BLKÖ:Wesselý, Wolfgang

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Weselý, Adalbert
Band: 50 (1884), ab Seite: 182. (Quelle)
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Wesselý, Wolfgang (Rechtsgelehrter und Fachschriftsteller, geb. zu Trebitsch in Mähren 1801, gest. in Wien am 21., nach Anderen am 22. April 1870). Von seinem Vater, einem jüdischen Arrendator, für die Rabbiner-Laufbahn bestimmt, gab er sich schon in seiner meist freudlosen Jugend mit allem Eifer dem Studium hin und blieb demselben auch sein ganzes Leben hindurch treu. Im Alter von 14 Jahren kam er nach Prag, wo er die Gymnasialclassen, die philosophischen und rechtswissenschaftlichen Studien beendete und 1828 erst die philosophische, dann die rechtswissenschaftliche Doctorwürde erlangte. Bald darauf wurde er jüdischer Religionslehrer in Prag und wirkte als solcher mehrere Jahre hindurch, bis er 1852 zum außerordentlichen Professor des Strafrechtes an die Universität daselbst berufen wurde. Mit ah. Entschließung vom 19. August 1861 zum ordentlichen Professor dieses Faches an derselben Hochschule ernannt, bekleidete er dieses Lehramt bis an sein Lebensende. Wesselý war der erste und – wenigstens bis zu seinem Tode – der einzige Jude, welcher in Oesterreich zur ordentlichen Professur an der Universität gelangte. Seine Ernennung machte in Deutschland um so größeres Aufsehen, als dieselbe durch den Unterrichtsminister Leo Grafen Thun und unter Minister Bach erfolgte. Als im Jahre 1848 die Einführung der Schwurgerichte stattfinden sollte, erhielt Wesselý von Seite der Regierung den Auftrag, die Rheinprovinzen und Belgien zu bereisen, um die Einrichtungen der dort bestehenden Schwurgerichte zu studiren und darüber Bericht zu erstatten. Nach seinen Vorschlägen wurden dann auch die ersten Schwurgerichte in Oesterreich eingeführt. Wesselý lebte nun seinen rechtswissenschaftlichen Studien, deren Ergebnisse er sowohl in Abhandlungen, welche er in Fachzeitschriften veröffentlichte, als auch in mehreren Werken niederlegte, und für seine Studenten, die dem leutseligen, wenn auch strengen Professor mit aller Liebe anhingen. Von der politischen Laufbahn hielt er sich zeitlebens ferne, obwohl ihm wiederholt ein Landtagsmandat für Prag und andere Städte Böhmens dringend angetragen wurde. Seine Schriften, deren Verzeichniß wir folgen lassen, waren rechtsphilosophischen und theologisch-philosophischen Inhaltes, darunter auch eine Broschüre über Mischehen, die er vom Standpunkte der österreichischen Staats- und der jüdischen Religionsgesetze als erlaubt erklärt. Die Titel seiner selbständig erschienenen Werke sind in chronologischer Folge: „Wer ist nach den Grundsätzen des österreichischen Rechtes zur Vornahme einer jüdischen Trauung berechtigt? Mit Rücksicht auf das mosaisch-talmudische Eherecht beantwortet“ (Prag 1839, Borrosch und André, 8°.); – „נְתִיב אֱמוּנָה‎ (Netib Emmuna). Biblischer Katechismus oder Leitfaden für den ersten Religionsunterricht der israelitischen Jugend“ (Prag 1840, Kronberger und Rziwnatz 1840; 2. Aufl. ebd. 1846; 5. Aufl. ebd. 1856; 6. Aufl. ebd. 1858; 8. Aufl. ebd. 1863, gr. 8°.); – „תְּפִילָה יִשְׂרָאֵל‎ (Tephilah Israel) oder die Gebote ins Deutsche übersetzt mit jüdisch-deutscher Schrift“ (Prag 1841, 8°., mit deutscher Schrift ebd. 1844, 8°.); – „Ueber die Gemeinschaftlichkeit der Beweismittel im österreichischen Civilprocesse“ (Prag 1844, Haase Söhne, gr. 8°.), erschien zuerst im 10. und 12. Hefte 1843 der „Zeitschrift für österreichische Rechtsgelehrsamkeit“; dann in italienischer Uebersetzung im [183] 6. Bande, S. 323 u. f. des von Dr. L. Fortis zu Venedig bei Antonelli herausgegebenen „Giornale di giurisprudenza austriaca“; – „Die Befugnisse des Nothstandes und der Nothwehr nach österreichischem Rechte mit Berücksichtigung des gemeinen Rechtes und der neueren deutschen Particulargesetzgebungen“ (Prag 1862,Tempsky, gr. 8°.). Von Dr. Wolfgang Wesselý’s in Fachzeitschriften erschienenen Aufsätzen und Abhandlungen nennen wir: in Dr. Vinc. Aug. Wagner’sZeitschrift für österreichische Rechtsgelehrsamkeit“: „Einige Bemerkungen über die Verjährung durch Urtheil zuerkannter Rechte“ [1841, Bd. II, S. 317 u. f.], die italienische Uebersetzung im 4. Bande S. 409 des von Dr. L. Fortis bei Antonelli in Venedig herausgegebenen „Giornale di giurisprudenza austriaca“; – „Beitrag zur Lehre von der Einberufung der Verlassenschaftsgläubiger nach den §§. 813–816 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches“ [1842, Band I, S. 47 u. f.], die italienische Uebersetzung im obgedachten „Giornale“ [Bd. IV, S. 283 u. f.]; – „Das schiedsrichterliche Institut nach Grundsätzen des österreichischen Rechtes [1842, Band II, S. 129, 206, 276 und 334], die italienische Uebersetzung im gedachten „Giornale“ Bd. IV, S. 194 u. f.; – „Ueber den derogirenden Einfluß des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches auf die Vorschrift des §. 342 der a. G. O.“ [1843, Bd. I, S. 188 u. f.]; – „Vor welchen Gerichtsstand gehören die Klagen der Verlassenschaftsgläubiger gegen den erklärten Erben?“ [1843, Bd. II, S. 49 u. f.], italienische Uebersetzung im „Giornale“ Bd. VI, S. 439; – in der von Dr. Joseph Wesselý zu Prag herausgegebenen „Themis“: „Kann eine jüdische Frau während ihrer Schwangerschaft nach den Grundsätzen des jüdischen Rechtes zur Ablegung eines Eides zugelassen und im Weigerungsfalle dazu verhalten werden? Beantwortung mit Rücksicht auf die österreichischen Gesetze“ [Bd. III, S. 107 u. f.]; – in dem von Dr. Franz Haimerl herausgegebenen „Magazin für Rechts- und Staatswissenschaften“: außer Anzeigen über W. Th. Frühwald’s „Handbuch des allgemeinen Strafprocesses in Oesterreich“, über Dr. Julius Glaser’sCäsar Beccaria über Verbrechen und Strafen“ und Wilhelm Schneidler’s „Anleitung zum Studium des öffentlichen mündlichen Verfahrens in Strafsachen“, folgende Abhandlungen: „Beitrag zur Lehre vom Meineid nach österreichischem Rechte mit Rücksicht auf die neue provisorische Strafproceßordnung vom 17. Jänner 1850“ [Bd. I, S. 369]; – „Umfang und Grenzen der österreichischen Strafgewalt rücksichtlich der im In- und Auslande begangenen Verbrechen“ [Bd. II, S. 115 und 150]; – „Ein Wort zur Reform des bisher in Oesterreich geltenden jüdischen Eherechtes“ [Bd. VI, S. 103, 230 und 437]; – „Auslegung und Anwendung der österreichischen Gesetze“ [Bd. VIII, S. 51]; – „Die strafbare Unterlassung nach österreichischem Rechte“ [Bd. XV, S. 345]; – in Dr. Adolph Schmidl’s in Wien herausgegebenen „Oesterreichischen Blättern für Literatur und Kunst“: „Ueber die Heilquellen und Bäder und den Gebrauch derselben bei den alten Hebräern“ [1844, I. Quartal, Beiblatt Nr. 7 und 8; II. Quartal S. 5 und 13]; diese Abhandlung wurde von dem Karlsbader Arzte Dr. Johann Ritter von Carro für seinen „Almanach de Carlsbad“ [184] 1844 ins Französische übersetzt; – im „Wiener israelitischen Jahrbuch“ für 1846: „Die symbolische, mythische und allegorische Bedeutung der Taube bei den Hebräern“; – im „Literaturblatt des Orients“: „Ueber jüdische Kirche und jüdisches Kirchenrecht“ [1841, Nr. 12 und 13] und „Das ethische Element im jüdischen Rechte“ [1844, Nr. 34 u. f.]. Bald nach dem Tode Wesselý’s hieß es, daß die vorerwähnten und anderen zerstreuten Arbeiten desselben der Wiener Prediger Dr. Jellinek zu sammeln und dem Drucke zu übergeben beabsichtige. Als jüdischer Gelehrter genoß Wesselý einen ausgezeichneten Ruf, der ihn mit allen bedeutenden Orientalisten des Continents und Englands in geistige Verbindung brachte. Er schloß sich den liberalen Reformbestrebungen der Juden an und sympathisirte lebhaft mit deren Verfechtern. Viele gelehrte Gesellschaften in Deutschland ernannten ihn zu ihrem Mitgliede. Von Prag nach Wien gekommen, um seine Pensionirung zu erbitten, auf die er in Anbetracht seines bevorstehenden 70. Lebensjahres Anspruch hatte, machte er, sich vollkommen wohl fühlend den Tag über alle officiellen Besuche im Cultusministerium. Am Abend fand er sich bei seinen Verwandten ein, in deren Kreise er, um halb 7 Uhr vom Schlage getroffen, trotz augenblicklicher ärztlicher Hilfe verschied. Er hinterließ eine Frau, mit welcher er 37 Jahre in glücklichster Ehe gelebt hatte. Die Leichenfeier fand auf dem israelitischen Friedhofe zu Währing nächst Wien statt, Dr. Jellinek hielt die Leichenrede. Von dort wurde dann die entseelte Hülle nach dem Nordbahnhofe gebracht und nach Prag überführt. – Seine oben erwähnte Frau Francisca (Fanni) geb. 1801, gest. zu Prag am 28. Juni 1875) war eine geborene Goldschmidt. In einem ihr gewidmeten Nachrufe heißt es: „Die Verstorbene, eine Dame von Geist und hervorragender Bildung, hat während ihres 42jährigen Domicils in der Hauptstadt Böhmens den Anziehungspunkt der gelehrten Kreise, die sich in Prag vorübergehend oder dauernd zusammenfanden, gebildet“. Sie überlebte ihren Gatten um fünf Jahre.

Allgemeine Zeitung (Augsburg, Cotta, 4°.) 1861, S. 4177 a; 1870, S. 1825 und 1826. – Mährischer Correspondent (Brünner polit. Blatt) 1870, Nr. 93. – Neues Wiener Tagblatt, 1870, Nr. 113. – Jüdisches Athenäum. Galerie berühmter Männer jüdischer Abstammung und jüdischen Glaubens u. s. w. (Grimma und Leipzig 1851, Verlagscomptoir, br. 12°.) S. 244. – Neue Freie Presse (Wien) 1875, Nr. 3896, Morgenblatt.
Porträt. „Wolfgang Wesselý, k. k. Professor an der Universität zu Prag“. Lithographie (1864) von Langhans (Wien, Herzfeld und Beer, kl. Fol.).