BLKÖ:Löwe, Sophie

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 15 (1866), ab Seite: 433. (Quelle)
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Löwe, Sophie, auch Johanna Sophie (Sängerin, geb. zu Oldenburg im Jahre 1815). Nichte des berühmten Hofschauspielers Ludwig L. [s. d. S. 421]. Die Kinderjahre, aus welchen uns Genast in seinen Aufzeichnungen von ihrer Schalkhaftigkeit und Munterkeit berichtet, verlebte sie in Mannheim, wo damals ihr Vater Ferdinand an dem großherzoglichen Hoftheater angestellt war. Als er sich später von Mannheim nach Frankfurt begab, erhielt Sophie dort den ersten Musikunterricht und schon damals bemerkte man die wundervolle Stimme des Mädchens, die zu großen Hoffnungen berechtigte. Während der Scharfblick des Vaters den Genius der Kunst in dem Kinde bald erkannte, sprachen ihr Künstler und Kunstverständige alles dramatische Talent geradezu ab. Der Besuch ihrer Tante Julie [s. d. S. 420], welche damals (1831) [434] eben auf einen Gastrollen-Cyklus nach Frankfurt gekommen war, mochte wohl für Sophiens künstlerische Zukunft entscheidend gewesen sein. Gleich Sophiens Vater erkannte auch sie in dem Mädchen den Funken des Genius und es galt also zunächst für eine sorgfältige Ausbildung der vorhandenen Mittel zu sorgen. Der Ausweg war bald gefunden. Die Tante nahm das Mädchen nach Wien mit, ließ es dort von geschickten Lehrern und zuletzt von dem berühmten Gesangslehrer Ciccimara gründlich im Gesange unterrichten. Der schon im folgenden Jahre (1832) unerwartet eingetretene Tod ihres Vaters, der sich eben nach Wien zu einem Gastspiele am kaiserlichen Hoftheater begeben und dort starb, ehe es noch begonnen hatte, versetzte Sophie in eine um so ernstere Lage, als außer ihr noch fünf unversorgte Geschwister zurück geblieben waren. Durch ihre Kunst sollte sie den verwaisten Geschwistern eine Stütze werden. In einem Concerte trat sie zum ersten Male öffentlich auf und der Erfolg war ein so günstiger, daß die Direction des Kärntnerthor-Hoftheaters ihr sogleich ein Engagement anbot, welches sie auch ohne zu zögern annahm, worauf sie im Jahre 1832 zum ersten Male die Bühne betrat. Sie sang in Donizetti’s Oper: „Acht Monate in zwei Stunden oder die Macht der kindlichen Liebe (Otto mesi in due ore)“. Die Wahrheit und das tiefe Gefühl, mit dem sie diese Parthie ausführte, gewannen ihr alsbald das Publicum; ihrer Kraft und Mittel sich täglich mehr bewußt werdend, schritt sie auf ihrer künstlerischen Laufbahn mit Begeisterung und ernstem Fleiße rastlos vorwärts und fand an ihrer Tante Julie eine mütterliche Freundin und Lehrerin. Diese überwachte namentlich die Ausbildung der dramatischen Darstellung, wodurch eben der seelenvolle Gesang der Künstlerin eine so hinreißende Wirkung übte. Nach einer fünfjährigen, mit musterhaftem Ernst und dem Willen das Höchstmögliche in der Kunst zu leisten, fortgesetzten Ausbildung unternahm sie im Jahre 1837 die erste Kunstreise nach Berlin, eröffnete dort einen Cyklus von Gesangparthien, mit welchen sie solche Triumphe feierte, wie deren seit dem Auftreten der Sontag nicht wieder vorgekommen waren. Der Antrag einer Anstellung an der kön. Hofoper mit einem Jahrgehalte von 6000 Thalern war die Folge dieses Auftretens und indem sie ihren Kunstausflug auf Hamburg und Hannover beschränkte, trat sie ihre neue Stellung als erste Sängerin der kön. Oper zu Berlin an. Eine im folgenden Jahre unternommene zweite Kunstreise, auf welcher sie die bedeutendsten Bühnen Deutschland’s besuchte, begründete vollends ihren Ruf als Gesangskünstlerin ersten Ranges. Im Jahre 1840 sang sie in Paris und London, dann in Italien und da war es auch, wo sie ihr gegenwärtiger Gemal, der damalige k. k. Feldmarschalllieutenant Friedrich Fürst von Liechtenstein [s. d. S. 146 d. Bds.] kennen lernte und, hingerissen von der Kunst und Anmuth der Sängerin, ihr seine Hand antrug, welche sie auch annahm. Die große Künstlerin wurde am 15. September 1848 Fürstin Liechtenstein, als welche sie zur Stunde in Pesth lebt, wo ihr Gemal zur Zeit als commandirender General von Ungarn seinen Aufenthalt hat. Das kön. preußische Staatshandbuch führte sie aber im Jahre 1862 noch an der Spitze der sieben zum damaligen Hofstaate gehörenden Kammersängerinen auf. Sophie Löwe ist mit gleicher Virtuosität in der deutschen, italienischen und französischen [435] Schule heimisch. Ihre Glanzparthien waren: Bellini’s „Norma“ und Amina in der „Nachtwandlerin“, Mozart’s Donna Anna, die Adina in Donizetti’s „Liebestrank“, die Prinzessin von Navarra in Boieldieu’s „Johann von Paris“, Elvira in Bellini’s Puritanern u. dgl. m. In ihrer äußeren Erscheinung sittliche Würde mit Anmuth vereinend, sang sie nicht bloß meisterhaft ihre Rollen, sondern spielte sie auch mit vollendeter Wahrheit, so daß sich die Charakteristik derselben bis in’s kleinste Detail verfolgen ließ, worauf man die reine Harmonie ihrer ganzen Darstellung erkannte. Man nannte sie zu ihrer Zeit die erste deutsche dramatische Sängerin.

Theatralisches Album des königlichen Schauspiels und der königlichen Oper zu Berlin (Berlin 1858, Schauer, 4°.), in der III. Abthlg, S. 85. –Neues Universal-Lexikon der Tonkunst. Angefangen von Dr. Julius Schladebach, fortgesetzt von Ed. Bernsdorf (Dresden, R. Schäfer, gr. 8°.) Bd. II, S. 808. – Gaßner (F. S. Dr.), Universal-Lexikon der Tonkunst. Neue Handausgabe in einem Bande (Stuttgart 1849, Franz Köhler, gr. 8°.) S. 569. – Argus (Hamburger Blatt, 4°.) II. Jahrg. (1838), Nr. 405: „Studien und Kritiken über Berliner Theater- und Concert-Personalien“. – BrockhausConversations-Lexikon, 10. Auflage, Bd. IX, S. 721. – Berliner Figaro. Redigirt von L. W. Krause, VIII. Jahrg. (1838), Nr. 93: „Sophie Löwe in Frankfurt“. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Hildburghausen, Bibliogr. Institut, gr. 8°.) Bd. XIX, 2. Abthlg. S. 741. – Revue des deux mondes vom 15. Februar 1841 oder 1842. – Porträte. 1) Gezeichnet von Krüger, lith. von Fischer (Berlin, Sachse u. Comp., gr. Fol.); – 2) Unterschrift: Sophie Löwe. Lithogr. ohne Angabe des Zeichners und Lithographen [im Theatralischen Album des kön. Schauspiels und der kön. Oper in Berlin, 4°.] – Zur künstlerischen Charakteristik der Sängerin Sophie Löwe. „Was diese Sängerin vor Allem auszeichnet“, schrieb ein Fachkritiker im Jahre 1842, „ist eine ursprüngliche Vereinigung – vielleicht einzig in ihrer Art – der verschiedensten Eigenschaften, die geschickt vertheilt und regiert die Harmonie ihrer Natur bilden. Auf diese Weise hat sie einerseits mehr Vocalisation als die Malibran, Pasta und die großen, rein dramatischen Sängerinen, andererseits mehr Umfang des Styls, des Portamento, als die Sontag, Cinti-Damoreau oder selbst die Persiani. Ihre Methode ist im Allgemeinen gut und aus italienischen Quellen geschöpft. Jeder Ton vibrirt oder trägt den Charakter nach, den sie der Musik besonders in den gemäßigten Regionen aufdrückt; das mezzo di voce strömt in reicher Fülle, aber ihre Art, die Töne in gewissen Parthien ihrer Stimme, z. B. zwischen D und A zu spinnen, übertrifft Alles, was man in dieser Art hören kann. Es ist eine metallische Silberreinheit und zugleich eine Zartheit ohne Beispiel. Etwas Schwebendes, Poetisches, Wunderbares gibt’s in diesem sonoren Spinnen, das dem stillen und durchsichtigen See der Harmonie entsteigt, sich ausdehnt, sich verlängert und in der Luft verhaucht wie jene unbegreiflichen Gewebe, die im Frühlingslichte schweben. Mit mehr Athem würde die Grisi in dem Recitativ, das der Arie von „Casta diva“ vorangeht, nahe an diese Vollkommenheit reichen, von der Sophie Löwe allein das Geheimniß zu besitzen scheint. Aus dieser Kunst zieht Sophie Löwe einen reichen Theil ihrer Manier, die „Adelaide“ vorzutragen. Man weiß, daß seit beinahe zehn Jahren diese edle Cantate Beethoven’s für die größten Sänger stets ein Gegenstand des Studiums und des Triumphes war. Die Devrient brachte in diese elegische Melodie eine Erinnerung auf’s Theater, Sophie Löwe aber recitirt „Adelaide“ mit zurückhaltender Anmuth, mit saftvoller Reinheit, mit melancholischer Heiterkeit, die vielen Leuten für Kälte gelten könnte, die uns aber als das Ideal des Charakters dieser Composition erscheint. Welche Poesie in diesen langgehaltenen Tönen, in diesem süß Getragenen, aus dem sie um diese schwankend melodische Gestalt einen Nebelschleier webt! Ja, das ist ein Traum in den Morgendünsten Deutschlands, wenn der Thau fällt, die Vögel auf den Zweigen erwachen, die Seele zu sich kommt und betet! Ein Traum in einem klangvollen, ganz von Gesäusel und Düften erfüllten Garten, wo [436] sich mitten unter den Blumenbüschen über irgend ein unbekanntes Grab ein hölzernes Kreuz erhebt, dieß Kreuz, dem Göthe nicht gern auf seinen Spaziergängen begegnete, und dessen Schatten fast immer die glänzende Eigenthümlichkeit Beethoven’s mäßigten.“ – Es liegt eine große Menge von Urtheilen über die Sängerin, alle des Lobes und der Bewunderung voll, vor dem Herausgeber dieses Werkes; aber in dem Vorstehenden möchte wohl das Treffendste und Bezeichnendste gesagt sein.