BLKÖ:Mertens, Ludwig Ritter von

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Mertens, Ferdinand
Band: 17 (1867), ab Seite: 407. (Quelle)
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Mertens, Ludwig Ritter von (österreichischer Dichter, geb. zu Ottakring bei Wien 30. Juni 1826). Sohn des Hofrathes Demeter Ritter von M. aus dessen Ehe mit Anna geb. von Gall. Entstammt einem alten niederländischen Patriziergeschlechte, über welches in den Quellen zur Biographie des berühmten Arztes Karl Ritter von M. S. 406 bereits Näheres berichtet worden. Seine Kindheit und Jugend verlebte M. in Wien, und auf Ausbildung seines früh tief empfindenden Gemüthes übte zunächst die Mutter wesentlichen Einfluß, die ihn auch in den Elementen des Wissens unterrichtete, dabei für ihn Auszüge aus Dichtern und Schriftstellern machte, mit deren Erlernung M. sein Gedächtniß stärkte, vornehmlich aber es liebte, ihm aus Zschokke’s „Stunden der Andacht“ ein und das andere Bruchstück vorzulesen. In den späteren Knabenjahren gelangte er in den Besitz einer für Kinder bearbeiteten Ausgabe von Tausend und Einer Nacht, deren Märchen alsbald die leichtempfängliche Phantasie des Knaben erregten und fesselten. Als M.’s Vater im Jahre 1841 starb, zog sich die Mutter nach Linz zurück, wo M. die meiste Zeit zubrachte, sich privat dem Studium der Rechte widmend. Das Jahr 1848, in welchem M. bald nach der Bewegung in die akademische Legion eintrat, die er jedoch nach einiger Zeit schon verließ, verlebte M. zum größeren Theile in Gmunden, wo sich auch in ihm bei Betrachtung des politischen Charakters der Bewegung und ihrer Folgen der Gedanke an eine Standesänderung immer fester ausbildete, so daß er das juridische Studium, da sich auf der beamtlichen Laufbahn ihm wenig Verlockendes mehr zeigen wollte, aufgab und am 28. Februar 1849 als Cadet in [408] die kaiserliche Armee eintrat. Er kam nach Italien, wurde in kurzer Zeit Officier, und nachdem der Feldzug im Süden bald beendet war, zur Armee nach Ungarn, bei welcher er neben den die Gesundheit zerrüttenden Folgen eines ungewohnten Klima’s und anstrengender Strapazen unter Jellačić die Cernirung Peterwardeins mitmachte. Zur Herstellung seiner stark angegriffenen Gesundheit erhielt er Urlaub, den er in Salzburg bei seinem ältesten Bruder, dem Besitzer des Schlosses Leopoldskron, verlebte. Kaum einigermaßen hergestellt, kehrte er zur Armee zurück, kam nach Italien, wo sich aber seine physischen Leiden neuerdings, und in so angreifender Weise kundgaben, daß er auf ärztlichen Rath die militärische Laufbahn aufgeben mußte und sie nun mit jener im Civilstaatsdienste vertauschte. M. erhielt nun eine Anstellung bei der k. k. Postdirection in Triest, wo er mehrere Jahre, aber immer an den Folgen des ungarischen Fiebers siechend, zubrachte, bis seine Uebersetzung nach Salzburg erfolgte, wo ihm das Klima mehr zusagte und er nach längerer Zeit auch von seinem Leiden genas. Im August 1865 wurde M. von Salzburg zum Postamte nach Hietzing übersetzt, wo er, seit 1861 verheirathet, zur Stunde sich noch befindet. Ohne anfänglich literarisch thätig zu sein, fühlte sich doch M. früh zur Literatur und ihren Meisterwerken mächtig hingezogen und in der Beschäftigung damit die meiste Befriedigung. So las, ja studirte er Shakespeare in der Ursprache, trieb griechische und lateinische Studien, vertiefte sich neben Homer, Virgil und Horaz in Lessing’s dramaturgische Schriften, während er an der Hand von Vischer’s Aesthetik die Theorie der schönen Künste in einem fünfactigen Trauerspiele „König Ottocar“, welches 1862 bei Bloch in Berlin im Drucke erschien, zu verwirklichen suchte. Die Kritik that von dieser Dichtung den Ausspruch, daß dieselbe eigenthümliche Schönheiten besitze und neben Grillparzer’s bekannter Tragödie genannt zu werden verdiene. Ein Jahr später vollendete er, zumeist durch Kinkel’s „Otto, der Schütz“ angeregt, „Das belagerte Wien. Eine Reimchronik“ (Leipzig 1861, zweite (Titel-) Aufl. 1864, O. A. Barth), an welcher Dichtung M. an sieben Jahre gearbeitet. M. erzählt darin in wechselnder rhythmischer Form die zweite Belagerung Wiens durch die Türken im Jahre 1683. Sich beinahe strenge an die Chronik haltend, schildert er das türkische und ungarische Heer, die Flucht des Hofes, den Helden Starhemberg, des Lothringer’s Einzug, die Recognoscirung des türkischen Lagers durch den waghalsigen Kolschützki, die Ausdauer der Bürger, den Verrath der Jesuiten, das Erscheinen des Bischofs Kollonitsch u. s. w. in technisch vollendeter Form, in spannender Weise und als Grundgedanke der ganzen Dichtung tritt die unumstößliche Wahrheit: „daß Bürgermuth der höchste Wall sei“ lebendig hervor. Die Dichtung fand in der deutschen Kritik die ehrenvollste Aufnahme. In der Zeitfolge zunächst reihte sich daran die epische Dichtung: „Das Idyll auf dem Kahlenberge“ (Wien 1863, Schönewerk), in welchem man in guten Hexametern neben Bildern des freundlichsten Stilllebens in Natur und Familie einer hochpoetischen Schilderung der Geschicke Wiens von Norimund bis Erzherzog Karl begegnet. So ziemlich zu gleicher Zeit vollendete der Poet das auch in Wiens Geschichte einschlägige Trauerspiel: [409] „Conrad Vorlauf“, das nur als Bühnen-Manuscript im Drucke erschien. Die bisherigen poetischen Arbeiten hatten die Aufmerksamkeit auf den begabten Dichter gerichtet, und als zur Förderung der schönen Künste in Oesterreich unter Minister Schmerling Staatsstipendien genehmigt wurden, war auch M. einer der zum ersten Male mit diesem Ehrensolde Betheiligten, und erhielt überdieß noch ein Jahr Urlaub, den er, da seine amtliche Beschäftigung nichts weniger als poetisch anregend und fördernd wirkt, seinen poetischen Arbeiten hingegeben, in Krems verlebte. Seit dieser Zeit ist von M. nichts mehr in die Oeffentlichkeit gedrungen. Aus hie und da veröffentlichten Notizen ist zu entnehmen, daß ein größeres episches Gedicht: „Graf Rothal“, in mehreren Gesängen in zehnzeiligen Strophen, wie auch drei Lustspiele: „Die Originale“, – „Der Diplomat“, – „Die Wette“, vollendet vorliegen, und daß er in jüngster Zeit sich dem Romane zugewendet habe, und ein solcher unter dem Titel: „Pütten, oder Abenteuer eines Norddeutschen in Wien“ gleichfalls bereits druckfertig sei. M., den ein Kritiker zutreffend den „Wiener Poeten par excellence“ nennt, denn seine poetischen Arbeiten wurzeln ihrem Stoffe nach bisher sämmtlich in der ihres Scott harrenden Geschichte Wiens, verbindet mit gestaltender Kraft eine schwungvolle Phantasie und eine wohlthuende Leichtigkeit in Behandlung der Form, die er geschickt dem Charakter des Stoffes anzupassen versteht. Nur lebt er, wie alle Poeten der Gegenwart, um welche sich trotz aller Reclame die politisch bewegte Zeit zu kümmern keine Zeit hat, in einer der Dichtung überhaupt und der österreichischen insbesondere, welche von der norddeutschen Kritik immer gleich mit Haut und Haar verschlungen wird, höchst ungünstigen Periode.

Salzburger Zeitung 1864, Nr. 90 u. 249. – Constitutionelle österreichische Zeitung (Wien, Fol.) 1864, Nr. 127. – Blätter für literarische Unterhaltung (Leipzig, Brockhaus, 4°.) Jahrg. 1862, Nr. 37. – Allgemeine Literatur-Zeitung (Wien, 4°.) 1865, Nr. 2, S. 16. – Handschriftliche Notizen von Dr. Ludwig August Frankl. –