BLKÖ:Kern, Vincenz Ritter
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 11 (1864), ab Seite: 187. (Quelle) | |||
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Leber, damaligen Professor der Chirurgie, wurde für K. nicht bloß in Hinblick auf seine Studien, sondern auch für sein Fortkommen nutzbringend. Auf Leber’s Empfehlung erhielt K. die Stelle eines Leibchirurgen des regierenden Herzogs von Sachsen-Hildburghausen, um welchen Posten ihn jedoch der schon in zwei Jahren erfolgte Tod des Fürsten brachte. In diese Zeit fällt ein Umstand, der für K. bei seinen chirurgischen Operationen und in der Krankenbehandlung zeitlebens entscheidend [188] geblieben. Ein Bauer mit einem häßlichen Geschwüre am Schenkel, welches vernachlässigt, weit um sich gegriffen hatte und in einem schaudererregenden Zustande sich befand, suchte seine Hilfe. Kern, obgleich an den Anblick ähnlicher Zustände gewohnt, entsetzte sich jedoch vor diesem Phänomen. Ehe er an eine Behandlung des vernachlässigten Uebels schreiten konnte, rieth er dem Bauer vorerst die weitverbreiteten Geschwüre mit lauem Wasser zu reinigen. Bei der übergroßen Beschäftigung vergaß er auf seinen Patienten, der sich auch nicht meldete, bis nach einiger Zeit das Weib desselben bei K. mit der Frage erschien, ob ihr Mann mit den lauen Umschlägen fortfahren solle, da ja das Geschwüre schon fast ganz verheilt sei. Kern stutzte über diese Nachricht, eilte zu seinem Patienten und fand die Sache so, wie das Weib berichtet hatte. Diese Thatsache beschäftigte ihn ernstlich und war so zu sagen der erste Anstoß zu seiner später als Grundprincip aufgestellten Vereinfachung in der Behandlung äußerer Schäden. Bei seiner Entlassung aus den herzoglichen Diensten erhielt K. eine Summe von 300 Gulden. Mit dieser und seinen Ersparnissen unternahm er vor Allem eine Reise durch Deutschland, Italien und Frankreich und bereitete sich zunächst vor, das Doctorat der Chirurgie zu erwerben. Er begab sich 1786 nach Wien, wo ihm sein alter Gönner Dr. Leber sich wieder liebevoll zuwendete und als es schlimme Tage gab, ihm aus mancher Noth half, ihn auch endlich dem Grafen von Hatzfeld als Hauschirurgen empfahl. Im Jahre 1789 im April erhielt er die chirurgische Doctorwürde und lehnte einen Antrag als Hauschirurg der Erzherzogin Maria Anna nach Prag ab, weil die Kränklichkeit des Grafen Hatzfeld ihm sein Verbleiben bei demselben unerläßlich machte. Der Graf belohnte diesen Zug treuer Anhänglichkeit, indem er K. in seinem Testamente, eine lebenslängliche Pension aussetzte. Nachdem der Graf gestorben, widmete sich K. der Praxis in Wien, wo er 1795 als Wundarzt des Taubstummen-Institutes angestellt wurde. Im Jahre 1797 wurde er zum Professor der Chirurgie und Geburtshilfe am k. k. Lyceum zu Laibach ernannt. Acht Jahre versah K. daselbst seine Stelle und begründete sich durch die Einführung der Schutzpockenimpfung ein bleibendes Andenken. Nicht kleine Hindernisse stellten sich seinen Bemühungen entgegen. Aber er ließ sich durch nichts abschrecken, reiste auf eigene Kosten von Ort zu Ort, unterwies Aerzte und Chirurgen im Geschäfte der Impfung, bekämpfte alle Vorurtheile, schaffte den nöthigen Stoff herbei und wurde so zu sagen der rettende Engel des Landes. Ununterbrochen aber setzte er das Geschäft ernstlicher Selbstbildung fort, erwarb 1799 in Wien die medicinische Doctorwürde, reiste 1803 nur darum nach Venedig, um von Professor Pajola den Blasenschnitt zu erlernen, den dieser mit solchem Geschick und vielem Glück ausführte. Der Verlust eines Kindes (1801) und jener seiner Frau, denn K. hatte sich in Wien schon um 1794 verheirathet, trübten seinen achtjährigen Aufenthalt in Laibach, von wo er 1805 als Professor der praktischen Chirurgie und Klinik nach Wien an die Universität berufen wurde. Nun eröffnete sich seinen Kenntnissen und seiner seltenen operativen Geschicklichkeit ein weiterer Wirkungskreis. Die chirurgische Klinik lag bis dahin öde und verwaist, ohne wissenschaftliche Pflege da, aber bald eröffnete K. seinen Schauplatz der schwierigsten und gefährlichsten Operationen, die der glücklichste [189] Erfolg krönte; das Ausland staunte über K.’s chirurgische Leistungen. Dabei entfaltete K. seine segensreiche Wirksamkeit ohne marktschreierische Charlatanterie. Für die wissenschaftliche Entfaltung seines Studiums bedacht, gründete er schon im zweiten Jahre seines Wiener Aufenthaltes an der chirurgischen Klinik eine Büchersammlung, die bald zusehends wuchs und werthvolle Werke dieses Gebietes besaß. Ueber sein Andringen wurde endlich 1807 das chirurgische Operations-Institut gegründet, dessen Leitung K. selbst besorgte. Bei der anspruchslosen, aber doch siegesbewußten und siegreichen Weise seines Vorgehens konnte es K. natürlich auch an Gegnern nicht fehlen. Und wie viele deren hatte er und wie waren sie besorgt, die armseligen Stylproben ihres Neides unter den Druckerballen zu bringen! Aber dieß Alles verfing bei K. nicht, der seinen geraden Weg vorwärts ging und die Kläffer sich müde heulen ließ. Mit jeder seiner trefflichen Schriften erfocht er einen neuen Sieg und wie es mit seiner Praxis bestellt war, dafür spricht die Thatsache, daß unter 337 Blasenschnitten er nur 10 Operirte an den unmittelbaren Folgen der Operation verlor. Sein Ruf wuchs von Tag zu Tag und es wurden dem gefeierten Arzte im In- und Auslande mannigfache Beweise von Anerkennung. Schon 1807 verdoppelte Kaiser Franz seinen Gehalt von 1000 auf 2000 Gulden, und legte ihm später noch eine bedeutende Personalzulage bei, 1815 verlieh er ihm den Titel und Charakter eines kaiserlichen Rathes und ernannte ihn zu seinem Leibwundarzte. Im Jahre 1824 übertrat K. von dem Lehramte der praktischen Chirurgie zu jenem der theoretischen, denn er war bereits 64 Jahre alt, und die chirurgische Praxis benöthigt vor Allem jugendfeste und ungeschwächte männliche Kraft; nichtsdestoweniger blieben Kern’s Bezüge ungeschmälert. Noch erhielt er im genannten Jahre das Ritterkreuz des Leopold-Ordens und ein Jahr vor seinem Tode das Vicedirectorat der medicinisch-chirurgischen und thierärztlichen Studien. Die gelehrten medicinischen Akademien des Auslandes aber, als jene zu Paris, Neapel, Stockholm, Wilna, Erlangen, Erfurt u. a. wetteiferten in der Uebersendung von Diplomen, welche K. zu einem Mitgliede ihrer gelehrten Kreise ernannten; wie es auch an auszeichnenden Ehrengaben fremder Monarchen, als der Kaiser Alexander und Nikolaus von Rußland, der Könige von Dänemark, Bayern und Preußen, nicht fehlte. Die wissenschaftliche Stellung Kern’s, seinen Einfluß auf Fortbildung und Entwickelung des Faches, dessen Meister er war, das eigentlich Bleibende seiner geistigen Wirksamkeit zu bezeichnen und festzustellen, muß dem Manne von Fach überlassen bleiben; sein Biograph Hussian hat im Hormayr’schen „Archiv“ in breiten Zügen ein annäherndes Bild dieses als Gelehrten und Menschen vortrefflichen und hochgeehrten Mannes gegeben. Hier bleibt nur noch übrig, eine Uebersicht seiner wissenschaftlichen Arbeiten zu geben: „Erinnerungen über die Einführung der Blattern-Einimpfung im Herzogthume Krain“ (Laibach 1798, kl. 8°.); – „Aufruf an die Bewohner Krains zur allgemeinen Annahme der Kuhpocken“ (ebd. 1798); – „Bemerkungen über den Gebrauch der Bäder“ (Laibach [Mayr in Salzburg] 1802, 8°.); – „Lehrsätze aus dem manuellen Theile der Heilkunde“ (1803); – „Annalen der chirurgischen Klinik an der hohen Schule zu Wien“. 2 Bände (Wien 1807–1809, Schaumburg u. Comp., gr. 8°.); – „Avis aux Chirurgiens, pour les engager à adopter une méthode plus simple [190] plus naturelle et moins dispendieuse dans le pansement des bléssés“ (Wien 1809; neue Auflage 1825, 4°.), wurde von J. B. Schaul aus dem Französischen übersetzt und herausgegeben (Stuttgart 1810); – „Rede über den Werth und die Wichtigkeit der physischen Erziehung“ (Wien 1811); – „Antrittsrede bei Eröffnung des Lehramtes an der hohen Schule zu Wien im Jahre 1805“ (ebd., 4°.); – „Ueber die Handlungsweise bei der Absetzung der Glieder“ (Wien 1814, mit K. K.; 2. Aufl. 1826, gr. 8°.); – „Sul modo di trattamento nell’amputazione delle extremità“ (Wien 1820, gr. 8°., con tav.); – „Bemerkungen über die neue von Civiale und Le Roy verübte Methode, die Steine in der Harnblase zu zermalmen und auszuziehen“ (Wien 1826, gr. 8°.); – „Ueber die Anwendung des Glüheisens bei verschiedenen Krankheiten“ (Wien 1828, Grund, gr. 8°., mit 1 K.); – „Die Steinbeschwerden der Harnblase, ihre verwandten Uebel und der Blasenschnitt bei beiden Geschlechtern“ (Wien 1828, Sollinger, mit 8 K. K. und 1 Steindruckk. Imp. 4°.), Kern’s Hauptwerk, von der wissenschaftlichen Kritik als classisch bezeichnet; – „Die Leistungen der chirurgischen Klinik an der hohen Schule zu Wien vom 18. April 1805 bis 1824“ (Wien 1828, Sollinger, gr. 4°.);– „Beobachtungen und Bemerkungen aus dem Gebiete der praktischen Chirurgie“ (Wien 1828, mit 1 K., gr. 8°.); – „Abhandlung über die Verletzungen am Kopfe und die Durchbohrung der Hirnschale“ (Wien 1829, gr. 4°.). Außerdem erschienen kleinere Abhandlungen in den „Medicinischen Jahrbüchern des österreichischen Kaiserstaates“, und nach seinem Tode gab R. F. Hussian heraus das „Handbuch der Chirurgie“, Bd. I, Abthlg. 1 u. 2, auch unter dem Titel: „Vorlesungen aus der praktischen Chirurgie“ (Wien 1830 und 1831, gr. 8°.). Aus seiner durch den vorschnellen Tod seiner Gattin frühzeitig getrennten Ehe blieb ihm nur eine Tochter, die an den k. k. Hofthierarzt J. G. Puntschert verheirathet war. Kern wird überall als „Ritter von“ aufgeführt. Als Ritter des Leopold-Ordens hatte er unbezweifelt Anspruch auf die Erhebung in die Ritterwürde; ein Diplom, welchem zu Folge diese Erhebung stattgefunden hätte, ist mir aber nicht gelungen, aufzufinden.
Kern, Vincenz Ritter (Arzt und Fachschriftsteller, geb. zu Gratz 20. Jänner 1760, gest. zu Wien 16. April 1829). Der Sohn eines Privatbeamten, der in beschränkten Vermögensverhältnissen lebte, jedoch nicht unterließ, den talentvollen Knaben, soweit es ihm seine Mittel erlaubten, erziehen zu lassen. Nach beendetem Gymnasium kam K. zu einem Wundarzte in Gratz, dort sollte er sich zunächst für das Studium der Chirurgie vorbereiten. Der Umgang mit lüderlichen Spießgesellen hätte ihn fast auf Abwege geführt, wenn er sich nicht zeitig genug von ihnen getrennt hätte. Plötzlich erfaßte ihn der Gedanke, seine Vaterstadt zu verlassen. Ohne festes Ziel trat er seine Wanderung an und kam nun als chirurgischer Gehilfe nach Salzburg, Triest, Venedig. Er benützte diese Zeit theils zu Studien für seinen künftigen Beruf, theils zur Erlernung von Sprachen. Nachdem er sich soviel zurückgelegt, um die chirurgische Magisterwürde zu erwerben, begab er sich in dieser Absicht 1783 nach Wien. Dort besuchte er die chirurgischen Vorträge im Sr. Marxer Hospital und darbte, während er studirte. Am 23. Juni 1784 wurde er Magister der Chirurgie, am 27. August d. J. Geburtshelfer. Die Bekanntschaft mit Dr.- (Hormayr’s) Archiv für Geographie, Historie, Staats- und Kriegskunst (Wien, 4°.) Jahrg. 1829, Nr. 64 u. f.: Biographie von Dr. Hussian. – Neuer Nekrolog der Deutschen (Ilmenau, B. Fr. Voigt, kl. 8°.) VII. Jahrgang (1829), S. 341, Nr. 156. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. III, S. 184. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Hildburghausen, Bibliograph. Institut, 8°.) Bd. XVII, S. 989, Nr. 1. – Steiermärkische Zeitschrift. Redigirt von Dr. G. F. Schreiner, Dr. Alb. von Muchar, C. G. Ritter von Leitner, A. Schrötter (Gratz 1841. 8°.) Neue Folge. VI. Jahrg. Heft 2, S. 42. – Oesterreichischer Zuschauer, herausg. von J. S. Ebersberg (Wien, 8°.) Jahrgang 1837. Bd. II, S. 475. – Nouvelle Biographie générale … publiée par MM. Firmin Didot frères, sous la direction de M. le Dr. Hoefer (Paris, 1850 et seq., 8°.) Tome XXVII, p. 616 [nach dieser gest. 15. April 1829]. – Nach Kayser’s „Vollständigem Bücher-Lexikon“ (Leipzig 1835, Schumann. 4°.) Theil III, S. 330, wäre er nicht 1829, sondern am 16. April 1830 gestorben.[BN 1] – Porträte. 1) C. Leybold p., F. Bolt sc. (Berlin, Reimer, 4°.); – 2) Berlin Hirschwald (kl. Fol.), Stahlstich; – 3) auch befindet sich sein Porträt vor dem Werke: „Die Steinbeschwerden der Harnblase“. –
Berichtigungen und Nachträge
- ↑ E Kern, Vincenz Ritter von [Bd. XI, S. 187].
- Dritter Jahresbericht des Vereins der [358] Aerzte in Steiermark (1865–1866) (Gratz 1867, 8°.) S. 27–35: „Vincenz Ritter von Kern“. Biographische Skizze von Dr. Benjamin Ipavić. [Band 28, S. 357 f.]