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BLKÖ:Vesque von Püttlingen, Johann (Vater)

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Vesprémi
Band: 50 (1884), ab Seite: 193. (Quelle)
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Vesque von Püttlingen, Johann, Vater (Hofrath und Custos an der k. k. Hofbibliothek, geb. zu Brüssel am 12. November 1760, gest. in Wien am 1. März 1829). Der Sproß einer altadeligen niederländischen Familie, über welche die Quellen S. 208 Ausführlicheres enthalten. Sein Vater Johann war Generalinspector der Domänen des Erzbisthums Metz und des kaiserlichen Lottogefälls in den Niederlanden, seine Mutter Cäcilie eine geborene von Roquilly. Er besuchte zu Commercy das Gymnasium, studirte zu Löwen Philosophie und die Rechte und trat, durch Reisen in Frankreich, den Niederlanden und Deutschland ausgebildet, 1787 zu Brüssel in den Staatsdienst als Concipist bei der für die Durchführung der von Kaiser Joseph II. in den Niederlanden angeordneten Neuerungen eingesetzten Commission in geistlichen Angelegenheiten. Es galt zunächst die neue Eintheilung der Diöcesen und Pfarreien, welche um so dringender und wichtiger war, als zwei Dritttheile der niederländischen Provinzen zum Kirchsprengel der fremden Erzbischöfe von Trier, Cöln, Cambray und Rheims und des Bischofs von Lüttich gehörten. Bereits zwei Jahre hatte diese Arbeit in Anspruch genommen, und schon nahte dieselbe ihrem Ende, als die Commission 1789 durch den Ausbruch der belgischen Revolution überrascht wurde. Das österreichisch-niederländische Generalgouvernement sah sich gezwungen, Brüssel plötzlich zu verlassen und nach Luxemburg sich zurückzuziehen. Vesque, welcher bei dem Mangel an Pferden nicht sogleich mitfolgen konnte, ward wegen seiner ausgesprochenen Anhänglichkeit an das Kaiserhaus verhaftet und zwei Monate lang auf dem Treurenberghe gefangen gehalten. Durch Vermittelung einflußreicher Freunde wieder in Freiheit gesetzt, begab er sich zunächst nach Trier, wo sich inzwischen die meisten Mitglieder des niederländischen Generalgouvernements mit dem von Wien entsendeten Philipp Grafen von Cobenzl zusammengefunden hatten. Bald darauf erfolgte seine Verwendung bei der in Luxemburg zur Verwaltung der treu gebliebenen niederländischen Provinzen eingesetzten Commission. Nach hergestellter Ruhe wurde er dem bevollmächtigten Minister Grafen von Mercy-Argenteau zugetheilt, welcher in Brüssel die noch abwesenden Generalgouverneure, Erzherzogin Marie Christine und ihren Gemal Herzog Albert von Sachsen-Teschen, vertrat. Nach deren Rückkehr zum Concipisten bei dem österreichisch-niederländischen Staats- und Kriegssecretariat ernannt, besorgte er nebst den diplomatischen und militärischen [194] Geschäften dieses Departements auch dessen übrige amtliche Correspondenz und die Censur des Brüsseler Theaters. Als dann am 17. März 1793 Erzherzog Karl die General-Statthalterschaft der österreichischen Niederlande übernahm, ward Vesque auch mit der Protokollführung der bei demselben abgehaltenen Conferenzen betraut und in Würdigung seines bewiesenen Diensteifers von Kaiser Franz II. zum k. k. Secretär befördert. Beim Herannahen des französischen republicanischen Heeres mußte er zum zweiten Male mit dem Generalgouvernement flüchten, und zwar nach Wesel im preußischen Gebiete. Als 1794 die Franzosen neuerdings in die Niederlande eindrangen, begleitete er, zum dritten Male gezwungen, seine Heimat zu verlassen, den Transport des Archives von Brüssel zu Wasser durch Holland nach Düsseldorf, verfügte sich dann mit den übrigen Beamten nach Aachen, von da wieder nach letztgenannter Stadt zurück und endlich nach Dillenburg im Nassau’schen, wo seine Dienstleistung am 31. December 1794 mit der gänzlichen Auflösung des österreichisch-niederländischen Generalgouvernements abschloß. Diese dritte Auswanderung aus dem Vaterlande, welche die letzte war, da bald darauf Belgien aufhörte, eine österreichische Provinz zu sein, war so plötzlich hereingebrochen, daß ihm keine Zeit blieb, auch nur die geringsten Maßregeln hinsichtlich seiner eigenen Familienangelegenheiten und Privatgeschäfte zu ergreifen; er mußte mit dem Wenigen fliehen, was er in seinem Reisewagen fortzubringen vermochte, ließ sein ganzes Mobiliar zurück, welches zum Vortheile der französischen Nation verkauft wurde, und konnte auch in Angelegenheit seiner unbeweglichen Güter keine Anstalten treffen, um sich vor Dürftigkeit zu bewahren, in welche er wirklich in Folge der französischen Gesetze wider die Emigrirten verfiel, nur auf eine geringe, durch den Drang der damaligen Umstände bestimmte Pension angewiesen. Durch das bezüglich der quiescirten niederländischen Beamten erlassene Verbot von dem Besuche Wiens ausgeschlossen, benützte er diese Zeit des Abwartens zu seiner weiteren Ausbildung, er bereiste Deutschland und die Schweiz größtentheils zu Fuß, nahm einen längeren Aufenthalt in Italien, um sich den Studien der dortigen Kunstschätze zu widmen, durchwanderte dann Oberösterreich, Böhmen, Mähren, Schlesien und Galizien, bis er im österreichischen Westgalizien bei dem Fürsten Alexander Lubomirski, dem Vater der Fürstin Rosalia verehelichten Gräfin Rzewuska, auf dem Schlosse Opole ein freundliches Asyl fand. Die Hoffnung auf eine endliche Rückkehr in die Heimat sah er aber völlig vernichtet, als die belgischen Provinzen in die französische Republik einverleibt wurden und der Luneviller Friede der österreichischen Herrschaft in den Niederlanden für immer ein Ende machte. Das Loos der Vermögensconfiscation, das ihn getroffen, brach auch über die Familie seiner Gemalin herein. Während seines Aufenthaltes zu Opole in Galizien erging nun von Seite der französischen Republik an alle im österreichischen Dienste stehenden Niederländer der Aufruf, sich bestimmt zu erklären, ob sie in Folge der Vereinigung Belgiens mit Frankreich als Franzosen oder als Fremdlinge auf dem französischen Boden gehalten und behandelt werden wollten. Vesque gab an den zu Wien residirenden Minister citoyen Champagny die Erklärung ab, daß er keineswegs gesonnen sei, je aus dem [195] kaiserlichen Dienste zu treten, und demnach ausdrücklich verlange, wie ein Fremdling auf dem französischen Boden behandelt zu werden. Als dann 1804 die Verordnung, welche den emigrirten österreichisch-belgischen Beamten den Aufenthalt in der österreichischen Reichshauptstadt untersagte, aufgehoben ward, begab sich auch Vesque dahin und trat in den activen Staatsdienst ein. Während der ersten französischen Invasion zur Führung der Hauptcorrespondenz mit den französischen Machthabern verwendet, wurde er bald darauf wirklicher k. k. Hofsecretär und Kanzleidirector des kaiserlichen Oberstkämmereramtes, dann mit Beibehaltung dieser Stelle niederösterreichischer Regierungsrath, k. k. Schatzmeister und wirklicher Hofrath. Als aber nach dem Tode des Oberstkämmerers Grafen Wrbna im Jahre 1824 eine Reduction im Status des Oberstkämmereramtes stattfand, ward er am 5. März zum ersten Custos an der Hofbibliothek ernannt. In dieser Stellung blieb er bis zu seinem im Alter von 68 Jahren plötzlich erfolgten Hinscheiden. In allen seinen Diensten benahm sich Vesque mit ebenso viel Umsicht als Energie und bewies letztere namentlich in den schweren Zeiten der französischen Invasion, in welchen die fremden Machthaber zum öfteren eine Rohheit an den Tag legten, die mit der Phrase von einer an der Tête der Civilisation marschirenden Nation im diametralen Gegensatze stand. Während der sechsmonatlichen Invasion im Jahre 1809, in deren Verlaufe der Feind mit aller Härte hauste und die Stadt auch die Nachwehen der in ihrer Nähe geschlagenen großen Schlachten empfindlich tragen ließ, zeichnete sich Vesque besonders durch seine energische Haltung aus gegenüber den übermüthigen Anmaßungen der feindlichen Befehlshaber, so daß es im Ernennungsdecret für die Regierungsrathstelle namentlich hervorgehoben wird, daß er den Gewalthabern „mit einer Offenheit der Sprache und einer Bestimmtheit der Ausdrücke entgegentrat, welche ihm nicht nur die vollkommene Zufriedenheit seiner Vorgesetzten, sondern selbst die Achtung der französischen Autoritäten erwarben“. In den Jahren 1814, 1815 und 1816 befand er sich im Gefolge des Kaisers Franz auf dessen Reisen nach Paris, Venedig und Mailand und hatte während derselben wie auch zur Zeit des Wiener Congresses häufig die Leitung des Oberstkämmereramtes ganz selbständig zu führen. Damals bildete nämlich dasselbe nicht blos ein gewöhnliches Hofamt, sondern es besaß vielmehr die Attribute eines umfassenden Dicasteriums, welchem außer den dem Kaiser unmittelbar zu unterbreitenden vielen Gnadensachen, dann außer den Ahnenproben der Candidaten für die Kämmererswürde, der Oberaufsicht über die k. k. Patrimonial-, Avitical- und Familiengüterdirection[WS 1] mit den darauf bezüglichen technischen Geschäftszweigen und den Personalien der zu dem Stabe des Oberstkämmerers gehörigen zahlreichen Hofbediensteten, auch noch die Leitung der beiden Hoftheater, sowie die Oberaufsicht über die kaiserliche Schatzkammer, die vereinigten Naturaliencabinete (nämlich das zoologische, brasilianische und Mineraliencabinet), über das physikalische, astronomische, dann das Münz- und Antikencabinet, die Gemäldegalerie im Belvedere, die Ambraser Sammlung und die kaiserlichen Hofschlösser zugewiesen waren. Vesque verwendete die Muße, welche ihm sein ausgedehnter amtlicher Beruf übrig ließ, [196] vornehmlich zu literarischen Arbeiten; so befanden sich unter seinen Papieren eine philosophische Sprachlehre, eine Geschichte des deutschen Ordens, mehrere staatsrechtliche, politische, literarische und numismatische Abhandlungen und einige poetische Erzählungen, Alles in seiner Muttersprache, dem französischen Idiom, welches er mit Eleganz zu schreiben wußte. Mehreres davon ist in Paris und Brüssel ohne Angabe des Verfassers und Verlagsortes im Druck erschienen, davon sind bekannt: „Considérations sur l’ordonnance de l’Empereur du 29 Mai 1786 pour préparer une nouvelle distribution générale des paroisses“ (1789), anläßlich der von Kaiser Joseph II. begonnenen Reformen in den kirchlichen Angelegenheiten Belgiens; – „Le Roi Guiot, histoire nouvelle tirée d’un vieux manuscrit poudreux et vermoulu“ (o. O. 1791, 12°.), die einzige Schrift Vesque’s, welche in J. M. Quérard’s „La France littéraire“ [Bd. X, S. 132] unter seinem Namen angeführt ist; ein politisch-satyrischer Roman, den Vesque während seiner Haft schrieb; – „Contes en vers“ (o. O. 1791); – „Olinde et Sophronie, poëme en deux chants“ (o. O. 1791); – „Idées jetées sur la constitution du Brabant“ (o. O. 1792); – „Ode sur la mort de l’Empereur Joseph II.“(1792); – „Adèle de Ponthieu, nouvelle historique en vers“ (1792). Auch lieferte er in das Hormayr’sche „Archiv für Geschichte u. s. w.“ mehrere in deutscher Sprache verfaßte Aufsätze historischen Inhalts, deren Titel aufzufinden mir aber nicht gelang. Bald nach seiner Uebersetzung als erster Custos in die kaiserliche Hofbibliothek begann Vesque die Verfassung eines beschreibenden Katalogs der in derselben befindlichen Incunabeln in lateinischer Sprache. Aber er wurde vor Vollendung dieser Arbeit vom Tode ereilt. Vesque hatte sich am 5. August 1801 in Prag mit Theresia Leenheer von Sleews (geb. 18. März 1770, gest. zu Wien 20. August 1829), einer Emigrantin, vermält. Die ganze Familie Leenheer, eilf Geschwister, von denen vier im österreichisch-belgischen Staatsdienste gestanden, war emigrirt und ihr ganzes Vermögen dann confiscirt worden. Aus dieser Ehe stammen zwei Söhne: Johann und Karl [siehe die Folgenden].

Zeitschrift für österreichische Rechtsgelehrsamkeit. Herausgegeben von Dr. Aug. Vincenz Wagner (Wien, 8°.) 1829, Notizenblatt S. 106–110. – Neuer Nekrolog der Deutschen (Ilmenau 1831, Voigt, 8°.) Siebenter Jahrgang 1829, I. Theil, S. 212, Nr. 88. – (Barbier). Dictionnaire des anonymes, welcher den „Roi Guiot“ mit dem Namen des Verfassers citirt.
Porträt. Dasselbe, von Peter Fendi im Jahre 1822 in Oel gemalt, befindet sich im Besitze der Familie und war in der historischen Ausstellung Spätherbst 1880 in Wien zu sehen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Familengüterdirection.