitau vor dem Herzoge von Kurland auftrat, sah ihn der Fürst bei seinen Hoffesten und zog ihn der Adel in seine Familienkreise. Dort lernte E. das Fräulein von Bruckenfeld, seine nachherige Gattin kennen. Auch fällt in diese Zeit seine Bekanntschaft mit Kotzebue. Als Baron von Vittinghof in Riga eine Bühne erbaute, berief er die besten Künstler jener Zeit dahin, und darunter auch Eckardt, der, als Vittinghof 1782 einem Rufe nach St. Petersburg folgte, mit dem Regisseur Mayer die Direction dieser neuen Bühne übernahm. Fünf Jahre hatte er musterhaft die Rigaer Bühne geleitet, als er seinem Drange, nach Deutschland zurückzukehren, nicht länger mehr widerstehen konnte. Er begab sich nach Frankfurt, welches eben die Krönung Leopold II. feierte. Unter E.’s Händen entwickelte das Frankfurter Theater neues Leben. Später übernahm E. das Mainzer Theater, welchem Freiherr von Dalberg als Intendant vorstand. Die die Förderung der Kunst energisch unterstützenden Bestrebungen dieser zwei Männer wurden durch die beginnende französische Revolution unterbrochen. Als die Franzosen, welche Mainz besetzt hatten, die deutsche Bühne dem politischen Fanatism dienstbar machen wollten, leistete E. entschiedenen Widerstand. Nun folgte eine wechselvolle Zeit, bis E. einer Einladung Ifflands nach Mannheim folgte, wo auch bereits seine Tochter Betti, die damals schon einen Namen in der Theaterwelt hatte, spielte. Nach acht Monaten verließ er auch diese Stadt, als die Belagerung derselben begann, wohin er aber, als die Verhältnisse wieder geordnet waren, zurückkehrte. Als nach einiger Zeit E. das Großmann’sche Privilegium der Bühne in Hannover übernehmen sollte, war es bereits nahe daran, daß die Sache zum Abschlusse kam, als Kotzebue, der damals das Wiener Hoftheater leitete, ihn dringend ersuchte, nach Wien zu kommen. E. willfahrte, kam nach Wien und gehörte von nun an diesem Kunstinstitute an, zu dessen ersten Zierden er zählte. Im J. 1828 feierte der große Mime an dieser Bühne sein 50jähriges Jubelfest als Künstler. E.’s Hauptrollen waren: Meister Klarenbach in den „Advocaten“; – Abbé de l’Epée im „Taubstummen“; – Lorenz Stark in der „Deutschen Familie“; – Einnehmer Traut in der „Reise nach der Stadt“; – Der Kriegsminister im „Spieler“; – Der Kriegsrath Dallner in der „Dienstpflicht“; – Der Hofrath im „Hausfrieden“; – Der Kaufmann Wagner im „Vetter in Lissabon“; – Belaccueul in den „Drei Gefangenen“; – Kaberdar in den „Indianern in England“; – Der Graf im „Puls“; – Nathan und Hamlet in den gleichnamigen Stücken. E. fühlte sich gleich heimisch in der Tragödie wie in der Komödie und war ausgezeichnet im Hochkomischen, wie im Tragischen; am höchsten war er aber im Conversationsstyl, der durch ihn einen neuen Schwung erhalten hatte; die Rollen, welche E. gab, waren Porträte mit deutschem Fleiße bis in’s feinste Detail ausgearbeitet, ohne daß jedoch unter dieser Sorgfalt das Wesen des Genius verwischt worden wäre. In der zweiten Hälfte seines Lebens wurde E. von manchem Leide [421] heimgesucht; im J. 1803 verlor er seine treue Lebensgefährtin; im J. 1808 entriß ihm der Tod seine älteste Tochter Betti, welche mit dem kaiserl. Hofschauspieler Roose verheiratet und eine Zierde der deutschen Bühne war, und in seinem Jubeljahre (1828) seine zweite Tochter Henriette. Glücklicher war der Künstler mit seinen Söhnen. Der älteste war (1828) Verwalter eines der größten Güter des Fürsten Esterhazy, sein zweiter kaiserl. Districts-Förster zu Schladming in Steiermark, der jüngste Officier in der kaiserl. Armee.

Baldamus (Max Karl Dr.), Siegfried Gotthilf Eckardt genannt Koch, k. k. Hofschauspieler ... was er ist und wie er es wurde. Eine biographische Skizze (Wien 1828, Adolph, 8°.). – Hormayrs Archiv für Geschichte, Statistik, Literatur und Kunst. XIV. Jahrg. (Wien 4°.) 1823, Nr. 69–80 [dieser Aufsatz ist von Wähner]. – Lembert, Taschenbuch für Schauspieler und Schauspielfreunde auf das J. 1821. – Wiener Theaterzeitung, herausg. von Adolph Bäuerle (Wien 1806) I. Jahrg. Nr. 11, S. 173: „Bruchstück aus der Biographie E.’s“ von Bäuerle. – Dieselbe 1829, XXII. Jahrg. Nr. 118: „Künstlerfeier von Weidmann.“ – Dieselbe 1831, XXIV. Jahrg. Nr. 74–76: „Nekrolog“ von Weidmann. – Originalien aus dem Gebiete der Wahrheit, Kunst, Laune und Phantasie, redigirt von G. Lotz. 1828, Nr. 132: „An Eckardt“ von C. Töpfer. – Porträte und Büsten von Eckardt. Kaum dürfte ein deutscher Künstler so vielfältig abgebildet worden sein als Eckardt. Im Anbeginn seiner theatralischen Laufbahn lieferte das „Königsberger Theater-Journal“ seinen Schattenriß; während seines Gastirens in Berlin erschien sein Bild im Kupferstich vor der Zeitschrift: „Ephemeriden der Literatur u. des Theaters“; während seiner Direction in Frankfurt hat ihn der Künstler Ohnmacht als Friedrich von Oesterreich in Alabaster geschnitten; als Mitglied des Theaters in Mannheim steht sein Bild vor dem dortigen „Theater-Kalender“, so auch vor dem „Wiener Hoftheater-Kalender“ vom Jahre 1807 und in Ifflands „Berliner Theater-Kalender“. Im J. 1818 wurde er von dem Wiener Maler Anders als Abbé de l’Epée in Lebensgröße gemalt und auf kaiserlichen Befehl in das von Kaiser Joseph gestiftete Pantheon der vorzüglichsten dramatischen Künstler der Wiener Hofbühne aufgenommen. Von diesem Gemälde wurde eine Lithographie gemacht. Die Wiener Maler Lieder, Daffinger, Kuppelwieser, Wagner haben Lithographien von ihm geliefert; der akademische Bildhauer Klein meißelte eine wohlgetroffene Büste Kochs und der Stämpelschneider Böhm verfertigte in Silber eine sehr ähnliche Hohlmedaille, welche in Berlin in Eisen nachgegossen ward. – Ein charakteristischer Zug seines Künstlerbewußtseins ist der folgende: Eckardt war mehrere Monate krank und nicht aufgetreten. Genesen, begegnete er dem Redacteur A. Bäuerle, der ihn begrüßte, worauf E. kühl erwiederte. „Was ist Ihnen denn wieder,“ fragte Bäuerle den Künstler, als er diese Kälte bemerkte. – „Nun ja,“ rief Eckardt, „Ihr habt auf mich ja ganz vergessen, es ist, als wenn ich gestorben wäre.“ – „Wie kommen Sie auf diesen Gedanken?“ fragte Bäuerle. – „Es steht ja über mich gar nichts mehr in Eurer Zeitung!“ rief Eckardt. – „Sie haben aber gar nicht gespielt, da konnte man ja über Sie nicht schreiben,“ rechtfertigte sich Bäuerle. – „Ueber einen Künstler kann man immer schreiben, auch wenn er nicht spielt.“