BLKÖ:Kittl, Johann Friedrich

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Kitschelt, Rudolph
Band: 11 (1864), ab Seite: 340. (Quelle)
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Kittl, Johann Friedrich (Tonsetzer, geb. im Schlosse Worlik in Böhmen 3. Mai 1806).[BN 1] Sein Vater, Justizamtmann, hatte ihn für den Staatsdienst bestimmt und ließ ihn die Philosophie und die Rechte studiren. Nach deren Beendigung trat er 1835 in ein Amt und diente bereits 5 Jahre, als er 1840 durch einen Sturz aus dem Wagen den Arm brach, nun die amtliche Laufbahn [341] aufgab und sich ausschließlich der Musik widmete, in der er, mit seltenem Talente begabt, von Jugend auf unterrichtet worden und sogar den berühmten Tomaschek zum Lehrer gehabt hatte. Schladebach’s Lexikon weiß nichts von diesem Unfalle und berichtet, daß völlige Unlust zum Dienste und in Folge dessen nicht das beste Einvernehmen mit seinen Vorgesetzten ihn bewogen haben, die Entlassung zu nehmen. K. verlegte sich ganz auf die Composition. Als Dionys Weber, Director des Conservatoriums, zu Prag starb, bewarb sich K. um diese Stelle und war so glücklich, unter eilf Mitbewerbern den Sieg davon zu tragen. Am 16. Mai 1843 erhielt er dieselbe. Nun war er an seinem Platze, konnte mit ganzer Seele componiren und für die seiner Leitung anvertraute Anstalt mit seinen besten Kräften wirken. K. hatte bereits, als er erst 16 Jahre alt war, und keine Kenntniß vom Satze hatte, zu componiren angefangen. Viele Lieder und die einactige Operette: „Daphnis Grab“ rühren aus jener Zeit her. Später, nachdem er seine Studien im Contrapuncte gemacht, wurden auch seine Compositionen gehaltvoller. In einem von ihm 1836 gegebenen Concerte wurden mehrere derselben, ein Nonett, ein Septett und einige Lieder vorgetragen, und seither wurde er als Componist öffentlich genannt. K. hat in den Compositionen verschiedene Gebiete betreten, und Verdienstliches in der Profan- und Kirchenmusik geleistet, auch mehrere Opern vollendet. Seine erste größere Oper: „Bianca et Giuseppe“ 8°.) in 4 Acten, Text von Richard Wagner, wurde am 19. Februar 1848 in Prag mit großem Enthusiasmus gegeben. „Der Marsch im zweiten Acte, wie einer seiner Biographen schreibt, erlangte große Berühmtheit, manche Stadt in Ungarn und Italien wurde mit ihm gestürmt und in Zeit von einem Jahre kannte man ihn in ganz Europa“. Die zweite Oper: „Die Waldblume“, Text von Hickel, in 3 Acten, kam im Februar 1852 zur Aufführung und gefiel gleichfalls sehr, wie auch die dritte: „Die Bilderstürmer“, Text von Jos. Ed. Hartmann, in 3 Acten, welche im April 1854 zur Aufführung gelangte. Von seinen übrigen im Drucke erschienenen Compositionen sind zu nennen: „6 Idyllen“, Op. 2; – „Wilde Rosen an Hertha“ (Saphir), Op. 3; – „6 Lieder“, Op. 4; – „6 Lieder“, Op. 5; – „3 Scherzi“, Op. 6; – „Klage nicht. Lied“, Op. 7; – „Jagd-Symphonie (Nr. 2) in Es“. Op. 9, Mendelssohn gewidmet und von diesem 1840 im Gewandhause dirigirt; – „Romance in Es“, Op. 10; – „3 Gesänge“, Op. 11; – „Der Vogelsteller“ (F. E. Scherer), Op. 12; – „3 Lieder von Uhland und Birnatzky“, Op. 13; – „Prager wilde Rose. Ged. von M. G. Saphir“, Op. 14; – „Die Abfahrt des Corsaren“, Op. 15; – „3 Gesänge“, Op. 16; – „3 Impromptus“, Op. 17; – „6 Impromptus, Nr. 1: La guérison; Nr. 2: Le départ; Nr. 3: La confiance; Nr. 4: L’inquiétude; Nr. 5: La conversation; Nr. 6: Le Zéphyr“, Op. 18; – „Der böse Genosse“ (Bariton oder Baß), Op. 20; – „6 Lieder“, Op. 21; – „Concert-Ouverture in D“, Op. 22; – „6 Gesänge“, Op. 23; – „3me Symphonie[WS 1]“, Op. 24; – „Septuor pour Pf., Fl., Hautb., Clar., Cor., B. et Contrb. in Es“, Op. 25; – „3 Impromptus, Nr. 1 in E, Nr. 2 in As; Nr. 3 in E“, Op. 26; – „Grand Sonate in F-moll“, Op. 27; – „3 Impromptus, Nr. 1 in A, Nr. 2 in G; Nr. 3 in As“, Op. 30; – „Zwei Defilirmärsche in D und Es“, Op. 32; – „3 Impromptus“, [342] Op. 38; – „Berceuse“, Op. 39; – „3 Aquarelles“, Op. 42; – „3 Aquarelles“, Op. 44; – „6 Aquarelles“, Op. 45; – „Nocturne“, Op. 53 (im Prager Künstler-Album). Außerdem hat K. componirt, Cantaten, mehrere Concert-Ouverturen, Messen, darunter „eine große Messe“, welche im Jahre 1844 in Prag in der Dominicanerkirche aufgeführt wurde; auch schrieb er in neuerer Zeit eine „praktische Orgelschule für Präparanden“. Als Lehrer richtet K. sein Hauptaugenmerk auf einen möglichst vollkommenen, fein nuancirten Vortrag, und auf eine tüchtige theoretische und literarische Ausbildung der Zöglinge welche letztere um so wichtiger ist, als musikalische Ausbildung oft mit großer Unwissenheit in anderen Zweigen gepaart zu sein pflegt. Als Componist hat sich K. einen schönen Ruf erworben. Mehrere seiner Lieder haben großes Glück gemacht. Seine Orchester-Compositionen werden als trefflich instrumentirt bezeichnet; in seinen Ideen steht K. auf eigenen Füßen, und seinen Tondichtungen fehlt es weder an Melodie noch an charakteristischer Schärfe. Seine größeren Werke, die Opern und Messen, sind nicht über das Weichbild seines Wirkens hinausgekommen; aber Prag, welches Wien das Scepter in der musikalischen Kritik schon seit Jahrzehnten entwunden, spendete diesen Werken ungewöhnlichen Beifall, welcher Umstand zu deren Gunsten spricht.

Monatschrift für Theater und Musik u. s. w. Herausgegeben von Klemm (Wien, 4°.) Jahrg. 1855, S. 620 [nach dieser geb. 8. Mai 1806). – Schuberth (Julius), Musikalisches Handbuch. Eine Encyklopädie für Tonkünstler und Musikfreunde (Leipzig und New-York, kl. 8°.) S. 146. – Neues Universal-Lexikon der Tonkunst. Angefangen von Dr. Jul. Schladebach, fortgesetzt von Ed. Bernsdorf (Dresden 1856, R. Schäfer, Lex. 8°.) Bd. II, S. 609 [nach diesem geb. 8. Mai 1809]. – Wiener allgemeine Musik-Zeitung, Jahrg. 1844, S. 599, 603, 607. 616. – Slovník naučný. Redaktor Dr. Frant. Lad. Rieger, d. i. Conversations-Lexikon. Redigirt von Dr. Franz Ladisl. Rieger (Prag 1859, Kober, Lex. 8°.) Bd. IV, S. 669. [Daselbst heißt es über Kittl: „Als Componist reiht sich K. den hervorragendsten Componisten der älteren deutschen Schule, zu der ein Franz Lachner, Jul. Rietz u. A. zählen, an; in Böhmen nimmt er unter den lebenden Tonsetzern die erste Stelle ein. In seinen Werken ist er ganz selbstständig, er stützt sich auf keine irgend sonst wo bekannte Autorität; auch ist er kein Vertreter einer herrschenden Richtung; noch verfolgt er die breite Straße derjenigen Componisten, welche ihren Werken die möglich größte Publicität zu verschaffen suchen. Die Hauptvorzüge seiner Werke sind: ein geläuterter Geschmack, eine sorgfältige, bis in’s Einzelne gehende Durcharbeitung, ein weiter Umblick des schaffenden Genius; die vollendete, ja wenn man dieß bei einem Tonwerke sagen kann, fast plastische Schönheit und ein gewisser, sich selbst beschränkender Adel. Mit der Anmuth der Melodie, dem Reichthume und der Mannigfaltigkeit der Harmonie verleiht er durch einen pikanten Rhythmus seinen Compositionen einen eigenthümlichen Reiz. Die Instrumentation in seinen symphonistischen Werken ist glänzend, an Tonzierathen reich, beinahe zu blendend; dem Charakter eines jeden Instrumentes getreu, schreibt er im Geiste und Tacte desselben und weiß die Vorzüge eines jeden derselben geschickt in den Vordergrund zu stellen; kein einzelnes Instrument ist in seinen Orchesterwerken vernachlässigt oder gar stiefmütterlich behandelt. Im Uebrigen ist sein Tonsatz vorherrschend lyrisch, eine gewisse Nüchternheit der Empfindung, welche beinahe an Kühle grenzt, und eben der oberwähnte höhere Adel tritt der Volksthümlichkeit seiner Werke störend entgegen. Jedes seiner Tonwerke, und sei es das kleinste, ist ein vollendetes abgerundetes Ganzes und trägt das Gepräge, das ein so edles Gemüth den Werken aufdrückt. Als tiefsinniger, milde empfindender dramatischer Tonsetzer bewährte er sich in seiner Oper Bianca et Giuseppe; den höchsten Erfolg aber feierte er mit seiner Jagdsymphonie, auf welche sich die Blicke der ganzen musikalischen Welt richteten. Seine große Messe reiht sich den besten Werken dieser Art an. Ueberdieß ist K. nicht bloß Tonsetzer, [343] sondern auch ein ausgezeichneter Orchesterdirector. Die Concerte, welche das Conservatorium alljährlich gibt und welche K. als Director dirigirt, sind die vollendetsten Productionen der jährlichen Concertsaison.“] – Porträte. 1) Lithographie (Prag, Hoffmann, Fol.); – 2) Kniestück mit Facsimile. Lithogr. J. Manes (Prag, Dominicus, Fol.).

Berichtigungen und Nachträge

  1. Kittl, Johann Friedrich [Bd. XI, S. 340], gestorben zu Polnisch-Lissa in Posen im Juli 1868. [Band 26, S. 396]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Sinphonie.