Ketten- und Seilschiffahrt
Wenngleich die Ketten- und Seilschiffahrt – in Deutschland Tauerei, in Frankreich touage genannt – ihrem Prinzipe nach schon seit Anfang des vorigen Jahrhunderts bekannt gewesen und sowohl zur Ueberwindung von Flussschnellen, als auch zur Fortbewegung von Seeschiffen in Seehäfen angewendet worden ist, hat sie doch erst seit 1854 für Fluss- und Kanalschiffahrt größere Bedeutung und zwar dadurch erlangt, dass statt des früher gebräuchlichen nur kurzen Hanftaues das eiserne Tau von großer Länge eingeführt wurde.
Das Rationelle der Tauerei besteht bekanntlich darin, dass der sogen. Tauer in dem auf der Sohle der Wasserstraße liegenden Tau eine feste Führung gewinnt und an dieser durch einen Windeapparat fortbewegt werden kann, ohne dass der sogen. Rücklauf stattfindet. Es gelangt sonach fast die gesammte zur Fortbewegung des Tauers aufgewendete Kraft, soweit diese nicht durch Reibungswiderstände und den nicht horizontalen Zug des Taues absorbirt wird, zur Ausnutzung, während der beim Ruder, Rad und bei der Schraube auf das bewegliche Wasser ausgeübte Druck ein Ausweichen desselben veranlasst, in Folge dessen ein Theil der zur Fortbewegung aufgewendeten Kraft wieder verloren geht. Rad, Ruder und Schraube legen daher bei der Bewegung einen größeren Weg zurück, als das Fahrzeug; der Tauer rückt dagegen bei jeder Umdrehung des Windeapparats um die Länge seines Trommelumfangs vor. Bei der Bergfahrt tritt dem Fahrzeug noch die Strömung entgegen, welche den Effekt von Ruder, Rad und Schraube noch mehr verringert, auf den Tauer aber ohne Einfluss bleibt. Je stärker die Strömung, desto größer wird das Uebergewicht des Tauers und es beträgt dies in manchen Flüssen bis 50 Prozent.
Je geringer die Strömung, desto mehr verschwindet das Uebergewicht, so dass eine Grenze eintritt, bei der die Tauerei, der Rad- und Schrauben-Dampfschiffahrt gegenüber, nicht mehr rationell ist. Wenn trotzdem die Tauerei selbst auf Kanälen betrieben wird, so liegt dies wesentlich darin, dass dort das vom Schiffszug verdrängte Wasser oberhalb anstaut und seitwärts abläuft, also vermehrten Widerstand und Strömung erzeugt, deren Ueberwindung erhöhten Kraftaufwand bedingt. Außerdem liegt aber auch der Vortheil der Tauerei bei Kanälen in dem ruhigen Gang der Tauer, wodurch heftige Wasserbewegungen und Beschädigungen der Kanalböschungen, wie sie Rad- und Schraubendampfer hervor rufen, vermieden werden.
Die Tauerei ist in größerem Umfange zuerst auf französischen Wasserstraßen, demnächst auch auf denjenigen anderer Länder eingeführt worden. Als Tau wurde zunächst die Kette und etwa 11/2 Dezennien später das Eisen-Drahtseil, noch später aber auch das Stahl-Drahtseil verwendet und es haben sich dem entsprechend, wenn einstweilen von den Versuchen der Neuzeit bezüglich der Konstruktion anderweitiger Seiltauer abgesehen wird, zwei Systeme – das Ketten- und das Seilschiffahrts-System – entwickelt, welche in mancher Beziehung Unterschiede zeigen. Behufs Charakterisirung derselben soll die allgemeine Anordnung beider Systeme auch hier in Kürze erläutert werden.
Beim Kettenschiffahrts-System wird die Kette einige Mal – gewöhnlich drei Mal – über zwei, annähernd in der Mitte des Tauers hinter einander gelagerte, mit eisernen Rillen (Nuthen) versehene Trommeln geführt, und es erfolgt die Zu- bezw. Ableitung der Kette nach, bezw. von den Trommeln durch Rollen und an den Schiffsenden durch bewegliche Ausleger. Die Drehung der Trommeln wird durch ein gemeinschaftliches Getriebe derartig bewirkt, dass sich beide Trommeln in gleicher Richtung drehen. Dem entsprechend wickelt sich in Folge der Reibung zwischen Trommelumfang und Kette auf der vorderen Trommel ebenso viel Kette auf, als auf der hinteren ab, wobei der Tauer vorschreitet. Es erfolgt also die Uebertragung der Kraft von den Trommeln auf die Kette durch Reibung, die Anspannung der auflaufenden Kette durch die zu schleppende Last und die der ablaufenden durch das Eigengewicht derselben. Die Anspannung ist indessen nicht gleichmäßig, vielmehr in der auflaufenden Kette ganz bedeutend und zwar etwa 500 mal größer, als in der ablaufenden.
Das Seilschiffahrts-System hat manche Aenderungen der Ketten-Tauer nothwendig gemacht. Da nämlich das Drahtseil im Vergleich zur Kette bei gleicher Zugfestigkeit nur 1/2–1/3 des Querschnitts und nur etwa 1/5–1/7 des Gewichts der Kette beansprucht, zudem auch mehr oder weniger glatte Flächen besitzt, erzeugt es auf dem Trommelumfang nur geringe Reibung. Da es sich aber bei seiner Steifigkeit auch nicht um kleine Trommeln aufwickeln lässt, hat der Seiltauer an Stelle der 2 Kettentrommeln nur eine große Seiltrommel erhalten und diese ist nicht in der Mitte, sondern seitwärts und zwar an der äußeren Längswand des Tauers angeordnet worden. Die seitliche Lage der Trommel wurde sowohl wegen ihrer erheblichen Größe, als auch wegen der Rücksicht gewählt, das Seil mit dem Tauer bequem zu verbinden, und die Bedienungs-Mannschaft vor der Gefahr zu schützen, welche bei einem etwaigen Bruch des Seils in Folge der Steifigkeit desselben entstehen könnte. Das Drahtseil umfasst hierbei nur ein Mal etwas mehr als den halben Umfang der Trommel und wird in dieser Lage durch zwei neben derselben angebrachte große Leitrollen erhalten, welche nicht nur die Reibung vermehren, sondern auch das Auf- und Abrollen des Seils begünstigen. Damit sich das Seil aber auch regelmäßig um diese Leitrollen lege, sind noch ein bis zwei andere Leitrollen erforderlich, an denen das Seil auf- bezw. abläuft. Trotzdem würde eine gewöhnliche Rille auf dem Trommelumfang zu wenig Reibung für das glatte Drahtseil erzeugen und ein Gleiten desselben veranlassen. Um dies zu vermeiden, ist die Trommelrille mit zahlreichen Klappenpaaren, den sogen. Fowler’schen Klappen, versehen, welche das Seil beim Auflaufen auf die Trommel fest einklemmen, beim Ablaufen dasselbe nur lose berühren.
Die in vieler Beziehung nachtheilige seitliche Lage der Klappentrommel und des Seilapparats hat seit 1872 zu wiederholten Versuchen geführt, den gesammten Windeapparat, wie beim Kettentauer, in die Schiffsmitte zu verlegen. Von diesen Versuchen soll weiter unten die Rede sein.
Die beim Ketten- und Seilschiffahrts-Betriebe bisher gewonnenen Erfahrungen haben ergeben, dass jedes der erwähnten Systeme besondere Vortheile und Nachtheile besitzt, die zunächst der Erörterung und Gegenüberstellung bedürfen, wenn ein Urtheil über die Frage, ob und in wie weit das eine System vor dem anderen den Vorzug verdient, gewonnen werden soll. Es mögen demgemäß zunächst die
Vortheile und Nachtheile des Kettenschiffahrt-Systems
einer Besprechung unterzogen werden.
Als Vortheile sind zu bezeichnen: 1) geringer Tiefgang des Tauers, 2) einfacher Mechanismus des Windeapparates und 3) leichte Verlängerung und Verkürzung der Kette und deren Wiederverbindung bei Kettenbrüchen. Bei der Lage des Windeapparats mit den Trommeln in der Schiffsmitte ist die Vertheilung der Last auf den Tauer eine günstige, die Last des Windeapparats aber nur relativ gering, weil die große Biegsamkeit der Kette die Verwendung kleiner Trommeln und die symmetrische Anordnung der gesammten Konstruktionstheile gestattet. Der hieraus resultirende geringe, in maximo nur 0,4–0,5 m betragende Tiefgang des Tauers macht ihn für Wasserstraßen von geringer Tiefe besonders geeignet. Außerdem ergiebt sich aus der Einfachheit des Windeapparates eine relativ billige Beschaffung und Unterhaltung des Tauers. Es lässt sich die Kette aber auch ohne schwierige und zeitraubende Manipulationen nach Bedürfniss verlängern und verkürzen und es ist dies ein, beim Schiffahrtsbetrieb auf Flüssen sehr wesentlich ins Gewicht fallender Vortheil, da bei den beweglichen Sinkstoffen des Flussbettes die Fahrrinne weder ihre Form noch Lage konstant erhält, sondern häufig wechselt und auch mit steigendem oder fallendem Wasserstande Aenderungen unterliegt. Diesen Aenderungen muss die Kette folgen können, und es wird dieserhalb sowohl als auch wegen der stetigen Dehnung der Kette zeitweise eine Verlängerung oder Verkürzung derselben nothwendig. Bei der Kette lässt sich dies durch Lösung einiger Kettenglieder, Ein- oder Ausschaltung eines Kettenstücks und Wiederverbindung durch Kettenschlösser ohne große Schwierigkeit ausführen. Ein gleiches findet auch bei etwaigen Kettenbrüchen statt, so dass Betriebsstockungen von längerer Dauer hieraus nicht entstehen.
Diesen Vortheilen stehen folgende Nachtheile gegenüber u. zw.: 1) beschränkte Steuerfähigkeit des Tauers, 2) großes Gewicht der Kette, 3) ungünstige Form und 4) hoher Preis derselben.
Die Steuerfähigkeit des Tauers ist am vollkommensten bei der Befestigung der Kette im Mittelpunkt des Schiffes und nimmt in dem Verhältniss ab, in welchem sich der Befestigungspunkt [224] vom Schiffsmittelpunkt entfernt. Beim Kettentauer liegt der Befestigungspunkt im Drehpunkt des vorderen Auslegers, also vorn und der Ablaufpunkt im Drehpunkt des hinteren Auslegers, also hinten. Da in Folge dessen die Kette den Tauer in der Lage der Kettenlinie vom vorderen bis zum hinteren Ausleger erhält, ist die Beweglichkeit des Tauers nach rechts oder links, oder die Steuerfähigkeit, beschränkt und von der Länge der vor oder hinter dem Tauer frei schwebenden oder aufgehobenen Kette abhängig. Diese Länge ist aber auf beiden Seiten nur eine geringe und dies ist eine Folge des großen Gewichts der Kette, ein Uebelstand der mit der Wassertiefe zunimmt, indem sich der Winkel, unter dem die Kette vom Flussbett nach dem Tauer auf- und absteigt, dem rechten um so mehr nähert, je größer die Wassertiefe wird. Das Heben der auflaufenden Kette vom Flussbett nach dem Tauer bedingt aber auch Kraftaufwand, also Verlust an Zugkraft und dieser nimmt ebenfalls mit der Wassertiefe zu. Beide erwähnten Nachtheile stehen der Verwendung der Kette in tiefen Flüssen, namentlich dort, wo ein lebhafter Verkehr ein häufiges Ausweichen bedingt, hindernd entgegen, treten jedoch bei weniger tiefen Flüssen, wie die Erfahrung bestätigt hat, nicht erheblich störend auf, da der Kraftverlust dort nur gering und die Steuerfähigkeit noch ausreichend ist, um mit dem Tauer den Krümmungen der Fahrrinne folgen, nach Bedürfniss ausweichen und die Kettenlage verändern zu können. Außerdem lässt sich aber auch das Bugsteuer und selbst der Anhang zur Steuerung des Tauers bis zu einem gewissen Grade mit verwenden, letzteres insofern, als man durch gekreuzte Schlepptrosse die Richtung des Anhang etwas ändern und diesen gewissermaaßen als Steuer benutzen kann.
Bei dem großen Gewicht der Kette folgt dieselbe dem Tauer überall unmittelbar nach und legt sich daher bei der Bergfahrt in solchen Krümmungen, bei denen sich die geringe Steuerfähigkeit geltend macht, hart an die konvexe Seite der Fahrrinne oder verlässt diese auch mehr oder weniger, so dass häufig ein Zurückverlegen nothwendig wird. Letzteres wird durch Thalfahrten mit dem Tauer erreicht, die indessen den Betrieb insofern stören, als beim Begegnen zweier Züge der Thalzug die Kette abwerfen muss. Uebrigens ist die Thalfahrt mit längerem Anhang auf Flüssen mit starker Strömung schwer durchführbar, weil bei der großen Geschwindigkeit des Tauers und der Anhangschiffe ein sicheres Lenken und Führen derselben nicht thunlich ist und auch die Möglichkeit fehlt, den Zug schnell in Ruhe zu versetzen. In Folge dessen würde der Zug manchen Havarien und die Schiffsmannschaft sogar Gefahren ausgesetzt seien; nur auf Flüssen mit mäßiger Strömung wird dieserhalb mit längerem Anhang zu Thal gefahren. Ein zeitweises Umlegen der Kette wird aber auch in Flüssen, welche große Mengen von Sinkstoffen führen, zur Verhinderung nachtheiliger Versandung der Kette nothwendig. Bei ihrem großen Gewicht und ihrer Biegsamkeit legt sie sich überall auf das Flussbett nieder und wird dort namentlich zur Zeit des Hochwassers mehr oder weniger von Sinkstoffen bedeckt. Das dann nothwendig werdende Heben der Kette erfordert nicht nur Kraftaufwand, sondern bedingt auch Betriebsstörungen, die in einzelnen Fällen, so an der Seine unterhalb Rouen zur gänzlichen Einstellung des Betriebs geführt haben. Begünstigt wird die Versandung der Kette noch durch die Form ihrer Glieder, indem die liegenden Glieder eine breite Fläche einnehmen, die stehenden aber sogar etwas in die Flussohle eindringen, das Heben also erschweren. Die Form der Kettenglieder giebt ferner zur Bildung von Verschlingungen Veranlassung und erzeugt endlich noch beim Uebergang der Kette über die Trommeln heftige Erschütterungen des Windeapparats, die wieder die Abnutzung desselben und die der Kette zur Folge haben. Da die Anspannung der Kette in der ersten Umwickelung am größten ist, werden auch die Trommelrillen dort am schnellsten abgenutzt und dies hat eine ungleichmäßiges Abrollen der Kette zur Folge, indem in den einzelnen Umwickelungen ungleiche Kettenlängen abzuwickeln sind. Dies kann nur durch zeitweises Gleiten der Kette, also durch Ueberwindung der ruhenden Reibung geschehen, bedingt daher eine viel stärkere Anspannung als zum Ziehen des zu schleppenden Anhangs erforderlich ist und veranlasst auch ein stetes Dehnen und Verlängern der Kette. Ihre Abnutzung wird außerdem noch durch die stete Reibung am Flussbett beschleunigt und ist aus allen vorerwähnten Gründen so erheblich, dass die betriebsfähige Dauer der Kette nach bisherigen Erfahrungen nur auf etwa 10–12 Jahre angenommen werden kann. Diese relativ kurze Dauer steht zu dem hohen Preise der Kette in ungünstigem Verhältniss und vermindert die Rentabilität der Ketten-Schiffahrt-Unternehmungen; trotzdem ist dieselbe immer noch eine so ausreichende, dass derartige Unternehmungen seit langer Zeit prosperiren.
Vortheile und Nachtheile des Seilschiffahrts-Systems.
Als Vortheile, sofern Tauer mit seitwärts lagerndem Seilapparat verwendet werden, sind anzuführen: 1) große Steuerfähigkeit, 2) geringes Gewicht des Seils, 3) günstige Form und 4) geringer Preis desselben. Die große Steuerfähigkeit des Seiltauers wird dadurch erreicht, dass das Seil nur auf geringe Länge mit dem Tauer fest verbunden ist und beim Durchfahren von Krümmungen die äußeren Leitrollen mehr oder weniger verlassen, im ablaufenden Theil sogar direkt von der Trommel in das Flussbett ablaufen kann, so dass dann der Tauer eine vom angespannten Seil abweichende Richtung einzunehmen vermag. Die Steuerfähigkeit ist jedoch wegen der seitlichen Lage der Trommel nach den beiden Schiffsseiten hin keine gleich große, trotzdem aber nach den Erfahrungen auf dem Rhein und der Maas so erheblich, dass selbst Kurven von 150 m Radius leicht passirbar sind.
Das Seil ist ferner viel leichter und von geringerem Querschnitt als die Kette bei gleich großer Festigkeit. Das geringe Gewicht erleichtert die Hebung des Seils von der Sohle der Wasserstraße nach dem Tauer, so dass es in dieser Beziehung besonders bei großen Wassertiefen zweckmäßig ist, umsomehr als dort gewöhnlich auch ein lebhafter Verkehr ein häufiges Ausweichen bedingt. Endlich ist das geringe Gewicht des Seils in Verbindung mit seiner Steifigkeit auch die Veranlassung, dass es auf größere Länge vor dem Tauer gehoben wird. Dies ist ebenfalls für die Steuerfähigkeit des Tauers und für die Erhaltung des Seils in der Fahrrinne vortheilhaft, so dass der Tauer bei der Bergfahrt in Kurven der konvexen Seite einigermaaßen ausweichen kann. In Folge dessen legt sich das leichte, steife, von der Richtung des Tauers weniger abhängige Seil in Kurven insoweit in die Fahrrinne nieder, dass ein Verlegen durch Thalfahrten nur zeitweise erforderlich wird. Auch die überall fast gleichmäßige Querschnittsform des Seils ist, wenngleich sie die Reibung vermindert, doch insofern ein Vortheil, als sie einen leichten Gang des Seils über Trommel und Leitrollen veranlasst und auch Versandungen des Seils nicht begünstigt. In dieser Beziehung verdient das Seil überhaupt vor der Kette den Vorzug, da es bei seiner geringen Dicke auch nur eine geringe Fläche der Versandung überlässt und bei seiner Steifigkeit sich nicht überall der Form des Flussbettes eng anschmiegt, in einzelnen wenn auch nur kurzen Strecken vielmehr, namentlich in lebhafter Strömung, eine gewisse Beweglichkeit behält, welche Versandungen theilweise verhindert oder doch erschwert. Wo jedoch Versandungen eintreten, erfordert die Hebung des Seils – da solche bei seiner Steifigkeit gleichzeitig auf größere Länge erfolgen muss – vermehrte Kraftanwendung. In einzelnen Fällen hat die starke Versandung des Seils seine Aufhebung unmöglich gemacht, so beispielsw. im Niederrhein bei Orsoy, woselbst sich grober Kies vorfindet, welcher noch ungünstiger wirkt, als Sand. Endlich ist der geringe Preis des Seils, welcher nur etwa 1/4 bis 1/5 desjenigen der gleich widerstandsfähigen Kette beträgt, ein Vortheil, der indessen durch die größere Abnutzung und geringe Dauer wieder abgeschwächt wird.
Diesen Vortheilen gegenüber sind als Nachtheile zu nennen: 1) großer Tiefgang des Tauers, 2) komplizirter Mechanismus des Windeapparats, 3) schwierige Verlängerung und Verkürzung des Seils und dessen Wiederverbindung bei Seilbrüchen und 4) leichte Zerstörbarkeit des Seils.
Der Tiefgang des Seiltauers mit seitwärts liegender Trommel beträgt nach bisherigen Erfahrungen in minimo 0,8 bis 0,9 m, also etwa doppelt so viel als der des Kettentauers. Es ist dies wesentlich eine Folge der Lage des Windeapparats außerhalb des Schwerpunkts des Fahrzeugs. Diese ungleichmäßige Belastung senkt schon den Tauer auf die Seite des Windeapparats; außerdem veranlasst aber auch das große Gewicht desselben eine Vermehrung des Tiefgangs. Bei der Steifigkeit des Seils lassen sich nur Trommeln und Leitrollen von großem Durchmesser und bei der unsymmetrischen Lage nur starke Transmissonstheile zur Uebertragung der Maschinenkraft auf den Apparat verwenden. Dementsprechend ist eine Vermehrung des Deplaçements und Verstärkung des Schiffskörpers erforderlich. Dies alles beeinflusst auch die Kosten der Herstellung und Unterhaltung des Tauers und macht diese erheblicher als diejenigen des Kettentauers. Bei der tiefen Eintauchung hat der Seiltauer in Flüssen von geringer Wassertiefe bisher nur eine beschränkte Anwendung gefunden. Der weitere wesentliche Nachtheil ist die aus der schwierigen Verlängerung oder Verkürzung des Seils resultirende Betriebsstörung. Das Seil lässt sich zwar leicht zerschneiden, dagegen nicht so einfach wieder verbinden, indem dabei ein Zusammenschließen der einzelnen Drähte erfolgen muss und dies im Interesse der Festigkeit des Seils nur durch Vertheilung der Stöße und Aufwickeln des Seils auf etwa 15–20 m Länge erfolgen kann.
Derartige Manipulationen erfordern nicht nur viel Zeit, sondern auch besondere Vorrichtungen und geübte Arbeiter. Außerdem ist aber zeitweise auch noch ein Aufrollen einer Seilstrecke dort erforderlich, wo überflüssige Seillänge entsteht. Gewöhnlich werden hierzu besondere Stations-Schiffe verwendet, um den Tauer von der Mitführung der Vorrichtungen zu entlasten. Auch diese Schiffe vertheuern die Anlage, Unterhaltungs- und Betriebskosten.
Als letzter Nachtheil tritt die leichte Zerstörbarkeit des Seils auf. Erfahrungsmäßig nämlich kommen Seilbrüche in Folge der Schlingenbildung und der Abnutzung durch Reibung und verschiedenartige Beanspruchung der Drähte vor. Endlich unterliegt das Seil auch der böswilligen Zerstörung. Da es zeitweise – wie die Kette – überschüssige Länge besitzt, bilden sich beim Ablauf Schlingen, die je nach ihrer Lage selbst der Schiffahrt hinderlich werden, namentlich aber Seilbrüche herbei führen können, ersteres insofern die Schlingen in Folge unregelmäßiger Gestaltung der Flussohle aufwärts gerichtet in das Fahrwasser hinein ragen und letzteres insofern der Anzug des Seils bei nicht regelmäßiger Auflösung der Schlingen ein Knicken einzelner Seil-Drähte veranlasst. Erfolgt nun auch nicht bei jedem derartigen Vorgang ein Seilbruch, so doch eine Schwächung des Seils, die dessen Abnutzung beschleunigt. Letztere entsteht aber ganz besonders [225] aus der steten Reibung beim Gleiten des Seils über Trommel, Seilräder und Flussohle. – Auch die verschiedenartige Beanspruchung der Drähte bald auf Zug, bald auf Druck und der stete Wechsel beider beim Uebergang über Trommel und Rolle beschleunigt die Abnutzung. Das Seil wird nämlich in denjenigen Drähten, die auf den Trommeln und Rädern liegen, auf Druck und in den direkt gegenüber liegenden Drähten auf Zug beansprucht. Erfahrungsmäßig ist aus diesen Gründen die betriebssichere Dauer des Drahtseils auf nur etwa 5–6 Jahre anzunehmen, in Folge der Vortheil der Billigkeit der ersten Anschaffung eine wesentliche Reduktion erleidet. Endlich wird die leichte böswillige Zerstörung des Seils den Betrieb oft stören. Dies hat sich beispielsw. bei dem im Niederrhein verlegten Seil gezeigt, welches bei der Aufhebung im Jahre 1881 auf der nur 6–7 km langen Strecke von Spijk nahe der holländischen Grenze bis Emmerich an 10 Stellen durchhauen vorgefunden wurde. Zum Theil wird das Durchhauen Schiffern zur Last gelegt, welche in der Tauerei eine gefährliche Konkurrenz erblicken, zum Theil mag auch die Behinderung beim Heben der Anker – die sowohl von der Kette, als auch vom Seil öfter erfasst werden – die Veranlassung gewesen sein. Bei der Kette ist wegen ihrer Stärke eine derartige Zerstörung nahezu ausgeschlossen, während sie bei dem aus einzelnen dünnen Drähten bestehenden Seil mit jeder Axt leicht herbei geführt werden kann.
[227]Stellt man die Vortheile und Nachtheile des erörterten Ketten- und Seilschiffahrts-Systems einander gegenüber, so ergiebt sich:
a) für die Tauer:
Der Kettentauer ist dem Seiltauer vorzuziehen wegen des geringeren Tiefgangs, des einfacheren Windeapparats, der geringeren Zahl Maschinentheile, sowie wegen der geringeren Anlage- und Unterhaltungskosten.
Der Seiltauer verdient den Vorzug vor dem Kettentauer wegen der größeren Steuerfähigkeit;
b) für das Tau:
Die Kette ist dem Seil vorzuziehen wegen der leichter und schneller ausführbaren Verlängerung, Verkürzung und Wiederverbindung bei Brüchen, wegen der daraus resultirenden geringeren Betriebsstörung, der größeren Sicherheit gegen böswillige Zerstörung und wegen der längeren Dauer.
Das Seil verdient den Vorzug vor der Kette wegen des geringeren Gewichts, der günstigeren Form, der geringeren Versandung, der konstanteren Lage in der Fahrrinne und wegen des geringeren Preises. – [228] Es erübrigt nun noch, der Versuche zu gedenken, welche bisher mit großer Ausdauer zu dem Zweck angestellt worden sind, das Seilschiffahrts-System durch Verlegung des Seilapparats nach der Mitte des Tauers zu vervollkommnen und hierdurch sowohl die Tauchtiefe des Tauers zu verringeren, als auch den Seilapparat zu vereinfachen. Die Schwierigkeit der Aufgabe bestand hauptsächlich darin, dem ablaufenden Seil die zum möglichst regelmäßigen Ablauf erforderliche Anspannung zu geben, da hierzu das geringe Eigengewicht des ablaufenden Seils im Gegensatz zur Kette nicht ausreichend war. Die ersten derartigen Anstrengungen datiren aus dem Jahre 1872 und erfolgten unter Bellingrath’s Zuziehung durch die deutsche Eisenbahnbau-Gesellschaft zu Berlin. Zwei in Dresden erbaute Tauer wurden schon 1873 auf der Oder (auf der Strecke Küstrin-Güstebiese an dem dort gelegten Drahtseil) versucht und in Betrieb gesetzt. Das Seil wurde über die Mitte des Tauers um zwei hinter einander stehende, mit Rillen versehene große Trommeln in dreifacher Umwickelung geführt und im ablaufenden Theil durch ein in Drehung versetztes Rollenpaar aufgenommen, welches das ablaufende Seil mit der erforderlichen Endspannung von den Trommeln abführen und ein regelmäßiges Ablaufen veranlassen sollte. Ein ähnlicher kleinerer Apparat war, behufs Abziehung des letzten Seilstücks von dort nach dem Flussbett, am Schiffsende angebracht. Das Rollenpaar des Hauptapparats bestand aus sogen. Pressrollen, deren Umfang mit Zähnen versehen war. Die Zähne erhielten Erhöhungen und Vertiefungen, ähnlich den Litzenwindungen des Seils. Die Pressrollen (von Wernigh erfunden) wurden durch belastete Hebel zusammen gepresst, erfassten das Seil anfangs fest und sicher und gaben demselben auch den zum Ablauf erforderlichen Anzug. Es bedurfte aber noch besonderer Leitrollen, welche das Seil den Pressrollen zuzuführen hatten. Der Apparat erforderte indessen eine aufmerksame Bedienung und außerdem nutzten sich die Zähne und ihre elastischen Unterlagen sehr bald ab, so dass das Seil nicht immer fest und sicher erfasst wurde und zeitweise sogar von dem Zahnkranz seitwärts abfiel. Trotz mancher vom Erfinder angebrachten Verbesserungen und Versuche, wozu auch die Stellung der Pressrollen auf beweglichen Wagen behufs Vermehrung der Steuerfähigkeit des Tauers und die Einführung von Seiltransmissionen zum Betrieb des Apparats gehören, ist es bis jetzt nicht gelungen, diesen im Prinzip guten Apparat betriebsfähig zu gestalten, so dass Wernigh ihn ganz aufgegeben und in neuester Zeit durch die von ihm erfundene Rolle mit wellenförmiger Rille in Verbindung mit Druckrollen ersetzt hat. Die Druckrollen leiten das ablaufende Seil in die wellenförmige Rille und treten, nach Angabe des Erfinders, bei nicht ausreichender Anspannung des Seils in Wirksamkeit, bei mehr als ausreichender Anspannung aber außer Wirksamkeit und zwar in beiden Fällen selbstthätig. Durch Erfindung der wellenförmigen Rille, welche den Vorgang beim Anzug eines angespannten Seils durch Menschenhände nachahmt, scheint das Problem der Abführung des ablaufenden Seils im Prinzip gelöst zu sein. Es frägt sich nur, ob die wellenförmige Rille keine zu schnelle Abnutzung erleidet und genügend lange Zeit betriebsfähig bleibt. Der Effekt am Modell ist in der That überraschend, indem die Reibung des Seils an der Rille erheblich größer ist, als bei gewöhnlicher Rille. Nach der Patentschrift ist die Kraft übertragende Reibung bei 6 Wellen auf dem 1 m langen Umfang = 1,93 Mal und bei 12 Wellen 7,57 Mal so groß als die Reibung der gewöhnlichen geraden Rille. Die größere Reibung bedingt selbstverständlich auch größere Abnutzung des Seils und der Rille und die Wellenform derselben seitlich wirkenden Druck, der Vibrationen der Rolle und dementsprechend auch Abnutzung ihrer Welle und deren Lager zur Folge haben muss. Auch ist das Seil vermehrten Biegungen ausgesetzt, die indessen bei 5 m Durchmesser jeder einzelnen Welle dem Seil jedenfalls nicht nachtheiliger sein werden, als die Biegungen auf den Seiltrommeln von 2-3 m Durchmesser. Ob sich die wellenförmige Rille im Betriebe weiterhin vollkommen bewährt, wird die Zukunft lehren. Nach Mittheilung des Erfinders soll sie sich beim Betriebe auf dem Niederrhein in der Zeit vom Septbr. 1880 bis Mai 1881 selbst beim Schleppen von 12 Kähnen mit 38 000 z Ladung vollständig bewährt haben. Auch soll durch Einschaltung einer Friktions-Kuppelung ein Gleiten des ablaufenden Seils vermieden sein und dasselbe eine solche Vorteilung erhalten, dass jederzeit die erforderliche Anspannung vorhanden ist.
Lfd. No. | Oertliche Lage | Benennung der Wasserstraße | Strecke | Länge | Betriebsdauer | Bemerkungen | ||
von | bis | km | von | bis | ||||
I. Zusammenstellung der Wasserstraßen, auf denen bisher Kettenschiffahrt eingeführt worden ist. | ||||||||
1. | Deutschland | Elbe | Böhm. Grenze | Magdeburg | 331 | 1869/71 | gegenwärtig | Es sind im Betriebe 28 Tauer. Dividende betrug 1880: 61/2 %, 1881: 81/2 % |
Magdeburg | Hamburg | 298 | 1870/74 | " | ||||
Saale | Barby | Calbe | 22 | ? | " | |||
Brahe | Brahemündg. | Bromberg | 13 | 1870 | " | |||
Neckar | Mannheim | Heilbronn | 113 | 1878 | " | Es sind im Betriebe 5 Tauer. Dividende betrug 1878: 6 %, 1879: 5 %, 1881: 6 % | ||
2. | Oesterrreich | Elbe | Außig | Böhm. Grenze | 39 | 1872 | " | |
Donau | Pressburg | Wien | 80 | 1871 | " | Dividende betrug bisher 51/2 – 61/2 %. Es liegt dort auch ein Drahtseil (vergl. II, 2) | ||
Wien | Stein | 80 | 1882 | " | Kette wird zur Zeit verlegt. | |||
3. | Frankreich | Seine (kanalisirt) | Montereau | Paris | 105 | 1856 | " | |
Paris | Conflans | 72 | 1854 | " | Kette früher 19 mm, jetzt 22 mm stark. Tiefgang der Tauer 0,45 m. | |||
Conflans | Rouen | 171 | 1860 | " | ||||
Rouen | Havre | 126 | 1860 | 1876 | Kette wurde wegen starker Versandung entfernt. | |||
Yonne (kanalisirt) | Laroche | Montereau | 93 | 1873 | gegenwärtig | Kettenschiffahrt findet in Frankreich auch noch in einzelnen kurzen Kanalstrecken Anwendung. | ||
4. | Russland | Wolga | Rybinsk | Twer | 375 | 1871 | " | |
Cheksner | Von d. Wolga | Petersburg | 445 | 1871 | " | Auf 278 km Länge wurde der, wegen zu geringen Gefälles der Wasserstraße nicht mehr rationelle Betrieb eingestellt.[WS 1] Reststrecke hat in manchen Jahren 30% Dividende gebracht. | ||
II. Zusammenstellung der Wasserstraßen, auf denen bisher Seilschiffahrt eingerichtet worden ist. | ||||||||
1. | Deutschland | Rhein | Bingen | Obercassel | 120 | 1875 | gegenwärtig | Seil 40 mm stark. Dauer 32/3 Jahre. Starke Strömung, scharfe Kurven. |
Obercassel | Cöln | 88 | 1873 | 1876 | Seil 36 mm stark. | |||
Cöln | Emmerich | 162 | 1873 | 1875 | Seil 36 mm stark. Unterhalb Ruhrort 1878 beseitigt. Seil wurde von 1876 ab unterhalb Ruhrort überhaupt nicht und oberhalb Ruhrort nur selten benutzt. | |||
Ruhrort | Emmerich | – | 1879 | 1881 | Stahl-Drahtseil 22[WS 2]mm stark. Betrieb hat nur zeitweise stattgefunden. Seil wurde 1881 auf der Strecke Ruhrort - Emmerich beseitigt. | |||
Emmerich | Rotterdam | – | 1879 | 1881 | ||||
Oder | Küstrin | Güstebiese | 47 | 1873 | 1875 | Seil 22[WS 3]mm stark. Das 1873 gel. Seil wurde 1875 aufgenomm. u in die Havel gelegt. | ||
Havel | Spandau | Deetz | 47 | 1876 | 1877 | Das Seil wurde 1876 gelegt, Betrieb wurde 1877 eingestellt, doch liegt das Seil noch jetzt. Gegenwärtig wird Kettenschifffahrt eingerichtet und zwar auf Havel und Spree von Pichelsdorf bis Berlin (Unterbaum). | ||
2. | Oesterreich | Donau | Pressburg | Gonyo | 80 | 1871 | ? | Seil 36 mm stark. Betrieb wurde eingestellt. Der Seiltauer wird gegenwärtig im Donaukanal verwendet. |
Gran | Almas | |||||||
Donaukanal | Nussdorf | Ebersdorf | 17,55 | 1881 | gegenwärtig | Seil 36 mm stark. | ||
3. | Belgien | Maas | Bocholt | Lüttich | ? | 1870 | " | |
Lüttich | Namur | 67 | 1868 | 1870 | Betrieb wurde wegen zu kleiner Schleusen eingestellt. | |||
Kanal | Charleroi | – | ? | 1870 | gegenwärtig | |||
Terneuzen-Kanal | Gent | Scheldemündung | ? | 1870 | " | |||
4. | Russland | Newa | Kronstadt | Petersburg | ? | ? | ? | Seiltauer mit horizontal liegender Fowler’scher Klappen-Trommel. |
5. | Amerika | Eriekanal | Buffalo | Lockport | 563 | 1871/73 | gegenwärtig | Seil 25 mm stark. Es liegen 2 Seile aus Stahldraht. Tiefgang der Tauer mit seitlicher Trommel: 1,52 m. Betrieb soll nur noch auf einzelnen Strecken stattfinden. |
Lockport | Rochester | 1879 | " |
Was nur allerdings den Umfang des Tauereibetriebes bis zur Gegenwart betrifft, so ergiebt sich derselbe aus den beigefügten, beiden Zusammenstellungen der Wasserstraßen, auf denen bisher Ketten- und Seilschiffahrt eingerichtet worden ist. Die Angaben der Zusammenstellungen sind zahlreichen litterarischen und sonstigen Quellen entlehnt, so dass für deren absolute Richtigkeit nicht eingestanden werden kann. Jedenfalls ergiebt sich aber aus den Angaben, dass sich sowohl das Ketten- als das Seil-Schiffahrts-System trotz der vorhandenen Mängel betriebsfähig erwiesen haben.
Zur Zeit ist sonach die Kettenschiffahrt noch im Betriebe, in Deutschland auf der Elbe, Saale, Brahe und dem Neckar auf 777 km Länge, in Oesterreich auf der Elbe und Donau auf 199 km Länge, in Frankreich auf der Seine und Yonne auf 441 km Länge, außerdem noch auf einzelnen kurzen französischen Kanalstrecken und in Russland auf der Wolga und dem Cheksner auf 375 + 167 = 542 km Länge. Die Seilschiffahrt aber ist im Betriebe in Deutschland auf dem Rhein von Bingen bis Obercassel auf 120 km Länge, in Oesterreich auf dem Donaukanal auf 17,55 km Länge, in Belgien auf der Maas, dem Charleroi- und Terneuzen-Kanal, deren Längen nicht angegeben werden können, in Russland auf der Newa von Kronstadt bis Petersburg und in Amerika auf einzelnen Strecken des 563 km langen Eriekanals. Frankreich besitzt somit keine Seil- und Belgien keine Kettenschiffahrt.
Ein absolutes Uebergewicht des einen über das andere Tauerei-System lässt sich aus Allem, was bisher über die Betriebsresultate bekannt geworden ist, nicht ableiten. Dazu bedürfte es der genaueren Kenntniss aller Internen der bestehenden Unternehmungen. [229] Für uns sind die Resultate in Deutschland von besonderem Interesse und diese ergeben allerdings für die Seilschiffahrt mit Ausschluss der Rheinstrecke Bingen-Obercassel nur Misserfolge, von denen indessen diejenigen am Rhein nur zum Theil dem System, zum Theil aber auch, wie dem Vortragenden aus eigener Erfahrung bekannt geworden ist, der Konkurrenz der sonstigen Schiffahrt, namentlich der Schleppschiffahrt mit Schraubendampfern, zur Last zu legen sind. Dagegen hat die Kettenschiffahrt in Deutschland besonders auf der Elbe bedeutende Erfolge erzielt, wie schon die in den letzten Jahren gezahlten Dividenden (für 1881 81/2 %) beweisen. Bei der beschränkten Fahrtiefe der meisten deutschen Wasserstraßen wird die Ketten-Schiffahrt auf diesen voraussichtlich auch für die Nächstzeit wenigstens so lange das Uebergewicht behaupten, als der Kettentauer den Seiltauer in Bezug auf geringen Tiefgang übertrifft. Aber auch bei gleichem Tiefgang beider Tauer wird die Kettenschiffahrt Bestand behalten, weil sie trotz mancher Nachtheile doch für den Betrieb wesentliche Vortheile bietet. Ob im speziellen Falle Ketten- oder Seilschiffahrt zweckmäßiger und bezüglich der Rentabilität günstiger ist, hängt von den speziellen Verhältnissen der Wasserstraße ab. Sowohl die Ketten- als die Seilschiffahrt werden noch manche Verbesserungen einzuführen, noch manche Entwicklungsstadien zu durchlaufen haben. –
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Im Originalscan ist die Bemerkung „Auf 278 km Länge wurde der, wegen zu geringen Gefälles der Wasserstrasse nicht mehr rationelle Betrieb eingestellt.“ der Wolga zugeordnet. Diese Zuordnung widerspricht jedoch der Berechnung der Gesamtlänge der Wasserstraßen mit Kette in Russland (375 + 167 = 542 km), die im Fliestext weiter unten erfolgt. Nach dieser Rechnung müsste die Einstellung des Betreibes an der Cheksner erfolgt sein. Anderen Quellen zufolge (Tauerei auf russischen Flüssen und Tauereibetrieb in Europa und Nordamerika betrifft die Einstellung von Teilen der Kettenschifffahrtsstrecke ebenfalls die Ceheksner.
- ↑ Zahl im Scan wurde handschriftlich überschrieben
- ↑ Zahl im Scan wurde handschriftlich überschrieben