Das Reichs-Postmuseum in Berlin

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Titel: Das Reichs-Postmuseum in Berlin
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aus: Die Gartenlaube, Heft 45, S. 753–758
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1879
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[753]

Das Reichs-Postmuseum in Berlin.
Mit Illustrationen von Wilhelm Claudius.


„Näher gerückt ist der Mensch an den Menschen,
– – es umwälzt rascher sich in ihm die Welt.“

Schiller: „Spaziergang“.

Mehr und mehr unterzieht sich der Culturhistoriker der Aufgabe, unserer schnelllebenden Mitwelt den mächtigen und in seiner Unvergleichbarkeit geradezu einzig dastehenden Einfluß zu vergegenwärtigen, den die großartige Entwickelung der Verkehrsmittel auf die Gestaltung unseres gesammten öffentlichen und privaten Lebens ausübt. Heutzutage, wo „der Mensch an den Menschen“, wie Schiller in ahnungsvollem Voraussehen so schön sagte, näher gerückt ist, wo der elektrische Funke blitzschnell die Botschaft des Gedankens von Erdtheil zu Erdtheil durch die brausenden Wogen des Oceans trägt und wir es bereits mit Unwillen empfinden, wenn wir nicht Abends in der Zeitung lesen, was Mittags in Paris, London oder New-York oder „weit hinten in der Türkei“ sich zutrug, können wir es kaum begreifen, wie dürftig es mit den Verkehrsmitteln in der guten alten Zeit bestellt war.

Und doch sind es nur wenige Jahrzehnte, welche uns von dem Bilde der Hogarth’schen Reisekutsche trennen, die sich mühselig und beladen durch den Märkischen Sand wälzte, begleitet von den oft in afrikanischer Sonnengluth zu Fuß schleichenden Passagieren. Damals erschien die Einführung der Schnellposten in Preußen durch den Generalpostmeister von Nagler bereits als eine rettende That, an die sich große Erwartungen knüpften; denn, während z. B. die Nachricht von dem siegreichen Einzuge der verbündeten Monarchen in Paris (31. März 1814) bei der Unzulänglichkeit der damaligen Verkehrsmittel erst am 12. April, also nach 13 Tagen, in Berlin angelangt war, hoffte man, es werde mit Hülfe von Herrn von Nagler’s Schnellposten die Hälfte jener Zeit genügen, um die Entfernung von Paris nach Berlin zu durchmessen.

In den dreißiger Jahren wurden sodann die ersten Eisenbahnen gebaut, welche die Nagler’schen Schnellposten weit überflügelten, bis endlich, dank den Forschungen eines Gauß, Steinheil, Ampère, Oerstedt und Anderer, der Telegraph mit einem Schlage die lästigen Begriffe von Raum und Entfernung mit [754] Hülfe der gezähmten Himmelskraft des Blitzfunkens über den Haufen warf.

Gegenüber einem so beispiellosen Siegeslaufe des menschlichen Geistes muß es als eine lohnende und dankbare Aufgabe erscheinen, die Denkmäler, welche den Zustand früherer Culturstufen in dieser Beziehung vergegenwärtigen, zu einer Sammlung, zu einem Gesammtculturbilde zu vereinigen.

Die Anregung zu diesem bei ernster Auffassung überaus weitschichtigen, aber um so bedeutsameren Plane gab der durch seine Schöpfungen auf dem Verkehrsgebiete zu einer wohlverdienten Weltberühmtheit gelangte deutsche Generalpostmeister Dr. Stephan. Nach seinen eigenen Worten wollte er, kühn genug, ein Museum begründen, das eine Uebersicht über das Verkehrswesen aller Zeiten und aller Völker liefern sollte. Die praktische Ausführung dieses umfassenden Planes wurde 1873 begonnen, als in dem damals vollendeten Neubau des Central-Postgebäudes zu Berlin geeignete Räume zur Aufnahme der Sammlungen bereit gestellt worden waren.

Natürlich bedurfte es zahlloser Anstrengungen und Mühen sowie des Zusammenwirkens günstiger Umstände, vor Allem aber der regen Betheiligung vieler Gönner und Förderer des Werkes, um in wenigen Jahren eine Sammlung in’s Leben zu rufen, welche schon heute der Verwirklichung der Idee, der sie dient, nahe gekommen ist.

Treten wir eine kurze Wanderung durch die – freilich noch provisorischen, weil nicht ausreichenden – Räume des Museums, Leipziger Straße Nr. 15 in Berlin, an.

Zunächst bietet das Museum interessante Denkmäler zur Geschichte der Schrift. Es ist sehr lehrreich, das Material zu vergleichen, auf dem in ältester und in neuester Zeit geschrieben wurde. Der Unterschied ist gar kein so gewaltiger, wie man wohl glaubt; denn der altägyptische Papyros, den man aus den am Nil wachsenden Schilfstauden der Papyrospflanze gewann, hat sich, wie die in den Museen befindlichen, mehr als viertausend Jahre alten Papyrosrollen beweisen, als ein vortrefflicher Beschreibstoff bewährt. Heute ist die Pflanze am Nil ausgestorben; sie findet sich dagegen in einer Abart noch auf den Gefilden des alten Syrakus vor, wo sie mit palmenartigen Kronen 12 bis 16 Fuß hoch aus dem Flusse Anapo hervorragt (il Papiro di Siracusa).

Im alten Aegypten – Taaut oder Thaut wird dort als Erfinder der Schrift bezeichnet – hatte der Brief die Rollenform, wohl die älteste, welche in der Culturgeschichte vorkommt; denn wir sehen, wie auf einem ägyptischen Relief aus Benihassan (2000 v. Chr.), dessen Abbildung das Postmuseum besitzt, ein Diener dem Chef der Provinz einen Rollenbrief asiatischer Einwanderer überreicht; auch eine Bronzestatuette aus der Zeit der sechsundzwanzigsten Dynastie in Aegypten (700 bis 600 v. Chr.) zeigt uns einen Briefschreiber, der, eine Papyrosrolle über sein Knie ausbreitend, schreibt.

Ebenso alt mag die in Indien und China übliche Sitte gewesen sein, Blätter der Palme zum Schreiben zu benutzen. Gegenwart und höchstes Alterthum knüpfen hierbei merkwürdig an einander an, indem uns ein im Postmuseum befindliches Palmblatt aus Orissa mit eingeritzten indischen Schriftzügen lehrt, daß noch heute in Ostindien, wie von altersher, die Palme das Material liefert, worauf geschrieben wird.

Der Orient bietet indeß weitere große Mannigfaltigkeiten im Gebrauch der Beschreibstoffe dar. Assyrien und Babylon haben eine ungeheure Anzahl von Thonscherben hinterlassen, die eine großartige Bibliothek bilden und uns einen Theil der Regierungsthätigkeit der alten Herrscher Assyriens in unvergänglicher Frische vergegenwärtigen. Wie dauerhaft der Thon als Beschreibstoff ist, zeigen die wohlerhaltenen, in den Stein eingegrabenen Schriftzüge einiger dieser im British Museum zu London aufbewahrten Actenstücke, von denen Abbildungen für das Postmuseum beschafft sind. Da ist z. B. ein auf Terracotta geritzter Brief des Königs Assur-Beni-Abla an Sinu-Akha-Utsar, ferner eine Bittschrift von fünf Bewohnern der Stadt Daratah an den König Assur; ein anderes Täfelchen, ebenfalls von Terracotta, enthält den Bericht über Fortschritte im Copiren aus Werken der königlich assyrischen Bibliothek, selbst die altassyrischen Standesregister sind auf Terracottastücken eingegraben.

Das Abendland hat ursprünglich gewiß dieselben Beschreibstoffe wie der Orient benutzt; noch in späterer Zeit verwendete der Stoiker Kleanthes Thonscherben zum Schreiben, weil er zu arm gewesen sein soll, sich Papyros zu kaufen, der z. B. zu Perikles’ Zeit in Athen ziemlich theuer war. In Sidon benutzte man Leinwand, in Persien Felle und später Seide zum Schreiben. Die ältesten Beschreibstoffe in Hellas waren Zinn und Blei. Hesiod’s Buch „Werke und Tage“ sah noch Pausanias im dritten Jahrhundert nach Christi Geburt auf Blei „geschrieben“, und Proben von Täfelchen aus Dodona in Epirus, von denen Copien sich im Postmuseum befinden, beweisen ebenfalls, daß man, um das Orakel in Dodona zu befragen, Täfelchen von Blei beschrieb. Ein solches Täfelchen, von unserem Zeichner getreu nachgebildet, hatte folgenden Inhalt:

„Mit Gott und günstigem Geschicke! Die Korkyräer fragen den Zeus Naios und die Diona, zu wem unter den Göttern oder den Halbgöttern sie opfern und flehen sollen, damit sie sich unter einander zum Guten versöhnen.“

Beschriebene Rollen von Zinn, auf denen das Ceremoniell des altmessenischen Gottesdienstes aufgezeichnet war, fand Epaminondas noch bei der Befreiung Messeniens vor. In späterer Zeit schrieb man in Griechenland auf Holztafeln, welche mit einer Wachsschicht bestrichen waren, in die man die Schriftzüge mittelst eines Griffels einritzte. Das Postmuseum verwahrt die Copie eines alten Täfelchens (griechisch pinax, pyxion, deltos, lateinisch tabula, pugillares) mit einem Briefe Cicero’s an Rufus auf. Auch in den Schulen wurden die Tafeln (Diptychen) beim Unterricht benutzt.

Die im Postmuseum befindliche Abbildung der altgriechischen Schreibscene von der berühmten Durisschale aus der Zeit des peloponnesischen Krieges zeigt einen hellenischen Lehrer, der, ein Diptychon haltend, mit einem Griffel Schriftzüge in die Wachstafel einritzt, während vor ihm sein Schüler steht und dem Lehrer lächelnd zuschaut. Sehr gebräuchlich waren die Diptychen in Rom zum Briefschreiben. Vornehme Römerinnen sandten sich täglich Täfelchen zu, die bisweilen aus Elfenbein bestanden, wie des römischen Dichters Martial anmuthiges Epigramm darthut:

„Daß Dir traurige Wachsschrift nicht düst’re die dämmernden Stunden,
Hüllet des Elfenbeins Schnee dunkele Lettern Dir ein.“

Vielfach sandten die Consuln und Prätoren Roms beim Antritte ihres Amtes Begrüßungstäfelchen an ihre Freude ab, woraus sich vielleicht der Gebrauch unserer Visitenkarten herleiten läßt. Später verdrängte der Papyros die Täfelchen; es gab zahlreiche Arten dieses Papiers, das in der Kaiserzeit charta Augusti, Liviae etc. genannt wurde. Das Claudische Papier, charta Claudia, ebenfalls aus Papyros gefertigt, übertraf an Größe alles Frühere, indem es die Länge von fünfundzwanzig römischen Zollen erreichte. Bis in’s dreizehnte Jahrhundert dauerte die Benutzung des Papyros fort; daneben war seit dem zweiten Jahrhundert das Pergament (Damascener Papier) im Gebrauche; im vierzehnten Jahrhundert nach Christi Geburt kam das schon lange im Orient heimisch gewesene Leinen- und Baumwollenpapier im Abendlande auf, bis endlich das moderne Papier von Lumpen und Holzstoff alle übrigen Arten verdrängte.

Eine überaus wichtige Person war im Alterthum der Schreiber. Zahlreiche Namen von „Schreibern“ bewahren uns die ägyptischen Denkmäler auf; die Hellenen betrachteten den Dienst des Schreibers als dem Hermes (Mercur) geweiht. Suidas und Julius Pollux berichten umständlich über das Geräth zum Schreiben, worunter selbst Blei, Zirkel, Lineal und Federmesser und das sogenannte Punctorium nicht fehlen. Das wichtigste Schreibgeräth war der Griffel und, für Papyros, das Rohr, wovon das beste in Asien wuchs; es wurde wie eine Gänsefeder geschnitten und wird noch heute im Orient ebenso benutzt wie im Alterthum. Federn brauchte man, wie Valesianus berichtet, erst zur Zeit des Ostgothenkönigs Theodorich.

Antike Tintenfässer, von denen das Postmuseum Proben enthält, bestanden aus Hölzern mit Vertiefungen, in denen sich theils eine schwarze, theils eine rothe verhärtete Masse befand, die jedenfalls beim Gebrauche angefeuchtet wurde. Zum Einritzen der Schrift in die Wachstafeln bediente man sich eiserner (Hiob) oder bronzener Griffel; von letzteren bewahrt das Postmuseum ein charakteristisches Exemplar auf, dessen Original von Professor Curtius in den altetruskischen Gräbern zu Orvieto aufgefunden worden ist und das unser Zeichner genau wiedergegeben hat. Der runde Aufsatz auf dem Kopfe des Knaben, der den Griffel (stilus) krönt, war [755] zum Glätten des Wachses bestimmt, wenn man die ältere Schrift verwischt hatte, um von Neuem zu schreiben. Mit Bezug hierauf sagt Horaz bezeichnend: „Saepe stilum vertas!“ (Kehre oft den Griffel um!) – wir würden sagen: „Feile fleißig an dem, was du schreibst!“ Einen ähnlichen Griffel zeigt die im Postmuseum befindliche Abbildung des lieblichen „schreibender Mädchens von Pompeji“ (Original in Neapel), das sinnend den Blick auf das vor ihr liegende Täfelchen richtet. Daß der Gebrauch des Siegelringes als Petschaft, sowie der kretensischen und asiatischen Siegelerde (malthe) zum Verschluß der Rollen und Diptychen in die ältesten Zeiten hinaufreicht, ist bekannt. Ein solches Siegel sieht man auf dem berühmten Wandgemälde eines antiken Papyrosbriefes in Pompeji, dessen Adresse wie folgt lautet: „M. Lucretio flam. Martis decurioni. Pompei,“ das heißt „An den Kriegshauptmann Lucretius in Pompeji.“

Zur Beförderung der Briefe bei den Alten dienten Läufer (Hemerodromen und Tabellarii). Eine interessante Erinnerung an einen griechischen Briefboten haben die deutscherseits ausgeführten Ausgrabungen in Olympia zu Tage gefördert. Dr. Treu fand dort die Basis einer Statue auf, welche zu Ehren des beim Wettlauf errungenen Sieges eines Kuriers und Briefboten Alexander’s des Großen, Philonides aus Kreta, auf dem geweihten Boden der Altis in Olympia aufgestellt worden war und deren auch der griechische Schriftsteller Pausanias bei seiner Beschreibung von Hellas erwähnt. Eine Nachbildung jener Basis, deren Inschrift den Philonides als „Durchschreiter Asiens“ feiert, ist, als denkwürdige Erinnerung an den glorreichen Sieg eines althellenischen Postbeamten bei den „Olympischen Spielen“, dem Postmuseum in Berlin einverleibt worden.

In ähnlicher Weise hat die Geschichte die That eines Straßburger Briefboten aufgezeichnet, dessen Figur, eine Copie des am Rathhause zu Basel befindlichen Originals, ebenfalls das Postmuseum ziert. Dieser Bote soll 1444 von Straßburg im Elsaß an den Rath von Basel abgesandt worden sein, um letzteren von dem drohenden Einfalle der Armagnacs zu unterrichten, die unter Ludwig’s des Elften Befehl nach Helvetien vordrangen. Der Bote hatte den Weg von Straßburg nach Basel in einem Laufe zurückgelegt, fiel aber, nach Abgabe seines Schreibens, daselbst todt nieder.

Ueberhaupt sind die „geschworenen“ Boten der Städte sowie die „Reisigen des Rathes“ und die „edlen Postjungen“ der Fürsten und Ritter nicht uninteressante Figuren in einem Culturbilde des Mittelalters. Bei dem Mangel an regelmäßigen Staatsposteinrichtungen, die in Deutschland erst 1517 und in den anderen Ländern noch später hergestellt wurden, waren die Boten die einzigen Verkehrsmittel. In oft malerischen, buntfarbigen Anzügen, mit Botenspieß und Wappenschildern, als Abzeichen ihrer Würde, versehen, zogen diese Boten von Stadt zu Stadt; überall gern empfangen, weil sie die neuesten Nachrichten überbrachten, sammelten sie, nach Ankündigung ihrer Ankunft durch Glockensignale, Briefe und Pakete ein.

Ein trefflicher Abdruck eines Kupferstichs im Postmuseum zeigt uns die behäbige Figur eines Nürnberger Postboten aus der zweiten Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts, damals „Potten“ oder „Botten“, auch „allamodische Postpoten“ genannt; ein beigegebenes Lied charakterisirt in anschaulicher Weise den fahrenden Postritter der „guten alten Zeit“, in der es übrigens nach Garzonus’ Berichten nicht an zahlreichen Ueberfällen und Beraubungen der Postboten gefehlt hat.

Zahlreiche weitere Botenfiguren enthält die Glockendon’sche Bibel (in der herzoglichen Bibliothek in Wolfenbüttel), von deren Vignetten zu den Episteln hübsche Copieen sich im Postmuseum befinden; ebenso veranschaulichen die alten Botenordnungen, die von fast allen wichtigeren Städten, namentlich denen des Hansabundes, erlassen und veröffentlicht wurden, in getreuen Copieen den Botendienst und seine Attribute.

Ueber die Höhe des Portos im fünfzehnten Jahrhundert giebt die aufgefundene Rechnung des Guardians im Barfüßerkloster zu Frankfurt am Main vom Jahre 1487 Aufschluß. Damals kostete ein Brief von Frankfurt nach Mainz 4 Heller, während ein Huhn zu jener Zeit einen Werth von 7 Hellern, ein Buch Schreibpapier einen solchen von 9 Hellern und ein Hammel von 100 Hellern hatte.

Eine andere interessante Urkunde im Postmuseum belehrt uns über die Erfindung der Freimarken und Briefkasten, sowie über die Errichtung der ersten „Stadtpost“ zu Paris im Jahre 1653. Mr. Velayer, maitre des requêtes (Steuereinnehmer) in Paris, erlangte damals vom Könige das Privileg, Briefkasten in den verschiedenen Theilen der französischen Hauptstadt aufzustellen und zugleich ein Bureau zu errichten, in dem man für einen Sou Stempelmarken kaufen konnte, welche die Aufschrift „port payé le … jour du mois de … l’an 1653“ (das heißt: Porto bezahlt am … Tage des Monats … im Jahre 1653) enthielten. Diese Marken wurden den Briefen angeheftet, die man so frankirt in die Briefkasten Velayer’s hineinwerfen konnte, von wo die „Stadtpost“ sie täglich dreimal abholte, um sie in der Stadt zu bestellen. Anders eine zweite Ueberlieferung, welche die Erfindung der Briefkasten in die Jugendzeit Ludwig’s des Vierzehnten versetzt. Die Postbeamten, heißt es, trugen damals alle Briefe sorgsam in die dicken Postfolianten ein und zwar mit dem Namen des Absenders, weil der Polizeiminister Louvois dieser Angaben sich bediente, und so kam eine zärtliche Correspondenz des Königs zur Kenntniß Richelieu’s, welcher die Briefchen dem Könige am Morgen nach deren Absendung feierlich wieder zustellen ließ. Seitdem erhob sich ein wahrer Sturm in Paris wegen des Bruches des Briefgeheimnisses, und man setzte es durch, daß in den Straßen von Paris Briefkasten angebracht wurden, in welche Jedermann Briefe hineinlegen durfte, ohne seinen Namen bezeichnen zu müssen. – Das Postmuseum enthält übrigens eine hübsche Sammlung älterer und neuerer Briefkasten.

Während der ferne Orient, wie die von Herodot und Xenophon mit Recht gerühmten persischen Reitposten, sowie die seit uralter Zeit in China eingeführten reitende Kuriere der Regierungspost des himmlischen Reiches bekunden, die Briefbeförderung durch Verwerthung der Schnelligkeit des Pferdes bereits vervollkommnet hatte, fügte die von Augustus in’s Leben gerufene römische Staatspost, cursus publicus, ein neues Transportmittel in den öffentlichen Verkehr ein: die Wagen.

Meistentheils bedienten die Römer sich zum Reisen der zweiräderigen Wagen (birotae, bigae oder rhedae). Die vierräderigen (carpenta) dienten zum Gütertransport. Caligula ließ einmal seine ganze Hofhaltung mit dem cursus publicus nach Gallien senden; unter Constantin (361) wurden selbst große Heeresabtheilungen mit der Post von Rom aus nach dem Euphrat und Tigris befördert.

Bei der Wichtigkeit des Wagens als Beförderungsmittel ist es von Interesse, im Postmuseum zahlreiche Modelle und Abbildungen zu finden, welche den Gang der Entwickelung des Wagens und seiner Bestandtheile von den ältesten geschichtlichen Zeiten bis auf die Gegenwart veranschaulichen. Den Anfang machen die Kriegswagen der alten Assyrier und Babylonier nach Mustern der Reliefs aus Niniveh, wie sie Layard und Julius Oppert entdeckten, sodann Wagen der alten Aegypter nach Reliefs aus dem Palaste Medinet Abu, ferner Wagen der Phönicier, Hebräer und Perser. Zwei Modelle von Bronzerädern, die aus den unteren Erdschichten bei Arona in Oberitalien ausgegraben und von denen getreue Copien seitens des Turiner städtischen Museums mit freundlichem Entgegenkommen dem Postmuseum in Berlin gewidmet worden sind, vergegenwärtigen den Wagenbau aus altetruskischer oder altitalischer Zeit. Die Räder sind von einfachster Scheibenform gearbeitet, ähnlich wie die Räder der grusinisch-armenischen Arba, die noch heute im Kaukasus in der antiken, von Jahrtausend zu Jahrtausend überlieferten Form des Entdeckers der Räder, Erichthonius, benutzt wird. Auch die althellenischen Kriegswagen nach Mustern vom Fries des Pantheon in Athen zeigen noch die einfachste Kastenform der asiatischen Streitwagen, die natürlich der Federn entbehrten, sodaß der Kasten lediglich auf der Achse lag und beim Fahren in ähnlicher Weise die Insassen erschüttert haben mag, wie es die von Ochsen gezogenen Wagen im afrikanischen Caplande noch heutzutage mit vielem Erfolge leisten. Ein bei den Ausgrabungen in Pompeji aufgefundenes Wandgemälde, dessen Copie dem Postmuseum einverleibt ist, zeigt die Form des altrömischen vierräderigen Lastwagens, wie er beim Transport von Wein (in Schläuchen) etc. benutzt wurde.

Im frühen Mittelalter änderte sich die Form der Wagen nur unwesentlich, wie uns unter Anderem die Abbildungen aus Landsberg’s Hortus deliciarum (zwölftes Jahrhundert) und Brant’s Narrenschiff (1478) lehren. Der traurige Zustand der Wege zur Zeit des Mittelalters wird uns durch eine humoristische [756] Skizze veranschaulicht, welche den auf einer Reise in Tirol am Arlberge umgestürzten Wagen Papst Johann’s zeigt. Letzterer kann sich trotz seiner geistlichen Würde des Ausrufs nicht enthalten: „Hier liege ich in Teufels Namen.“

Erst im fünfzehnten Jahrhundert machte der Wagenbau einen bedeutenden Fortschritt, indem in Ungarn die Kunst erfunden wurde, den Kasten des Wagens (ungarisch Gutsche) in Riemen zu hängen. Doch wurde dieses Mittel zur Milderung des Stoßens zunächst nur bei den Carossen und Staatswagen der Fürsten und Großen angewendet, und selbst die Postwagen im siebenzehnten und zu Ende des achtzehnten Jahrhunderts entbehrten, wie die Modelle im Postmuseum uns zeigen, in der Regel noch gänzlich des Verdecks und der Riemengehänge, die erst gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts in allgemeineren Gebrauch kamen.


1. Brief von Cicero an Rufus,[WS 1] auf Bleiplatten. – 2. Bronzegriffel zum Einritzen der Schrift in Wachstafeln; aus einem altetruskischen Grabe in Orvieto. – 3. Schreibende Pompejanerin; Original in Neapel. – 4. 5. 6. Ostindische Postbeamte.


Es läßt sich denken, welche Annehmlichkeiten das Reisen in solchen Wagen ohne Verdeck und Federn für die Passagiere gehabt haben mag. Die abschreckendsten Fahrzeuge dieser Art waren die sogenannten Häringspostwagen, welche zwischen Hamburg und Berlin cursirten und in denen zahlreiche Häringsfässer, welche bisweilen in den Sitzraum der Reisenden hineinrollten, als sinnige Symbole der Geschicklichkeit der Posthalter gelten konnten, die Passagiere auf dem kleinsten Raum gewissermaßen „einzupökeln“.

Wie langsam selbst hohe Personen damals reisten, bekundet die Thatsache, daß die Königin Elisabeth auf der Mailcoach zwischen Edinburg und Glasgow, trotz eines Vorspanns von sechs Pferden, sechs Tage unterwegs war, eine Entfernung, deren Zurücklegung heute kaum sechs Stunden Zeit erfordert. Palmer, ein ehemaliger Theaterdirector, und Mr. Pitt erwarben sich große Verdienste um Verbesserung des Coachsystems in England, sodaß man diese Postkutschen später „flyings“ (fliegende) nannte. Die farbenreichen Genrebilder Henderson’s im Postmuseum veranschaulichen in lebensvoller Weise die romantische, von Walter Scott und Lord Byron besungene Postkutschenzeit, an der man mit pfeilschnellen Rossen die grünen Gelände Old-Englands durchfuhr, geleitet von einem Lenker, dem niemals der Cylinderhut des Gentleman fehlte und der die Gasthäuser seiner Linie in unwiderstehlichem Wortschwalle zu rühmen verstand. England war übrigens im Wagenbau allen übrigen Ländern voraus; denn es hatte statt der Riemen zuerst die Federn bei den Wagen angewandt.

Die Sammlung der Transportmittel des Postmuseums vervollständigen noch Abbildungen der Norwegischen Skyds (zweiräderigen Kariolposten), ferner der archangelschen Rennthierpost sowie der russischen Hundepost in den Tundren und Steppen Sibiriens; endlich sind von besonderem Interesse die Modelle ostindischer Briefboten, Postwagen, Sänften und Trajecteinrichtungen, bei welchen letzteren wir große indische Kürbisse und Krüge als Unterlage zum Tragen von Flößen verwendet sehen, mittels deren die Posten die zahlreichen Ströme und Flüsse der ostindischen Halbinsel überschreiten. Andere Abbildungen vergegenwärtigen uns die südamerikanischen correos (Couriere), welche, den Briefsack im Arme haltend, den Amazonenstrom durchschwimmen, ferner die orginellen Landbriefträger im französischen Departement les Landes, welche bei der Briefbestellung die sandigen Steppen ihrer Heimath auf Stelzen durchschreiten (fracteurs échassiers); endlich die Schneeschuhe des lappländischen oder samojedischen Postboten – in der That eine Fülle von Eindrücken, welche die Verschiedenartigkeit und Mannigfaltigkeit der Sitten und Gebräuche im Verkehrswesen der einzelnen Völkergruppen uns in lebendigen Bildern widerspiegeln.

Es würde zu weit führen, alle postalischen Merkwürdigkeiten des Museums zu schildern, von dessen Gesammtbilde unser Zeichner die am meisten charakteristischen Züge vorgeführt hat; wir beschränken uns daher darauf, nur noch die sehr interessanten Geräthschaften für den Feldpostdienst, die sich im Kriege von 1870 und 1871 so trefflich bewährt haben, ferner die Staatsexemplare wichtiger Postverträge, in prachtvollen Einbänden und mit Staatssiegeln aller europäischen Mächte versehen (darunter ein Vertrag mit dem verflossenen Kirchenstaate), sodann die Urkunden und Karten des Weltpostvereins, endlich die kostbare Markensammlung mit Tausenden von Postwerthzeichen aller Länder der Erde (Jahrgang 1879) und die prächtigen Modelle der von Dr. Stephan erbauten Postgebäude des Reichs hier kurz hervorzuheben.

Die zweite Abtheilung des Museums ist dem Telegraphenwesen, der Darstellung seiner historischen Entwickelung und der

[757]

Ein Blick in das Reichs-Postmuseum zu Berlin.
Nach der Natur aufgenommen von Wilhelm Claudius.

[758] Vorführung der verschiedenen Systeme von Telegraphenapparaten von Gauß’ und Sömmering’s ersten Versuchsapparaten ab bis zu den neuen Morse- und Hughes-Systemen, ferner der Materialien für den Bau von oberirdischen und unterirdischen Leitungen sowie submarinen Kabeln, der Bell- und Edison-Telephone, des Phonographen und des Mikrophons, jenes Sammlers und Ueberbringers der leisesten und zartesten Töne, endlich der Rohrpost gewidmet.

Das Modell der Rohrpost vergegenwärtigt uns eine Lebensader der großen Hauptstädte. Dr. Stephan ließ, weil „der Straßen quetschende Enge“ immer gefahrvoller wurde, 1875 die Stadt Berlin mit einem unterirdischen Netze von pneumatischen Tuben versehen, das am 1. December 1876 in einer Ausdehnung von 25,9 Kilometern mit 15 Stationen dem Betriebe übergeben wurde, und das jetzt (1879) bereits auf circa 40 Kilometer Röhrenlänge mit 23 Rohrpostämtern gestiegen ist. Das Rohrpostnetz entlastet den Telegraphenverkehr in erwünschter Weise und ermöglicht es, Depeschen in wenigen Minuten von einem Ende Berlins an das andere zu befördern. Innerhalb einer Stunde kann man auf jedem von der Rohrpost berührten Punkte Berlins Frage und Antwort ausgetauscht haben. Jeder Rohrpostzug legt etwa 1000 Meter in der Minute zurück; zur Beförderung dienen Blechcylinder mit Lederausfütterung von außen; die bewegende Kraft ist entweder comprimirte oder verdünnte Luft. Im Jahre 1878 sind innerhalb Berlins 1,087,826 Depeschen und 386,966 Rohrpostbriefe mittelst der Rohrpost befördert worden.

Der jüngeren Schwester der Post, der Telegraphie, welche während früherer Jahre in Deutschland eigentlich die Rolle einer Treibhauspflanze oder eines Schmerzenskindes spielte, weil ihre Einnahmen nicht hoch genug waren, um die beträchtlichen Ausgaben zu decken, hat erst die Verbindung mit der altbefestigten Post wieder neues Leben eingeflößt und seit 1876 hat sie unter Dr. Stephan’s kraftvoller und reformatorischer Leitung einen bedeutenden Aufschwung genommen. Die wichtigste, von Dr. Stephan in’s Leben gerufene Verbesserung des Telegraphen in Deutschland besteht in dem Bau unterirdischer Telegraphenlinien zwischen allen in strategischer, politischer oder commercieller Hinsicht wichtigen Punkten des deutschen Reiches, also den Hauptstädten, den Festungen und den Handelsplätzen. Mit dieser bedeutsamen Neuerung ist Deutschland allen übrigen Ländern weit vorausgeeilt; seine unterirdischen Linien erstrecken sich bereits in einer Länge von 3660 Kilometer durch das Reich. Dank diesen von allen Witterungseinflüssen unberührten Leitungen ist den häufigen Störungen des Telegraphenbetriebes durch Stürme, Schneewehen und andere elementare Kräfte gänzlich vorgebeugt und der Werth der telegraphischen Verbindungen ungemein erhöht worden.

Sehr interessant ist es, die Durchschnitte der Kabel, welche in die Erde versenkt werden, mit ihren starken Schutzdrähten und Compoundhüllen, innerhalb deren die feinen Kupferadern tief versteckt schlummern und der Botschaft harren – „als Inbegriff der allerfeinsten Kräfte“ – näher anzuschauen; sie sind ein schöner Beweis der Beharrlichkeit des Menschen, der sich die gewaltigste Naturkraft dienstbar zu machen verstand. Ein riesiger „Kabelschrank“, in dem beigegebenen Hauptbilde rechts sichtbar, zeigt uns Abschnitte der großen submarinen Kabel, welche, auf dem Grunde des Oceans ruhend, den elektrischen Strom von Welttheil zu Welttheil hinüberführen. Wir scheiden für heute von dem Museum, dessen Besichtigung wir Allen empfehlen, welche sich an jenen bedeutsamen Einrichtungen erfreuen können, die der friedlichen Annäherung der Nationen, der endlichen Verbrüderung aller Völker geweiht sind.


  1. Vorlage: „Brief der Korkyräer an das Orakel zu Dodona“, siehe Berichtigung