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BLKÖ:Slawik, Joseph

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
Band: 35 (1877), ab Seite: 133. (Quelle)
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Slawik, auch Slawjk und Slavik, Joseph, n. A. Wenzel (Violin-Virtuos und Tonsetzer, geb. zu Jinec (Ginetz) im Berauner Kreise Böhmens 1. Mai, n. A. 1. März 1806, gest. zu Pesth 30. Mai 1833). Sein Vater Anton [vergl. die Quellen] in seinen jüngeren Jahren Musiklehrer in Wien, erhielt später, auf Fürsprache des damaligen Oberstkämmerers Seiner Majestät, des Grafen Rudolph Wrbna, die Schullehrerstelle zu Jinec in Böhmen. Sein erstgeborener Sohn war unser Joseph. Dieser zeigte in frühester Jugend Talent für die Musik, und das Spielzeug des vierjährigen Knaben war eine kleine Violine, auf welcher er unter Anleitung des übrigens nichts weniger als nachsichtigen Vaters alsbald und ziemlich gut spielen erlernte. Zum Unterrichte des Violinspiels gesellte sich bald jener im Gesange, Clavier und Orgelspiel. Der Secretär des Grafen Wrbna, Namens [134] Joseph Pill, war ein häufiger Gast im Slavik’schen Hause und hatte so Gelegenheit das ungewöhnliche Musiktalent des Knaben kennen zu lernen, den er nun auch zu seinen Quartett-Abenden in’s Haus lud, bei welchen derselbe den Violoncell-Part übernahm. Slawík zählte damals acht Jahre und spielte schon Quartette von Pleyel und Rode, Duetten von Krammer u. A. mit einer Sicherheit und Gewandtheit, welche Aller Erstaunen erregte. Alles drang nun darauf, der Vater solle den Sohn in das Conservatorium nach Prag zur künstlerischen Ausbildung schicken. Das Verlangen war gerecht, aber dem Vater fehlten die Mittel und nun trat wieder Graf Wrbna hilfreich ein und schickte 1816 auf seine Kosten den Knaben nach Prag. Als er daselbst vor dem damaligen Director des Conservatoriums Dionys Weber Probe spielte, legte ihm dieser eine der schwierigsten Etuden von Kreutzer vor. S. spielte sie vom Blatte weg mit solcher Correctheit, daß er sofort in den zweiten Jahrgang aufgenommen wurde. Unter Pixis letzte nun S. das Violinspiel fort und galt bald als einer der begabtesten Schüler, trug auch in den Akademien, die jährlich Statt fanden, jedesmal ein Solostück vor. Im dritten Jahre seines Aufenthaltes im, Conservatorium componirte S. ein Quartett in E-dur und schwere Variationen in Es-dur. Als ihm in einiger Zeit ein Freund Paganini’sche Uebungsstücke gab, vertiefte sich S. vollends in das Studium derselben und nahm so den Geist seines Vorbildes in sich auf, daß er nach demselben ein Concert schrieb, worüber sein Lehrer förmlich ungehalten in die Worte ausbrach, „wie man so närrische Dinge componiren könne, die kein Mensch zu spielen im Stande sei“. Nachdem seine Lehrzeit im Conservatorium beendet war, erhielt er von mehreren Cavalieren Anträge, als Musikmeister in ihre Dienste zu treten. S. aber, um in seiner weiteren Ausbildung nicht gehemmt zu sein, schlug jedes Anerbieten aus und unternahm auf den Rath seines Vaters zunächst eine Reise nach Wien. Dort fand er im Hause verschiedener Musikfreunde, unter anderen auch in jenem des Vaters des Schriftstellers Dr. August Schmid die zuvorkommendste Aufnahme. Am 9. April 1826 gab er sein erstes Concert im landständischen Saale. Der Erfolg war ein unerwartet großartiger. Man verglich den zwanzigjährigen Geiger mit Lipiński [Bd. XV, S. 217], und Paganini; Mayseder [Bd. XVII, S. 195] ersuchte den Virtuosen, das Concert, das er in F-moll begonnen und in F-dur geendet, ihm noch einmal vorzuspielen, als sollte dieser zweite Vortrag ihn erst von der Möglichkeit dieser außerordentlichen Leistung überzeugen. S. nahm nun seinen bleibenden Aufenthalt in Wien und lebte von den Einnahmen seiner Concerte. Als im Jahre 1828 Paganini nach Wien kam und S. den Wundermann geigen hörte, da ließ es ihm keine Ruhe mehr. Wie schwer zugänglich Paganini war, ist bekannt, aber Slawik gelang es, sich Zutritt zu dem berühmten Meister zu verschaffen, der sich selbst zu der verwandten Künstlernatur mächtig hingezogen fühlte. Nach Paganini’s Abreise folgte er diesem nach Paris, wo ihm dieser gestattete, an seinen Privatübungen Theil zu nehmen, während er zugleich die Spielweise anderer Violin-Virtuosen, unter Anderen des berühmten, durch sein großartiges und ergreifendes Spiel anerkannten Baillot, kennen lernte. Noch während seines Aufenthaltes in Paris, im April 1829, erhielt S. ein Schreiben des Grafen Harrach aus Wien, das ihn aufforderte, die [135] ihm am 19. April verliehene Stelle eines wirklichen Mitgliedes der k. k. Hof-Capelle anzutreten. Dem Rufe folgend, kam S. sofort nach Wien, wo bereits sein erstes Concert deutlich bewies, wie nahe sein Spiel dem seines berühmten Vorbildes gekommen sei. Nun lebte S. ganz seinem Berufe. Im Frühling 1833 beabsichtigte er einen Kunstausflug nach Ungarn zu unternehmen. Er gab am 28. April g. J. sein Abschieds-Concert in Wien. Nun reiste er ab und spielte – zum letzten Male in Preßburg. Krank erreichte er Ungarns Hauptstadt, dort angelangt, entwickelte sich ein heftiges Nervenfieber, dem der hoffnungsvolle, erst 27jährige Künstler in wenigen Tagen bereits erlag. Die Theilnahme in Wien und Pesth war eine große, sein Leichenbegängniß in letzterer Stadt ein prächtiges. Nach seinem Ableben lieferte ein ungemein stark besuchtes Concert die Kosten zu einem Grabdenkmal, das seine Ruhestätte bezeichnet. Von seinen Compositionen sind nur eine Phantasie und eine Potpourri im Stich erschienen. Im Nachlasse befanden sich: „Concert in Fis-moll“; – „Concert in H-moll“; – „Potpourri mit Begleitung des Orchesters“; – „Impromptu“; – „Variationen in A-dur“; – „Variationen in D-dur“; – „Andante in D-dur; – „Polonaise in D-dur“; die bisher genannten Werke befinden sich im Besitze des Herrn Labor in Hořovic; – „2. Concert in Fis-moll“; – „Rondo“; – „Variationen über ein Originalthema“; – „Variationen mit wechselnden Stimmen; – „2. Concert in H-moll“; – „Doppel-Concert in Fis-dur“; – „Rondo in A-dur“; wo sich die letztgenannten sieben Werke befinden, ist nicht bekannt; – sein Bruder Rudolph [siehe die Quellen S. 137] besitzt die „Variationen auf der G-Saite“. – Auch fand sich ein von S. geschriebenes Tagebuch mit vielen musikalischen Glossen und Bemerkungen über das Violinspiel vor, das gleichfalls oben erwähnter Labor besitzt. Seine Arbeiten tragen sämmtlich das Gepräge einer kühnen Phantasie und zeigen die hohe technische Stufe, auf welcher S. als Violinspieler stand und die nur selten Einer erreicht. Als Violinspieler charakterisirt ihn ein Fachmann – Dr. August Schmidt – wie folgt: „Eine bis zu einem solchen Grade der Bravour gesteigerte Kühnheit in Ueberwindung haarsträubender Schwierigkeiten, war mir noch bei keinem Geiger vorgekommen. Für ihn schien es keine Probleme der Ausführung zu geben, die er nicht zu lösen im Stande gewesen wäre. Die schnellsten Läufe in allen Stricharten, drei- bis vierstimmige Doppelgriffe, Arpeggien in allen Lagen wechselten mit den gewagtesten Sprüngen, Terzen, Sexten, Septimengänge rauschten im Sturmfluge vorüber, während wieder im Auf- und Abstrich des Staccatos die Töne perlend von dem Bogen rollten. Dieses kunstvoll gewobene dichte Passagengeflechte aber durchbrach er mit lächelnden Mienen[WS 1], es kostete ihn die herkulische Arbeit nicht die mindeste Anstrengung. Die Klangmasse, welche sich aus diesem Füllhorn von Tönen über den Hörer ausgoß, war aber von dem Zauber einer musterhaft reinen Intonation umflossen“. Nun aber, wie Schmidt zum Schlusse berichtet, fehlte diesem wunderbaren Kunstgebilde der Virtuosität der warme Hauch Empfindung, und es blieb nur die immense Technik zu bewundern. Als Mensch war er eine edle Natur; er schickte von seinen Einnahmen reichlich dem Vater, seinen Bruder unterstützte er durch eine Monatszulage sehr freigebig, unter den Koryphäen der Tonkunst stand ihm Beethoven obenan, unter den [136] Poeten zog er Shakspeare und Jean Paul den andern vor. Im Jahre 1858 meldete das Prager Blatt: „Lumir“, daß der Zinngießer Menzl in Karolinenthal zu Prag das einzige bekannte Bildniß des Künstlers besitze. Es ist in Oel von einem Wiener Maler, Namens Nowotny, ausgeführt. Dieselbe Notiz meldet ferner, daß Slawik zu Hořovic in Böhmen geboren und das Denkmal auf dem Pesther Friedhofe ihm von dem Grafen Brunswik errichtet sei. Beide Angaben stimmen mit unseren, in der vorstehenden Biographie enthaltenen, aber richtigen, nicht überein.

Allgemeine Theater-Zeitung. Herausgegeben von Adolph Bäuerle (Wien, kl. Fol.) XXVI. Jahrg. (1833), Nr. 160: „Biographische Skizze“ von Letteris. –Gaßner (F. S. Dr.), Universal-Lexikon der Tonkunst. Neue Handausgabe in einem Bande (Stuttgart 1849, Frz. Köhler, Lex.-8°.), S. 787. – Hanslick (Eduard). Geschichte des Concertwesens in Wien (Wien 1869, Braumüller, gr. 8°.) S. 241 und 329. – Oesterreichische Musiker-Zeitung (Wien, 4°.) 1877, Nr. 49 [Fragment aus Dr. August Schmidt’s Autobiographie: „Reflexe“. – Handschriftliche Notizen desselben. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Hildburghausen, Bibliogr. Institut, gr. 8°.). Zweite Abtheilung, Bd. IX, S. 481. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1837, 8°.) Bd. V. S. 65 [nach diesem geb. 1. März 1806, gestorben bereits 1832]. – Prager Morgenpost 1838, Nr. 188. – Neues Universal-Lexikon der Tonkunst. Angefangen von Dr. Julius Schladebach, fortgesetzt von Ed. Bernsdorff (Dresden, Robert Schäfer, gr. 8°.) Bd. III, S. 584 [nach diesem geb. 1. März 1806]. – Seyfried (Ferdinand Ritter v.), Rückschau in das Theaterleben Wien’s seit den letzten fünfzig Jahren (Wien 1864, 8°.) S. 250. – Aus der Sammlung der Biographien im Archive des Wiener Musik-Conservatoriums. – Noch sind Lebensskizzen von A. Šembera in dem „Květy“ 1834, von Em. Melis in den „Prazke noviny“ 1858 von J. B. Mencl im „Dalibor“ 1859 vorhanden, die ich aber nicht einsehen konnte.
Porträt. Unterschrift: „Josef Slavík | 26. Marc. 1806, † 30. máje 1833 | Le monde tremble quand vous jouez. Paganini“. Lithographie [Beilage des „Dalibor“].
Slawik’s Grabstein. Die Freunde des Compositeurs haben dem in der Blüthe des Lebens zu Pesth verstorbenen und daselbst begrabenen Tonkünstler auf dem Friedhofe ein Denkmal gesetzt. Dasselbe besteht aus einer abgestutzten, auf einen Sockel gestellten Pyramide, die eine mit einem Kranze und Trauertuch behängte Lyra und auf der Vorderseite Slawik’s Bildniß in Medaillon zeigt. Unterhalb enthält eine Tafel folgende Inschrift: „Den die Muse der Töne | Früh zum Geweihten erwählte, | Schied hier plötzlich von uns, | Eher beweint als gehört. | Fremd uns, fühlten ihm doch | Zahllose Verwandte dahin nach, | Wo er, statt zu erfreuen, | Selber Entzückungen fand.“ Der Sockel aber enthält folgende Angaben: „Geboren zu Gienitz in Böhmen 1806 | Gestorben in Pesth am 30. May 1833 | I. K. D.“. [Es ist auch eine von Mink lithographirte, bei J. Schmid gedruckte Abbildung des Denkmals erschienen].

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Minen.