Die Gartenlaube (1872)/Heft 10
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No. 10. | 1872. | |
Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.
Wöchentlich 1½ bis 2 Bogen. Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.
„Ich habe Ihnen schon einmal bekannt, Herr Graf, daß ich Ihrer Güte nur Undank entgegen setze,“ erwiderte Bruno leise. „Verzeihen Sie mir und – geben Sie mich auf!“
Bei der geringsten Nachgiebigkeit von Seiten seines Schützlings verschwand sofort aller Zorn aus dem Wesen des Grafen.
„Dich aufgeben! Also weißt Du wenigstens, daß Du in Gefahr schwebst! Bruno, wie konntest Du diese unselige Predigt wagen! Du mußtest doch wissen, mußtest doch berechnen, welche Folgen sie auf Dein Haupt herabzieht.“
Der junge Priester hob düster das Auge wieder empor. „Wenn ich überhaupt berechnet hätte, so wäre das Ganze unterblieben. Ich bin doch noch Mönch genug, den Gehorsam zu halten, den ich meinen Oberen gelobt habe, und ich weiß, daß jene Rede furchtbar dagegen stritt. Aber als ich mich inmitten all der versammelten Wallfahrer sah, die sich in blinder Andacht vor mir neigten, als ich denken mußte, daß vielleicht Hunderte von ihnen ihre Kinder einst in dieselben Fesseln zwingen, die jetzt mich zu Boden drücken, da übermannte es mich mit unwiderstehlicher Gewalt und riß mich fort wider meinen Willen, ich konnte die Worte nicht mehr zügeln – erst als ich von der Kanzel zurücktrat, kam mir zum Bewußtsein, was ich eigentlich gesprochen.“
Rhaneck schüttelte das Haupt. „Das Unglück ist der Ort, wo Du es gesprochen. Wäre es hier in N. geschehen, vor der kleinen Pfarrgemeinde, die Sache ließe sich vielleicht noch ausgleichen, aber vor dem zusammengeströmten Volke, vor den Tausenden von Wallfahrern, die jedes Deiner Worte bis in die fernsten Punkte des Gebirges tragen – das verzeiht Dir mein Bruder nie!“
„Ich weiß es!“
„Warum hast Du mir nicht bekannt, daß Du den Stand hassest, dem ich Dich weihte?“ fragte der Graf gepreßt. „Ich hätte Dich nicht gezwungen, beim Himmel, ich hätte es nicht gethan, trotz alles Drängens meines Bruders! Aber ich glaubte Dich ja im vollsten Einklange mit Dir selbst und mit Deiner Zukunft.“
Benedict lächelte bitter. „Hätte ich am Tage der Priesterweihe empfunden, wie ich jetzt empfinde, keine Macht der Erde hätte mich in dies Gewand gezwungen. Sie vergessen, daß ich im Priesterseminar erzogen bin, wo alles Wollen und Können immer nur blind in die eine Richtung geleitet wird, wo keine Minute unbewacht und keine unbenutzt bleibt. Erst im Kloster fand ich Zeit zum Denken, fand ich mitten unter all dem äußeren Zwange Freiheit genug, mir selbst zu leben, und da erst kam das Erwachen – zu spät!“
Mit einem schweren Seufzer schien sich Rhaneck von dem peinigenden Gedanken losreißen zu wollen. „Wir wollen nicht um Vergangenes streiten!“ sagte er entschlossen, „die Gegenwart ist drohend genug. Du bist nach dem Stifte zurückberufen?“
„Ja.“
„Und Du wirst dem Rufe folgen?“
„Dem Befehle meines Abtes? Gewiß!“
Der Graf trat ihm hastig einen Schritt näher. „Du darfst nicht zurück, unter keiner Bedingung! Muß ich Dir erst sagen, was Dich dort erwartet? Warnt Dich nicht das Schicksal so manches Deiner Gesinnungsgenossen und bist Du nicht lange genug Mönch gewesen, um zu wissen, welcher Rache ein Kloster, welcher Rache Deine Brüder fähig sind? Und Du hast sie furchtbar gereizt, Bruno, Du hast ihnen den Fehdehandschuh ingeworfen – sie können Dir nicht verzeihen!“
Der junge Caplan lehnte sich mit verschränkten Armen an den Stamm des Kreuzes und richtete das Auge fest auf den Sprechenden.
„Und was verlangen Sie denn, Herr Graf, daß ich thun soll? Wollen Sie etwa, daß ich dem bestimmten Befehl zur Rückkehr offenen Widerstand entgegensetze und es auf Gewaltmaßregeln ankommen lasse?“
Der Graf warf einen raschen Blick umher, Ottfried war weit genug entfernt, um keine Silbe des Gespräches auffangen zu können, dennoch sank seine Stimme zum Flüstern herab, aber sie bebte selbst in diesem Flüstern.
„Nein! Dir bleibt nur eins übrig, die Flucht! Schnelle, unverweilte Flucht – in ein anderes Land, wenn es sein muß,“ er schwieg einen Moment lang und ein schwerer Athemzug rang sich qualvoll aus seiner Brust empor, „wenn es sein muß – in ein anderes Bekenntniß.“
Benedict fuhr auf. „Und das sagen Sie mir, Graf Rhaneck? Der Bruder meines Prälaten, das Haupt des alten, streng katholischen Geschlechtes, das von jeher seine Ehre darin suchte, eine Stütze der Kirche zu heißen? Ein solcher Rath von Ihnen?“
„Wenn ich ihn Dir gebe, so magst Du die Größe der Gefahr daraus ermessen,“ sagte Rhaneck tonlos. „Was er mich [150] kostet, das kannst Du nicht ahnen, Bruno, aber es gilt Deine Rettung, da ist mir kein Preis zu hoch.“
Es wehte aus diesen Worten wieder etwas von jener „wahnsinnigen Zärtlichkeit“, die der Prälat so oft schon seinem Bruder zum Vorwurf gemacht, auch Benedict fühlte das; aber sie fand keinen Anklang in seinem Innern. Befremdet, mißtrauisch trat er einen Schritt zurück und wieder traf jener große, verwunderte Blick den Grafen, aber diesmal lag ein entschiedener Argwohn darin.
„Ehe wir weitergehen, Herr Graf, möchte ich Sie bitten, mir diese ungewöhnliche Theilnahme an meinem Schicksale zu erklären!“ entgegnete er forschend. „Ich habe mich oft genug gefragt, welcher Beweggrund Sie zu so langjähriger und eingehender Fürsorge für einen fremden, armen Knaben veranlassen konnte, und habe nie eine Antwort darauf gefunden. Jetzt aber, wo Sie Ihre eigene Ueberzeugung zum Opfer bringen, wo Sie mit allen Traditionen Ihrer Familie brechen um meinetwillen, jetzt, scheint es mir, habe ich ein Recht auf diese Antwort. Ich bitte dringend darum.“
Die Haltung des jungen Priesters verrieth hinreichend, daß er trotz alledem nicht die geringste Ahnung von der wahren Beschaffenheit des Geheimnisses hatte, in das er einzudringen versuchte; der Graf sah ihn schweigend und unverwandt an.
„Du sollst es erfahren!“ sagte er endlich. „Es war beschlossen, ehe ich hierher kam, und es muß geschehen, ehe wir scheiden. Erst aber antworte mir, wirst Du fliehen?“
„Nein!“
„Bruno, ich beschwöre Dich –“
„Ich bleibe!“
Rhaneck machte eine heftige Bewegung. „Dieser unselige Starrkopf! Ich habe ihn so oft an mir selbst –“ er brach plötzlich ab. „Warum willst Du das Mittel nicht ergreifen, das ich Dir biete? Ich sage Dir doch, es ist das einzige.“
Benedict richtete sich hoch und fest auf. „Weil es mir mein Gewissen und mein Eid verbieten! Der Prälat mag mitleidlos sein bis zur Grausamkeit, aus gemeinen, aus persönlichen Beweggründen handelt er nie, und dem, was er im Namen des Ordens über mich beschließt, muß ich mich beugen. Ich habe den unseligen Schwur am Altare nun einmal geleistet, und wurde er mir auch längst zum Fluche, und stürzt er mich auch jetzt in’s Verderben, brechen kann ich ihn nicht! Mit demselben Rechte könnte sich ja auch der Gatte von der Gattin reißen, der er an jenem Orte Treue geschworen, könnte jedes Wort gebrochen, jedes Band gelöst werden, das die Menschheit in Liebe und Vertrauen aneinander fesselt. Was auf der Welt ist noch heilig, wenn es Altar und Eidschwur nicht mehr sind! Und müßte ich den meinen mit dem Leben bezahlen – ich bleibe und erwarte mein Geschick!“
Es war ein stolzes leidenschaftliches Aufflammen in diesen Worten, etwas von jener Gewalt der Rede, mit welcher der junge Priester neulich die versammelten Wallfahrer hingerissen, aber auf den Grafen übte das einen anderen Eindruck. Er stand da wie ein Verurtheilter. Das Auge am Boden, die zuckenden Lippen fest aufeinandergepreßt, das Antlitz war todtenbleich, aber über die Stirn lief wieder jener flammende Schein, der dunkler und dunkler ward bei jedem dieser Worte, die den stolzen Mann bis in’s innerste Herz hinein zu treffen und niederzuschmettern schienen – es sah aus, als wolle er zusammenbrechen unter ihrer Wucht.
Benedict fuhr mit der Hand über die Stirn und zog den Mantel, der bei der raschen Bewegung herabgeglitten war, wieder um die Schultern.
„Sie kennen jetzt meinen Entschluß, Herr Graf, er ist unwiderruflich. Und nun bitte ich meinerseits um die verheißene Antwort.“
Langsam hob der Graf das Auge vom Boden und heftete es mit einem unbeschreiblichen Ausdruck auf die gespannten Züge des Fragenden; Schmerz, Scham, verzweifelnde Bitterkeit, das Alles lag in dem einen Blick, dann wandte er sich stumm zur Seite.
„Ich bitte Sie!“ mahnte Benedict dringender.
„Nein!“ sagte Rhaneck dumpf „Jetzt nicht!“
„Aber Sie versprachen mir doch –“
„Nie!“ wiederholte der Graf leidenschaftlicher. „Ich sage Dir, Du erfährst es niemals, wenigstens von meinen Lippen nicht – Du selbst hast sie mir geschlossen.“
Der junge Priester schwieg. Er machte keinen Versuch weiter, in das Geheimniß einzudringen, dessen schon verheißene Enthüllung man ihm auf einmal so hartnäckig weigerte, aber der Argwohn lag wieder finster auf seiner Stirn und fremder und kälter als je trat er vor seinem Beschützer zurück.
Dieser strebte sichtbar, die Fassung wieder zu gewinnen, die ihm die leidenschaftliche Erklärung Benedict’s völlig geraubt hatte, er rief Ottfried herbei, aber als dieser, dem Rufe folgend, an seine Seite trat, schien er noch einmal zu schwanken. Es war, als dränge sich das verhängnißvolle Wort trotz alledem wieder auf seine Lippen, als wolle er dennoch einen Versuch der Versöhnung wagen; er wandte sich zu Benedict.
„Du bestehst also darauf, nach dem Stifte zurückzukehren?“
„Morgen Abend bin ich dort. Sagen Sie dem Prälaten, die Kraft, die er dem Orden erhalten wollte, sei ihm verloren auf ewig, aber ich wäre trotzdem des Wortes eingedenk gewesen, mit dem er mich beim Abschiede entließ: Ich sei zu Allem fähig, nur nicht zum Meineide!“
Der Graf zuckte wieder leise zusammen und die schon gehobene Hand, mit welcher er die des jungen Priesters ergreifen wollte, um ihn zu seinem Sohne zu führen, sank schlaff hernieder, stumm preßte er die Lippen zusammen. Von den beiden jungen Männern redete keiner ein Wort, sie standen sich gegenüber, finster, feindselig von einander abgewendet, nur mühsam den innern Groll zügelnd. Noch hielt die Gegenwart des Grafen sie in Schranken. Wenn diese Schranke fiel, so wiederholte sich vielleicht jene Scene im Walde, deren furchtbaren Ausgang er einst mit Mühe verhindert hatte. Er kannte freilich nicht die geheime Quelle, aus der jener Haß stammte, der den Beiden schon einmal die Waffen in die Hand gezwungen, und eben deshalb unterschätzte er die Gefahr, er ließ es bei seinem frühern Verbote bewenden, einander nicht feindlich zu nahen: ein ohnmächtiges Wort, ein Verbot sollte die volle heiße Leidenschaft der Jugend dämmen. Das eine Wort, welches allein der Feindseligkeit zwischen ihnen ein Ende machen und sie zur Versöhnung hätte zwingen können, blieb ungesprochen – der Graf ahnte nicht, was ihm dies Schweigen kosten sollte, und welche Qualen er damit auf sein eigenes Haupt herabrief.
Der Abschied war hastig und kurz von seiner Seite, eisig von Seiten Benedict’s. Rhaneck schlug, von seinem Sohne begleitet, den Rückweg nach dem Dorfe ein, während Jener den verspäteten Gang nach der Wallfahrtskirche antrat.
Pfarrer Clemens hatte nicht Unrecht, bei diesem täglichen Gange für seinen jungen Mitbruder zu fürchten, zumal in der jetzigen Jahreszeit. Es war ein einsamer und gefährlicher Weg, der nur Raum für die Schritte eines Wandernden bot. Rechts stieg der Fels jäh empor, links fiel er jäh ab in die Tiefe, steil bergabwärts wand sich der Pfad, über glattes Steingeröll, vorüber an stürzenden Bächen, an abgestorbenen Tannen bis zur „Wilden Klamm“. Schon in einiger Entfernung vernahm man das Rauschen und Tosen des Gewässers, das sich tief unten im Grunde sein felsiges Bett wühlt, zu beiden Seiten desselben stiegen die nackten Klippen schroff und steil empor, die Häupter so nahe zu einander geneigt, als wollten sie sich berühren. Es sah aus, als habe eine vulcanische Gewalt die mächtige Felswand gespalten und in zwei Hälften auseinander gerissen, zwischen denen nun der Fluß dahintobte. Eine schmale Brücke, roh aus Baumstämmen gezimmert, und mit einem schwachen Geländer nur als Stützpunkt für die Hand versehen, hing in halber Höhe der Felsen über der Schlucht. Nur ein matter Strahl des Tageslichts fiel von oben herein, gerade hell genug, um zu erkennen, daß die „Wilde Klamm“ ihren Namen mit Recht führte, man konnte nichts Wilderes sehen, als diese Scenerie von der Brücke aus. Der Blick schwindelte, wenn er oben in der Höhe das dunkle zerklüftete Gestein zu umfassen strebte, das, schwer niederhängend, jeden Augenblick bereit schien, herabzustürzen und den schwachen Steg zu zerschmettern; und er schwindelte, wenn er hinabsank im die Tiefe, wo das Wasser brausend und zischend dahinschoß, die schaumgepeitschten Wellen ewig am Fuße der Klippen brechend, die jäh ansteigend auch nicht einen Fuß breit Raum zwischen sich und dem wilden Elemente ließen. Wie Eiseshauch umfing hier die Luft den einsam Wandernden, sie legte sich feucht und kalt auf seine Stirn und wehte ihn an wie mit Grabesodem; hier galt es, nicht aufwärts und nicht niederwärts [151] zu schauen, sondern fest und unverwandt auf den Steg vor sich zu blicken, wollte man ungefährdet hinüber.
Furchtlos betrat Benedict die Brücke, er ging den Weg ja seit Monden beinahe Tag für Tag; ohne das Geländer zu berühren, ohne auch nur die allergewöhnlichste Vorsicht zu brauchen, schritt er rasch vorwärts. Vielleicht gab sein schwindelfreies Auge ihm diesen Muth, vielleicht auch die Gleichgültigkeit gegen das Leben, die er vor Kurzem noch dem alten Pfarrer gegenüber ausgesprochen; und es war wohl Schlimmeres als bloße Gleichgültigkeit dagegen, was, in der Mitte der Brücke angelangt, seinen Schritt bannte und ihn so unverwandt niederschauen ließ in den kochenden Gischt da unten. Leise kam die Versuchung herangeschlichen, es war nicht das erste Mal, daß sie ihm an dieser Stelle nahte, er hatte sie bisher noch immer überwunden, aber heute, nach jenem Gespräch mit dem Grafen, das ihm deutlich verrieth, was er bisher doch nur dunkel geahnt, welches Schicksal seiner wartete, heute setzte er ihr nicht den alten Widerstand entgegen. Wie festgebannt hing sein Auge an dem finstern Schlunde, an dem Gewässer, das sich zischend und schillernd wie eine Schlange dahinwand, und leise wie mit Schlangenlauten tönte dies dumpfe Zischen zu ihm herauf, es gewann eine Sprache, die immer deutlicher, immer vernehmlicher an sein Ohr schlug, war sie doch nur das Echo seiner eigenen wühlenden Gedanken.
„Wozu dich in die Hand der Menschen geben, wenn die eigene das Geschick vollenden kann, dem du nun einmal unwiderruflich verfallen bist? Ein Sturz, ein letzter Aufschrei vielleicht – und die kalten Wellen schäumen hinweg auch über die heiße Stirn, die das Denken nun einmal nicht verlernen will, über das wilde glühende Herz, das nicht kühl und still schlagen kann unter dem heiligen Gewande. Und es ist doch Alles, Alles umsonst durch das eine unselige Wort, mit dem du dich der Kirche gelobtest, das dich bindet für Zeit und Ewigkeit! Es reißt dich los von dem Leben, das mit all’ seinen reichen Schätzen, mit all’ seinem sonnigen Glanze wie ein fernes erträumtes Wunderland einst vor dir auftauchte, um auf immer wieder zu versinken, es zieht dich wieder zurück in die alte Knechtschaft, in die dumpfen Hallen des Klosters. Gehorsam heißt ja das erste, das oberste Gelübde des Ordens, und der Mönch muß ihm folgen, wüßte er auch, daß der Weg, den man ihn gehen heißt, am Abgrunde endigt! Wozu den endlosen nutzlosen Kampf erneuern, dem doch nie der Sieg beschieden ist? Ein entschlossener Schritt, und die Kette ist gesprengt, die Last sinkt von deinen Schultern für ewig! Hinab!“
Benedict starrte noch immer unbeweglich hinunter in die Tiefe, aber schwer und schwerer stützte er sich auf das Geländer, das schon wankte und zitterte unter seiner Hand, es legte sich feucht und eiskalt auf seine Schläfe, tief und tiefer senkte er das Haupt – noch eine Secunde, und die weißen Wellenarme drunten, die sich so gierig nach ihm ausstreckten empfingen ihr Opfer.
Da auf einmal klang ein fremder Ton herüber, ferne, leise, halb verweht, aber er drang dennoch zu seinem Ohr, unwillkürlich hob er das Haupt und lauschte. Jetzt trug der Wind die Töne voller, mächtiger herüber, drüben in der Wallfahrtskirche hallten die Glocken und riefen zur Vesper,[WS 1] die Kirche rief ihren Priester. Dort harrten die Andächtigen seines Erscheinens, und die geweihte Hand, die ihnen den Segen spenden sollte, hob sich in diesem Augenblick zum Selbstmorde!
Langsam zog Benedict den Arm zurück von dem Geländer, das in der nächsten Minute gebrochen wäre unter der Wucht seines Körpers, langsam richtete er sich empor und wandte das Auge weg von der verlockenden Tiefe. Die eherne Stimme der Pflicht suchte und fand ihn auf dem gefährlichsten Wege; diese längst ihres Zaubers entkleidete, so tief gehaßte und doch beschworene Pflicht, sie ward jetzt seine Retterin. Vergebens streckten die Wellen ihre Arme auf’s Neue nach ihm aus, vergebens lockten und winkten sie ihn zu sich nieder, der helle Glockenklang übertönte die dunklen Stimmen aus der Tiefe, mit einem schweren tiefen Aufathmen rang sich der junge Priester los von der Versuchung und schritt entschlossen weiter, die verhängnißvolle Brücke blieb hinter ihm, hinter ihm verhallte das unheimliche Brausen und Zischen, nur die Glockentöne zogen weithin durch die Luft, weithin über das Gebirge, und hochaufgerichtet festen Schrittes ging er den Weg, den sie ihm zeigten – zum Altar.
„Nehmen Sie es mir nicht übel, Herr Pfarrer, aber das ist ja ein ganz schändliches Wehen hier oben auf Ihren Bergen! Man möchte zehn Hände haben, um Hut und Shawl und Schirm, und noch zehn andere Dinge fest zu halten, sonst tanzen sie in der nächsten Minute um die Schneegipfel droben. Und seine eigene Person auf den Füßen zu erhalten hat man auch Mühe genug, sonst nimmt sie der Wind und setzt sie ohne Weiteres in eine von den verhexten Schluchten nieder, wohin nicht Sonne noch Mond scheint, und wo man sich, wie Ihre frommen Kalenderheiligen, von Eidechsen und Tannenzapfen ernähren muß, bis einen endlich irgend ein mitleidiger Bauer findet und wieder zur Menschheit zurückbringt. Die abscheulichen Wege hier haben uns schon unseren Wagen gekostet, die Räder waren vernünftiger als wir, sie wollten nicht weiter und zogen es vor, entzwei zu brechen, wir selbst sind halbtodt von dem Heraufklettern auf diesem Dinge, das sich ein Fahrweg nennt, und dabei Löcher und Untiefen hat, groß genug, um eine vierspännige Extrapost mit Mann und Maus zu verschlingen. Geh mir einer mit der Schönheit der Gebirge! Ich bleibe dabei, sie sind vom lieben Herrgott eigens erschaffen, um seinen Creaturen das Leben schwer zu machen, was nun einmal hier auf Erden nothwendig zu sein scheint.“
Pfarrer Clemens, der, im Begriff wieder in sein Haus zu treten, sich plötzlich vom Rücken her in dieser Weise anreden hörte, wendete sich hastig um und blickte erschrocken die Dame an, welche ihm im Tone einer nachdrücklichen Strafpredigt diese Rede hielt. Ihr Gesichtsausdruck war dabei so zornig, ihre Bewegungen so energisch, als sei der arme Geistliche allein verantwortlich für alle die eben geschilderten Unannehmlichkeiten, und dieser fühlte sich wirklich in der ersten Ueberraschung und Bestürzung als der schuldige Theil.
„Ich bedauere sehr –“ sagte er verlegen und ängstlich, „es thut mir leid, aber ich – ich kann wirklich nicht dafür, daß das Klima auf unseren Bergen so rauh ist.“
Die Dame lachte laut auf bei dieser Entschuldigung und trat ihm vertraulich einen Schritt näher.
„Nein, Hochwürden, dafür können Sie in der That nicht!“ sagte sie gutmüthig. „Ich meinte auch nicht Sie, Gott behüte! Nichts für ungut, daß ich Sie so anfuhr. Wir kommen als zwei hülflose Frauen zu Ihnen und bitten um Schutz und Obdach für einige Stunden. Sie brauchen sich nicht zu ängstigen.“
Trotz dieser Versicherung retirirte der Pfarrer doch etwas näher nach der Thür hin, während er schüchtern zu der Erscheinung emporblickte, die allerdings dem Bilde, das man sich von einer „hülflosen Frau“ zu machen pflegt, so wenig entsprach, als der Ton, mit dem sie sich eingeführt, der Bitte.
Es war eine große, kräftige Gestalt, sie trug einen eleganten dicken Reiseshawl, der in allerdings mehr stürmischer als malerischer Drapirung um die Schultern geworfen war. Mit der Linken hielt sie ihren Hut, der, seiner schiefen Stellung und den bedenklichen Wellenlinien seines Schirmes nach zu urtheilen, schon mehrmals den Versuch gemacht hatte, dem Orte, an den er von Rechtswegen gehörte, zu entfliehen, an beiden Bändern auf dem Kopfe fest, mit der Rechten stützte sie sich auf einen großen Regenschirm, der auch schon vom Sturme arg mitgenommen war, und überdies die Spuren des lehmigen Felsbodens zeigte, auf dem er als Alpenstock gedient hatte. Hinter ihr ward jetzt eine kleinere, zartere Figur sichtbar, ganz in einen grauen Regenmantel gehüllt, der die feine Gestalt vom Halse an bis herab zu den Füßen umschloß. Sie hatte es vorgezogen, ihren Hut ganz abzunehmen, statt ihn fortwährend festhalten zu müssen, und während sie ihn in der Hand trug, flatterten die Locken, dem Winde preisgegeben, nach allen Richtungen. Das „schändliche Wehen“, das ihre Gefährtin so aufbrachte, schien ihr weit weniger Kummer zu verursachen, das frische, von der scharfen Bergluft angehauchte Gesichtchen drückte eher Vergnügen aus über die ganze abenteuerliche Fahrt, und es zuckte wie mühsam unterdrücktes Lachen um den kleinen Mund bei den komischen Vorwürfen, mit denen ihre Begleiterin auf den armen Pfarrer einstürmte, und bei der sichtbaren Angst des hochwürdigen Herrn vor der resoluten Dame.
Er lud sie nichtsdestoweniger ein, in’s Haus zu treten, und [152] sie folgte auch dieser Aufforderung, blieb aber plötzlich auf der Schwelle stehen und sagte in scharfem Tone:
„Ehe wir aber eintreten, möchte ich Ihnen doch mittheilen, daß wir Protestanten sind. Verstehen Sie? Ketzer von der echtesten Sorte, da oben aus Norddeutschland! Täuschen wollen wir Sie nicht und bekehren lassen wir uns auf keinen Fall. Wenn Sie uns also darauf hin hinauswerfen wollen, so sagen Sie es lieber gleich, wir müssen dann zusehen, ob wir in dem sogenannten Wirthshause ein Unterkommen finden, obgleich ein anständiger Mensch es nicht ansehen, geschweige denn betreten kann, ohne daß sich sein ganzes Reinlichkeitsgefühl dagegen empört.“
Der Pfarrer mußte doch lächeln über dies seltsame Glaubensbekenntniß zwischen Thür und Angel. „Ich pflege meine Gäste nicht nach ihrer Religion zu fragen,“ entgegnete er freundlich, „und stelle mein einfaches Haus gern jedem Fremden zur Verfügung, weß Glaubens er auch sei.“
„So? Nun da sind Sie eine Ausnahme von Ihren Collegen!“ meinte die Dame trocken. „Entschuldigen Sie, daß es mir so herausfuhr, aber wie gesagt, bekehren lassen wir uns nicht, und man muß sich vorsehen hier zu Lande, ich traue den Katholischen nun einmal nicht. – Wenn ich nur wüßte, was es wieder dabei zu lachen giebt, Lucie! Ich glaube, Sie sind unvernünftig genug, an der ganzen abscheulichen Partie noch Vergnügen zu finden. Wie eine Gemse sind Sie vor mir her den Berg heraufgesprungen, während ich –“ sie sah wehmüthig herab auf die Trümmer ihres Regenschirms – „ohne den da wäre ich verloren gewesen!“
Man war inzwischen in’s Haus getreten und Franziska begann sogleich Shawl und Hut abzulegen, wobei sie ihrem Wirthe ausführlicher erzählte, daß sie von einer kleinen Reise nach A. zurückkäme, daß sie der Kürze wegen den Weg über das Gebirge gewählt hätten, und daß ihr Begleiter, der sich noch unten bei dem übel zugerichteten Wagen befinde, seine Schwester und sie einstweilen vorausgesandt habe, um im nächsten Dorfe auf ihn zu warten, wo sie ein Fuhrwerk zu erhalten hofften, das, da die Pferde zum Glück unverletzt seien, sie noch heute bis Dobra bringen könne.
„Das Fuhrwerk wird wohl zu erhalten sein,“ erklärte der Pfarrer bereitwillig, „vorausgesetzt, daß Ihr Begleiter bald eintrifft, sonst möchte es nicht rathsam sein, noch heute den Rückweg anzutreten, da die Nacht Sie noch im Gebirge überfallen würde. Sie müßten in diesem Falle mit meiner Gastfreundschaft fürlieb nehmen. Das Gastzimmer ist zwar schon seit einigen Monaten von meinem jungen Caplan eingenommen, indeß er wird gern den Damen weichen, und auch für den fremden Herrn wird Unterkommen geschafft werden.“
Lucie hatte bisher ihren Mantel noch nicht abgelegt, sondern sich mit großen Augen in der Studirstube umgesehen, die zugleich das Staats- und Empfangszimmer des hochwürdigen Herrn bildeten. Sie musterte unbefangen die alten einfachen Möbel, die nicht allzu zahlreichen Bücher und die vergilbten Stahlstiche an den Wänden, welche Heiligenbilder oder Scenen aus Legenden darstellten, bei den letzten Worten aber wurde sie plötzlich aufmerksam.
„Wo befinden wir uns denn eigentlich, Hochwürden?“ fragte sie schnell, und der Pfarrer wunderte sich, weshalb das junge Mädchen bei der so einfachen Frage bis an die Schläfe erröthete.
„Ja wohl, wie heißt denn das Nest? – ich bitte um Entschuldigung, ich meine Ihren Pfarrbezirk,“ fiel auch Franziska jetzt ein. „Man hat uns nur nach dem nächsten Dorfe gewiesen, ohne uns den Namen zu nennen.“
„Sie befinden sich in N.“
Es war gut, daß der Pfarrer sich dabei an Franziska wandte, und diese ihn wieder ansah, so entging Beiden die Purpurgluth, welche jetzt das Antlitz Luciens noch dunkler färbte. Sie gab auf einmal all’ ihre kleinen Beobachtungen im Zimmer auf und flüchtete an’s Fenster, wo sie verharrte, den Blick fortwährend auf die Thür gerichtet, als erwarte sie jeden Augenblick dort etwas eintreten zu sehen, das ihr Angst mache.
Fräulein Reich hatte sich indessen bequem im Lehnstuhl zurechtgesetzt und begann nun mit ihrem Wirthe eine Art von Verhör anzustellen, wie lange er schon hier wohne, welches Einkommen er habe, wie er mit seiner Gemeinde stehe und dergleichen. Der alte Pfarrer, völlig eingeschüchtert durch den inquisitorischen Ton der Dame, stand demüthig und ängstlich vor ihr, und bemühte sich, auf all ihre Fragen so genau und pünktlich zu antworten, als stehe er vor seinem Decan, von dessen Wohlwollen seine ganze Stellung abhinge. Das Resultat des Examens war endlich ein halb ärgerliches, halb mitleidiges Kopfschütteln von Seiten Franziska’s.
„Ich möchte nicht an Ihrer Stelle sein, Hochwürden!“ erklärte sie sehr entschieden. „Im Sommer mag das noch zu ertragen sein, aber wie halten Sie nur den ganzen langen Winter hier oben aus, so mutterseelenallein, ohne Weib und Kind?“
Der alte Priester lächelte, aber diesmal war es ein trauriges Lächeln und es lag etwas wie schmerzliche Resignation in dem Blicke, der über die kräftige lebensvolle Gestalt der vor ihm Sitzenden hinglitt und dann auf dem lieblichen Antlitz des jungen Mädchens haften blieb, das in diesem Augenblick zu ihnen herüberschaute. „Das bringt unser Stand so mit sich,“ entgegnete er sanft.
„Das ist aber, nehmen Sie mir’s nicht übel, eine höchst langweilige Einrichtung Ihrer Kirche,“ fuhr Franziska mit ihrer entsetzlichen Aufrichtigkeit ganz ungenirt fort. „Bei uns daheim hat jeder rechtschaffene Pfarrer Frau und Kinder, ein halbes Dutzend von den letzteren gewöhnlich! Wir haben es noch weiter gebracht: wir waren unser Zwölf im Pfarrhause, und wenn die heilige Apostelzahl meinem Vater auch oft genug Kopfzerbrechen machte – ein Landpfarrer hat bei uns gerade auch kein Ministereinkommen –, ich versichere Sie, es lebt und predigt sich so doch besser, wenn auch die ganze geistliche Nachkommenschaft neben dem Studirzimmer lärmt, als in solchem öden todtenstillen Hause, wo keine Maus sich regt. Mein Vater hätte kein einziges von uns missen mögen; wir sind ja auch Gott sei Dank Alle gerathen und wie gerathen!“
Bei den letzten Worten richtete sie sich zu ihrer ganzen stattlichen Höhe empor und blickte den vor ihr stehenden hochwürdigen Herrn so herausfordernd an, als wolle sie fragen, ob er nicht meine, sie ihrerseits sei außerordentlich gut gerathen, und ob er sich etwa erlaube, nach diesem Beispiele noch an dem exemplarischen Gedeihen der übrigen elf Pfarrerssprößlinge zu zweifeln. Zum Glück fiel dem guten Geistlichen Dergleichen nicht entfernt ein. Er machte eine tiefe höfliche Verbeugung, welche mehr als Worte seinen großen Respect vor der Dame und ihrer ganzen Familie auszudrücken bestimmt war, und dadurch zufriedengestellt, setzte sich diese wieder nieder.
„Ich begreife nicht, weshalb Bernhard noch immer nicht kommt!“ mischte sich jetzt Lucie in’s Gespräch. „Er müßte längst hier sein; ich möchte ihm lieber entgegengehen.“
Die Erzieherin schüttelte mißbilligend den Kopf. „Warum nicht gar! Haben Sie etwa noch nicht genug an unserer Kletterpartie, Lucie? Wollen Sie sich durchaus fortwehen lassen?“
„Ich gehe ja nicht weit,“ versicherte das junge Mädchen, „und verfehlen kann ich ihn nicht, wenn ich dem Wege folge, den wir heraufgekommen sind.“
Franziska blieb bei ihrem Kopfschütteln. Der Pfarrer aber, dem die geheime Unruhe der Dame nicht entging und der sie natürlich der Sorge um den abwesenden Bruder zuschrieb, legte sich jetzt in’s Mittel.
„Lassen Sie das Fräulein immerhin gehen,“ sagte er freundlich. „Es geschieht ihr nichts hier oben auf unseren Bergen, und Schluchten und Abgründe, in die sie stürzen könnte, giebt es auch nicht in unmittelbarer Nähe von N., vorausgesetzt, daß die Dame den Fahrweg nicht verläßt.“
Franziska zuckte die Achseln. „Da sehen Sie das sechszehnjährige Blut, Hochwürden! Nicht eine Viertelstunde lang kann es im Zimmer aushalten, das muß durchaus wieder hinaus in Wind und Wetter! Meinetwegen denn, aber gehen Sie ja nicht zu weit. Herr Günther wird Sie auslachen bei seiner Ankunft; er ist auch gerade der Mann, um den man sich ängstigen müßte!“
Lucie hörte die letzten Worte gar nicht mehr, sie war schon aus der Thür, auf der Schwelle hielt sie noch einmal zögernd inne; aber ein Schritt, der die Treppe herunterkam und von dem sie freilich nicht wissen konnte, daß es nur der der alten Magd war, scheuchte sie rasch in’s Freie an den wenigen Häusern vorüber, bis zum Ausgange des Dorfes.
Derjenige Theil unserer Erdrinde, welcher durch allmähliche Ablagerungen von schlammigen, erdigen und steinigen Massen entstanden ist, die sich durch Verwitterung der Ur- und Schiefergesteine gebildet und aus dem Urmeere schub- und schichtenweise auf einander niedergeschlagen hatten (Sedimente, Flötze bildend), enthält zwischen den verschiedenartigsten Gesteinen die fossilen Reste fast aller Organismen, welche auf unserer Erdrinde bis jetzt nacheinander gelebt haben. Die Erdkundigen unterscheiden
[154] an diesen Wassergebilden (Sedimentär- oder Schichtgebilden) die folgenden fünf Epochen oder Zeitalter, und in jeder Periode trifft man nach Häckel’s geistreicher genealogischer Hypothese die thierischen Urahnen des Menschen in anderer, sich fortwährend veredelnder Gestalt.[1]
1) Die Primordialzeit, das Zeitalter der Schädellosen und Tangwälder (archäolithische oder archäozoische Schichtengruppen), dauerte viel länger als alle übrigen Zeiträume zusammengenommen; ihre Schichten sind gegen siebenzigtausend Fuß dick und bilden drei mächtige neptunische Systeme:
das laurentische System (ältere Primordialzeit) mit Labrador (kieselsaurer Thon- und Kalkerde mit etwas Natron) und der Ottawaformation, dreißigtausend Fuß dick, oben aus Kalkstein mit Kalkschalen von Wurzelfüßern (Rhizopoden) und canadischen Morgenroththierchen, unten aus Gneiß, Quarzit, Conglomerat und körnigem Kalkstein;
das cambrische System (mittlere Primordialzeit), von achtzehntausend Fuß Dicke, aus ober- und untercambrischen Schichten, welches die tiefsten Grauwackenglieder umfaßt, mit Thonschiefer, dem Kalkstein folgt, beginnt und mit Sandsteinen von hellerer Farbe schließt;
das silurische System (neuere Primordialzeit), von zweiundzwanzigtausend Fuß Dicke, aus ober-, mittel- und untersilurischen Schichten mit glimmerreicher Grauwacke, schwarzem Schiefer, mit plattenförmigen, kieseligen Sandsteinen und dunklen Kalksteinen.
Die Primordialzeit enthält in den cambrischen und silurischen Schichten deutlich erhaltene Versteinerungen (besonders von Kreidethierchen, Foraminiferen), welche aber alle beweisen, daß damals noch kein landbewohnender Organismus vorhanden war. Neuerlich sind (von Logan im Jahre 1865) auch in der untersten oder laurentischen Schicht (Ottawaformation) Reste eines Organismus gefunden und „canadisches Morgenwesen, Eozoon canadense“, oder Morgenröthethierchen benannt worden, weil mit ihm für die Wissenschaft die Morgenröthe des Lebens auf Erden beginnt. Zur einfachsten Thierform gehört dieses Thier aber ebenso wenig, wie die Wurzelfüßer (Rhizopoden), weil es schon mit einer kalkigen Hülle oder Schale umgeben ist, während die einfachsten Thiere (die Urthiere, Protozoen, Moneren) nur Schleim- oder Plasmaklümpchen ohne Schale sein konnten. Auch finden sich in den tiefsten dieser Sedimentärschichten Ueberreste eines organischen Körpers, von dem man nicht ganz genau weiß, ob er Thier oder Pflanze war; letzteres ist das Wahrscheinlichere. Dieses Wesen heißt Oldhamia und ähnelt der Blume des Löwenzahn. – Alle Pflanzenreste, welche aus der Primordialzeit stammen, sind zarte Zellenpflanzen und gehören zu den niedrigsten von allen Pflanzengruppen, zu der im Wasser lebenden Classe der Tangen oder Algen. Sie bildeten im warmen Urmeere mächtige Wälder (von Seetang, Seegras) und besaßen eine lederartige Beschaffenheit, waren von bräunlicher oder rother Färbung, ohne Blätter und Blüthen, und schwammen frei im Wasser herum. – Auch die Thiere dieser Periode lebten nur im Wasser; es waren Krebsthiere (Trilobiten, den Kellerasseln ähnlich und die ältesten Krebse); Urfische, welche sich aus den Krustenthieren hervorentwickelten und den Haifischen und Schildkröten ähnlich sahen (Cephalaspiden und Cölacanthinen); Schädellose (Akranien, kopflose Wirbelthiere, unserm heutigen Lanzetthiere verwandt); Unpaarnasen (den heutigen Lampreten ähnlich). Neben diesen: die einfachsten Urthiere (Moneren, Amöben), Infusionsthiere, Weich- und Sackwürmer (Seescheiden), wurmartige Graptolithen, Strahlthiere (Echinosphäriten), Polypen (Haarsterne), Mollusken (Muscheln und Schnecken). Für die silurische Formation sind die merkwürdigen Graptolithen ganz charakteristisch, welche einem spiralförmig aufgerollten Sägeblatte gleichen.
In der Primordialzeit, als sich das organische Material zum Aufbaue des menschlichen Organismus, höchst wahrscheinlich durch Urzeugung aus unorganischen Stoffen (Erde), hervorgebildet hatte, erschienen die allerältesten Vorfahren des Menschen, wie überhaupt aller andern (besonders thierischer) Organismen, als Moneren (Protoplasma-Klümpchen), wie sie heute noch existiren. Aus ihnen gingen einzellige Urthiere (einfache Amöben) und aus diesen (durch wiederholte Selbsttheilung und bleibende Vereinigung dieser Theilungsproducte) vielzellige Urthiere (Synamöben, Amöbengemeinden) hervor, welche letztere zur Entwickelung von Flimmerschwärmern (Opalinen, Magosphären) und mundführenden Wimperinfusorien (mit einfachem Darmcanal) die Veranlassung gaben. Aus den bewimperten Infusionsthieren stammten dann als menschliche Vorfahren: zunächst Strudelwürmer (Turbellarien) mit der ersten Bildung eines Nervensystems, der Augen, eines Verdauungs- und Fortpflanzungs-Apparates; aus diesen: Weichwürmer (mit Athmungs-Apparat, Kiemenkorb) und Sackwürmer (Seescheiden). Die letzten beiden Vorfahren sind ausgestorben und überbrückten die tiefe Kluft zwischen den Wirbellosen und Wirbelthieren, in deren Bereich die menschlichen Vorfahren jetzt eintreten und zwar als Schädellose (Lanzetthiere, Amphioxus) ohne Gehirn, aber mit entwickeltem Rückenmarke und Rückenstrang, sowie mit Trennung der beiden Geschlechter. Die diesen folgenden ersten Schädelthiere, aber mit dem unvollkommensten Gehirn, denen der Mensch sein Dasein verdankt, sind die Unpaarnasen (Rundmäuler: Lampreten, Inger), welche in die Urfisch-Ahnen (mit Haifischähnlichkeit), durch Theilung der unpaaren Nase in zwei paarige Seitenhälften und Bildung zweier Beinpaare (Brust- und Bauchflossen), übergingen.
2) Die Primärzeit, das Zeitalter der Fische und Farnwälder (paläolithisches oder paläozoisches Zeitalter), mit mächtigen Schichten und einer Dicke von gegen zweiundvierzigtausend Fuß, zerfällt:
in das devonische System (ältere Primärzeit) mit Schichten aus Kalk, Mergel und Sandstein, welche ihrer dunkelrothbraunen Farbe wegen (in England) auch Altrothsand, alter rother Sandstein genannt werden. In Deutschland findet sich dieser rothe Sandstein gar nicht entwickelt und dafür Grauwacke mit hellfarbigen Kalksteinen und verschiedenen Thonschichten. Das devonische und silurische System zusammen werden auch als Uebergangsgebirge (Werner) oder als (ältere und jüngere) Grauwackenbildungen bezeichnet;
in das carbonische System (mittlere Primärzeit) mit Steinkohlen, Kohlenkalk und Kohlensand. Dieses System besteht aus Kalksteinen, Thonschichten (Kohlenschiefer oder Schieferthon) und (Kohlen-) Sandsteinen, welche die Kohlenlager in der verschiedensten Weise zwischen sich nehmen; die unterste Schicht bildet der hellfarbige hügelige Bergkalk und Culm (Kohlenkalkstein);
in das permische System (neuere Primärzeit) mit jüngerem rothen Sandstein (Roth- oder Todtliegendem), über dem Kohlen- und unter dem Kupfer- und Mergelschiefer; über letzterem der Zechstein (Stinkstein, Dolomit, Gyps).
Die Primärzeit ist reich an blüthen- und früchtelosen Landpflanzen und zwar an Farnpflanzen (echten Farnkräutern, Farnbäumen, Schaftfarnen, Schuppenfarnen, Schachtelfarnen). Sie bildeten die Hauptmasse der dichten Inselwälder und ihre fossilen Reste sind als Steinkohle bekannt. – Von Thieren besitzt diese Periode einen großen Reichthum an Fischen: Ur- und Schmelzfischen von Haifischform mit dicken Panzern aus Knochen- und Hornplatten und mit Höckern und Stacheln; Flügelfischen mit gepanzertem Körper und Flügeln; Lurchfischen (jetzt Molchfischen); Kiemenlurchen (jetzt Olm, Oxolotl), Schwanzlurchen (jetzt Wassermolchen). Von landbewohnenden Thieren gab es Gliederthiere (Spinnen und Insecten) und einige Wirbelthiere (Amphibien und Reptilien), welche unseren Eidechsen nahe verwandt sind. Der Proterosaurus war ein eidechsenartiges Reptil, der Archegosaurus eine froschähnliche Eidechse. Jetzt scheint überhaupt der Anfang einer Umbildung des fischähnlichen Körpers zu einem amphibienartigen stattgefunden zu haben, nachdem sich die Wirbelthiere aus den Mantelthieren (mit einem knorpligen Rückenstrange, der ersten Anlage der Wirbelsäule) hervorentwickelt hatten. – Die Trilobiten starben in dieser Periode aus und bildeten die Uebergänge zu den Fischen (Cephalaspiden); der kolossale Pterigotus Angelicus, ein riesiger, mit furchtbaren, wie Fischkiefer gezähnten Scheeren bewaffneter [155] Krebs, bildete ein Mittelding zwischen den Krebsen und Fischen.
In der Primärzeit begann die Reihe der durch Lungen athmenden Vorfahren des Menschen durch Anpassung an das Landleben und Umbildung der Schwimmblase zu einer Lunge. Als Lurchfische (den heutigen Molchfischen ähnlich) traten sie hier zuerst auf und machten den Uebergang zu den Lurchen oder Amphibien. Unsere ältesten Vorfahren aus der Amphibienclasse sind die Kiemenlurche (Proteus), bei welchen sich die rudernden Fischflossen zu fünfzehigen Beinen ausbildeten. Sie behielten neben den Lungen noch zeitlebens Kiemen. Die Nachkommen dieser Lurche waren die Schwanzlurche, welche den heutigen Salamandern und Wassermolchen ähnlich waren, die Kiemen verloren und den Schwanz behielten.
3) Die Secundärzeit, das Zeitalter der Reptilien und Nadelwälder (mesolithisches oder mesozoisches Zeitalter), mit drei Schichtsystemen und gegen fünfzehntausend Fuß dick, bestehend:
aus dem Trias-System oder der Steinsalzgruppe (ältere Secundärzeit) mit buntem Sandstein (einem innigen Gemisch feiner kristallinischer Quarzkörner und eisenhaltigen Thons), Muschelkalk mit Steinsalz und Keuper (aus Schichten von Mergeln und Sandsteinen) mit kohlenarmer Lettenkohle;
aus dem Jura-System (mittlere Secundärzeit) oder der Oolithformation (wegen der kugelig-schaligen Form des Kalkes) mit schwarzem Jura- oder Liasschiefer, braunem Jura (mit Eisengehalt) und weißem Jura (mit lithographischem und Korallenkalk);
aus dem Kreide-System (neuere Secundärzeit) aus Kalk- und Sandsteinen, mit Weißkreide, Grünsand, Quadersandstein, Wälderthon, und mit vielen Muschel- und Schneckengehäusen (besonders mit Donnerkeilen oder Belemniten und Ammoniten).
Die Secundärzeit enthält in überwiegender Zahl Reptilien, welche mit den heute noch lebenden Eidechsen, Krokodilen und Schildkröten große Aehnlichkeit hatten. Neben ihnen existirten aber auch noch abenteuerlich gestaltete riesige Amphibien (Meer- und Land-Saurier, Drachen) wie: Labyrinthodonten (Tremato-, Zygo-, Mastodon-, Mosa-, Capito- und Archego-Saurus), welche auf dem Lande lebten und ein Gemisch von Eidechse, Frosch, Krokodil und Schildkröte bildeten. Sie hatten etwa die Größe eines großen Schweines und ihre Fußstapfen (im bunten Sandstein) hatten große Aehnlichkeit mit dem Eindrucke einer Menschenhand. Sie hatten einen schlanken Kopf, langen Schwanz und kurze, plumpe Gliedmaßen, ihr Körper war mit feinen hornigen Ziegelschuppen bedeckt und an der Kehle saßen drei große Knochenplatten (Kehlpanzerplatten). – Die Enalio- oder Meer-Saurier, Meereidechsen, waren fischähnliche, etwa fünfzehn bis zwanzig Fuß lange Eidechsen mit großen flossenförmigen Gliedmaßen und nackter Walfischhaut. Von ihnen gab es mehrere Arten, wie Ichthyosaurier (Fischeidechsen) mit großem delphinähnlichen Kopfe, kurzem Halse, kurzen und breiten Flossen; Plesiosaurier (Nachbareidechsen) mit schmalem kleinem krokodilähnlichem Kopfe, langem Halse, langen und schmalen Flossen; Halidrakonen, Halisaurier (Seedrachen), mit kleinem Kopfe, großen Fangzähnen, langem Halse, Schwanze und Flossen, kurzem Rumpfe. (Aus dem versteinerten buntgefleckten Kothe, Koprolithen, der Meersaurier werden jetzt Schmucksachen gefertigt.) Die Dinosaurier waren riesenhafte, bis hundert Fuß lange, plumpe Landeidechsen oder Krokodile mit Klumpfüßen. – Die Pterodactylen oder Flugsaurier (Lufteidechsen) waren fledermausartige Thiere, nackte fliegende Eidechsen, aber nicht viel größer als unsere Fledermäuse. – Am Ende dieser Periode entstanden die ersten Vögel und zwar, wie der in Jura gefundene Abdruck eines fossilen Vogels mit Eidechsenschwanze (Archaeopteryx macrurus) bestätigt, aus den Eidechsen. – Auch Säugethiere fanden sich ein, nämlich: Uramnioten (zwischen Schwanzlurchen und Stammsäugern), Stammsäuger (jetzt Schnabelthiere) und Beutelthiere (jetzt Beutelratten). – Von Pflanzen bildeten vorzugsweise Nadelhölzer (Coniferen) und Palmfarne (Cycadeen) die Wälder, während die farnartigen Pflanzen zurücktraten.
In der Secundärzeit traten die menschlichen Vorfahren in die höhere Wirbelthierclasse (in die Amnionthiere) ein und zwar zunächst in die Uramnioten, durch gänzlichen Verlust der Kiemen und Bildung des Amnion. Ihnen folgten die den Säugethieren angehörigen Stammsäuger (Schnabelthiere), welche sich durch die Haare und Milchdrüsen auszeichneten und in die Beutelthiere (Beutelratten, Opossum, Känguruh), durch Trennung der Cloake in Mastdarm und Urogenitalsinus, übergingen.
4) Die Tertiärzeit, das Zeitalter der Säugethiere und Laubwälder (cänolithisches oder cänozoisches Zeitalter), mit einer Dicke von gegen dreitausend Fuß, aus drei schwer zu trennenden Molasse-Schichten bestehend:
aus dem Eocän- (alttertiären) System mit Gyps, Grobkalk und Londonthon, Braunkohlen, Bernstein, Erdöl und Erdpech;
aus dem Miocän- (mitteltertiären) System mit Braunkohle (d. s. verkohlte Pflanzen und zwar Palmen, Cypressen und Nadelhölzer), Bernstein (Harz dieser Waldbäume), Erdöl und Erdpech (Asphalt), ebenfalls von diesen Bäumen;
aus dem Pliocän- (neutertiären) System, Molassenformation, mit viel Süßwasserkalk und, als Reste von Infusorien, dem Tripel, dem Bergmehl, Kieselguhr und Polirschiefer. Die oberste Gruppe dieser Schicht heißt auch Tegelformation, die unterste subapenninisches Gebilde.
Die Tertiärzeit nähert sich mit ihren Organismen schon der Gegenwart, denn es überwiegen jetzt unter den Wirbelthieren die Säugethiere und unter den Pflanzen die Decksamenpflanzen. Auch fand in dieser Periode schon die körperliche Entwickelung des Urmenschen aus menschenähnlichen Affen statt. – Von den Säugethieren der Tertiärschicht gehören die meisten zur Ordnung der Dickhäuter, wohin auch unser Elephant, Nashorn, Pferd und Schwein gehören. Im Meere herrschten dem Walfische, Pottfische, Delphine und der Seekuh ähnliche Geschöpfe, auch zwei ganz untergegangene, walfischähnliche Thiere, der Ziphius und das Metarytherium. Am häufigsten waren plumpe tapirartige Pflanzenfresser (Paläotherium) mit einem dichtbehaarten Körper und rüsselförmiger Nase, vorn vier und hinten drei Zehen. Das Anoplotherium, ein zweizehiges grasfressendes Hufthier, ist das erste Thier mit einfach gespaltenem Hufe und einem sehr langen Schwanze; es scheint eine pferdeartige Schnauze gehabt und in schlanker (Xiphodon) und plumper Form existirt zu haben. Das Dinotherium, ein walroßähnliches, pflanzenfressendes Seethier von fünfzehn bis zwanzig Fuß Länge, welches auf einem kurzen dicken Halse einen walfischähnlichen Kopf mit zwei nach unten ragenden Stoßzähnen, und einen spindelförmigen Rumpf mit Flossenfüßen hatte. Das Zeuglodon (Hydrarchos, Basilosaurus), früher fälschlich für einen Saurier gehalten, war ein walfischähnliches Säugethier mit einem seehundsähnlichen Kopfe, welches aber nach neueren Forschungen nur einen Halswirbel haben konnte. (Die anderen Wirbel an unserer Abbildung des Zeuglodonskelets sollen von anderen Thieren herrühren.) Das Sivatherium war ein Wiederkäuer von sehr großer, plumper, giraffenähnlicher Gestalt, dessen Kopf dem des Elephanten glich. – Faulthiere von elephantischer Größe waren: das Megatherium, Megalonyx und Mylodon; kleinere Gürtelthiere: das Glyptodon und der Holophorus; das größte Nagethier war das Toxodon und das dem Pferde am meisten ähnliche, das Hippotherium; dem Elephanten ähnlich war das Mastodon (Ohiothier); das Halitherium, ein kräuterfressendes Walthier. Außerdem finden sich jetzt Schlangen, Frösche und Kröten (zum Theil ungeschwänzte). Die Reste eines Riesensalamanders dieser Zeit hielt man für die eines Menschen (des Andreas Scheuchzer’schen Sündfluthmenschen). Es traten ferner auf: Halbaffen (Lori, Maki ähnlich), geschwänzte Schmalnasen (Nasen- und Schlankaffen), Menschenaffen (Gorilla, Schimpanse, Orang, Gibbon) und Affenmenschen. – Von den Pflanzen bilden die fossilen Ueberreste von Cypressen, Palmen und Nadelhölzern die Braunkohlen.
Die Tertiärzeit, welche in ihrer zweiten Hälfte schon menschliche Gestalten, aber mit affenähnlichem Schädel hervorgebracht hat, zeigt die menschlichen Ahnen in ihrer ersten Hälfte noch als Affen und zwar: zuerst als Halbaffen (Lori, Maki), welche die unmittelbare Stammform der echten Affen bilden und aus den Beutelthieren durch Verlust des Beutels und Bildung einer Placenta hervorgingen. Ihnen folgten als echte Affen die geschwänzten Schmalnasen (Nasen- und Schlankaffen), noch mit dichtbehaartem Körper und langem Schwanze; diesen die schwanzlosen Schmalnasen oder Menschenaffen, Anthropoiden (die Stammväter ebenso des Menschen wie des Gorilla, Schimpanse, Orang, Gibbon), mit Verlust des Schwanzes, theilweisem Verlust der Behaarung und überwiegender Entwickelung [156] des Schädels über das Gesicht. Durch Angewöhnung an den aufrechten Gang, die Entwickelung des Armes und der Hand und die vollständigere Enthaarung der Haut bildeten sich dann aus den Menschenaffen die Affenmenschen, denen bei ihrer niedrigen Gehirnbildung noch die articulirte menschliche Sprache fehlte. Man könnte die Hypothese aufstellen, daß sich die Anthropoiden nach und nach in fleisch- und pflanzenfressende schieden; erstere schritten zum Menschen fort, letztere conservirten sich als Affen (Gorilla etc.).
5) Die Quartärzeit, das Zeitalter der Menschen und Culturwälder (anthropolithisches oder anthropozoisches Zeitalter), nur gegen fünf- bis siebenhundert Fuß dick und an verschiedenen Stellen von der verschiedensten Dicke, besteht aus der älteren Quartär- oder Eiszeit, Glacial-Periode – aus der mittleren Quartär- oder Postglacial-Periode – und aus der neueren Quartär- oder Culturzeit. – Die untersten Schichten, das Diluvium, Aufgeschwemmtes, Schwemmland der Vorzeit (Pleistocen), bestehen aus Sand, Kies, Gruß, Geröllen und Geschieben mit Lehm und Flöß und sind aus den verschiedenen Schichtgesteinen entstanden. Ueber der Diluvialschicht lagert das Alluvium, Angeschwemmtes, Schwemmland der Jetztzeit (Recent), aus Sand- und Schuttlagern (Tuffe), abwechselnd mit Lehm- und Mergelschichten, Moorland und Ackererde.
Die Quartärzeit erzeugte Menschen mit articulirter (gegliederter) Sprache und zeichnet sich überhaupt durch fortschreitende Entwickelung und Ausbreitung des menschlichen Organismus, zumal des Gehirns und Schädels aus. Thiere und Pflanzen wurden von dem vollkommner gewordenen Menschen durch Züchtung veredelt. – Im Diluvium (mit der Eiszeit) finden sich von Thieren: der Höhlenbär (in der ältesten Periode); das Mammuth (vorweltlicher Elephant), eine Art Elephant, aber mit viel längeren und stärker gekrümmten Stoßzähnen und einer borstigen, langbehaarten, der des wilden Schweines ähnlichen Haut. Vom Mammuth wurden in Sibirien im Eise und gefrornen Boden vollständige Thiere mit allem Zubehör so gut erhalten gefunden, daß man deren Fleisch noch essen konnte. Das Nashorn, die Höhlenhyäne, der Höhlenlöwe, der Riesenhirsch mit großem Geweihe, der Auerochs, das Rennthier sind ebenfalls Diluvialthiere. – Das Alluvium producirte aus verwesenden Pflanzen Moorland (Wald-, Wiesen-, Haide- und Moostorf), sowie durch Verwitterung der verschiedenartigsten Gesteine und durch Zersetzung organischer Substanzen die Dammerde, als ein Gemenge von organischen und unorganischen Stoffen.
In der Quartärzeit entwickelte sich beim Affenmenschen das Gehirn (mit Vergrößerung des Schädels, zumal in seinem Stirntheile) immer mehr, die Sprache ging aus der thierischen Lautsprache in die articulirte (gegliederte) Wortsprache über, und höheres Bewußtsein mit Begriffsbildung charakterisirt nun den jetzigen Menschen, aber in den verschiedenen Racen in verschiedenem Grade.
Schließlich muß nun aber nochmals erwähnt werden, daß die genannten fünf Zeitalter durchaus nicht etwa durch scharfe Grenzen von einander geschieden sind, – denn „die Natur macht keinen Sprung“, – sondern ebenso in ihren Gesteinsformen, wie in ihren Organismen ganz allmählich in einander übergehen, und daß also von einem zeitweiligen Eintreten großer, gewaltiger, Alles vernichtender Erdrevolutionen nicht die Rede sein kann.
„Erzählen Sie uns etwas von Ihren Jagden in Afrika!“ Wie oft erging nicht diese Aufforderung an mich! Nun liebe ich allerdings auch das edle Waidwerk und habe ihm oft obgelegen. Aber ich merkte gleich, daß meine Zuhörer etwas ganz Anderes von mir verlangten, als ich ihnen auftischen konnte. Sie wollten haarsträubende Mordgeschichten hören, Schilderungen von blutigen Kämpfen mit den Riesen der Thierwelt, von Kämpfen, in denen mein Leben wo möglich immer nur an einem Faden, und noch dazu an einem sehr dünnen Faden, gehangen hätte. Da ich ihnen dergleichen pikante Gerichte nicht zu bieten vermochte, so rettete ich mich gewöhnlich in’s Stillschweigen; aber wenn sie mir gar zu arg zusetzten und ich durchaus erzählen sollte, so mußte ich damit anfangen, ihre nun auf’s Gräßliche gerichteten überspannten Erwartungen vorerst durch einen kleinen geographischen Excurs zu ernüchtern, indem ich ihnen auseinandersetzte, daß „Afrika“ ein sehr weiter Begriff sei, daß der Erdtheil sehr verschiedenartige Jagdgebiete aufweise und daß es ungerecht sei, von einem Reisenden, der in Algerien, Marokko, Tunesien und der Sahara gereist, zu verlangen, daß er in diesen Ländern Elephanten umgebracht haben solle. Zu Strabo’s Zeit war das vielleicht noch möglich. Damals soll es in Marokko noch Elephanten gegeben haben und zwar sehr kluge Elephanten, die sogar die Sonne anbeteten und deren Aufgang mit ausdrucksvollen Pantomimen begrüßten. Aber diese Elephanten waren wahrscheinlich „zu klug, um lange zu leben“, und zu philosophisch, um daran zu denken, Nachkommenschaft zu hinterlassen. Heut zu Tage sind sie ganz ausgestorben und nördlich von der Sahara giebt es keinen einzigen, ebensowenig wie Rhinocerosse, Giraffen und andere kolossale Bestien, deren massenhafte Tödtung man Jedem zumuthet, der im Geruch steht, in „Afrika“ gewesen zu sein.
In der Sahara und den Ländern nördlich von ihr giebt es von solcherlei „Hochwild“, wie es die Aufregung liebende Phantasie verlangt, nur Löwen und Panther; Hyänen und Schakals sind nicht der Rede werth. Sehr oft freilich begegnete ich der Anschauung, als ob auch diese Thiere höchst gefährliche Bestien seien. Aber diese Anschauung entstammt aus den Menagerien, wo die Thiere, den Tag über ausgehungert, am Abend ihr Fressen unter Schlägen und Stößen mit eisernen Stangen bekommen, wobei sie denn allerdings eine gewisse Wildheit entwickeln und haarsträubende Töne von sich geben, die manchen Menageriebesucher die angenehme Aufregung unschädlicher Schauderscenen empfinden lassen. Aber in der Freiheit sind beide Thiergattungen höchst unschuldig. Die Menge der Schakals in Nordafrika spottet aller Zahlen. Trotz dieser Unzahl habe ich jedoch nie vernommen, daß eines dieser Thiere einem Menschen etwas zu Leide gethan hätte. Selbst der angeschossene Schakal wendet sich nicht gegen seine Verwunder, sondern entflieht feige in die Steppe. Wer das Todtschießen massenhaft zusammengetriebener Thiere aus sicherem Hinterhalte Jagd nennt, der kann sich dieses Vergnügen in den Abdeckereien jeder algierischen Stadt allabendlich verschaffen. Der Geruch der Abdeckerei genügt dort, um die Thiere zusammenzutreiben; einer andern Triebfeder bedarf es nicht.
Aehnlich ist’s mit der „Entweiherin der Grüfte“, der Hyäne. In Friedhöfen kann man ihr ohne alle Gefahr auflauern und sie todtschießen, wenn man sein Schießgewehr entehren will. Der Araber hält es nämlich für Schändung einer edlen Waffe, wie Flinte oder Säbel, wenn damit einer Hyäne der Garaus gemacht wird. Die Hyäne ist nur des Knüttels würdig. Die Araber, die diesen häßlichen Thieren auf ihren Jagdzügen begegnen, schlagen sie mit ihren Knotenstöcken todt. Keiner aber denkt daran, auf eine „Hyänenjagd“ eigens auszugehen. Auch die Europäer, die nach Algerien kommen, verlieren bald ihre anfängliche Lust, Schakals und Hyänen zu jagen, wenn sie sehen, wie feige diese Thiere sind und daß es weder Jagdruhm, noch einen eßbaren Braten einträgt, sie zu erlegen.
Anders ist es mit den zwei zuerst genannten Thieren. Löwen und Panther, das sind die einzigen größeren Raubthiere, die es noch in Nordafrika giebt. Diese Jagd ist also die einzige, die dem dortigen Reisenden lebhafte, oft freilich allzu lebhafte Aufregungen bereiten kann. In Europa indessen macht man sich recht seltsame Begriffe über diese Jagd. Namentlich scheint man der [157] Meinung zu sein, als seien in Algerien die Löwen so gemein wie bei uns die Hasen. Wurde ich doch einmal gefragt: „Wie viel Löwen haben Sie per Tag geschossen?“ Und wenn ich ihnen dann der Wahrheit gemäß antwortete: „Keinen einzigen,“ so folgte unabänderlich der Satz: „Ach, Sie sind also kein Jäger!“
Ich hätte freilich es machen können wie so Viele, die den Löwen nur in ihren Jagdgeschichten erlegen und glauben, dessen blutigen Tod erfinden zu müssen, um ihre Ehre Denjenigen gegenüber zu retten, welche wußten, daß sie in der Absicht nach Afrika gekommen waren, um daselbst „Löwen zu jagen“, oder welche vielleicht gehört haben, daß sie wirklich an einer sogenannten „Löwenjagd“ theilgenommen.
„Die Löwenjagd“, das ist das große Wort unter den europäischen Touristen und Bummlern in Nordafrika. Diese Herren kommen gewöhnlich mit den kriegerischsten Plänen nach Algier. Sie scheinen von Wuth entbrannt gegen den Löwen zu sein und ruhen nicht, bis sie eine sogenannte „Löwenjagd“ veranstaltet haben. Auch finden sie gewöhnlich einige geldgierige Araber oder Franzosen untersten Standes, die für baare Bezahlung eine solche Jagd in Scene setzen. Sind die Fremden hohe Personen, mit guten officiellen Empfehlungen versehen, so kommt es wohl auch vor, daß irgend ein Gouverneur oder Präfect ihnen zum Spaß eine solche Jagd improvisirt. Bei dieser Art von ostentativer Jagd ist der Löwe ganz Nebensache. Man erkundigt sich nicht einmal, ob einer in der Nähe.
Löwen giebt es bekanntlich, selbst in Algerien, das von ganz Nordafrika doch noch am reichsten damit bedacht ist, nicht viele. Gérard, der erste berühmte Löwenjäger, schlug ihre Zahl auf etwa hundertzwanzig an. Das war vor zwanzig Jahren. Seitdem sind sie noch seltener geworden. Ein Löwe ist also nicht alle Tage und nicht so leicht zu finden. Aber das stört die nach Löwenblut lechzenden Sonntagsjäger gar nicht. Ihre Lohnbedienten haben ihnen einmal eine „Löwenjagd“ versprochen, und auf die Löwenjagd gehen sie.
Diese Paradejagd wird meist bei Tage und zu Pferde in’s Werk gesetzt. Daß der Löwe bei Tage schläft und daß ihn die Nähe vieler Pferde und Reiter wegscheucht, das kümmert die Herren auch nicht. Hoch zu Roß, in malerischem Reitercostüm, mit Büchsen und Revolvern bewaffnet, nicht selten auch den blanken Säbel in der Rechten schwingend, ziehen sie unter Lärm und belebten Gesprächen im Triumph aus Algier oder Oran aus, oder wie sonst die Stadt heißt, die sie zur Zeugin ihres Ruhmes ersehen haben. Dann reiten sie einen ganzen Vormittag über Feld, Steppe und Wald und „suchen den Löwen“. Gewöhnlich haben die Lohnbedienten am Eingange eines Gehölzes einen Araber aufgestellt, der auf Anfrage die Mittheilung macht, „der Löwe sei dort“. Die tollkühne Schaar dringt dann in’s Gehölz ein. Aber leider ist der Löwe soeben aufgebrochen. Man findet zwar seine Ruhestätte, die oft, wie die Lohnbedienten versichern, „noch warm ist“; man entdeckt einige Knöllchen von seiner „Losung“, die der Tourist nicht selten aufhebt und als kostbare Reliquie mit nach Hause bringt, d. h. wenn er nicht erkennt, daß die fragliche „Losung“ aus dem Darm eines ganz andern Thieres stammt; man reitet wild und unstät in allen Richtungen umher und „sucht“ immer noch nach „dem Löwen“. Endlich bricht die Nacht herein, man kehrt nach Hause zurück und feiert ein Siegesmahl. Denn nicht selten kommt es vor, daß ein Reiter in der Lebhaftigkeit seiner Einbildungskraft den Löwen von fern zu sehen glaubt, auf ihn feuert und sich später einbildet, ihn angeschossen zu haben. Ohne Zweifel ist der angeschossene in einen Abgrund gestürzt und dort verendet. Ein Löwe ist also doch getödtet worden! Ueber die Abwesenheit seiner Haut tröstet man sich. Hier und da treibt man auch die Selbsttäuschung oder den Schwindel so weit, daß man einen Araber die ganze Nacht lang den Busch durchstöbern läßt, um nach dem Körper zu suchen. Aber noch nie ist ein solcher Körper gefunden worden.
Dies die ostentative „Löwenjagd“, wie sie der gewöhnliche Schlag jagdlustiger Touristen mitmacht und dann zu Hause als eine Heldenthat schildert. Einer solchen wohnte ich selbst einmal des Scherzes halber bei, einer „Löwenjagd“, die vom alten Marschall Pelissier zu Ehren eines Sohnes des englischen Gesandten in Paris arrangirt worden war.
Aber es giebt noch andere, weniger marktschreierische und etwas ergiebigere Arten der Löwenjagd. Die gefährlichste ist vielleicht die, wenn ein ganzer Araberstamm, zu Fuß und schlechtbewaffnet (denn alle Araber sind nach unseren Begriffen schlecht bewaffnet), es unternimmt gegen einen Löwen auszuziehen, der sein Vieh zerfleischt und der, wenn man ihn sein Handwerk lange ungestört treiben ließe, die Anwohner an den Bettelstab bringen würde. Nur in äußerster Noth, ja in Verzweiflung entschließt sich ein Stamm hierzu, aber der Entschluß ist nöthig, denn der Löwe, der in der Nähe eines Stammes haust, richtet einen Schaden an, der auf zehn Procent des Eigenthums monatlich angeschlagen wird. Da den Arabern die Zuversicht fehlt, welche der Besitz einer guten Waffe gewährt, so suchen sie in der großen Ueberzahl der Jäger ein Aequivalent, als Schutzmittel für den einzelnen, ein trügliches Schutzmittel freilich, denn der angeschossene Löwe fürchtet eine selbst noch so große Menschenmenge nicht. Eins nur erreichen sie durch ihre Massenbetheiligung an der Jagd, das nämlich, daß sie den Löwen unfehlbar aus seinem Versteck treiben und daß er sich ihnen, selbst bei Tage, stellen muß; denn die arabischen Treiber kennen alle Schlupfwinkel des Löwen und verstehen es, ihn zum Verlassen derselben zu zwingen. Ist der Löwe nun hervorgetrieben, so feuern die Araber in blinder Ungeduld ihre schlechten Feuersteingewehre auf ihn ab. Viele dieser Gewehre versagen; die, welche losgehen, richten gewöhnlich nur noch größeres Unheil an, denn die Araber zielen schlecht. Ein vierfüßiges Thier im Lauf, einen Vogel in der Luft zu schießen, gilt vielen von ihnen fast wie ein Hexenstück. Selbst wenn sie daher dem Löwen auch ganz nahe sind, verfehlen sie doch fast immer diejenigen Stellen seines Körpers, an denen allein die Wunden tödtlich sind. Ohnehin vermögen ihre Kugeln (die nicht Explosionskugeln sind, wie die, welche die französischen Löwenjäger haben) selbst im günstigsten Falle nicht, den Löwen, auf der Stelle zu tödten. Sie schießen ihn nur an und machen ihn wüthend; dann fällt das wuthschäumende Raubthier über die nächsten besten Araber her, zerfleischt die Einen, verwundet die Anderen, kurz, richtet eine solche Verwüstung an, daß man oft zwanzig menschliche Opfer einer einzigen Löwenjagd gezählt hat. Allerdings gelingt gewöhnlich die Tödtung des Löwen, indem die einen Araber das Raubthier, während es beschäftigt ist, die anderen zu zerfleischen, von rückwärts überfallen, es massenhaft beschießen, mit ihren Säbeln und Jatagans verwunden, bis es zuletzt, wenn auch keine einzige Wunde unmittelbar tödtlich war, doch von Blutverlust entkräftet darniedersinkt. Aber bis zum Augenblick seines Todes schlachtet es noch menschliche Opfer.
Das Resultat ist dann erzielt, der Löwe ist todt und der Stamm kann sich wieder des Besitzes seiner Herden freuen. Aber mit welchen Opfern ward dieser Zweck erreicht! Man kann sich denken, daß die Araber sich nur im äußersten Fall hierzu entschlossen. Sie hatten zwar noch eine andere ungefährlichere Art, den Löwen zu jagen; das war die sogenannte „Jagd im Silo“. Der „Silo“ ist eine halb unterirdische, halb oberirdische Erdhütte, in niedriger Kuppelform erbaut, nur durch eine sehr enge Thür zugänglich und mit Schießscharten versehen. Diese Jagd findet stets, wie überhaupt jede von verständigen Menschen unternommene Löwenjagd, bei Nacht statt. Vor der Hütte wird eine Ziege angebunden, in der Hütte verstecken sich die Schützen; einer derselben hat ein Zicklein, das er durch Mißhandlung zum Schreien bringt. Auf das Geschrei des Zickleins antwortet die Mutter, und ihre Stimme lockt in den meisten Fällen den bei Nacht auf Beute ausgehenden Löwen herbei. Ist dieser mit dem Verzehren der Ziege beschäftigt, dann erfolgen gewöhnlich einige Schüsse der Araber, von denen ihn im besten Falle einer tödtlich verwunden, aber nie auf der Stelle tödten kann, da hierzu eine Explosionskugel gehört; in den meisten Fällen jedoch wird das Raubthier nur verwundet, oft sehr oberflächlich, nicht selten wird es ganz gefehlt. Bei den schlechten Waffen der Araber hat also diese Art der Jagd meist so geringe Resultate, daß sie sich genöthigt sehen, dennoch von Zeit zu Zeit noch zu der anderen gefährlicheren ihre Zuflucht zu nehmen.
So traurig sah es in Algerien mit dem Erfolg der Löwenjagd bis noch vor etwa vierundzwanzig Jahren aus, als zuerst der kühne Jäger Gérard eine ganz neue und tollkühne Verfahrungsweise einschlug und zwar mit überraschendem Erfolg. Gérard’s Art hatte einige Aehnlichkeit mit der eben beschriebenen „Jagd im Silo“. Nur verschmähte der tollkühne Nimrod die Sicherheit, welche ihm die Erdhütte bieten konnte, und zwar wegen [158] jenes großen Nachtheils dieser Jagdweise, der darin besteht, daß er den Jäger fast zur Unbeweglichkeit zwingt und es ihm unmöglich macht, die verschiedenen Bewegungen des Raubthiers zu verfolgen. Auch giebt es alte Löwen, die schon so gewitzigt sind, und nicht mehr in die Nähe eines Silo kommen. Gérard nahm also seinen Standpunkt im Freien, dort erwartete er den durch den Ziegenschrei herbeigelockten Löwen. Seine gute Waffe und große Schützenfertigkeit verlieh ihm eine ganz andere Zuversicht, als sie die Araber je haben konnten. Nicht nur war er seines Schusses gewiß, wenn er nur den Löwen recht zu Gesicht bekam, sondern er konnte auch hoffen, ihn augenblicklich zu tödten. Er war nämlich im Besitz der sogenannten „Balle Decisme“, einer Explosionskugel, die eigens für solche Fälle von dem Pariser Büchsenmacher, dessen Namen sie führt, erfunden worden war. Diese Erfindung war nothwendig geworden, da man beobachtet hatte, daß selbst der tödtlich getroffene, aber durch eine gewöhnliche Kugel verwundete Löwe nicht auf der Stelle stirbt, sondern in den meisten Fällen noch eine halbe, oft eine ganze Minute lebt und die Kraft behält, um auf seinen Verwunder loszuspringen, auf dessen Körper er dann freilich bald verendet, aber nicht ohne ihn fürchterlich zerfleischt oder selbst getödtet zu haben. Die Bewegungen des Löwen sind nämlich sehr rasch; seine Sprünge namentlich, die er oft auf sechszig Fuß Entfernung macht, erfolgen mit Blitzesschnelle. Der Jäger darf ihn aber nicht aus größerer Entfernung schießen, denn die Jagd findet bei Nacht und oft bei schlechter Mondbeleuchtung statt. Aus so großer Nähe hat Gérard fast alle die von ihm erlegten Löwen geschossen. Der tollkühne Nimrod dachte dabei, wie er selbst erzählt: „Der Löwe oder ich!“ Jedesmal wagte er sein eignes Leben, denn ein Fehlschuß, und hier war selbst ein Schuß, der ein anderes Thier tödten konnte, oft ein Fehlschuß, kann selbst dem erprobtesten Schützen vorkommen.
Auf diese lebenverachtende Weise jagte Gérard und erlegte während seiner langen Jägerlaufbahn etliche zwanzig Löwen, die größte Zahl, die bis jetzt überhaupt ein Löwenjäger in Nordafrika geschossen, eine Zahl freilich, die den überspannten Begriffen der Liebhaber haarsträubender Jagdgeschichten sehr erbärmlich vorkommen mag. Aber den Arabern kam sie nicht erbärmlich vor. Zwanzig Löwen weniger waren ein solcher Gewinn, daß sie Gérard nicht genug danken konnten dafür, daß er sie von dem Verwüster ihrer Herden befreit hatte. Sie verehrten ihn fast wie ein übernatürliches Wesen, einmal seines Muthes, den sie nur einer göttlichen Inspiration zuschrieben, dann seiner nie ihr Ziel verfehlenden Waffen wegen, deren überraschende Eigenschaften sie natürlich mit ihm selbst in Verbindung brachten und für einen wunderwirkenden Kraftausfluß dieses außerordentlichen Mannes hielten.
Diese Art der Löwenjagd, wie sie Gérard betrieb, fand freilich unter den Jagdrenommisten keine Nachahmer, am allerwenigsten unter den die Jagd nur so nebenbei und zwar lediglich der interessanten Reiseeindrücke halber betreibenden Touristen. Wenn diese Herren auch noch so sehr nach Löwenblut dürsten und gewaltsame Aufregungen erstreben, so halten sie es doch für sicherer, das Bestehen von Lebensgefahren lediglich in ihren Erzählungen abzumachen. Den anderen Sterblichen, die nicht aus dem Renommiren und Erzählen von nie erlebten Jagdabenteuern ein Geschäft machen, wollen wir es freilich nicht verübeln, wenn sie Anstand nehmen, ihre Haut à la Gérard zu Markte zu tragen. Gérard hat in Wirklichkeit bis jetzt nur zwei Nachahmer gefunden, welche dieses Namens werth waren. Der Eine war Chassaing, ein Löwenjäger, der noch lebt und alljährlich die arabischen Stämme von einigen jener unangenehmen Gäste befreit; den Anderen, den vielleicht noch muthigeren und alle Löwenjäger an Todesverachtung überragenden Sohn der Alpen des Dauphiné, Bonbonnel, können wir freilich nur insofern einen Nachfolger Gérard’s nennen, als er dessen Jagdmethode befolgt, wiewohl er ein anderes Raubthier zu seiner Beute ersehen hat.
Dieses Raubthier ist der Panther, ein in Wirklichkeit nicht minder gefährliches Thier als der Löwe, dessen Jagd ganz dieselben „Aufregungen“ bereiten kann, wie jene, obwohl es in Europa lange nicht so viel Effect macht, wenn man sich „Pantherjäger“ nennt, als wenn man vorgiebt, „Löwentödter“ zu sein. Der Panther steht bei dem europäischen Publicum offenbar in Ungnade. Man stellt sich darunter ein kleines unscheinbares Thier vor, nicht viel besser, als eine wilde Katze, und man denkt deshalb von der Pantherjagd mit entsprechender Geringschätzung. Wie oft ist mir nicht geschehen, daß, wenn die Leute mich fragten: „haben Sie Löwen gejagt?“ und ich ihnen antwortete: „nein, aber Panther,“ sie sich mit einer geringschätzigen Pantomime von mir wendeten, als wollten sie sagen: „Wenn’s weiter nichts ist!“
Daß ein Panther ein ebenso kräftiges, oft selbst ebenso großes Thier sein kann, wie mancher Löwe, ahnen unsere Hasenjäger freilich nicht. Was sie von dem Thierreich wissen, stammt aus veralteten Schulbüchern, von Leuten geschrieben, die nie ein Raubthier, außer allenfalls in Menagerien, gesehen haben. Die Panther in den Menagerien sind allerdings manchmal recht klägliche Exemplare. Zudem hat gerade der Panther viele Abarten und Spielarten, sehr verschieden an Kraft und Größe, von denen nur die kleineren und schwächeren in unseren Menagerien zu figuriren pflegen.
Einen algierischen ausgewachsenen Panther hat man noch nie lebendig gefangen, und doch ist gerade der algierische Panther sehenswerth. Er ist der König dieser Thiergattung, die weit mehr Mannigfaltigkeit aufweist, als die Löwen- und Tigerarten. Er ist größer, kräftiger, schöner und, wie man sagt, auch listiger, als der asiatische und südamerikanische Panther. Ein algierischer Panther wiegt oft zwischen zwei- und dreihundert Pfund, zuweilen noch mehr, und dennoch bewegt er sich mit einer Leichtigkeit, die kaum glaublich ist. Trotz dieses großen Körpergewichts macht er Sprünge von dreißig bis vierzig Fuß mit einer Elasticität der Sprungkraft, wie sie kein gleich großes anderes Thier besitzt. Bonbonnel, der einmal das Unglück hatte, von einem angeschossenen Panther niedergeworfen zu werden, vergleicht das auf den Jäger springende Raubthier mit einer Locomotive, die, aus dem Geleise gebracht, auf einen Menschen fallen würde. Dabei ist der Panther ganz ebenso blutdürstig wie der Löwe. Seine Instincte sind sogar noch ein gut Theil grausamer, denn der Löwe zerfleischt gewöhnlich nur das eine Thier, das er fressen will. Der Panther dagegen findet im Morden selbst seine Lust und, wenn auch nur ein einziges Thier seinen Fraß bildet, so fallen doch immer viele in jeder von ihm überrumpelten Heerde seinen mörderischen Klauen zum Opfer. Es ist, als sei er zum Henkeramte wie abgerichtet. Ein Griff seiner Tatzen an den Hals des Thieres und dieses ist todt. Oft gehen die Thiere nur mit einer einzigen Wunde aus den Klauen des Panthers hervor, aber diese Wunde ist tödtlich. Wie ein rothes Halsband umgiebt die tödtliche Wunde den Hals des erwürgten Thieres. Dieses Halsband ist das sicherste Zeichen, daß ein Panther und nicht etwa ein anderes Thier der Erwürger war; denn der Panther weiß seine Sprünge, oft aus großer Entfernung, stets so einzurichten, daß seine Tatzen beim Ueberfall sich zuerst um den Hals des Opfers legen. Namentlich im Schinden anderer Thiere besitzt er eine Fertigkeit, die den Neid eines erfahrenen Schlächters erregen könnte. Einmal zeigte man mir den Leichnam einer Ziege, die eine Stunde vorher von einem Panther überfallen worden war. Man hatte das Raubthier gestört, noch ehe es Zeit gehabt, die Ziege zu verzehren. Kaum eine Minute hatte es die Ziege in seiner Gewalt gehabt, aber diese Minute hatte ihm genügt, um der armen Meckerin das Fell vollkommen vom Körper zu ziehen und zwar so geschickt, daß das Fell unzerrissen und der hautlose Körper unverletzt war. Ein Schlächter, der das Fell verkaufen wollte, hätte es nicht geschickter machen können.
Da der Panther eine größere Zahl ist, als der Löwen, und da dieses Thier nicht nur einen ebenso starken Appetit entwickelt, wie der König der Thiere, sondern auch noch im zwecklosen Zerreißen vieler Opfer seine Lust findet, so ist der Schaden, den es den Arabern an ihrem Viehstand anrichtet, ein ganz ungeheurer. Dennoch wagen sich die Araber nur in den allerseltensten Ausnahmefällen an die Pantherjagd. Das Thier ist dem Löwen an List überlegen. Er merkt die Nähe des Menschen viel eher und weiß ihr zu entgehen. Eine Massenbetheiligung an der Pantherjagd ist deshalb ganz unmöglich. Der Panther, den man auf die oben beschriebene Art bei Tage jagen, aus seinem Versteck aufstören und „treiben“ wollte, macht alle List und Berechnung des Aufspürens zu Schanden. Er ist nur bei Nacht und nur vom einzelnen Jäger zu jagen.
Nur wenn der Panther sehr hungrig ist, wagt er sich in die Nähe der Menschen. Dann fällt er selbst in Dörfer ein, sogar in europäische Colonistendörfer, was für ihn ganz andere Gefahren [159] im Gefolge hat, als sein Einbruch in die Umfriedigung einer arabischen Zeltgenossenschaft. In solchen Umfriedigungen bleibt das Vieh im Freien. Der Panther springt mit einem Satz über die Scheidewand hinweg, erwürgt alle Thiere, die ihm in den Weg kommen und macht oft unzählige Opfer, ehe er sich in das Verzehren eines Thieres vertieft. In diesem Verzehren wagen ihn die Araber nicht zu stören. Wohl sind sie von seiner Nähe unterrichtet. Niemand kann sich darüber täuschen, denn plötzlich verstummen alle anderen Thiere. Der wachsame schakalartige Hund, der treue Wächter arabischer Zeltlager, der sonst die ganze Nacht hindurch sein heiseres Gebell ertönen läßt und bei dem geringsten Geräusch verdoppelt, zieht den Schwanz ein, verkriecht sich feige in eine Ecke und giebt keinen Laut mehr von sich. Kein Stoß, keine Schläge seines Herrn können ihn dazu bringen, sein Schweigen zu brechen, so lange der Panther in der Nähe weilt. Ebenso ist’s mit allen anderen Hausthieren. Schafe, Ziegen, Kameele, Hornvieh, Alle verstummen: ein banges Zittern überfällt sie am Anfang, dann aber stehen sie wie versteinert da, sie rühren kein Glied mehr. Ein düsteres Schweigen lagert über dem Beduinendorfe, selbst die Menschen wagen nicht es zu brechen; der Panther ist da. Stille umfängt die ganze Natur, nur zuweilen ertönt das fürchterliche Brüllen oder das helle katzenartige Miauen des vom Genuß befriedigten Raubthiers durch die Stille der Nacht. Der Panther ist Herr in dem arabischen Dorfe, kein Beduine wagt ihm die Herrschaft streitig zu machen. Wozu auch? Mit seinem schlechten Schießgewehr würde er ihn doch nur verwunden und wüthend machen. Seine Wuth würde sich dann menschliche Opfer statt der thierischen suchen, denn eine arabische Zeltwand ist für ihn ebenso leicht zerreißbar, wie etwa ein Stück Papier.
Etwas Anderes ist es, wenn der Panther in ein europäisches Colonistendorf einfällt. Nur die äußerste Pein lange ausgestandenen Hungers kann ihn hierzu bringen. Deshalb kommt es auch nur sehr selten vor, aber es kommt doch vor. Das Vieh der europäischen Colonisten übernachtet gewöhnlich zwar auch unter freiem Himmel, wenn auch durch eine festere Umfriedigung geschützt. Dennoch setzt der Panther auch über diese Umfriedigung hinweg; aber an diese Umfriedigung stoßen nicht leicht zerreißbare Beduinenzelte, sondern gemauerte Häuser und in diesen Häusern sind gute Schießgewehre. Ich kenne einen Fall, in welchem ein Panther in das Colonistendorf Mondovi und zwar in den Stall des dortigen Pfarrers einfiel. Aber der geistliche Herr war ein guter Schütze; der Vollmond gestattete ihm richtig zu zielen und ein wunderschöner Panther ward seine Beute; indeß solche Fälle sind selten, große Ausnahmen. Gewöhnlich muß der Jäger den Panther selbst aufsuchen.
Da der Panther noch mehr Schaden anrichtet, als der Löwe, und noch schwerer zu erlegen ist, so kann man sich denken, mit welcher Freude die Araber das Erscheinen eines tollkühnen Mannes begrüßten, der aus der Pantherjagd sein Geschäft machte und dieselbe mit ungeahntem Erfolg betrieb. Dieser Mann war Bonbonnel, ein alter erfahrener Jäger, der schon in den amerikanischen Steppen dem edlen Waidwerk obgelegen hatte; aber seine dortige Jagd war Kinderspiel gegen die gewesen, welche er sich hier erwählte. „Wenn Gérard den Löwen im Freien erwartet, ihn auf dreißig bis vierzig Schritt herankommen läßt und dann den Kampf auf Leben und Tod mit ihm aufnimmt, warum sollte ich ein Gleiches nicht mit dem Panther versuchen?“ so dachte Bonbonnel und diesen Gedanken setzte er in’s Werk. Nur war eine Vorsicht nothwendig. Der Panther ist listiger als der Löwe, er merkt die Nähe des Menschen leichter als jener, er merkt sie durch den Geruch wie durch sein die Nacht durchdringendes Auge. Seinen Geruch kann der Jäger täuschen, indem er sich immer so aufstellt, daß der Wind von ihm in der entgegengesetzten Richtung von derjenigen weht, in welcher er den Panther erwartet; aber das Auge des Panthers ist schwerer zu täuschen, das Dunkel eines schattigen Dickichts genügt nicht, wie beim Löwen. Bonbonnel sah sich deshalb genöthigt, sich stets eine kleine Hütte von Reisern, mit Laubwerk überdeckt, zu improvisiren, dort hielt er sich mit seinem Zicklein versteckt und außerhalb war die Mutterziege angebunden. Kam nun der Panther, durch das Geschrei der Ziege angelockt, und überfiel er diese, dann konnte wohl oft Bonbonnel einen glücklichen Schuß thun, aber wie oft auch machte das listige Thier alle seine Berechnung zu schanden! Kaum hatte es die Ziege erwürgt, so entdeckte es auch schon die Nähe des Menschen, mit einem Satz war es dann verschwunden und kam nie wieder in dieselbe Gegend. Bonbonnel hat viele Jahre auf dieser Jagd zugebracht und unzählige Mal sein Standquartier wechseln müssen, denn der listige Panther hatte dasselbe jedesmal entdeckt und mußte wieder durch Erwählung eines neuen getäuscht werden. Alte Panther, so behauptet er, gehen schon gar nicht in die Nähe einer solchen angebundenen Ziege, sie kennen die Schliche der Jäger, sie sind zu klug für die Menschen; auch ist es nur äußerst selten, daß ein bejahrter Panther die Beute des Jägers wird.
Durch Bonbonnel wurde die Pantherjagd zu Ehren gebracht, ja, man kann fast sagen, sie wurde eigentlich erst durch ihn entdeckt. Den jagdlustigen Touristen ging auf einmal ein neues Licht auf. Die „Löwenjagd“ war schon zu abgedroschen. Die Bewunderer jener vermeintlichen Nimrode wurden es allmählich satt, die alte, auswendig gelernte Geschichte von der geschickt erfundenen und mit Hinzuziehung wunderbarer Einzelheiten pathetisch und ergreifend geschilderten Löwentödtung ferner noch mit anzuhören. Sie verlangten neues Futter für ihre Neugier. Da kam die Pantherjagd ganz gelegen. Die Sonntagsjäger hatten ein neues Thema und sie beuteten es nach Herzenslust aus; die meisten freilich begnügten sich auch hier, ihre Einbildungskraft zu Rathe zu ziehen und höchst lebensgefährliche Abenteuer auszuhecken, die sie muthig bestanden, das heißt – in ihren Erzählungen.
Aber einige Wenige empfanden denn doch den lobenswerthen Ehrgeiz, selbst etwas erleben zu wollen. Immer die Phantasie anstrengen, das nutzt sie ab. Zuletzt kann man gar nichts mehr erfinden. Alles, worauf die Einbildungskraft verfällt, ist schon dagewesen. Wenn man dagegen selbst etwas erlebt, und sei es auch nur ein Minimum, so läßt sich um diesen Kern von Wahrheit leicht eine höchst schmackhafte Fülle lieblicher Dichtungen bauen und das bischen Wahrheit, das zu Grunde liegt, erhöht die Süßigkeit der ganzen Frucht.
So dachten unter Andern auch drei kühne Touristen, die es sich zur Aufgabe stellten, mit Bonbonnel in der Pantherjagd zu wetteifern. Warum sollte auch Bonbonnel allein den Ruhm genießen, Pantherjäger zu sein? Hatte er ihn etwa gepachtet? So fragten sich die kühnen Touristen und beschlossen, den ersten besten Panther, den die Araber ankündigen würden, zu „schießen“. Wirklich dauerte es nicht lange, so wurde ihnen angezeigt, daß ein Panther sich in einem Walde, etwa vier Stunden von Algier, aufhielte. Die Touristen hatten nichts Eiligeres zu thun, als ein Cabriolet zu miethen und damit auf den Wald zuzukutschiren. Jeder von ihnen hatte sich mit einer Lockspeise, in Gestalt eines lebenden Thieres, für den Panther versehen. Der eine hatte ein Ferkel, der andere ein Lamm, der dritte ein Zicklein. Sie ließen sich von einem Araber den Platz zeigen, fuhren hinein, banden ihr Pferd (die klugen Leute!) an einen Baum, improvisirten sich eine Laubhütte und erwarteten die Nacht und den Panther. Als es dunkel geworden, fingen sie ihr ritterliches Gewerbe an. Sie zwickten und kniffen das thierische Kleeblatt dergestalt in Nase und Ohren, daß bald ein dreitöniges Concert die Stille des Waldes unterbrach. Das Ferkel grunzte, das Lamm blökte, das Zicklein meckerte. Der Panther hätte taub sein müssen, wenn ihn dies Concert nicht angelockt hätte.
Wirklich ließ der Panther auch gar nicht lange auf sich warten. Die kühnen Nimrode sahen ihn zwar nicht, aber sie merkten seine Nähe an dem plötzlichen Zittern und Verstummen ihrer Thiere. Sie mochten Ferkel, Lamm und Zicklein noch so sehr kneifen und zwicken, sie gaben keinen Laut mehr von sich. Nicht das geringste Grunzen, Blöken und Meckern konnte dem Kleeblatt entlockt werden. Der Panther war nahe. Jeden Augenblick mußte er erscheinen. Die Jäger hielten ihre Hinterlader in hoffnungsvoller Erwartung bereit. Aber leider hielten sie dieselben ganz fruchtlos bereit. Der Panther war zwar nahe, er blieb sogar lange in nächster Nähe, das verrieth die fortdauernde Todesangst der Thiere, aber er kam nicht in Schußweite.
So verging etwa eine halbe Stunde. Eine halbe Stunde höchster Aufregung für die Jäger, banger tödtlicher Erwartung für die Thiere. Endlich schienen letztere sich ein wenig zu erholen. Das Zittern hörte auf. Die Gefahr schien also für sie vorbei zu sein. Die Jäger schritten von Neuem an’s Werk [160] des Zwickens und Kneifens. Die Thiere hatten zwar ihre schönen Stimmen verloren, indessen hier und da ließen sie dennoch einen Schmerzensschrei ertönen, wenn sie recht energisch gezwickt worden waren. Aber das Alles half nichts, Der Panther kam nicht mehr. Wahrscheinlich hatte er sich schon satt gegessen und verschmähte Ferkel, Lamm und Zicklein. So verging die ganze Nacht, ohne daß unsere Jäger einen Schuß thun konnten.
Als der Morgen graute, hielten sie Kriegsrath und beschlossen, einstweilen nach Algier zurückzukehren. Sie gingen nach dem Cabriolet, um ihr Pferd daran zu spannen. Aber o Schrecken! Von letzterem waren nur noch die Knochen vorhanden! Das war die Speise, an welcher sich der Panther satt gegessen und die er den allzuzarten Thierlein vorgezogen hatte. Die kühnen, aber allzu naiven Jäger hatten sie ihm selbst gleichsam auf dem Präsentirteller dargeboten. Nun blieb noch für sie die Blamage, nicht nur unverrichteter Sache nach Algier zurückkehren, sondern auch noch den Verlust des Pferdes eingestehen, ja dieses gemiethete Thier bezahlen zu müssen! Es war eine theure Jagd! Die Touristen fanden auf einmal tiefes Mißfallen am algierischen Klima und kehrten in ihre Heimath zurück. Ich habe nie davon gehört, daß sie Nachahmer gefunden hätten.
Der Vorhang fällt, der zweite Act ist zu Ende von Moser’s munterem „Stiftungsfest“ und „tausend fleißige Hände regen sich“, den Dichtern und den Schauspielern durch immer erneutes Applaudiren Dank und Beifall für das eben gehabte Vergnügen auszusprechen. Vielleicht erscheint auch der schlafsüchtige Papa mit Kissen und Gießkanne in’s Besondere noch einmal auf der Bühne, um sich schmunzelnd vor dem gutgelaunten Publicum zu verbeugen – dann fällt der Vorhang auf’s Neue, es wird stiller im Hause, die Theaterzettel werden hervorgesucht, die Köpfe werden zusammengesteckt und man fragt sich, ob wohl jetzt die „größere“ Zwischenpause stattfinden werde. Der Zettel giebt leider darüber keine Auskunft mehr, wie er es doch früher gethan; schon längst ist jene Zwischenpause zu einer „längeren“ geworden, und so besinnt man sich denn nicht lange: wer das Sitzen und die überheiße Temperatur satt hat, erhebt sich und – voran die junge, geputzte, schöne Welt, die gerne sieht und zum Glücke sich noch lieber sehen läßt, strömt es in hellen Schaaren aus dem Zuschauerraum, die breiten Treppen hinauf, die breiten Treppen herunter, in das taghell erleuchtete, blumengeschmückte Foyer, den größten Schmuck und die prächtigste Zierde des Theaters.
Wir befinden uns in Leipzig, und wer jemals die berühmte Meßstadt besucht hat, weiß, wie sehr und mit welchem Stolz der wackere Leipziger auf „unser“ Foyer stolz ist, mit welchem Behagen er während der Zwischenacte in demselben auf- und abwandelt und mit welchem Wohl- und Selbstgefallen er selbst das ausschweifendste Lob in dieser Beziehung entgegennimmt. Uebrigens ist er, wie schon gesagt, dabei in seinem Rechte.
Die Sitte, sogenannte Foyers zu erbauen und sich in denselben zu ergehen, kam bekanntlich zuerst bei den Franzosen auf, die bei der leichten Erregbarkeit ihres Charakters am lebhaftesten den Drang in sich spüren mochten, über das eben Gehörte und Gesehene im Theater selbst noch ihre Meinung auszutauschen und sich im Gespräch sofort von den angenehmen oder nicht angenehmen Eindrücken wieder zu befreien, welche sie soeben von der Bühne herab empfangen hatten. Auf solche Weise und zu diesem Zwecke entstanden die Foyers, welche in natürlicher Folge den Damen dann auch noch dazu dienen mußten, bewundernden oder auch neidvollen Blicken ihre reichsten Toiletten, ihren kolossalsten Lockenaufbau und ihre glänzendsten Steine zu zeigen. Das parfümerfüllte, blumenduftige, lichtstrahlende Foyer ward rasch zum Tummelplatz der Parade und auf seinem spiegelglatten Parquet feierten Coquetterie, Schönheit, Esprit, hier im Scherz, dort im Ernst, bald ihre Triumphe ebenso reich, so voll und unbestritten, wie bisher im Ballsaal oder im Salon.
Das war zuerst in Paris, dann in London der Fall gewesen, bis es endlich zuletzt auch uns Deutschen in lobenswerther Weise einfiel, das Institut des Foyers mit seinem rauschenden Lärmen und seiner bunten Pracht auch nach Deutschland zu verpflanzen. Zwar bestanden hatte das „Foyer“ eigentlich auch in den Theatern diesseits des Rheins schon lange, aber verkümmert nur und armselig, des Namens schier unwürdig, welchen es trug, und meist nur aus einer herkömmlichen Conditorei bestehend, die ihre Ladenhüter von Zuckerwaaren hier loszuwerden hoffte, oder in einem Büffet, welches kaum eine Dame zu betreten wagte.
Das muß anders werden, sagte man sich in Deutschland, und hier wieder vor Allem in Leipzig, denn dies „ist ein klein Paris und bildet seine Leute.“
Die Gartenlaube hat schon im Jahr 1866 ihren Lesern davon berichtet, wie Leipzig mitten in den Stürmen und Schrecken des Krieges einen „Bürgertempel der Kunst“ errichtet und erbaut hat, der heute zu den schönsten und herrlichsten der überhaupt bestehenden gehört. Es ist damals auch des Breiteren davon erzählt worden, wie die Stadt das Alles nur aus ihren eigenen Mitteln geschaffen, und daran war der Wunsch geknüpft, daß es vergönnt sein möge, den Lesern der Gartenlaube später auch einmal eine Beschreibung und Darstellung des inneren, des decorativen Theils des Theaters zu geben. Dieser Wunsch findet heute seine Erfüllung und zwar von seiner schönsten Seite, durch die Abbildung des Foyers, wie sie der talentvolle Mitarbeiter des Blattes, Herr Sundblad, gefertigt hat.
Das Bild spricht für sich und zeigt unwiderleglich, wie Klein-Paris sich Groß-Paris – wenigstens in diesen Dingen der Kunst – nicht umsonst zum Vorbild und Muster genommen hat. In weitem Bogen führt das prächtig ausgeschmückte Foyer um den ganzen Zuschauerraum, dessen Balconlogen mit dem Mittelbalcon hier ausmünden, im Sommer mit hohen breiten Blattpflanzen verschwenderisch ausgeschmückt, auf den grünen Wandflächen, zwischen weißen, goldverzierten Pfeilern, hohe Spiegel, welche die Flammen der Kronleuchter blitzend wieder zurückstrahlen, darunter rothsammtene Divans und oben zwischen den Karyatiden der Pfeiler von Engeln getragene Medaillons, welche in Lebensgröße die Portraits berühmter Männer und Frauen zeigen, die entweder an dem Theater zu Leipzig selbst beschäftigt waren, oder zu diesem in irgend einer Beziehung standen. So die alte Neuberin, die einst im Bosengarten, da, wo sich heute die Nürnbergerstraße hinzieht, zur Regeneration des deutschen Theaters den ersten muthigen Anstoß gab, dann Lortzing, Marschner, Mendelssohn, Hiller, Capellmeister Schneider, die Dichter Gottsched, Felix Weiße und Kind neben den Schauspielern Rott, Stein und den beiden Genast, Mann und Frau. Sie Alle haben in den Mauern der Stadt Leipzig gewirkt, sie Alle haben mehr oder minder ihren Theil zur Blüthe der Kunst beigetragen, und sie Alle verdienen es, daß ihr Bild hier prange, umwunden von den Kränzen dankbarer und pietätvoller Erinnerung.
So schön es aber ist, den Hingegangenen ein dankendes Andenken zu bewahren, so wenig soll die Gegenwart vergessen werden und die Pflicht, derselben Genüge zu thun, so weit es nur in des Einzelnen Kräften steht. Zwei oder drei Tafeln, welche in breiten Goldrahmen die Wände schmücken, die sich zwischen den Eingangsthüren des Mittelbalcons hinziehen, legen für den Opfersinn der Leipziger Bürgerschaft auch hier ein glänzendes Zeugniß ab – die Tafeln zählen in stattlicher Reihe die „Wohlthäter der Theaterpensionsanstalt zu Leipzig“ auf – und hier, wo es sich darum handelt, den Künstlern, welche ihr Leben lang nur Anderen zu Gefallen und zur Erheiterung, zur Anregung und Erhebung gewirkt haben, ein sorgenfreies Alter zu bereiten, dürfte kaum eines der vielen reichen Leipziger Häuser als „Wohlthäter“ unvertreten sein. Gegenüber diesen Tafeln ruht auf einem Marmorsockel die Portraitbüste des Erbauers des Theaters, des nun auch verstorbenen Oberbaurath Langhans, von Blumen und Sträuchern umgeben, hinter welchen im Sommer die drei Flügelthüren des Balcons geöffnet sind, der selbst wieder im reichsten Schmucke durch Gärtnerhand prangt.
Von dem Balcon aus hat man einen schönen Blick hinauf
[161][162] zum klaren, sommerlichen Sternenhimmel und auf den weiten, stillen Augustusplatz bis hinüber zu einem andern Kunsttempel, dem Museum, das sich mit seinen großen, schönen Formen hell aus dem Dunkel der Nacht hebt.
Durch die Flügelthüren des Balcons aber weht die kühlende Nachtluft herein in das menschenerfüllte, glanzdurchwogte Foyer. Namentlich an Operntagen rauscht es und drängt es sich hier in bunter Menge, Kopf an Kopf, sich langsam vorwärts schiebend, sich neckend, sich zurufend, lachend, scherzend, da und dort sich wohl auch zu verstohlenem Geflüster zusammenneigend. So drängt es und schwirrt es hin, in reichen Toiletten, in bunter Pracht, bis die Klingel zum Beginn des nächsten Actes ertönt und sich der eben noch übervolle Saal wieder wie mit Einem Schlage leert.
Unser Zeichner hat von dem Leben und Treiben im Foyer des Leipziger Theaters ein Bild geliefert, das fast alle Berühmtheiten Leipzigs in bester Weise auf einen Punkt zusammendrängt. Die Leipziger Leser der Gartenlaube werden leicht die ihnen bekannten Gestalten herauserkennen; unseren auswärtigen Lesern aber, von denen gewiß Viele schon unsere Stadt besucht haben, müssen wir es überlassen, aus den verschiedenen Gruppen des Bildes Roderich Benedix, dessen Name überall gefeiert ist, wo eine deutsche Bühne je ihre Bretter aufgeschlagen hat, Fritz Hofmann, den unsere Leser aus seinen vortrefflichen Beiträgen kennen, die beiden Kritiker auf dem Gebiete des Dramas, Gottschall und Buchholz, dann die auf dem Gebiete der Musik, Bernsdorf und O. Paul, endlich den aristokratischen Herrn von Strantz, den Capellmeister Mühldorfer, den Componisten August Horn, die so beliebten als tüchtigen Mitglieder unserer Oper, Herrn Groß und die beiden Damen Mahlknecht und Borrée, sowie unsere muntere Liebhaberin, Fräulein Zipser, herauszufinden. Auch das Oberhaupt der Stadt sammt dem Theaterinspector werden sie bei genauerem Nachforschen vertreten sehen und sich freuen, vielleicht bei einem späteren Besuche in Leipzig allen diesen berühmten und angesehenen Herrschaften in Wirklichkeit wieder einmal auf dem Foyer zu begegnen.
Sicher, verehrte Frau, ist in Ihr Tusculum am Strande des Meeres die Kunde von der glänzenden Jubelfeier, von dem Tode und feierlichen Begräbniß eines Wiener Dichters gedrungen, in welchem Oesterreich mit seltener Einstimmigkeit seinen „Goethe“ feiert. In Norddeutschland freute man sich herzlich, daß einem greisen Dichter eine so schöne Anerkennung, ein so später Lorbeer zu Theil geworden, als der achtzigjährige Geburtstag Franz Grillparzer’s in der Donaustadt einen solchen Enthusiasmus wachrief; denn wer freute sich nicht, wenn ein Volk seinen Dichter ehrt? Dennoch war man befremdet über solche Feier; denn der Dichter der „Ahnfrau“ gehörte zu den verschollenen Größen der Literaturgeschichte, und nicht allzu viele hatten eine Sappho und Medea über die weltbedeutenden Bretter wandeln sehen.
Ich weiß, verehrte Freundin, daß Ihnen Namen Schall und Dunst sind, daß Ihr Interesse an literarischen Dingen ernst und aufrichtig genug ist, um sich nicht mit dem zu begnügen, was die hochgehende Welle des Tages Ihnen zuspült. Sie haben, als Sie von der Grillparzerfeier lasen, zum Buchhändler geschickt; Sie haben sich Grillparzer’s sämmtliche Dichtungen kommen lassen, vielleicht in der Hoffnung, eine elegante Miniaturausgabe, mindestens doch eine anständige Gesammtausgabe zu erhalten; denn wenn auch Jahrzehnte hindurch Geschlechter undankbar und vergeßlich gewesen wären, vor einer solchen Jubelfeier, welche den Enthusiasmus vieler Tausende schon im Voraus erregt, mußten doch die Dichtungen des Gefeierten nicht ein-, sondern mehrmals aufgelegt von Hand zu Hand gehen!
Ach, Sie wissen nicht, wie es mit der Begeisterung der Deutschen für viele ihrer Dichter bestellt ist; man ist für sie begeistert, aber man liest sie nicht; man liebt und ehrt sie, so zu sagen, aus zweiter Hand; man windet ihnen Kränze, man weiht ihnen Thränen der Rührung und des Entzückens; aber man kennt vielleicht nur zufällig irgend einen Vers von ihnen oder den Titel eines oder des andern ihrer Werke; man war vielleicht einmal im Theater, als diese oder jene berühmte Künstlerin in einer Rolle des Dichters auftrat, und besinnt sich auf die Rolle und im besten Falle gelegentlich auf den Dichter dazu. Je größer ein Dichter ist, desto weniger wird er gelesen, je unsterblicher, desto mehr schreckt er vor jeder Annäherung zurück. Sie lächeln skeptisch, verehrte Frau? Sehen Sie doch nur Grillparzer’s „goldenes Vließ“ und andere dramatische Dichtungen in Ihrer Hand an, dies ehrwürdige Löschpapier, diese vergilbten Lettern, dies veraltete Format – alles das, was auf eine verlegene literarische Waare deutet. Die elegantesten und vornehmsten Damen des österreichischen Kaiserreichs, die dem Dichter an seinem Jubeltage persönlich ihre Huldigung darbrachten, konnten ihre Begeisterung nur aus dem Quell dieser alten ehrwürdigen Drucke schöpfen, mußten ihre Toilettentische, wenn sie sich in die Lectüre ihres gefeierten Lieblings vertiefen wollten, mit diesem unmodernen und uneleganten buchhändlerischen Caliber beschweren. Und wenn sie zu sehr den aristokratischen Parfüm liebten, um ihn durch den wehmüthigen Duft poetischer Maculatur zu beeinträchtigen – nun, so blieb der Dichter eben ungelesen. Man kennt ihn übrigens ja aus dem Burgtheater – und ob gelesen oder nicht – er bleibt doch immer Oesterreichs größter Dichter.
Halten Sie diese Betrachtungen für zu profan? Sie sind es nicht; ich glaube mich dabei auf einen Mitschuldigen berufen zu können, den Sie nicht ablehnen dürfen – es ist der Dichter selbst, der nicht blos ein schwunghafter Lyriker, sondern auch ein feiner und scharfer Kopf war und im Grunde seines Herzens den ungestümsten Huldigungen gegenüber einen beharrlichen Zweifel wahrte. Er mußte sich sagen, daß nur wenige seiner dramatischen Werke neue Auflagen erlebt hatten, daß seine letzten Dramen von dem Publicum des Burgtheaters abgelehnt worden waren, daß er in den deutschen Literaturgeschichten in Einem Sarkophag mit den längst verstorbenen Schicksalstragöden ruhte, daß lange Zeit nur eine sehr kleine Gemeinde den Cultus seiner Dichtung pflegte. Und wenn er nun Jahrzehnte seines Lebens in halber Vergessenheit hingebracht hatte, wenn er gealtert war in stiller Resignation auf den vollen Lorbeer, den die Träume seiner Jugend ersehnten, wenn dann allmählich an der Wiener Burg durch den Eifer eines befreundeten Directors seine Stücke wieder festeren Boden gewannen, ein jüngeres Geschlecht sich ihm wieder lebhafter zuwandte und nun im höchsten Alter, in einem Alter, welches zu erreichen nur ausnahmsweise den Sterblichen vergönnt ist, der Enthusiasmus der Deutsch-Oesterreicher ihn mit Ehren überhäufte, der Kaiser ihm glänzende Auszeichnung zu Theil werden ließ, die hohe Aristokratie, die Würdenträger der Krone, die städtischen Behörden, das ganze Volk von Wien ihm begeistert zujauchzte – mußte er nicht dieser plötzlichen Verherrlichung eines schönen und späten Lebenstages im Stillen die Bitterkeit so vieler einsam vergrämter Jahre entgegenstellen, nicht sein hohes Alter, das so stürmischer Huldigung gegenüber doppelt seine Schwäche empfand, mußte er nicht wehmüthig ausrufen: „Spät kommt Ihr, doch Ihr kommt!“ und vielleicht im Innern seines Herzens hinzusetzen: „Zu spät für mich, fast wär’ es auch zu spät für Euch gewesen!“
Das ist deutsches Dichterloos, verehrte Frau! So lange man den Lorbeer glühend ersehnt, entzieht er sich heimtückisch unserer Stirn, doch der schöne Rausch des Ruhmes wird voll nur in der Jugend empfunden; das Alter erkennt zu sehr die Eitelkeit und Vergänglichkeit aller irdischen Dinge; der frische Lorbeerkranz verwelkt in seiner Hand und sein unheimliches Rascheln kündet, wie bald die welken Blätter abfallen werden.
Daß die Deutschen ihre Dichter nicht lesen, nur aus Literaturgeschichten kennen, das hatte auch Grillparzer zu schmerzlich erfahren, um es nicht auszusprechen; er sagt in einem seiner hinterlassenen Epigramme:
Literaturgeschichte.
Ihr kauft die Katze gern im Sack,
Genießt das Lebend’ge im Buch,
Und statt zu prüfen mit dem Geschmack,
Begnügt ihr euch mit dem Geruch.
[163] Und doch konnten Grillparzer’s erste dramatische Dichtungen den Dichter durch ihre Erfolge zu den schönsten Hoffnungen berechtigen. Die „Ahnfrau“ hatte die Runde über alle deutschen Bühnen gemacht – und, wie man auch über die spukhafte Schicksalstragödie denken mag, welche neuere Commentare vergeblich einem gesunden Geschmack zugänglich zu machen und in eine neue Beleuchtung zu rücken suchen –, das Talent, das sich in dem Stück aussprach, übertraf dasjenige aller Mitbewerber um den Preis der Melpomene; es hatte edeln Schwung und feurigen Athem, etwas Hinreißendes, das der Begabung Müllner’s und Houwald’s fehlte. So konnte auch Ludwig Börne, ein moderner Kopf, für den die Politik das Schicksal war und der sonst alle Spuktragödien in die Rumpelkammer der Literatur verwies, doch nicht umhin, diesem schönen Talent wärmste Anerkennung zu zollen.
Grillparzer’s bedeutendste Dichtung, die „Sappho“, fand sogar die Anerkennung eines Größeren – Lord Byron sprach sich voll Bewunderung über diese Tragödie aus; er hatte sie in Ravenna in einer italienischen Uebersetzung von Guido Sorelli gelesen und schreibt in seinem Tagebuche vom 12. Januar 1821: „Grillparzer ist gewiß ein verteufelter Name für die Nachwelt, doch sie muß ihn aussprechen lernen. … Die Tragödie ‚Sappho‘ ist prächtig und erhaben – das läßt sich nicht leugnen. Der Mann hat etwas Großes gethan, als er das Stück schrieb. Und wer ist er? Ich kenne ihn nicht, doch künftige Jahrhunderte werden ihn kennen. … Grillparzer ist groß, antik, nicht so einfach wie die Alten, doch sehr einfach für einen Modernen, zu ‚Madame de Staëlisch‘ hin und wieder, doch trotzdem ein großer und tüchtiger Schriftsteller.“
Die Pforten einer großen Zukunft schienen sich vor Grillparzer aufzuthun und doch bewegten sich von jetzt an die Erfolge des Dichters in absteigender Linie. „Das goldene Vließ“ (1822), wenn auch lange Zeit von einer Sophie Schröder getragen, welche die Rolle der Medea spielte, behauptete sich nicht auf den Bühnen; die patriotisch-historischen Stoffe, denen sich der Dichter sodann zuwandte, fanden eine sehr verschiedenartige Beurtheilung, und als endlich die Wiener das Lustspiel „Weh’ dem, der lügt!“ durchaus ablehnten, trat Grillparzer von der Bühne zurück und verharrte einunddreißig Jahre lang bis zu seinem Tode in hartnäckigem Schweigen. Nur das Fragment seiner „Esther“ ließ er sich für die Wiener Hofbühne abringen; seine „Libussa“ und seine anderen Dramen bewahrte er in seinem Pulte, grollend mit der Welt und mit der Zeit.
Ich schreibe Ihnen, verehrte Freundin, hier keine Kritik der Grillparzer’schen Werke. Noch gehen die Urtheile über dieselben weit auseinander. Während die österreichischen Festredner und Zeitungen in Grillparzer einen der größten deutschen Dichter feiern und ihm seine Stelle unmittelbar neben Schiller und Goethe anweisen, sprechen die bedeutendsten Literarhistoriker von dem Dichter in einem keineswegs bewundernden Tone, und nur ich selbst in meiner „deutschen Nationalliteratur des neunzehnten Jahrhunderts“ und neuerdings Karl Goedecke haben die dichterischen Verdienste Grillparzer’s mit Wärme anerkannt.
Ohne Frage war, wie schon Byron bemerkt, die Corinna der Frau von Staël nicht ohne Einfluß auf die Physiognomie von Grillparzer’s Sappho, der liebenswürdigsten Frauengestalt des Dichters, wie überhaupt dies Drama, wenn auch nicht von antikem Geist beseelt, doch ein warmes Gefühl und glühende Leidenschaft mit künstlerischer Grazie ausdrückt. Die „Medea“ hat mehr tragisches Lebensblut, markirtere dramatische Züge, wenngleich die Wildheit der Barbarei nirgends die Grenzlinien der Schönheit überschreitet; „Hero“ aber ist eine trunkene Priesterin der Liebe, deren siegreiche Macht in dem Drama dithyrambisch verherrlicht wird, nicht ohne daß die Handlung sich in einer oft zerflossenen Lyrik auflöste. Am geistvollsten und tiefsinnigsten von Grillparzer’s Dichtungen ist wohl „der Traum ein Leben“, wenngleich dieser Geist und Tiefsinn gewissermaßen im spanischen Mantel- und Degencostüm erscheint und die Weisheit der Trochäen immer fremdartig gemahnt und sich schwerer dem Gedächtniß einprägt. Von den historischen Tragödien Grillparzer’s hat „König Ottokar’s Glück und Ende“ dramatisches Leben und einige große Züge, obwohl die oft sentimentale Pseudoromantik jener Epoche der „Abendzeitungen“ auch hier zur Unzeit einzelne Ergüsse trübt. „Ein treuer Diener seines Herrn“ aber ist ein offenbarer Mißgriff des Dichters gewesen, der seinem Ruhm schadete, weil man aus der Wahl und besonders aus der Umgestaltung des Stoffes auf eine engherzige Gesinnung schloß.
Und doch war auch Grillparzer mit dem Metternich’schen System in Conflict gerathen. Selbst „ein treuer Diener seines Herrn“ hatte dem Kaiser Franz Bedenken erregt; er ließ dem Dichter sagen, das Stück habe ihm so gut gefallen, daß er es ganz allein für sich zu behalten wünsche; er möchte ihm das Manuscript übergeben für seine Privatbibliothek, das Stück aber nirgends spielen lassen, er wolle ihn reichlich dafür entschädigen, der Dichter möge nur selbst den Preis bestimmen. Grillparzer begehrte und erhielt nichts, aber das Stück wurde nicht mehr gegeben. Ein Gesuch um Erhöhung des Gehalts, das der Kaiser selbst zu bewilligen versprochen hatte, fand sich nach dem Tode desselben in einer Schublade, wo er alle die Eingaben hinlegte, die nie zu erledigen waren.
Grillparzer war Archivdirector bei der Hofkammer, auch eine Zeitlang Vorleser der Kaiserin; doch ein Gedicht, das er bei einer italienischen Reise auf den Trümmern des Forums verfaßt hatte: „die Ruinen des Campo Vaccino in Rom“ brachte ihn um diese Ehre. Das Gedicht, welches einige scharfe epigrammatische Pointen enthielt, namentlich gegen das Mönchthum, in der Form aber etwas ungelenk ist, hatte seine Schicksale. Von der Censur nicht beanstandet, in einen Almanach aufgenommen, wurde es von dem Renegaten Zacharias Werner als kirchenfeindlich der Polizei denuncirt; diese schritt gegen den ketzerischen Poeten ein, entfernte das Gedicht aus den im Buchladen vorhandenen Exemplaren des Almanachs und trug dafür Sorge, daß Grillparzer seines Amtes als Vorleser der Kaiserin entsetzt wurde.
Das sind Erlebnisse, die uns im Lichte einer freieren Zeit sehr kleinlich vorkommen mögen, aber damals zu den „Ereignissen“ gehörten und den Dichter immer mehr verstimmen mußten. Der geringe Erfolg seiner neuern, mit Fleiß und künstlerischem Ernst geschaffenen Dichtungen stach so auffallend ab gegen den glänzenden Succeß seiner in vierzehn Tagen, auf Grundlage zweier Erzählungen, zusammengeschriebenen „Ahnfrau“, daß es begreiflich ist, wenn der Dichter dem Publicum gegenüber in einem geringschätzigen Groll verharrte. So schrieb er einem Schauspieler in’s Album:
Trotz Angst und Noth eurer Bühnenberather
Fehlen noch drei Stück’ zum deutschen Theater.
Darnach seht euch vor Allem um:
Schauspieler, Dichter und ein Publicum.
Die Muse des Epigramms war überhaupt die Muse des alternden Dichters; seiner Verdrossenheit über eigenes Geschick und eine widerwärtige Zeitströmung gab er einen lapidaren Ausdruck; und zwar in der Regel mit schneidender Schärfe. Sehen wir uns aber den greisen Olympier Goethe an, neben welchem die Wiener Festordner ihrem Grillparzer den Ehrensessel zurechtrücken, so finden wir doch, in der Auffassung der später geborenen Literatur, einen bedeutenden Unterschied. Die lyrische Sündfluth war auch diesem unwillkommen und er verzeichnete nicht ohne Aerger in sein Privatarchiv die Namen der zahlreichen Dichter, mit denen das Gedächtniß der Mitwelt belästigt wurde; doch ebenso bereitwillig, mit königlichem Wohlwollen, erkennt er das Talent an, das Anziehende und Schöne, welches die Zeitgenossen schufen – und es war gerade damals eine Epoche schwächlicher Production; erst nach Goethe’s Tode rückte die Literatur in ein neues glänzenderes Sternbild. Grillparzer dagegen konnte seinen Mißmuth über die Nachstrebenden, über die Erfolgreichen nicht unterdrücken. Die freie politische Lyrik, die seinem büreaukratisch geschulten Gewissen zuwider war, beschuldigte er, mit großem Unrecht, der Talentlosigkeit:
Wollt ihr die Freiheitsgluth curiren,
Die gar so heiß in unsern Dichtern brennt,
Braucht ihr nicht Mittel lang’ erst zu probiren,
Gebt ihnen als specificum – Talent,
und das folgende Epigramm ist offenbar an die Adresse des geistreichen und liebenswürdigen Anastasius Grün gerichtet:
A. G.
Willst seinen Werth du schildern,
Bezeichnen sein Gedicht:
Er weiß ganz wohl zu bildern,
Allein zu bilden nicht.
[164] Doch wir wollen dem Wiener Einsiedler seine Mißstimmung und Verbitterung nicht verargen, auf welche selbst die Ernennung zum Mitglied der Akademie der Wissenschaften und dann zum lebenslänglichen Mitglied des Herrenhauses keine heilkräftige Wirkung ausübte. Wer ihn in seiner hochgelegenen Klause besuchte, wer die für einen Norddeutschen ungewohnten vier oder fünf Treppen in die Höhe geklettert war, der sah hinter dem Pult einen alten Herrn, der zunächst den Eindruck eines kleinen Beamten machte, aus welchem der begeisterte Anhänger vielleicht anfangs Mühe hatte, den großen Dichter heraus zu finden. Dennoch entdeckte man bald etwas Feinsinniges in seinen Zügen und das Auge verrieth den Lyriker; es lag eine sanfte Schwärmerei in demselben. Die Lippen hatten sinnliche Fülle, die vortretende Unterlippe etwas Habsburgisches. Man wurde daran erinnert, daß dieser Dichter sowohl in dem Capua der Geister lebte, als auch das Geheimniß der Habsburgischen Hauspolitik, die Einheit des Kaiserreichs, mit schlagender Prägnanz ausgesprochen hatte in dem bekannten Radetzkyhymnus: „In deinem Lager ist Oesterreich“.
Ich weiß nicht, ob Sie nach der Lectüre von Grillparzer’s dramatischen Schriften die innige Sympathie, die tiefe Verehrung für den Dichter empfinden werden, wie sie an der Donau sich, wir möchten sagen, in einer so großartigen Massenbewegung ausgesprochen hat; es ist möglich, daß Sie in der Entwickelung des Dichters den geistigen Faden und die Tiefe einer originalen Weltanschauung vermissen werden, welche diese in Form und Farbe so verschiedenartigen Schöpfungen, die antiken und spanisch-romantischen Dichtungen, wie die Haupt- und Staatsactionen aus der österreichischen Geschichte zusammenhält; doch Sie werden von der dichterischen Grazie der „Sappho“, von der tragischen Energie der „Medea“, von der sinnreichen Phantastik des Stücks: „Der Traum ein Leben“ den Eindruck eines edlen und schönen Talents erhalten, und auf das Grab dieses Dichters „an der blauen Donau“ gern einen Kranz aus den Rosengärten der Ostsee legen.
Wenige der alten Rittersitze, welche die Umgebung Merans und das nahgelegene Etschthal schmücken, sind noch in bewohnbarem Zustande oder von reichen Privatleuten ausgebaut worden, wie das wundervoll an der Naif gelegene Schloß Trautmannsdorf, welches, in einem Haine der herrlichsten Südgewächse gelegen, sehenswerthe Kunstschätze und eine hervorragende Sammlung antiker Waffen enthält. Die meisten Burgen sind verfallen und oft hat sich in ihr Trümmerwerk
ein Bauernhaus eingenistet mit weit vorspringendem, steinbeschwertem Schindeldach, die Giebel und Treppengeländer mit Maiskolben behangen. Kein Becherklang ertönt mehr in den Hallen, kein glänzender Jagdzug lenkt mehr hinab zu Thal, der Hofraum ist öde und still und über das verwitterte Gestein schlüpfen die Schaaren zierlicher, klugblickender Eidechsen hinweg.
Bekannt aus den Meraner Novellen Paul Heyse’s ist das romantische, düstere Schloß Planta, mit dessen Abbildung wir gewiß vielen Freunden und Verehrerinnen des genannten Dichters einen Gefallen erweisen. Im Viereck ragt die Schloßruine hoch auf; die runden Thürme sind von Epheu dicht umrankt, der sich in mächtigen Stämmen hoch hinauf bis zur Spitze des Daches gezogen hat. Nußbäume wachsen an den verfallenen Umfassungsmauern und beschatten den öden Schloßhof. Wüst und verwildert liegt die alte Epheuburg melancholisch in dem Düster finsterer Tannen, ein Bild der Vergänglichkeit, ein Asyl der weltvergessenen Einsamkeit. Als ich von dem bei Obermais gelegenen Schloß Planta wieder auf das rechte Ufer der Passer wollte, auf dem ja auch Meran liegt, passirte ich die Römerbrücke, welche sich hier am Fuß der gegenüberliegenden Zenoburg in hohem, kühnem Bogen über den in engem Bette hinbrausenden Fluß spannt. Die Zenoburg, auf einem steil aus der Passeyer Schlucht sich erhebenden Felsen thronend, ist nicht allein ihrer Lage wegen sehenswerth. Sie ist die Geburtsstätte einer Frau, deren Name in der Geschichte fast verrufen genannt werden kann, während er im Volke noch heute nicht ohne neckische Popularität ist. In der Zenoburg ward nämlich die Gräfin von Tirol, Margarethe Maultasch, geboren, die ihren sonderbaren Namen übrigens nicht von ihrem weiten und unförmlichen Munde hatte (von Einigen wird Margarethe Maultasch sogar als schön gepriesen), sondern von ihrem Schloß Maultausch in Tirol. Berüchtigt ist ihre erste Ehe mit dem böhmischen Prinzen Johann, dessen Apathie freilich nicht zu dem stolzen, aufgeweckten, feurigen und drangvollen Geiste Margarethens paßte. Nach dem Tode ihres zweiten Gemahls und ihres eignen Sohnes trat sie bekanntlich die Grafschaft Tirol an die Herzöge von Oesterreich ab und zog sich nach Wien zurück, wo sie schon wenige Jahre später starb.
Die Zenoburg liegt vor dem Passeyer Thor, durch welches zuerst ich die Straßen Merans betrat. Wenn ich übrigens am Anfange meiner Mittheilungen die Häuser der Stadt alt und alterthümlich nannte, so ist damit nicht anzunehmen, daß moderne Bauten vollständig fehlten. Im Gegentheil befinden sich zahlreiche neuerbaute Hôtels und Pensionen in nächster Nähe, theilweise sogar innerhalb der Stadt, während wahrhaft luxuriöse Gebäude, Schlösser und Villen wie über Nacht entstehen, die umliegenden Höhenzüge und Bergzüge.zu schmücken. Trotz der mannigfachen Neubauten fand ich jedoch an einfachen und einzelnen Zimmern immer noch einen großen Mangel. Während meiner Anwesenheit forderte man für solche fünfzehn bis vierzig Gulden per Monat. Letzterer Preis – [165] das Leben in Meran kann sonst nicht gerade theuer genannt werden – mußte ich doch etwas übertrieben finden; denkbar und möglich ist er nur, weil eben dem außerordentlichen Andrang der Fremden und meist reicher Fremden eine Stadt mit nur etwa dreihundert Häusern und vielleicht dreitausend Einwohnern gegenüber steht.
Selbstverständlich bietet die Zimmervermiethung und überhaupt Alles, was mit einem in Mode gekommenen Curort in Verbindung steht, eine Haupteinnahme für die Einwohner Merans. Daneben wird aber die Pflege jener köstlichen Gaben, welche in wahrhaft verschwenderischer Weise über das südliche Tirol ausgeschüttet worden sind, nicht vernachlässigt. Obst und Edelfrüchte Tirols sind fast weltbekannt und wandern jetzt sogar bis in’s russische Reich. Von dem herrlichen Weine Terlans hat schon Jedermann gehört, wenn auch nicht getrunken, und ganz gewiß gereicht er den Einwohnern des kleinen Ortes mehr zum Ruhme, als jene Sage, die sich an dessen schief geneigten Thurm knüpft und die sich nicht einmal gut hier erzählen läßt. Die Rebe Tramin’s aber hat ihren Weg schon längst zu den Hügeln des Rheins und des Mains gefunden, und die wahrhaft paradiesische Lage Eppan’s in einer Ueberfülle von Weingärten ist jedem Besucher Bozens bekannt.
So beschäftigt man sich denn auch überall um Meran mit dem Weinbau und betrachtet den Wein, der übrigens nicht wie bei uns an Stöcken, sondern an einem etwa sechs Fuß hohen und eine Art Laubgänge bildenden Geländer gezogen wird, als das wichtigste Erzeugniß der Ebene und der Gebirgsabhänge. Derselbe ist jedoch nur an einigen wenigen Plätzen, wie etwa auf den Anhöhen von St. Valentin in Mais, wirklich vorzüglich zu nennen. Der Wein der Ebene und anderer Orte ist gewöhnlich sauer und von geringer Art. Immerhin bleiben aber schon jene blattreichen, dunklen, sonneabwehrenden Laubgänge, in denen der Wein gezogen wird und von denen ich eben erst gesprochen habe, von ganz besonderem geheimnißvollen Reiz für den Fremden, der sich gerne in diesen Lauben ergehen möchte, wenn nicht das Gesetz in Person der sogenannten Saltner oder Weinbergshüter ein immer bedauertes, aber unerbittliches Machtwort sprechen würde.
Nach dem Weinbau sind die Wiesen zu nennen, die den freundlichsten Anblick bieten, wohl gepflegt werden und daher auch zu einem Viehstand Anlaß geben, der alles Lob verdient und dessen Vertreter wegen ihres stattlichen Aussehens mit Recht zu den gesuchten und besten ihres Stammes gezählt werden.
Nicht geringes Interesse bot mir während meines langen Aufenthaltes der Verkehr mit den Angehörigen der verschiedensten Nationen, der verschiedensten Stände, der verschiedensten Parteien. Man kann wohl sagen, daß an den Ufern der Passer sich alle Nationen der Welt, soweit sie civilisirt sind, Stelldichein geben, und daß sich darum hier die verschiedensten und entgegengesetztesten Ansichten einander begegnen müssen, liegt auf der Hand. Von welch heftigen Erörterungen, von wie lebhaften Auseinandersetzungen war ich Zeuge, und leider spielte dabei gerade die Religion und hier wieder vor Allem die päpstliche Frage und das Unfehlbarkeitsdogma meist die Hauptrolle. Man befindet sich in Meran auf einem stockkatholischen Boden; das Licht, das sich hier so göttlich und hell auf Berg und Thal ergießt, ist noch nicht in die Herzen, noch nicht in die Köpfe gedrungen, und wie überall in Tirol nimmt die Mehrzahl der Bevölkerung der Stadt Partei für den Papst, für seine weltliche Macht, für seine Unfehlbarkeit. Die meisten Fremden aber, die hier verkehren, die meisten Curgäste gehören Norddeutschland, England, Rußland an. Viele derselben, anderer Meinung als die Eingeborenen des Landes, meinen deren Irrglauben mit Spott [166] und Ernst, mit Wissenschaft und Satire bekämpfen zu müssen – lauter Dinge, gegen die der Tiroler entweder äußerst empfindlich oder äußerst gleichgültig ist. Im letzteren Falle ärgert sich der Fremde über den Eingeborenen, im ersteren der Eingeborene über den Fremden – in beiden Fällen aber bleiben selbst die nachhaltigsten Expectorationen fruchtlos und endigen meist mit noch nachhaltigerer Verstimmung.
Die Einigkeit ist also in dieser Beziehung nicht besonders groß, was schon der Umstand beweist, daß von siebzehn Vereinen, deren sich einst Meran zu erfreuen hatte, nur noch drei am Leben sind, unter welchen – natürlicher Weise – der katholische Gesellenverein der größte und blühendste ist. Selbst der constitutionelle Verein, der doch, wie man uns versichert hat, aus Vertretern der höheren Intelligenz besteht, ist dem Erlöschen nahe, da sogar in diesem Vereine die Ansichten sehr disharmonisch auseinandergehen sollen.
Und, da denn doch einmal von der „höheren Intelligenz“ die Rede war, so mag zum Schlusse des mächtigsten Bildungsmittels unserer Zeit gedacht werden, der Presse, welche in Meran durch ein vor fünf Jahren gegründetes und wöchentlich zweimal erscheinendes Journal vertreten ist: „Die Meraner Zeitung“. Ihre Gründung verhalf auch der Stadt Meran zu einer Druckerei, nachdem bisher Gutenberg’s schwarze Kunst an den Ufern der Passer keinen Jünger gefunden und Alles in dem benachbarten Bozen hatte gedruckt werden müssen. Der Drucker der „Meraner Zeitung“ ist ein Preuße, ein Kölner Kind, und geht selbstverständlich mit den Liberalen Hand in Hand. Das hat aber in Meran seine Schwierigkeiten, und so hat es denn die „Meraner Zeitung“ noch nicht über ein paar hundert Abonnenten gebracht. Ja, es will sich nicht einmal recht ein Redacteur mehr dazu finden; denn alle an diesem Blatte beschäftigten Schriftsteller verließen dasselbe schon nach wenigen Wochen wieder, die Unmöglichkeit eines Erfolges einsehend. Trotzdem aber ist die Druckerei, da sie keine Concurrenz zu bestehen hat, eine wahre Goldgrube; denn sie liefert eine Menge anderer Drucksachen, in deren Wahl sie so wenig schwierig ist, daß sie neben liberalen die unbefleckte Empfängniß bestreitenden Broschüren ebenso gut gottselige Heiligenbilder druckt – aber das geht eben nicht anders in dem priesterbegnadeten Lande der katholischen Glaubenseinheit.
Tractätchen auf der Landstraße. Vor einiger Zeit kehrte ich an einem Nachmittage von einem meiner täglichen Spaziergänge auf der nach meinem Wohnorte führenden Landstraße zurück. Hinter mir her fuhr eine Kutsche, welche mich bald eingeholt hatte und neben mir angehalten wurde. In der Meinung, eine mir bekannte Person wünsche mich zu sprechen, näherte ich mich dem Wagen, bemerkte aber in demselben einen fremden Herrn, welcher mir ein mit zierlichem Umschlag versehenes Büchlein darreichte. Noch bevor ich irgend eine Frage an den Unbekannten zu richten Zeit gewann, hatte der Kutscher die Pferde schon wieder in Trab gebracht, so daß ich nicht einmal den flüchtigen Abschiedsgruß des Fremden erwidern konnte.
Verwundert über die seltsame Gabe, fiel mir zunächst die in großem Druck ausgeführte Aufschrift des Umschlages „Hier hast Du das rechte Ganze, das lies“ in’s Auge. Im ersten Augenblick glaubte ich, daß entweder Herr Joh. Hoff in Berlin oder der Gesundheitsrath und Meister der Hygiene, Jacobi, es für nöthig erachtet hätte, sich außer der Zeitungsreclame auch noch auf diesem Wege der leidenden Menschheit bemerkbar zu machen. Ich hatte mich indeß getäuscht. – Die am untern Rande des Umschlags in kleiner Druckschrift befindlichen Zeilen belehrten mich, daß das kleine Werk von einer Tractatgesellschaft herausgegeben sei. Ein Landmädchen, eine Milchfrau und ein Handwerksbursche, welchen Personen ich auf derselben Straße begegnete, lieferten mir den Beweis, daß der freundliche Verleiher von Tractätchen auch Anderen diese Ueberraschung hatte zukommen lassen. Freilich wohl hatte derselbe, wie man mir mittheilte, seinen Wagen neben den übrigen Empfängern nicht anhalten lassen, vielmehr im Vorüberfahren die „Himmelsspeise“ herausgeworfen. Am meisten wunderte ich mich darüber, daß diese „Lectüre der Frommen“, welche man früher nur an Kirchenthüren, bei Missionspredigten und von sehr bescheidenen, zu Fuße wandernden Colporteuren erhielt, nunmehr vom Kutschersitz herab gespendet wurde. Gewiß giebt es manchen Leser der Gartenlaube, welcher bis dahin ein Tractätchen, dieses unscheinbare Product der Presse, kennen zu lernen keine Gelegenheit fand. Einige Proben davon aus dem erhaltenen mir vorliegenden Büchlein werden vollkommen genügen, sich über das Wesen und den Charakter der Tractätchen im Allgemeinen zu unterrichten. – Seite 13 desselben enthält den Anfang einer Predigt von I. G. Brastberger über das Thema: „Der Zustand der Seelen, die beinahe selig würden und doch durchfallen“. „Hinaus,“ ruft der Prediger im Beginn seiner Rede, „hinaus von aller verderblichen Gesellschaft und ungeistlichen Gewalt! Hinaus vor das Thor der abtrünnigen Stadt, wo die Sünde herrscht, aus dem verkehrten Sodom! Hinaus aus der Gemeinschaft mit solchen klugen Christen, die sich bereden, man könne zu Jerusalem tanzen, springen, Komödien spielen und besuchen, faules Geschwätz treiben und doch Christum lieb haben! Hinaus aus dem Lager der politischen Religion, da man Gott also dient, daß es den Satan nicht verdrießt“ etc. Den Schluß der Predigt bilden auf Seite 24 folgende Verse:
Ach was hilft’s, beinahe selig werden,
Und beinah’ ein Christ zu sein!
Besser wär’ es, nicht gelebt auf Erden,
Als nur halb ein Christ zu sein.
Wer vermag den Jammer auszusprechen,
Wenn sich Gott an Sündern einst wird rächen?
Wer wohnt bei der ew’gen Gluth?
Wer verträgt der Höllen Gluth?
Keine Wohnung willst du dem dort geben,
Der dir hier sein Herz versagt,
Ja, er soll auch niemals sehn das Leben,
Dies ist, was dein Mund uns sagt.
Du klopfst hier an, dort wird er anklopfen;
Doch umsonst, auch nicht ein Wassertropfen,
Kein Wohnort wird ihm zu Theil,
Keine Gnade und kein Heil.
Hierauf folgt eine kurze Erzählung mit der Ueberschrift „Eine stille Hochzeit“, deren Inhalt ich hier ebenfalls in Kürze mittheile.
Pfarrer Barth in Möttlingen war von schönen Festen in Basel, wobei man sich „in dem Herrn“ gefreut hatte, soeben heimgekehrt, als man ihn ersuchte, in seinem Filialorte eine Leichenpredigt zu halten.
Dort hatte eine Hochzeit stattgefunden, bei welcher Gelegenheit ein durch Tanzen erhitztes Mädchen, Barbara Todt, an die frische Nachtluft getreten war, augenblicklich aber zu Boden stürzte und im nächsten Augenblicke als Leiche fortgetragen werden mußte. Pfarrer Barth, welcher bisher über die wilden Hochzeitslustbarkeiten so oft schon geseufzt und gepredigt hatte, nahm nun Veranlassung, seine Gemeinde darauf aufmerksam zu machen, wie schauerlich es sei, aus dem Taumel der Lust abgerufen zu werden, und vor dem Richterstuhle des höchsten Richters Rechenschaft abzulegen. Seine Worte blieben nicht ohne Erfolg, und eine geraume Zeit hindurch fanden in seiner Gemeinde nur stille Hochzeiten statt. Später indeß fiel es wiederum einer Braut ein, bei ihrer Hochzeit Musikanten zu haben, und trotz einer von Seiten des Pfarrers Barth an das Brautpaar ergangenen scharfen und dringenden Mahnung wurde dennoch nach der kirchlichen Feier getanzt und gespielt.
Die Strafe blieb natürlich nicht aus und der Erzähler führt nun Folgendes an: „Doch siehe, noch waren keine drei Wochen vorüber, da erkrankte die junge Frau in der Nacht vom dreiundzwanzigsten auf den vierundzwanzigsten August am heftigen Fieber. Der Pfarrer, der schon am folgenden Tage zu ihr gerufen wurde, fand sie schon außer sich und konnte kein verständiges Wort aus ihrem Munde vernehmen. Am zweiten Tage, als der Pfarrer wieder kam, hatte im Nachbarhause die erste Brautjungfer sich gleichfalls gelegt, und am dritten Tage war auch die zweite Brautjungfer erkrankt, die Schwester der Braut, und der Pfarrer fand nun Beide neben einander in demselben Bette liegen. Den siebenundzwanzigsten August Morgens sieben Uhr starb die junge Frau, ohne vorher auch nur einen Augenblick zu sich gekommen zu sein. Am neunundzwanzigsten Nachts zwölf Uhr starb die erste Brautjungfer, gleichfalls besinnungslos, und am zweiten September Morgens halb fünf Uhr folgte ihr die zweite Brautjungfer. So lagen diese Drei neben einander auf dem Kirchhof, wie sie vor einigen Wochen neben einander in der Kirche gestanden! Doch die Heimsuchung hatte noch kein Ende. Eins um’s Andere legte sich nieder und Manche starben ohne Bewußtsein. Kein Haus blieb unverschont und eine Zeitlang hatte der Pfarrer täglich zwischen dreißig und vierzig Kranke zu besuchen. – Genug, der Herr hatte geredet; ob aber die Gemeinde darauf gehört? Leider konnte Pfarrer Barth nicht viel von gesegneten Wirkungen dieser Heimsuchung reden und mancher seiner Collegen zu Stadt und Land seufzt heute noch über den fürchterlichen Unfug, der bei Hochzeiten getrieben wird.“
Wir wollen uns an den gegebenen Proben muckerischer Heuchelei und religiöser Bornirtheit genügen lassen; hoffentlich aber ist die Zeit nicht mehr fern, wo alle Preßerzeugnisse dieser Art nur als „komische Literatur“ niedrigster Sorte gelesen, belacht und – in das nächste Feuer geworfen werden. Das Allerbeste wäre freilich, wenn sie überhaupt keinen Drucker und keinen Leser mehr finden würden.
Ostpreußen.
Eine Stätte der Pietät. Was Heinrich Heine gab und war, gehört der Welt, was sein Oheim Salomon, der noch heute unvergessene und in Wahrheit und Dichtung fortlebende, schuf und wirkte, gehört zum größten Theil der Stadt, die ihn, den Mittellosen, gastlich empfing und deren Schooß er sein Glück anvertraute, das wachsend von Tag zu Tag ihn erhob zum Reichsten der Reichen Hamburgs, der alten stolzen Hansestadt.
Er ist dahin – nur sein Wirken legt Kunde ab von dem, was er Hamburg gewesen, die Quadern des großartigen israelitischen Krankenhauses, im Andenken an seine Gattin gestiftet, die zahlreichen Pensionen, den hülfsbedürftigen Eltern bewilligt, den Kindern fortgespendet, halten seinen Namen in Erinnerung, – dahin auch der würdige Sohn und [167] Nachfolger seines Vaters, Karl Heine, dem Künste und Wissenschaften reiche Kränze der Dankbarkeit zu flechten haben, und zu dessen einsamer Grabesstätte im fernen Frankenlande, wo ihn der Tod ereilte, noch heute die Grüße und Segenswünsche der Dankbarkeit aus der Heimath eilen.
Karl Heine starb kinderlos. Die Firma erlosch – seine Wittwe[2] verließ mit den in Hamburg erworbenen Millionen ihres Gatten die Stadt, um in ihr Vaterland Frankreich zurückzukehren; leer standen die prächtigen Räume des stattlichen Hauses in Hamburgs vornehmster Straße, dem weltbekannten „Jungfernstieg“, in dessen unteren Localitäten Ströme Geldes kamen und gingen, in dessen oberen der Reichthum so oft der Bildung, Grazie und Schönheit frohen festlichen Empfang bereitet hatte.
Aber diese Frist dauerte nicht lange – eine rege Thätigkeit entfaltete sich an und in dem Gebäude, das schon der Gründer des Geschäfts bewohnt hatte. Handwerker verschiedenster Art waren Monde lang emsig beschäftigt, und als sie ihr Werk vollendet, da war aus jenem Hause, das schon eine gewisse historische Bedeutung gewonnen, ein Monument der edelsten Pietät geworden, von Kindesliebe errichtet, den Namen der Eltern zu verklären: fünfundvierzig allerliebste Wohnungen, für minder begüterte Wittwen und Jungfrauen ohne Unterschied der Confession bestimmt, waren aus den glänzenden Räumen entstanden; welch erhebender Gedanke, den Genius des Wohlthuns, der stets an dieser Stätte gewaltet, nun ewig dauernd dort zu fesseln!
Die in Dresden lebende verwittwete Frau Präsidentin Therese Halle, ebenfalls eine Tochter Salomon Heine’s, ist die Schöpferin dieser Stiftung, der sie den schönsten Namen verlieh, den die Sprache für Bedrückte und Sorgenbeschwerte erfunden, – sie nannte sie „Heine’s Asyl“! – keine prunkende Marmortafel kündet von außen dem Beschauer die Bestimmung des Gebäudes, das in seiner aristokratischen Nachbarschaft selber in ruhiger Vornehmheit daliegt, – nur eine Inschrift über dem innern Mitteleingang trägt das herzerquickende Wort: „Kommt her zu mir, die ihr mühselig und beladen seid“, und wie zu seiner Erfüllung öffnen sich einem Zug der Klingel die Thüren, – wir betreten hohe durchwärmte Corridore, freundliche Zimmer mit allen Einrichtungen der Neuzeit versehen, zum Theil die prächtigste Aussicht über das Alsterbassin bietend – und überall freudenerhellte Gesichter, überall dankbare Herzen und überall das Bild „unserer lieben Frau“ (so hörten wir selber die gütige Stifterin bezeichnen) von innigster Verehrung gehütet.
Daß eine Dame, deren Privatwohlthätigkeit mit ihren Mitteln und ihrer Herzensgüte gleichen Schritt hält, deren echt deutsches Wirken und Fühlen der jüngst geendete Krieg glänzend bewies, bemüht ist, den Insassinnen ihrer Stiftung das Dasein zu einem angenehmen zu gestalten, ist selbstverständlich. Wie sie ihnen in des Lebens Fährlichkeiten eine treue Schützerin, so hat sie wiederholt und erst kürzlich durch den Ankauf einer großen Bibliothek mit Werken verschiedenen Inhalts ein glänzendes Zeugniß eigner Bildung und hoher Fürsorge auch um das geistige Wohl ihrer Pflegebefohlenen abgelegt.
Möchten diese Zeilen den Stiftern zum Lohne, – Anderen zur Nachahmung, – ein schwacher Ausdruck der Gefühle sein, die jedes echte „Hamburger Kind“ bewegen, – wenn zu seinem Ohr der Name „Heine“ tönt – der altbewährte, gern gesprochene, gern vernommene Klang! H. H.
Der erste Bürger seiner Stadt. (Mit Portrait.) Der diesen Ehrentitel von seinen Mitbürgern erhielt, Dr. Johann Karl Bertram Stüve, Osnabrücks Bürgermeister und Hannovers Märzminister, ist am Abend des sechszehnten Februar vierundsiebenzig Jahre alt in Osnabrück, seiner Vaterstadt, gestorben. Er war, trotz seiner mit Vorliebe gepflegten vaterstädtischen Begeisterung, ein unerschrockener Kämpfer für das hannöversche Verfassungsleben. Von Haus aus Advocat trat er noch jung in städtischen Dienst, gab 1831 den ersten Anstoß zur neuen Verfassung, für die er in einer damals in Jena veröffentlichten Schrift: „Ueber die gegenwärtige Lage des Königreichs Hannover“ in die Schranken trat. Als er einige Jahre später, als Bürgermeister, Mitglied der zweiten Kammer geworden, bekämpfte er hier Ernst August’s Gewaltact gegen das hannöversche Staatsgrundgesetz muthig und mit persönlicher Gefahr, bis zum Sturmjahr 1848. Der allgemeine Umschlag wirkte auch in Hannover so, daß Bennigsen und Stüve Minister werden konnten. Letzterer wurde sogar des Königs Liebling, als derselbe, sobald das national-politische Streben auf Unterordnung der Einzelstaaten unter eine Spitze im Interesse der Einheit hinzielte, für die Selbstständigkeit der Einzelstaaten so entschieden auftrat, wie Ernst August selbst. Dennoch mußte endlich, im October 1850, auch er dem allgemeinen Rückschritt durch seinen Rücktritt nachgeben. Er wurde wieder Bürgermeister seiner Vaterstadt, pausirte dann längere Zeit im städtischen Dienst, ließ sich aber noch im Winter 1869 durch seine treuesten Verehrer, die Vertheidiger des Zunftwesens und der alten Ordnung überhaupt, bewegen, das Amt eines Bürgervorstehers des dritten Stadtviertels anzunehmen, dem er auch bis wenige Wochen vor seinem Tode vorstand. Von seinen literarischen Leistungen ist die „Geschichte des Hochstifts Osnabrück“ ein Werk von dauerndem Werth.
Ueber „Haar-Conservateure“ und „Haarmittel“. Unter den vielfach hierüber an mich gerichteten Anfragen will ich diejenigen, welche von allgemeinem Interesse sind, an dieser Stelle beantworten.
1) Es empfehlen sich in den Zeitungen „Haar-Conservateure“ – haben sie genügendes ärztliches Wissen, um den Krankheitszustand der Haare richtig zu beurtheilen?
Nein! Sie wissen nicht mehr als der Patient selbst über die Organisation des menschlichen Körpers und über die Krankheitsursachen. Sie sprechen von mikroskopischer Untersuchung (d. h. von einer Vergrößerung von zweihundert in der Linie) und machen eine Untersuchung mit der Lupe (d. h. mit einer Vergrößerung von drei bis fünf in der Linie). Und wenn sie ein Mikroskop besitzen, so verstehen sie nicht, es anzuwenden; und wenn sie dies verstehen, so fehlt ihnen die Kenntniß von dem mikroskopischen Bau des gesunden und des kranken Haares.
2) Was ist von den Mitteln dieser Haar-Conservateure zu halten?
Es sind theils schwache Spirituosen (in welchen metallische oder pflanzliche Stoffe gelöst sind), theils Theerpräparate, theils Oele. In vielen Fällen haben sie gar keine Wirkung, in vielen eine nachtheilige, in vielen eine vortheilhafte. Der „Conservateur“ hat drei bis fünf Präparate, mit denen er behandelt, gleichviel welche von den verschiedenen Ursachen der Haarkrankheit vorliegt; wenn er einen Patienten vor sich hat, weiß er nicht, welches seiner Mittel für den vorliegenden Fall noch am besten paßt (wenn überhaupt eines paßt), und wenn er das unpassende gewählt hat, sieht er es erst ebenso spät, wie der Patient selbst, d. h. zu spät.
3) Was ist von den Attesten zu halten, welche sie veröffentlichen?
Ich setze voraus, daß diese Atteste nicht gefälscht sind, und dann erklären sie sich in folgender Weise: Nach einem Nervenfieber, einer Blasenrose, nach chronischen Hautkrankheiten, nach starker Erkältung, nach gewissen Nervenkrankheiten fallen die Haare aus; sie kommen in sehr vielen dieser Fälle nach einiger Zeit von selbst wieder, gleichviel ob man Medicamente anwendet oder nicht. Werden nun bei solchen Zuständen die angepriesenen Mittel gebraucht, so glauben die Patienten, das Wiedererscheinen der Haare sei die Folge der Anwendung jener Mittel, und stellen die Atteste aus.
[168] Ist der Preis für die Haarmittel (im Ganzen gewöhnlich zehn Thaler) ein hoher?
Für das erste Stadium des chronischen Haarschwundes ist eine Ausgabe in dieser Höhe unnöthig; das von mir angegebene Medicament (doppel-kohlensaures Natron) genügt, nach der Vorschrift angewendet, für alle diese Fälle und kostet eine Kleinigkeit.
Für das zweite Stadium hingegen wäre der Geldansatz sehr gering, die ärztliche Cur in diesem Stadium bedingt einen viel höheren Kostenaufwand, da jede Haarausfalluntersuchung mehrere Stunden Arbeit erfordert.
5) Welchen Werth haben die sonst öffentlich angepriesenen Haarmittel (Esprit des cheveux, Wackerson’s Haarbalsam, Eau de Lob etc.)?
Bei acuten Krankheiten der Haare sind sie meist nachtheilig, bei chronischen sind sie oft nachtheilig und nützen fast niemals. Der hiesige vereidete Sachverständige, Apotheker Dr. Schacht, machte in diesen Tagen in der hiesigen polytechnischen Gesellschaft die Mittheilung, daß viele der im Handel käuflichen Haarmittel schädliche Bestandtheile enthalten; so wurde in einem solchen Protoxin, ein äußerst nachtheiliger Stoff, gefunden.
Wem seine Gesundheit lieb ist, der sollte kein Geheimmittel anwenden.
6) Ist es denn unmöglich, daß eine allmählich, im Laufe von Jahren entstandene Kahlheit heile?
Abgesehen von denjenigen Fällen, in welchen die kreisfleckige Kahlheit oder ein chronischer Hautausschlag die Ursache des Haarverlustes ist, ist keine Hülfe möglich. Ich lehne bei solchen Patienten jeden Curversuch ab. Wer hier noch Hülfe verspricht, irrt sich oder täuscht den Hülfesuchenden.
In den zuerst genannten Fällen führt die Cur sehr oft zur vollständigen Genesung.
7) Schließlich bemerke ich: „Haar-Conservateure“ und „Haarkünstler“, welche angeblich als meine Schüler oder „als meine rechte Hand“ (wie der Eine sich zu bezeichnen pflegt) im Lande umherreisen und alle Kahlheiten zu heilen versprechen, stehen zu mir in gar keiner Beziehung und rechnen auf ein leichtgläubiges Publicum.
Ich habe keine anderen Schüler als Studenten der Medicin, von denen Allen ich annehmen darf, daß sie tüchtige und solide Aerzte werden, aber nicht Industrieritter.
Berlin.
Literarische Windbeutelei. Die Leser der Gartenlaube werden bisher über die Autorschaft der beiden Romane „Goldelse“ und „das Geheimniß der alten Mamsell“ nicht im geringsten Zweifel und fest überzeugt gewesen sein, daß der eine, wie der andere E. Marlitt zum Verfasser habe. Offen gestanden waren auch wir bisher dieser Meinung, bis wir in diesen Tagen plötzlich aus der Harmlosigkeit unseres Glaubens sehr unsanft aufgeschreckt wurden durch eine Mittheilung, die uns – allerdings etwas verspätet – aus Altona zugekommen ist. Dort erscheint nämlich in dem bekannten „Verlagsbureau“ eines Herrn A. Prinz ein „Deutsches Theater“, dessen achtes Bändchen nach dem gleichnamigen Romane der Marlitt ein zweiactiges Schauspiel „Blaubart“ bringt von – wir citiren nun den Titel des Bändchens wörtlich – „F. Turn, Verfasser von ‚das Geheimniß der alten Mamsell‘, ‚Goldelse‘, ‚Maria Mancini‘“. Hier also steht es gedruckt: nicht E. Marlitt, sondern Herr F. Turn ist der Verfasser der „Goldelse“ und von „das Geheimniß der alten Mamsell“. Doch wir wollen, den Scherz bei Seite lassend, im Ernst sprechen und wollen nur constatiren, daß der – vermuthlich pseudonyme – Autor des vorliegenden theatralischen Machwerks, sowie dessen Verleger sich hier in der Ausdrucksweise eine Windbeutelei erlaubt haben, die öffentlich gerügt werden muß. Das Gleiche ist vermuthlich auch bei „Maria Mancini“ der Fall, dem Titel eines bekannten Romans von Julius Große.
Zu dem Aufsatz „Ein Telegraph ohne Mechanismus“ in Nr. 8 der Gartenlaube sei mir erlaubt zu bemerken, daß ich an eine Verwendbarkeit des Schallleitungsversuchs im Großen weder gedacht habe noch glaube, und daß ich dem ganzen Aufsatze, also auch dem scherzhaften Vorschlage, einen Schallleitungsdraht in eine Röhre einzuschließen, völlig fern stehe. Eine correcte Darstellung des anspruchslosen Versuchs findet sich in Carl’s „Repertorium“, 1870, S. 168, in Hirzel und Gretschel’s „Jahrbuch der Erfindungen“, 1871, S. 102 und (mit Abbildung) in meiner „Vorschule der Experimentalphysik“, S. 215.
Geographische Ehren. Unserem Mitarbeiter Herrn Pechuel-Loesche – dessen Beiträge der Autorname E. M. Plankenau bezeichnet – ist die Ehre widerfahren, daß nach ihm ein Vorgebirg in der Nechwatowasee benannt worden, ist. Bei den neueren Aufnahmen der Rosenthal’schen Expedition nach Nowaja Semlja im Jahre 1871 hat nämlich A. Petermann mit Genehmigung Rosenthal’s, der die Gesammtkosten dieser Expedition (etwa 11,000 Thlr.) aus seinen Privatmitteln bestritt, Pechuel-Loesche’s in der geographischen Wissenschaft hochverdienten Namen in seine neue Karte eingeschrieben. Diese Karte ist im zweiten Hefte des laufenden Jahrgangs der „Geographischen Mittheilungen“ enthalten.
Frau v. Th. in W. und Frln. W. Z. in D. Wahrscheinlich wegen unrichtiger Angabe im Wohnungsanzeiger. Die Tochter des Dr. H. Beta hat jetzt ihre höhere Töchterschule mit Pensionat in der Villa-Vorstadt „Westend“ hinter Charlottenburg bei Berlin „Eichen-Allee, Villa Anna“. Schreiben Sie unter dieser Adresse, was wir für das körperliche und geistige Gedeihen Ihrer Tochter und Schwester nur rathen können.
(Musik: Schülerin Kullock’s. Gesang: Prof. Gr.-Hoffmann.)
A. v. W. in Braunschweig. Ihr Wunsch wird noch im Laufe dieses Sommers erfüllt werden. Wir freuen uns, das Andenken an Ihren gefallenen Sohn in dieser Weise ehren zu dürfen.
D. in Marborg. Wir können Ihnen Friedrichsroda oder auch Ilmenau in Thüringen empfehlen. Beide reizend gelegene Orte erfüllen – aber erst von Monat Mai an – alle die Anforderungen, welche Sie in Ihrer Anfrage stellen.
P. S. in L. Das fünfzigjährige Jubiläum, welches der in der ganzen deutschen Sängerwelt bekannte akademische Gesangverein der Pauliner in Leipzig feiert, fällt auf den vierten August. Die alten und auswärtigen Mitglieder des Paulus thun wohl daran, sich zur Theilnahme recht bald beim jetzigen Dirigenten desselben, Dr. Langer, anzumelden. Wie wir hören, ist zur letzten Meldefrist der 15. März gesetzt.
gingen ferner ein: L. in Halle 100 Thlr.; C. J. Schultze in Pesth 2 Thlr.; R. P. in Nordstemmen 5 Thlr.; F. W. G. ein dankbarer Verehrer von Anselm v. Feuerbach in Nürnberg für Ludw. Feuerbach (20 fl.) 11 Thlr. 12½ Ngr.; W. L. in Schöneberg bei Berlin 3 Thlr.; Th. Held in Außig 20 Thlr.; F. B. in L. 2 Thlr.; aus Beuel: O Landgraf, Landgraf, werde hart – gegen die Jesuiten im Rheinlande 5 Thlr.; mehrere Lichtfreunde in Hoyerswerda 2 Thlr. 15 Ngr.; von einem Lehrer aus Regensburg 1 Thlr. 12½ Ngr.; aus Holzwickede 1 Thlr.; der Wissenschaft die Ehre (aus Berlin) 10 Thlr.; Dr. W. 1 Thlr.; Th. D. 1 Thlr.; H. u. C. P. in Allenstein 2 Thlr.; O. Schulze in Mörkmühl 1 Thlr.; Emil Nelke in Guben 20½ Ngr.; F. K. in Gießen 2 fl.; der Expedition des hannöverschen Couriers einges. 10 Thlr.; eine Hamburgerin 1 Thlr.; B. in Lehesten 2 Thlr.; R. B. in Schwelm 10 Thlr.; Harnack in Schwerin 1 Thlr.; H. Buz in Augsburg 10 Thlr.; Dr. Boyens in Zachau 1 Thlr.; aus Peterswaldau 1 Thlr.; H. Kr. in Darmstadt 1 Thlr.; zwei deutsche Männer aus Gischern 2 Thlr.; Dr. H. in Idar 10 Thlr. mit dem Motto:
„Weise, weil du die Wahrheit dachtest,
Groß, weil du sie lehrtest.“
Wittwe C. M. Stuttgart 10 fl.; Albrecht in Harburg 1 Thlr.; Dr. Hém in Breslau 1 Thlr.; J. R. in Berlin 2 Thlr.; J. Schmidt in Berlin 5 Thlr.; N. N. in Berlin 2 Thlr.; Dr. Kohlbaum in Görlitz 2 Thlr.; aus Aachen 5 Thlr.; Pfähler in Dresden 5 Thlr.; F. in Moritzburg 1 Thlr.; aus Gera 1 Thlr.; Beschel in Schkeuditz 1 Thlr.; Dr. Pfeffer in Rüdersdorf 3 Thlr.; P. van Dyk in Riga 5 Thlr.; E. C. D. in Bremen 10 Thlr.; Frau B. in Sondershausen 2 Thlr.; M. aus Dresden 1 Thlr.; J. H. in Pesth 2 fl. österr.; Z. aus Minden 4 Thlr.; Rechsteiner in München 1 Thlr.; Steinherz in Graz 2 fl. österr.; aus Germersheim 1 Thlr.; von einem Russen aus Riga 3 Thlr.; F. B. in N. 1 Thlr.; Flöß, Gutsbes. im Kreise Orsza, 5 Rub.; E. in Frankfurt 15 Ngr.; „Adelaide“ 2 Thlr.; Sammlung der Berliner Börsenzeitung 177 Thlr. 15 Ngr. und eine 100-Frankennote und zwar von: Major a. D. v. Koscielski 1 Thlr., E. H. A. K. 5 Thlr., W. Pfeifer 5 Thlr., B. 1 Thlr., Ignaz Wolfsohn 10 Thlr., Konitz 5 Thlr., N. N. hier 5 Thlr., A. M. aus Erfurt 1 Thlr., Leopold David, Firma David u. Comp. 1 Thlr., O. Schulz in Halle a. S. 5 Thlr., Wessel in Halle a. S. 5 Thlr., A. Rumler in Bonn 10 Thlr., H. J. in Düsseldorf 5 Thlr., Ungenannt in Dresden 5 Thlr., E. Jochheim in Braunschweig 5 Thlr., dem wackeren Kämpfer für Aufklärung und Licht, ein Abonnent 5 Thlr., A. Meurer in Dresden 2 Thlr., Reg.-Assessor Witte 8 Thlr., Louis Perl 10 Thlr., Consul G. Marchand 10 Thlr., X. Y. 2 Thlr., K. 15 Ngr., S. 10 Thlr., Magnus Hermann 25 Thlr., Rechnungsrath Müller 5 Thlr., Niesel 1 Thlr., A. Holstein 1 Thlr., E. K. 5 Thlr., Cüppers 2 Thlr., Rechtsanwalt Richter in Osterburg 2 Thlr., G. M. 10 Thlr., L. P. 10 Thlr., G. Lepenau in Nizza eine 100-Frankennote; B. in Stralsund 1 Thlr.; Frau S. Steinway in Berlin 50 Thlr.
gingen ferner ein: Th. D. 1 Thlr.; Flöß, Gutsbes. im Kreise Orsza 5 Rubel; durch das Comité, bestehend aus den Vorständen der Freiw. Feuerwehr, Liberaler Verein, Liedertafel, Männergesangverein, Schützenverein, Turnverein, Veteranenverein in Salzburg 77 Thlr.; Grahl in Döhlen 5 Thlr.; durch Langbein u. Co. in Zittau 1 Thlr. 15 Ngr.; F. W. in Rheinsberg 3 Thlr.; aus Fritzens und Martha’s Sparbüchse 2 Thlr.; F. L. Schmidt in Greiz 2 Thlr.; Sammlung des Bayreuther Tageblatts 11 Thlr. 5 Ngr.; gesammelt durch Gebr. Hofer in Saarbrücken 26 Thlr. 18 Ngr.; aus Nördlingen 59 Thlr.; Schwestern Sophie und Marie im Banat 2 fl. ö. W.; E. Schmorl in Laskafeld 5 fl. ö. W.; ein Menschenfreund aus Kurpfalz 10 Thlr.; Wiesbaden: „Sans nom, mais non sans coeur“ 5 Thlr.; Pfarrer Steinacker in Buttelstedt 3 Thlr.; Ergebniß einer Sammlung unter den Beamten zu Saarburg in Lothringen 27 Thlr.; Ergebniß einer Vorstellung des Theatervereins in Pirkenhammer bei Carlsbad 8 fl. ö. W.; Sammlung des Freiburger Anzeigers 165 Thlr., 5 Doll. Gold und 2 Doll. Papier; Friedrich Arzt in Kronstadt 10 fl. ö. W.
- ↑ Ueber Häckel’s hypothetischen Stammbaum des Menschen spricht sich Darwin so aus: „Wenn wir die Genealogie des Menschen abwärts in der Thierreihe verfolgen, so kommen wir auf immer dunklere Gebiete der Wissenschaft. Wer hier zu erfahren wünscht, was Scharfsinn und Kenntnisse hervorbringen können, mag die Schriften Professor Häckel’s zu Rathe ziehen.“ – Von Häckel’s „natürlicher Schöpfungsgeschichte“ sagt Darwin: „Wäre dieses Buch erschienen, ehe meine Arbeit niedergeschrieben war, so würde ich sie wahrscheinlich nie zu Ende geführt haben; fast alle die Folgerungen, zu denen ich gekommen bin, finde ich durch diesen Forscher bestätigt, dessen Kenntnisse in vielen Punkten viel reicher sind als meine.“
- ↑ Wohl die Nämliche, welche jüngst erst wegen ihres fanatischen Deutschenhasses von der gesammten deutschen Presse gebrandmarkt worden ist? D. Red.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Entsprechend Berichtigung in Heft 11 das Wort „Messe“ durch „Vesper“ ersetzt