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Karl Simrock (Die Gartenlaube 1855)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Arnold Schloenbach
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Titel: Karl Simrock
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 42, S. 555–557
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1855
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Karl Simrock.

Ein Bild vom Rhein von Arnold Schloenbach.


Karl Simrock.

„An den Rhein, an den Rhein, zieh’ nicht an den Rhein,
Mein Sohn, ich rathe Dir gut;
Da geht Dir das Leben zu lieblich ein,
Da blüht Dir zu freudig der Muth.
Sieh’st die Mädchen so frank und die Männer so frei,
Als wär’ es ein adlig Geschlecht:
Gleich bist Du mit glühender Seele dabei:
So dünkt es Dich billig und recht.
Und die Schiffe, wie grüßen die Burgen so schön
Und die Stadt mit dem ewigen Dom!
Zu den Bergen, wie klimmst Du zu schwindelnden Höh’n
Und blickst hinab in den Strom.
Und im Strome, da tauchet die Nix aus dem Grund,
Und hast Du ihr Lächeln geseh’n,
Und fang Dir die Lorlei mit bleichem Mund,
Mein Sohn, so ist es gescheh’n:
Dich bezaubert der Laut, Dich bethört der Schein,
Entzücken faßt Dich und Graus.
Nun singst Du mir immer: Am Rhein, am Rhein,
Und kehrst nicht wieder nach Haus.“

Mit dieser „Warnung vor dem Rhein“ hat sich Karl Simrock schon vor Jahren in die Herzen aller Rheinländer eingesungen, und schon seit Jahren ist er dem ganzen deutschen Vaterlande der bedeutendste Schatzgräber im reichen und mächtigen Lager des mittelalterlichen Lieder- und Sagengoldes; der volksthümlichste und feinste Spürer und Sammler nach altdeutscher Sitte, Anschauung, Poesie und Sage; einer der gelehrtesten und gründlichsten Forscher und Interpreten in jenen Richtungen, wie in der deutschen Mythologie, und einer der tüchtigsten, echt rheinisch-deutschen Balladen- und Liederdichter unserer Gegenwart. – Diesen weitgezogenen Kreis voll ausfüllend, in jedem Einzelnen desselben durchaus sicher, ganz wie ein Mann, ist Simrock eine merkwürdige und seltene Erscheinung in unserer Literatur. Der Dichter bei ihm steht auf dem concreten Boden des rührigen, gesunden, frischen Gelehrten, und hat dadurch etwas Tüchtiges, Concises und Dauerbares gewonnen, während der Gelehrte bei ihm seine Gesundheit und Frische dem Poeten verdankt, und daher mit in das Unfruchtbare, Canonische des specifischen Professors gerieth.

So steht er nach beiden Seiten hin gewappnet da; beiden Sphären ein geliebter, hochgeachteter Genosse. – Und wie er in so langem Verkehr mit dem Besten und Urkräftigsten deutschen Volks- und Liederthums sich daraus das echte Mark deutschen Sinnes, deutscher Kraft und ernster Würde gesogen, so aus [556] dem Duft und Glanz und Wein seines herrlichen Rheinstromes, den heitern Sinn, den leichten Humor, die liebe Schalkhaftigkeit und Ironie, die ihm und seinen Liedern ebenfalls zu eigen sind. Eine außerordentliche Anzahl guter Werke zeigt auch den eisernen Fleiß, womit Simrock gearbeitet hat, und in allen Stürmen seines eigenen und des vaterländischen Lebens, ein sicheres Ziel klar vor Augen, ruhig und stät verfolgt: so ist er auch ein seltenes Beispiel eines redlich angewandten Daseins, einer rast- und hastlos angewendeten Kraft.

Es kann uns hier natürlich nicht um eine Kritik der Werke Simrock’s zu thun sein, wir geben am Schluß dieser Skizze nur eine gedrängte Ueberschau seines außerordentlich reichen Wirkens; doch gewiß muß man auch nach dem unten Angeführten darüber staunen, was eine einzige Kraft zu leisten vermag. – Und all’ dies Geleistete: wir verdanken es eigentlich, – natürlich nur mittelbar genommen, – der französischen Julirevolution! – Sie begeisterte den achtundzwanzigjährigen Auscultanten im königl. preußischen Kammergericht in Berlin zu seinem damals berühmt werdenden Gedichte: „Die drei Farben,“ wofür er durch königliche Kabinetsordre aus dem Staatsdienste ausgeschlossen wurde. Da widmete sich denn der junge Mann ganz der Wissenschaft und Poesie; zwanzig Jahre lang wirkte er so ganz allein auf eigene Faust, bis er erst vor fünf Jahren zum Professor an der Universität zu Bonn ernannt wurde. Diese zwanzig Jahre schufen nun alle jene unten verzeichneten Werke, die wir also der Julirevolution oder jener Kabinetsordre zu danken haben. – Wir griffen hier mitten in das Leben Simrock’s ein; verfolgen wir es flüchtig von seinem Anfange an. – Der Vater unseres Simrock, Nikolaus Simrock, kam schon vor der ersten französischen Revolution vom Oberrhein nach Bonn und trat als Musikus in die kurfürstliche Kapelle ein. Er begründete später eine Musikalienhandlung, die er durch Talent, Umsicht und Fleiß immer bedeutender und gewinnreicher machte, und als er im Jahre 1832 starb, hinterließ er einer zahlreichen Familie ein ansehnliches Vermögen. Der Sohn, Karl, wurde an Goethe’s Geburtstag, am 28. August 1802 geboren. Seinen Jugendunterricht genoß er auf dem französischen Lyceum zu Bonn und wuchs er denn auch in der Familie unter Vorliebe für Frankreich auf. Seine innerste Natur aber drängte ihn schon von früh an zu deutscher Sitte und Anschauung, zu deutscher Sprache und Literatur und las er lieber den Eulenspiegel als die Pücelle. Er studirte dann Jura, ging zur Verfolgung dieses Studiums nach Berlin und trat dort schon 1826 als Referendar in preußische Dienste. Daneben hörte er aber noch bei Hegel Philosophie, besonders aber bei Lachmann Literatur des Mittelalters, und dies führte ihn denn mächtig seinem eigenen Wirken zu.

Schon im Jahr 1827 erschien seine erste Uebertragung des Nibelungenliedes; sie gewann sich bald Anerkennung und gemahnte den Altvater Goethe an den bekannten Ausdruck: „als ob ein verdunkelnder Firniß von einem Gemälde weggenommen wäre, und die Farben in ihrer Frische uns wiederum ansprächen.“ – So war Simrock auf einmal in eine erregsame und fördernde Stellung gekommen: er trat in die damals von Hitzig gegründete „Mittwochsgesellschaft,“ wo sich alle Kunst-Notabilitäten der Hauptstadt versammelten; der greise Chamisso näherte sich ihm freundlich, und es schloß sich Simrock’s Freundschaft und Zusammenwirken mit Wilhelm Wackernagel; Franz Kugler trat auch mit hinzu. – Nun gründete Simrock im Verein mit Curtius, später mit Ceggenhagen die „Berliner Stafette,“ die später den Namen „Oppositionsblatt“ annahm und in Sachen der Kunst, namentlich des Theaters, eine einflußreiche und angesehene Stellung gewann. Die jungen rührigen Redacteure gründeten hier die erste Theaterkritik, die schon am andern Morgen über die Vorstellung des Abends Berichte lieferte und von Saphir mit dem Namen „kuchenwarme Kritik“ bezeichnet wurde. Die Kritiker trafen sich am Tage der Vorstellung nach dem Mittagessen in der berühmten Conditorei Stehely, hier vertheilten sie die Theater der Residenz unter sich; nach der Vorstellung schrieb ein Jeder seine Kritik, die um Mitternacht von dem Setzer abgeholt, mit dem anbrechenden Tage abgezogen und um sechs Uhr Morgens den Lesern an’s Bett gebracht wurde. – Es war das ein frisches, regsames Wirken. Dahinein trat nun die Julirevolution mit ihren Folgen für Simrock. Indessen blieb derselbe doch noch zwei Jahre in Berlin, bis ihn die todesgefährliche Krankheit des Vaters in die Heimath zurückrief. Er kam drei Stunden nach dem Tode des Vaters dort an. – Hier nun zu bleiben, war eigentlich nicht sein Wille gewesen; doch die verführerisch-bannende Macht seines geliebten Rheinstroms, die er in dem Eingangs gegebenen Gedichte selbst so verführerisch warnend besingt, übte auch auf ihn ihren Zauber und er blieb. Als begüterter Mann hatte er Muße, sich nun ganz seinen schriftstellerischen und poetischen Intentionen hinzugeben; die kleine, aber von allen Strömungen der Gegenwart mitberührte Vaterstadt, die Universität daselbst mit ihren bedeutsamen Kräften und jungen Nachwüchsen der Poesie, konnten ihm nur förderlich sein.

Am 22. Juli 1843 vermählte er sich mit seiner Jugendliebe, der liebenswürdigen und vortrefflichen Landsmännin, Gertrud Ostler, die ihm ein innig befriedigendes Glück als Gatte und Vater schenkte. In seinen Gedichten hat er der Theuern Lieder gewidmet, die wir dort unter dem Titel: „Mit einem Kranz“ finden. – Abwechselnd lebte er in Bonn und auf seinem Weingut Menzenberg, gelegen auf dem klassischen Boden seiner Heldensage. „Es schat (sagt G. Kinkel in seinem vormärzlichen Buche „vom Rhein“) auf das blühende, im Schlachtlied gefeierte Thal von Honnef, dessen Gleichen an Fruchtbarkeit, Quellenreichthum und Nachtigallenschlag das ganze Rheinland nicht hat; nordwärts schließt der Drachenfels, vom Zauber der glänzendsten Sage umflossen; gegen Osten aber dehnen sich im Bergwald die Schluchten, in welcher nach alter Völkerüberlieferung Dietrich von Bern den Ecke und dessen Brüder erschlug.“ – Die Göttin Saga folgte ihm hier nach oder er folgte ihr nach diesem großen Schauplatz ihrer Thätigkeit. Der Dichter singt darüber also:

„Du winkst mir, Saga, wieder, o Lust, ich folge gern
Wohin du mich auch führest, und wär’ es noch so fern.
Sie sprach aus goldnem Munde: Du bist mir hold, ich weiß
Und gingst in eine Wüste auf deiner Göttin Geheiß.
Das will dir heute lohnen die Herrin deiner Wahl:
Sie will am Rheine wohnen, in dein geliebtes Thal,
Dein trautes, dich begleiten, wo die die Rebe blüht
Und an den sieben Bergen die Sonne scheidend verglüht.“

Das Jahr 1850 rief ihn von dieser Stätte weg und wieder dauernd nach Bonn, seiner Berufung als Professor daselbst. Hier wirkt er nun vor einem stets großen Zuhörer-Kreis; sein Vortrag ist scharf, klar, bestimmt; den ersten Kenner der deutschen Literatur bekundend, und – durchhaucht vom Zauber der Schönheit und Poesie, – die strenge Wissenschaft popularisirend im besten Sinne des Wortes; also auch hier eine Aufgabe lösend, die zu den wichtigsten Errungenschaften unserer Zeit gehört.

Die Persönlichkeit Simrock’s sei von dem oben bezogenen Dichter geschildert, der Jahre lang sein junger Freund und mitstrebender Genosse war. Derselbe spricht sich in dem schon genannten Buche dahin aus: „Wie im Gesange, ist Karl Simrock auch im Leben ruhig und schlicht: wer ihn zum ersten Mal sieht, mag ihn eher kühl heißen. Fleiß, Ernst, Besonnenheit sind die Grundzüge, die zuerst an ihm hervortreten. Aber trifft er die Kreise, in denen sein Geist oder sein Gemüth verwandte Luft athmet, dann schlüpfen die kleinen Schlängelchen aus dem Versteck hervor, und der Scherz wird frei. So muß man ihn unter den Kindern, so in erregtem Kreise, wo Lebensansichten streitig sich austauschen, so als Wirth beim „Eckenblut“ auf seinem Menzenberg gesehen haben, um auch in seinen Helden ganz diese unverbildete Frische, diese unzerstörbare Heiterkeit ihres Schöpfers wieder zu erkennen. – Jetzt gesunder als wohl je vorher, geliebt, geachtet, und von dem, was alle Männer dieser Tage zu tragen haben, bewegt, aber nicht verbittert – so steht er in der kräftigen Mitte des Lebens in rüstiger Schöpferkraft da, voll von Entwürfen.“ – So der Dichter über den Dichter. – Das sind nun wohl zehn Jahre her und zwar zehn Jahre ernster Schwere; sie haben des starken Mannes Haare grau gefärbt; aber sie haben auch jetzt ihn nicht verbittert, sie haben seine rüstige Schöpferkraft noch nicht gestört; in Mitten voller Thätigkeit hat er noch immer bedeutungsvolle Entwürfe. Seine Göttin Saga ist ihm treu nachgefolgt in die gelehrte Stube des akademischen Professors, und in den Sommerferien quillt noch auf dem Menzenberg das edle Eckenblut „für alle Wanderer, die des Weges ziehen.“ Das ist „das Bild vom Rhein,“ das Bild Karl Simrock’s.




Seine zahlreichen Werke lassen sich (hier schon der leichteren Ueberschaulichkeit wegen) in fünf Hauptgruppen zusammenstellen:

I. Das große Heldenbuch in sechs starken Bänden, enthaltend: Gudrun, Nibelungen, kleines Heldenbuch, Wiedland der [557] Schmied und das Amelungenlied. Dies ist eigentlich die Hauptthat seines Lebens, und wahrlich, eine Lebensthat kann man die vollendete Lösung der großen Aufgabe nennen: „die ganze volksthümliche Heldendichtung unseres frühen Mittelalters in der Sprachform der Gegenwart dem deutschen Volke wieder zu schenken;“ sein köstliches Erbgut aus dem phantasiereichen und thatlustigen Jünglingsalter, die Heldensage aus dem Schutt und Moder der Zeit wieder hervorzuholen; dasjenige, was daraus in der Blüthe des Mittelalters schon gute Bearbeiter fand, zu übersetzen, die andere, größere Hälfte aber, die einzig in prosaischem Bericht oder auch nur in loser Andeutung auf uns gekommen ist, den Geist der alten Dichtung schöpferisch neuzugestalten und das Ganze sich zu einem mächtigen Ringe zusammenschließen zu lassen.

„Mir ward ein Lied zu singen, des deutschen Sinnes Bild,
Der lange lau und lässig, im Zorn erhaben schwillt.“

Mit diesen Worten begann der Gelehrte und Dichter sein außerordentliches Werk. Er führt uns darin durch alle Stämme hindurch, welche das Drama der Völkerwanderung durchspielen; er führt uns zuletzt noch durch Norwegen, Schweden und das Land der Dithmarsen, nach Thüringen zum Spessart, an den Rhein, und ihm hinauf nach Italien. – Und zum Dichterischen stets die gründlichste, klarste Untersuchung und Interpretation. — Diesem großartigen nationalen Wirken schließt sich an die Gruppe:

II. Nachbildungen und Uebertragungen vereinzelter Werke und einzelner Dichter des Mittelalters. Dazu gehören: Zwanzig Lieder von den Nibelungen, die Eddalieder, Hartmann’s von der Aue: „der arme Heinrich“, Walther’s von der Vogelweide Gedichte und Wolfram’s von Eschenbach: „Percival und Titurel.“ Eben so treu, wie Simrock dort den alten Heldengeist wieder gab, so hier (bei den drei Dichtern) den Ritter- und Minnegeist jener Zeit, und zwar bei stäter Treue in frisch lesbarer Weise; nicht blos in altem Erneuen und einem unzugänglichen Zusamenflicken moderner und alter Ausdrucksweise, sondern in lebensvoller Neugeburt echt alten Sinnes und Geistes.

III. Sammlung und Wiederherstellung nach den echtesten Lesarten der altdeutschen Volksbücher. Wer kennt sie nicht, die – bis jetzt auf vierzig herangewachsenen – Büchlein mit den lieben, alten, treuen Erzählungen, Schwänken und Possen, worin sich der Volkscharakter, sein Witz, sein Humor so kernig und gesund wiederspiegeln? Wer hat sich nicht erfreut an ihren alten, treuen, charakteristischen Holzschnitten? – Das Puppenspiel vom Faust und Reinecke Fuchs sind daraus besonders berühmt geworden. Zur ersten Wiederherstellung dieser Bücher trat Simrock mit den bedeutendsten Germanisten in Verbindung; ging er auf die ältesten, zum Theil sehr seltenen Ausgaben zurück, und that denn auch manch glücklichen neuen Fund. Man sieht es dem kleinen, unscheinbaren Büchlein nicht an, welcher Aufwand von tiefem Studium und ernstem Fleiß darauf verwendet wurde. Dasselbe gilt von den dieser Richtung angehörenden Sammlungen: Deutsche Volkslieder, deutsche geschichtliche Sagen, rheinische Sagen, Karolingisches Heldenbuch, deutsche Sprichwörter (12,396 Stück, die einen wahren Schatz poetischer Lebensweisheit und schlagender Charakteristik enthalten), deutsches Räthselbuch (700 Stück der köstlichsten Volksräthsel), deutsches Kinderbuch; – mittelbar gehört auch noch dazu: Altchristliche Kirchenlieder und geistliche Gesänge, lateinisch und deutsch.

Mit wirklich bewundernswerthem Fleiße und Spürtalent hat der Dichter hier überall gesammelt, mit dem feinsten Takte gesondert und zur klaren Ueberschaulichkeit zusammengestellt.

In IV. Gruppe: die Arbeiten nach und für ausländische Literatur. Hier ist es besonders eine vortreffliche, dem deutschen Wesen und dem deutschen Theater glücklich angepaßte Bearbeitung von Shakespeare’s Macbeth, als der Beginn einer weiter intentirten Aufgabe: „Shakespeare, als Vermittler zweier Nationen“; damit zusammen hängt: „Quellen des Shakespeare in Novellen, Sagen, Mährchen“; diese Aufgabe führte dann zu dem nun begonnenen „Novellenschatz der Italiener.“

Tritt nun bei all den genannten Werken, nur mehr oder weniger, schon der original-schaffende Dichter und Prosaist hervor, so ist dieser doch nicht immer ganz klar und einzig zu trennen vom Uebertrager, Sammler und Interpreten, und so bleibt uns denn noch als letzte und

V. Gruppe: der reine Originaldichter und Prosaist. Als solcher gab der Poet: Einen großen Band „Gedichte“, ein kleines Epos: „Der gute Gerhard von Cöln“; eine poetische Erzählung, halb Reim halb Prosa: „Bertha, die Spinnerin“ und neuester Zeit: „Legenden.“ – Hier tritt nun überall hervor, was wir oben bei Gelegenheit des Gelehrten und Dichters sagten; darum handelt es sich bei Simrock’s Gedichten auch nie um Empfindelei, vages Vernebeln und Verschwebeln und ein süßliches Hintorkeln in unbestimmten Begriffen; da hat Alles Fleisch und Knochen und gesundes Blut, mit kräftigen Muskeln und Sehnen zusammengehalten; eine lebendige Thatsache, ein bestimmter Gedanke wird knapp, kurz, resolut hingestellt, und klingt es auch oft etwas kühl, etwas herb und spröde und kann der Dichter seine meisterhaft gebildete Sprache auch nicht um sich schlagen im kühnen Faltenwurf des Purpers, – so entschädigt dafür doch stets der Inhalt, oft eine glückliche, epigrammatisch auslaufende Pointe, ein köstlicher Humor, eine liebenswürdige Ironie und Schalkhaftigkeit. Am Glücklichsten ist Simrock als Romanzen- und Balladen-Dichter; doch schlägt er auch oft echt lyrische Töne an und hat er Lieder der innigsten, naivsten Empfindung und Unmittelbarkeit gegeben. –

Der Prosaist bildet mit seinem vielberühmten herrlichen Werke: „Das malerische und romantische Rheinland,“ den Uebergang aus der Sphäre der Poesie, Kunst und gelehrten Forschung zur specifisch gelehrten Wirksamkeit, die sich schon in seinem früheren kleinen „Handbuch der deutschen Mythologie“ präsentirt, weit mehr aber noch in seinem neuesten umfangreichen Werke: „Die deutsche Mythologie mit Einschluß der nordischen.“ Hier hat denn nun, wie schon angedeutet, der Dichter dem Gelehrten genützt, so daß dieser uns ein so lebendiges, warmes, klar überschauliches Werk gab, daß dasselbe für jeden gebildeten Deutschen angenehm zugänglich, für Jeden nothwendig ist, der Sinn und Strebsamkeit für das Kulturleben der Nation hat, wie es sich in seiner Mythologie abspiegelt.