Zum Inhalt springen

BLKÖ:Ritter von Rittersberg, Ludwig

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
Nächster>>>
Ritter, Paul
Band: 26 (1874), ab Seite: 187. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
in der Wikipedia
Ludwig Ritter von Rittersberg in Wikidata
GND-Eintrag: 116573546, SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Ritter von Rittersberg, Ludwig|26|187|}}

Ritter von Rittersberg, Ludwig (Schriftsteller, Zeichner, Componist, geb. zu Prag 19. November 1809, gest. zu Wrschowitz bei Prag 6. Juni 1858). Der Sohn des als Schriftsteller und Kunstfreund bekannten Hauptmanns Johann Ritter von Rittersberg, dessen besondere Biographie S. 182 mitgetheilt wurde, aus dessen Ehe mit einer Freiin von Vogelsang, einer gebornen Belgierin. Die erste Erziehung erhielt er im Elternhause unter unmittelbarer Leitung der Eltern; der Knabe zeigte ungewöhnliche Talente und entwickelte sich frühzeitig, rasch hatte er die technischen Studien beendet und schon 1826 bezog er das polytechnische Institut in Prag, wo er unter Bittner, Gerstner und Steinmann seine Studien machte. Zu gleicher Zeit, da er Talent zum Zeichnen hatte, nahm er bei Bergler Unterricht darin und bildete sich unter Einem in der Musik aus, für welche er auch nicht gewöhnliche Begabung bekundete. Nach beendeten technischen Studien trat er zu Prag in den Cameraldienst ein, betrieb aber zu gleicher Zeit unter Tomaschek, Vitašek und Karl L. Hoffmann Compositionsstudien und componirte schon damals einige Lieder für den Gesang. In den Staatsdienst war R. getreten, um dem Wunsche seines Vaters zu genügen; als dieser im Jahre 1841 eines plötzlichen Todes starb, gab R. sofort seine Stelle auf, um sich ausschließlich seiner Lieblingsneigung, der Musik, zu widmen, ging nach Lemberg und wurde dort Musiklehrer des daselbst bestehenden Musikvereins. Auf diesem Posten befand sich R. ganz in seinem Elemente, er ließ sich auch die Sache angelegen sein, erlernte die polnische Sprache, machte sich mit polnischen Lieder-Compositionen bekannt und wurde dadurch selbst immer bekannter und beliebter. In Lemberg befreundete er sich auch mit dem dort bei der Staatsbuchhaltung bediensteten Karl Wladislaus Zap, der später mit einem Male als čechischer Alterthumsforscher sich entpuppte. Im März 1844 hatte R. das Unglück, sich durch einen Sturz so schwer zu verletzen, daß er unfähig war, sein musikalisches Lehramt fortzusetzen. Auf Rath der Aerzte suchte er Heilung in den Teplitzer Bädern Böhmens, und betrieb, fern von seiner in Galizien weilenden Familie, in dieser Zeit čechische und deutsche Literaturstudien. Ein zweier Fall im Jänner 1848 fesselte ihn neuerdings an’s Krankenlager. In dieser Zeit beschäftigte sich R. fleißig mit literarischen Arbeiten, welche auf der folgenden Seite aufgezählt werden. Als im Jahre 1853 Guido Polz, der Redacteur der Agramer Zeitung, starb, übernahm R. an dessen Stelle die Redaction, legte sie aber bereits im April 1854 nieder und kehrte nach Prag zurück. Um sich eine bessere Existenz zu begründen, pachtete er im Jahre 1856 in Ungarn einen Edelhof, aber seine zu geschwächte Gesundheit gestattete ihm nicht die mit diesem Geschäfte verbundenen Anstrengungen, und so kehrte er denn im Jahre 1857 wieder Prag zurück. Auf den Rath der Aerzte übersiedelte er, um reinere Luft zu athmen, auf’s Land nach Vrsovic, wo er [188] aber schon im folgenden Sommer im Alter von 49 Jahren starb. Seine literarische Thätigkeit, ursprünglich eine deutsche, reicht bereits in das Jahr 1837 zurück. Rittersberg schrieb damals kleinere belletristische Aufsätze aller Art für deutsche Almanache und Journale, wie für Klar’s „Libussa“, Glaser’s „Ost und West“, Saphir’s „Humorist“ u. A. während seines Aufenthaltes in Galizien aber, wo das Deutschthum im Ganzen ein kümmerliches Dasein fristete, befreundete er sich allmälig mit der slavischen Literatur, betheiligte sich als Mitarbeiter an böhmischen, polnischen und russischen Journalen und ging allmälig ganz in’s slavische Lager über. So wurde er einer der Matadore der Jungčechen und machte sich durch sein „Kapesní slovníček“ selbst in officiellen Kreisen geradezu gefürchtet. Die Titel der von ihm selbstständig herausgegebenen Schriften sind in chronologischer Folge: „Co jest konštituce? ...“, d. i. Was ist Constitution? ... (Königgrätz 1848, Pospisil); – „Kapesní slovníček novinářský a konversačni“, d. i. Kleines Taschen-, Zeitungs- und Conversations-Lexikon, 2 Theile (Prag 1850 u. 1851, 12°.); vom Buchstaben M an erschien es in Folge von Confiscation nicht weiter; das Buch enthält eine wahre Fülle von Enthüllungen und ist mit einem für die damaligen Verhältnisse fast zügellosen Freimuthe geschrieben; obwohl unvollendet, ist und bleibt es für die Zeitgeschichte eine reiche, freilich mit Vorsicht zu benützende Quelle, da nicht selten Parteileidenschaft die Farben grell aufträgt; – „Životopis Václava Hanky“, d. i. Lebensbeschreibung des Wenzeslaus Hanka (Prag 1850); – „Jaromira Radimská. Povídka z dějů českých dvanáctého stoleti“, d. i. Jaromira Radimska. Erzählung aus der čechischen Geschichte des 12. Jahrhunderts (Prag 1852, Geržabek, 16°.); – „Sebrané zábavné spisy“, d. i. Gesammelte Unterhaltungsschriften, 2 Bände (ebd. 1853, Pospišil, 16°.), enthält verschiedene, in čechischen Unterhaltungsblättern, wie „Květy“, „Lumír“ u. a. früher abgedruckte Erzählungen, meist aus dem slavischen Volksleben; – „Kronika lazební doby z Milodole“, d. i. Badechronik aus Milodol (Prag 1855), im 6. Hefte der čechischen Bibliothek historischer und moderner Romane „Biblioteka českých původních románů“; – „Dějiny Rušké od nejstarších dob až do nejnovějšího míru Pařižského“, d. i. Russische Geschichte von den ältesten Zeiten bis zum neuesten Pariser Frieden (Prag 1856, Pospišil), nach slavischen Quellen, vornehmlich nach Ustrjalov; – „Rozbroj Přemyslovcův“, d. i. Die Zwietracht der Przemysliden (Prag 1858), im 4. und 5. Hefte der oberwähntem Bibliothek čechischer Original-Romane; – überdieß hat er Paul de Kock’s „Moustache“ in čechischer Uebersetzung unter dem Titel: „Trojlístek Pařižských študentů“ (Prag 1854) und desselben „Tourlourou“ unter dem Titel: „Voják a kneža“ (ebd. 1854) herausgegeben. Kleinere Aufsätze, Uebersetzungen aus dem Polnischen, eine Geschichte des Prager Conservatoriums, diese letztere wahrscheinlich aus dem Nachlasse seines Vaters u. dgl. m. hat er in Zeitschriften „Lumír“, „Květy“ u. a., deren fleißiger Mitarbeiter er war, erscheinen lassen. Neben dieser schriftstellerischen Thätigkeit ist jedoch noch seiner künstlerischen, auf dem Gebiete der Musik und des Zeichnens und seiner technischen zu gedenken. R. besaß besonders tüchtige Kenntnisse in der Hydraulik, mit welcher er sich immer mit besonderer Vorliebe [189] beschäftigte. Im Jahre 1851 trat er mit einer Erfindung, von ihm slavisch „Samonor“, d. i. Selbstversenker, auf, mit dessen Hilfe nach seiner Behauptung jede nur denkbare Meerestiefe gemessen werden konnte. Sonderbarer Weise wurde von dieser – wenn sie sich bewährte – jedenfalls sehr wichtigen Erfindung gar keine Notiz genommen. Wohl zunächst darum, weil sich R. eben in jener Zeit durch sein „Kapesní Slovníček“ in den damals maßgebenden Kreisen unmöglich gemacht. Ferner war R. ein sehr geschickter Zeichner, er lithographirte, malte auch und die Bildnisse der Generale und Heerführer der österreichischen Armee neuerer Zeit, welche die biographischen Werke seines Vaters schmücken, sind zum Theile von seiner Hand ausgeführt. Endlich hat er sich auch als geschickter Componist bewährt. Schon im Februar 1837 wurde seine Oper „Idamor“ in Prag mit aufmunterndem Erfolge gegeben. Im folgenden Jahre gab er im Verlage bei Fischer in Prag vier in Musik gesetzte deutsche Lieder: „In die Ferne“ von Klette, „Vergißmeinnicht“, von Oehlenschläger, „Das letzte Gut“ und „Ständchen“, von ihm selbst gedichtet, heraus, und veröffentlichte zum Vortheile der damals durch die Ueberschwemmung schwer heimgesuchten Bewohner von Ofen und Pesth das „Prager musikalische Album“. Viele Compositionen befinden sich in seinem Nachlasse, welcher unter anderen auch ein čechisches Theaterstück: „Camillus“; aus dem Jahre 1857 und Fragmente einer Oper: „Jaroslav von Sternberg“ enthält. Mit Ludwig Ritter von Rittersberg ging ein vielseitiges Talent, das aber durch ungünstige Lebensverhältnisse, trübe Erfahrungen und sonstiges Ungemach vielfach verbittert war, frühzeitig zu Grunde. Unter glücklicheren Umständen und wenn er seine Geistesgaben mehr concentrirt hätte, wurde er ungleich Bedeutenderes geleistet haben. Mit ihm ist sein Geschlecht in der vierten Generation, nach gerade hundertjährigem Bestande, im Mannsstamme erloschen, denn Ritter’s Urgroßvater, k. k. Artillerie-Officier, wurde für sein bei der Belagerung Prags durch die Preußen bewiesenes tapferes Verhalten im Jahre 1757 von der Kaiserin Maria Theresia in den Adelstand erhoben. Ludwig Ritter von R. hinterließ, als er starb, eine unversorgte 14jährige Tochter und eine Schwester.

Prager Morgenpost (polit. Blatt, 4°.) 1858, Nr. 156, im Feuilleton. – Wiener Zeitung 1856, S. 2246. – „Lumír“ (čechisches Unterhaltungsblatt, schm. 4°.) 1858, Nr. 23, S. 544: Nekrolog von Emanuel Melis. – „Pražské Noviny“, d. i. Prager Zeitung, 1858, Nr. 138. – Světozor 1858, Nr. 13, S. 100. – Bohemia (Prager polit. und belletr. Blatt, 4°.) 1858, Nr. 160, S. 1185. – Theater-Zeitung. Herausg. von Ad. Bäuerle (Wien, kl. Fol.) 1858 Nr. 134.