Nachrichten und Notizen (DZfG Bd. 9)
Die erste Versammlung Deutscher Historiker liegt nun hinter uns, und wir dürfen dem Gefühl der Genugthuung über ihr Gelingen Ausdruck geben. Wohl liess der Besuch aus Norddeutschland, besonders von Norddeutschen Universitäten, wie vorausgesehen war, zu wünschen übrig, wohl gab es auch in dieser Versammlung, wie bei etwas verwickelten Verhandlungen, und nun gar in einer zum ersten Mal berathenden Gesellschaft, fast unvermeidlich, einen Moment der Abspannung und Verwirrung, in dem die vorher und nachher so deutlich erkennbare Grundanschauung verdunkelt zu werden schien, – aber das waren doch alles in allem nur untergeordnete Störungen. Die Lücken in der Betheiligung wurden wohl bedauert, aber die Stimmung der sehr stattlichen Versammlung wurde dadurch nicht beeinträchtigt, und durch die Verhandlungen, wenn wir sie im ganzen überblicken, ging ein einheitlicher Zug, das Bewusstsein von der Würde und Bedeutung freier historischer Wissenschaft.
Das zeigte sich am ersten Tage, als man den selbständigen Werth der Geschichte betonte, sie um ihrer selbst, um ihres eigenen Bildungswerthes willen gelehrt haben wollte, als man deshalb „den Potenzen und Interessen, von denen sie umworben wird“, ein deutliches „hands off“ zurief und zugleich sich gegen Schablonisirung verwahrte. Das trat auch am zweiten Tage hervor, als durch die Betrachtungen, wie man den praktischen Anforderungen der Lehrerausbildung auf den Universitäten am besten genügen könne, sehr entschieden und deutlich zugleich die beiden Gedanken sich hinzogen, dass dem Docenten wie dem Studirenden die Freiheit der Individualität verbleiben müsse und dass unter der Rücksicht auf die Lehrpraxis keinenfalls die wissenschaftliche Ausbildung der Geschichtslehrer leiden dürfe, dass vielmehr die „Erziehung zu selbständigem und unbefangenem historischen Urtheil“ durch Beschäftigung mit den Quellen, auch ohne unmittelbare praktische Verwendung, der wesentlichste Bestandtheil des historischen Universitätsunterrichtes sei. Das galt auch für den letzten Tag, als man unter der Devise „ohne Freiheit der Forschung keine Wahrheit“ die grösstmögliche Freiheit in der Benutzung handschriftlichen Quellenmaterials beanspruchte.
In der von dieser Zeitschrift gewidmeten „Festgabe“ war eine gewisse resignirte Mattigkeit beklagt, die an den Vertretern unserer heutigen [155] Bildung zu bemerken sei, und diese Stimmung aus der Empfindung abgeleitet, dass die geistige Führung der Nation an ganz andere Kreise übergehe, aus deren stürmischer Gährung neue zukunftsreiche Bildungsideale erwüchsen, wahrend unsere alexandrinische Wissenschaft wohl herrliche Besitzthümer pflege und ausbaue, aber immerhin ein wenig abseits vom eigentlichen Lebensstrom der Gegenwart stehe. Dieser allgemeine Charakterzug, wenn er richtig beobachtet ist, erklärt vielleicht zum Theil (aber auch nur zum Theil) die Zurückhaltung mancher Kreise, aber die Versammlung selbst beherrschte er nicht. Im erfreulichen Gegensatz dazu hiess es vielmehr: „wir wollen wirken und unsere Freude daran haben und wollen das, was wir als hohen Beruf des Historikers ansehen, zur Geltung im Staate bringen“. Es gab Momente, in denen durch diese Versammlung, die gewiss nicht zur Ueberschwänglichkeit neigte, die vielmehr im allgemeinen nüchtern sachlich verhandelte, doch etwas von jener Erhebung ging, die sich einstellt, wo ein ideales Interesse gemeinsam empfunden wird. In dieser Gesinnung war die Versammlung auch von der Zuversicht erfüllt, dass die dieses Mal begründete Gemeinschaft zu weiterer Wirksamkeit berufen und fähig sei.
Die Versammlung, die bekanntlich vom 5.–7. April in München stattgefunden hat, war von 107 Theilnehmern besucht. Darunter waren Süddeutsche Gymnasialkreise und Oesterreichische Universitäten sehr gut, die Norddeutschen Universitäten, wie schon erwähnt, recht schwach vertreten. Verschiedene ungünstige Umstände, z. Th. auch noch Zufälligkeiten, hatten darauf eingewirkt. Zum Vorsitzenden wurde Prof. Alf. Huber aus Wien, zum Stellvertreter desselben Prof. K. Th. Heigel aus München gewählt. Am 1. Tage, 5. April, wurde in zwei Sitzungen, Vormittags und Nachmittags, über die Frage des Gymnasialunterrichts, am 2. Tage Vormittags über den Seminarunterricht, am 3. über Benutzung von Archiven und Handschriftensammlungen berathen. Ehe man auseinanderging, beschloss man, nächstes Jahr in der Woche nach Ostern, d. i. also etwa 28.–30. März, in Leipzig wieder zusammenzukommen und einen Bericht über die diesjährigen Verhandlungen durch den vorbereitenden Münchener Ausschuss als Redactionscomité veröffentlichen zu lassen. Um so mehr können wir davon absehen, hier dem Gange der Verhandlungen Schritt für Schritt zu folgen. Wir werden uns vielmehr bemühen, die Hauptergebnisse und die in der Debatte geltend gemachten wichtigen Gesichtspunkte hervorzuheben. Am längsten ist dabei bei der Unterrichtsfrage zu verweilen, da darin die Meinungen am meisten auseinandergingen und auch die meisten Einzelfragen berührt wurden.
Gestaltung des Geschichtsunterrichts auf höheren Schulen. Der Versammlung war bekanntlich die Frage gestellt worden: a) „Inwieweit hat der Geschichtsunterricht zu dienen als Vorbereitung zur Theilnahme an den Aufgaben, welche das öffentliche Leben der Gegenwart an jeden Gebildeten stellt?“ – b) „Wie ist demgemäss der Geschichtsunterricht zu ertheilen?“
Als Referenten waren dafür Gymn.-Dir. R. Martens aus Marienburg (jetzt Elbing), Prof. A. Dove aus München und Prof. G. Kaufmann aus Breslau gewonnen. Es würde nun sehr wenig übersichtlich sein, wenn wir [156] die Thesen der drei Referenten in ihrem ganzen Umfang hier wiedergeben wollten. Es ist das um so weniger nöthig, als die Thesen, welche sich auf die zweite Frage bezogen, zwar vielfach in der Generaldiscussion berührt wurden, aber nicht zur Specialberathung und nicht zur Abstimmung kamen. Der Kampf in der Versammlung entbrannte, von Abschweifungen abgesehen, um die principielle Frage, ob dem Geschichtsunterricht eine besondere ausserhalb der rein historischen Belehrung liegende Aufgabe zu setzen und ihm damit eine bestimmte Richtung vorzuschreiben sei oder nicht.
Der erste Referent, Dir. Martens, legte seinen Standpunkt in den beiden ersten Thesen folgendermassen dar: „1. Der Geschichtsunterricht wird seiner Aufgabe, für das öffentliche Leben vorzubereiten, gerecht, wenn es ihm gelingt, das Staatsbewusstsein als die allbeherrschende verantwortungsvolle Pflicht gegen den Staat zu lehren und zum unverlierbaren Besitzthum des Einzelnen zu machen.“ – „2. Diese allgemeine Aufgabe des Geschichtsunterrichts hat sich in zwei Richtungen zu erfüllen: a) in der des Verstandes als der intellektuellen Ausrüstung mit den zur Erzielung und Erhaltung des Staatsbewusstseins nöthigen historischen Kenntnissen und der Fähigkeit, sie nach diesem Ziele hin zu gebrauchen (historischer Sinn); b) in der des Herzens und der Gesinnung als der Erzeugung der Kraft und Bereitwilligkeit im Sinne der gewonnenen Erkenntniss zu handeln (politischer Sinn).“
In der Rede, mit der er seine Thesen begründete, legte der Referent besonderen Werth darauf, das Staatsbewusstsein zu definiren und von der Vaterlandsliebe zu scheiden. Unter Staatsbewusstsein verstand Dir. Martens „das Bewusstsein der Rechte und Pflichten, welche der Staat gibt und fordert, gegründet auf eine eingehende Kenntniss vom Wesen des Staates, insbesondere des eigenen Staates, und entwickelt bis zur Kraft und Bereitwilligkeit demgemäss verantwortungsvollen Handelns“. Er wollte es geradezu mit dem Bewusstsein der Verantwortung identiiiciren; denn diese sei „das Bewusstsein unserer staatlichen Verpflichtungen“. Die Vaterlandsliebe könne durchaus passiv zu einer blossen Empfindung werden, das Staatebewusstsein nöthige zum Handeln. Dasselbe müsse das ganze Leben durchdringen, das ganze Bewusstsein des Einzelnen müsse Staatsbewusstsein werden; denn „nicht der Einzelne macht den Staat, der Staat macht den Einzelnen“. Politische Tendenzen lehne er ab, besonders den Vorwurf, als wolle er eine Störung unseres Verfassungslebens; aber allerdings sei er gegen parlamentarische Regierung und für ein starkes Königthum; dem öffentlichen Leben aber thue es Noth, ihm die vom Staatsbewusstsein erfüllten Gebildeten zuzuführen und dazu solle der Geschichtsunterricht dienen.
Correferent Prof. Dove vertrat am entschiedensten den Standpunkt, dass der Geschichtsunterricht nur historische Bildung zu geben habe und damit seine erzieherische Aufgabe erfülle. Seine beiden ersten Thesen lauteten: „1. Der Geschichtsunterricht dient dem öffentlichen Leben hinlänglich durch die Lösung seiner eigenen Aufgabe: den Grund für eine historische Bildung des Einzelnen zu legen“. – „2. Hierzu gehört: a) historisches Wissen, d. h.: eine umfassende und sichere Kenntniss der wichtigen geschichtlichen Thatsachen in ihrem Zusammenhang; b) historischer Sinn, d. h.: die Gewöhnung, [157] jedes Zeitalter aus der Gesammtheit seiner besonderen Verhältnisse heraus zu begreifen und zu beurtheilen, zugleich jedoch die Begebenheiten und Zustände desselben als das Ergebniss einer voraufgegangenen Entwicklung zu erfassen und zu schätzen; sowie ferner ein geistiges Augenmass für das Grosse und Kleine an Menschen und Dingen“. – Auf die übrigen Thesen Prof. Dove’s und auf Einzelheiten seiner sie erläuternden Rede werden wir später zurückzukommen haben. Hier sei nur erwähnt, dass er seine Definition des historischen Sinnes als das Eigenthum Treitschke’s bezeichnete.
Prof. Kaufmann, der zweite Correferent, hatte diese beiden Thesen im wesentlichen in die seinen übernommen. Wir geben seine eigene erste These hier wieder, indem wir auf die kleinen Abweichungen von der Doveschen Formulirung durch cursiven Druck aufmerksam machen. „Der Geschichtsunterricht dient der Vorbereitung für das öffentliche Leben am besten durch die rechte Lösung seiner allgemeinen Aufgabe: den Grund für eine historische Bildung der Schüler zu legen.“ In seiner zweiten These hatte Prof. Kaufmann Dove’s zweite These bis auf ganz kleine Abweichungen wörtlich wiederholt, aber noch drei Zusätze gemacht: er forderte als Bestandtheil des historischen Wissens unter a) auch das „Verständniss der wichtigeren politischen Begriffe und Einrichtungen“, als Bestandtheil des historischen Sinnes unter b) auch eine „gewisse Erfahrung über die Wandelbarkeit politischer Mächte und Zustände“ und als einen dritten selbständigen Bestandteil historischer Bildung: c) „die Erweckung der Vaterlandsliebe und eines strengen Pflichtbewusstseins gegen den Staat“, – womit er sich der ersten Martens’schen These einigermassen näherte.
Die Debatte des ersten Vormittags erhielt ihre Signatur vornehmlich dadurch, dass alle Redner, bis auf einen (Prof. Böhtlingk aus Karlsruhe), die Anschauungen des Referenten sehr entschieden bekämpften und damit den lebhaftesten Beifall der Versammlung fanden. Die Redner traten gegen Dir. Martens einmal aus allgemeinen und pädagogischen Gründen für das Recht der Individualität und der Familie gegen ein alles beherrschendes Staatsbewusstsein und gegen die Alleinherrschaft des Staates in der Schule auf – so schon die beiden Correferenten und der erste Redner der Debatte, Prof. Prutz, und dann besonders wirkungsvoll der Reichstagsabgeordnete und frühere Gymn.-Lehrer Prof. Kropatscheck, der sich selbst als Erzreactionär einführte, aber hier für die Freiheit der Individualitäten und das Recht der Familie focht. Er machte gegen den Referenten geltend, dass die Schule überhaupt in erster Linie unterrichten solle und eine erzieherische Aufgabe nur mittelbar neben dem Hause zu erfüllen habe. Dasselbe Motiv betonten noch mehrere Redner, unter ihnen Prof. Vogt aus Augsburg. Auch Prof. Grauert wandte sich am Schluss der Discussion von einem anderen Standpunkte aus gegen die einseitige Betonung des Staatsbewusstseins. Er wollte (ähnlich wie Prof. Kaufmann in seiner These 2b) die Wandelbarkeit politischer Zustände, neben diesem Wandel aber auch das Ewige in der Geschichte, die Würde und Bestimmung des Menschen hervorgehoben haben. Ueber den Pflichten gegen den Staat dürften die Gewissenspflichten und die Pflichten gegen Gott nicht vergessen werden. Von den meisten Rednern wurde auch die Zurücksetzung der Vaterlandsliebe [158] gegenüber dem Staatsbewusstsein beanstandet. Besonders eingehend behandelte dieses Thema Ministerialrath Baumeister mit Bezugnahme auf die Mannigfaltigkeit der concreten Verhältnisse im Deutschen Reich.
Ausserdem aber verwahrten sich die Redner dagegen, dass der Geschichtsunterricht eine politische Tendenz erhalte. Man muss zugeben, dass solche Tendenz mit den beiden mitgetheilten Martens’schen Thesen ihrem Wortlaut nach nicht nothwendig gegeben ist. Wenn nun trotzdem diese Frage in der Debatte des ersten Tages die Hauptrolle spielte, so lag das daran, dass Jedermann die Empfindung hatte, hinter diesem „Staatsbewusstsein“ stecke in Wahrheit doch die Politik, die Erziehung zu Mitgliedern der „staatserhaltenden Parteien“ im Sinne der jedesmaligen Regierung. Das schien nicht nur aus der früher von uns erwähnten Schrift des Referenten hervorzugehen, sondern es war trotz des theoretischen Protestes auch aus seiner Rede herauszuhören, wenn er, anschliessend an die hierin nicht glücklich formulirte Frage, dem „Gebildeten“ eine besondere Aufgabe im öffentlichen Leben stellte und für diese Aufgabe durch den Geschichtsunterricht vorbereiten wollte; es ergab sich diese Absicht ferner ganz klar aus einer ferneren These des Referenten, wonach im culturgeschichtlichen Unterricht „die Mittel und Wege zur Bekämpfung der heutigen Socialdemokratie auf dem Grunde des verantwortungsvollen Staatsbewusstseins gezeigt werden“ sollen. Es hatten auch nicht nur die Gegner des Referenten ihn so verstanden, sondern auch Prof. Böhtlingk fasste seine Forderungen so auf, da er vom Geschichtsunterricht die Waffen zur Abwehr der drohenden „Pöbelherrschaft“ verlangte.
Gegen alle Versuche, dem Geschichtsunterricht auch in scheinbar harmloser Form solche Aufgaben zu stellen, wandten sich zunächst die beiden Referenten: in ruhig-sicherer, ein wenig sarkastischer Weise Prof. Dove, voll von warmem Enthusiasmus für die von allem Parteigeist rein zu haltende heilige Aufgabe der Schule Prof. Kaufmann, dann in scharf formulirtem Widerspruch gegen den Begriff des Staatsbewusstseins und gegen jede directe Erziehung für das staatsbürgerliche Leben Prof. Prutz. Ihnen folgten noch andere Redner. – Es waren besonders zwei Gesichtspunkte die geltend gemacht wurden: jede solche von aussen gestellte Aufgabe bringe die objective historische Wahrheit, die auch im Unterricht über allen anderen Rücksichten zu stehen habe, und die subjective Wahrhaftigkeit des Lehrers in Gefahr, und ausserdem sei die Hervorkehrung einer Tendenz pädagogisch verkehrt, sie wecke bei einem Theile der Schüler den Widerspruch, erziele also bei diesen das Gegentheil der gewollten Wirkung, und sie führe bei anderen auch zu Conflicten zwischen Schule und Haus. – Besonders lebhaft wurde unter dem Beifall der Versammlung die in Preussen thatsächlich erhobene Forderung bekämpft, dass der G.-Unterricht darauf angelegt werde zu zeigen, wie die Monarchie von jeher sich um das Wohl und die Hebung der arbeitenden Classen verdient gemacht habe.
Diesen Ansichten, die am Vormittag den nahezu einstimmigen Beifall der Versammlung gefunden hatten, würde es nun entsprochen haben, wenn man die Thesen des Referenten abgelehnt, die des ersten Correferenten, vielleicht mit Aenderungen in Einzelheiten, angenommen hätte. Die Vormittags [159] klare Sachlage gerieth aber Nachmittags etwas in Verwirrung. Dazu trugen verschiedene Umstände bei: vor allem wohl das Gefühl, dem Referenten, nachdem er sachlich so scharfen Widerspruch gefunden hatte, in der Form nicht so schroff begegnen zu dürfen. Einige Redner, Archivar Dr. Winter und Oberlehrer Dr. Klatt, gingen so weit zu behaupten, es seien ja nur scheinbar Gegensätze vorhanden, in der Sache sei man eigentlich einig, und nur in der Form gehe man auseinander, eine Auffassung, die freilich von anderer Seite entschiedenen Widerspruch fand. Immerhin herrschte ein gewisses Vermittlungsbedürfniss vor, das noch genährt wurde durch den allzu schroff formulirten Antrag des Herausgebers dieser Zeitschrift, der Einzelberathung die Thesen der Correferenten zu Grunde zu legen.
Dieser Stimmung kam ein in der Mittagspause formulirter Antrag Stieve entgegen : „Der Geschichtsunterricht kann und soll nicht in der Weise als Vorbereitung zur Theilnahme an den Aufgaben des öffentlichen Lebens dienen, dass er in systematischer oder auf eine bestimmte Gesinnung hinzielender Weise auf dasselbe vorbereitet, er hat vielmehr zu dem fraglichen Zweck lediglich diejenigen geschichtlichen Kenntnisse zu übermitteln, welche zur späteren Theilnahme am öffentlichen Leben befähigen und die Neigung zu dieser Theilnahme anregen [für »anregen« wurde nachher »entwickeln« gesetzt], und zwar insbesondere durch Erweckung der Vaterlandsliebe und eines strengen Pflichtbewusstseins gegen den Staat.“
Es ist ja ganz klar, dass dieser Antrag inhaltlich so gut wie ganz den Kaufmann’schen Thesen entspricht, denen die Schlussworte sogar wörtlich entnommen sind; er formulirt das Wesentliche der Kaufmann’schen Thesen nur anders, zunächst negativ und insofern sogar noch schärfer, und mehr in der Form einer directen Antwort auf die gestellte Frage. Trotzdem wurde er ziemlich allgemein als ein Vermittlungsantrag aufgenommen, zum Theil offenbar aus dem äusseren Grunde, weil er eine aus der Verhandlung hervorgegangene neue Formulirung brachte, die nicht der scharfen Debatte des Vormittags zu Grunde gelegen hatte, und weil man das Bedürfniss fühlte, in der Form, wenn auch nur mit Benutzung einer Fiction, dem Referenten, dem man für die Uebernahme des Referats zu Dank verpflichtet war, entgegenzukommen.
Nun begab sich aber das Merkwürdige, dass Dir. Martens, als seine Thesen zur Abstimmung kommen sollten, sie „zu Gunsten des Stieve’schen Antrags“ zurückzog. Man hat in der Presse diesen Rückzug so deuten wollen, als ob der Referent durch die Debatte im wesentlichen zu den Ansichten seiner Gegner bekehrt worden sei, da ja der Antrag Stieve das genaue Gegentheil der ursprünglichen Martens’schen Thesen besagt. Stieve’s Antrag bestreitet dem G.-Unterricht die Fähigkeit und die Aufgabe in systemat. und in einer auf Erzeugung einer bestimmten Gesinnung hinzielenden Weise für das öffentl. Leben vorzubereiten, während die systemat. Erziehung zu einer bestimmten Gesinnung ja der Grund- und Eckstein der Martens’schen Thesen ist. Logischer Weise wäre also der Martens’sche Rückzug eine Bekehrung, aber thatsächlich war er es gewiss nicht; sondern erklärt wird er einmal durch dieselbe (von Dir. Martens sogar direct ausgesprochene) [160] Empfindung, die auch Andere in der Versammlung beherrschte, einen „Vermittlungsantrag“ vor sich zu haben, und dann durch den Umstand, dass der an Martens’ Auffassung etwas anklingende Schluss der Kaufmann’schen Thesen (mit der Betonung von Vaterlandsliebe und Pflichtbewusstsein gegen den Staat) hier durch die gedrängtere Fassung in unmittelbare Verbindung mit den principiellen Sätzen gebracht war und dadurch erheblich stärker hervortrat.
Genug, Dir. Martens zog seine Thesen zurück zu Gunsten eines Antrages, der die Grundanschauungen eines Theiles seiner entschiedenen Gegner getreu wiedergab, der dadurch aber nun erst recht als eine „Concordienformel“ erschien, obschon der Antragsteller Prof. Stieve diese Auffassung ausdrücklich abgelehnt hatte. Dieser Verwischung der Gegensätze wurde aber durch die Forderung entgegengetreten, dass der Schluss der Kaufmann’schen 2. These und ebenso der Schluss des Antrages Stieve, der die Annäherung an die Martens’sche Auffassung enthielt, und deshalb den Schein einer Vermittlung rechtfertigen konnte, getrennt zur Abstimmung gebracht werde.
Ueber die Martens’schen Thesen, die zurückgezogen wurden, ist überhaupt nicht abgestimmt worden; es lag aber nach den vorausgegangenen Debatten auf der Hand, dass sie gegen ganz wenige Stimmen abgelehnt sein würden. Zuerst kamen nun die Thesen Prof. Dove’s, dann die Prof. Kaufmann’s zur Abstimmung. Bei Anwesenheit von etwa 70 Theilnehmern erhielten die Thesen Prof. Dove’s 25, die Prof. Kaufmann’s, von denen aber eventuell der Schluss noch separat hätte zur Abstimmung kommen müssen, 27 Stimmen. Es blieb die These Prof. Stieve’s. In ihren Hauptsätzen bis zu dem Worte „entwickeln“ wurde sie mit 53 gegen 8–10 Stimmen bei einigen Enthaltungen angenommen, der noch ein wenig veränderte Schluss aber „insbesondere hat er auch die Liebe zum Vaterland und ein strenges Pflichtbewusstsein gegen den Staat zu erwecken“ wurde mit 38 gegen 29 Stimmen abgelehnt. Einige wenige enthielten sich der Abstimmung. Die angenommene These lautet also wie folgt: Der Geschichtsunterricht kann und soll nicht in der Weise als Vorbereitung zur Theilnahme an den Aufgaben des öffentlichen Lebens dienen, dass er in systematischer oder auf eine bestimmte Gesinnung hinzielender Weise auf dasselbe vorbereitet, er hat vielmehr zu dem fraglichen Zwecke lediglich diejenigen geschichtlichen Kenntnisse zu übermitteln, welche zur späteren Theilnahme am öffentlichen Leben befähigen und die Neigung zu dieser Theilnahme entwickeln.
Im Grunde genommen hat die Versammlung sich damit auf den Standpunkt des ersten Correferenten, Prof. Dove, gestellt, nur dass bei der Zusammendrängung der Gedanken in einen einzigen Satz der historische Sinn, den Dove neben den historischen Kenntnissen betonte, ganz über Bord gefallen ist, wohl ohne dass dieser Ausscheidung irgend eine Absicht zu Grunde lag. Mag man diese Vernachlässigung des „historischen Sinnes“ nun auch bedauern und den Dove’schen Thesen den Vorzug geben, so weist doch der zu Stande gekommene Beschluss mit der vollen wünschenswerten Deutlichkeit jede Tendenz und jede Ausbeutung des Geschichtsunterrichtes [161] für Parteizwecke zurück. Die Majorität, die den Schluss der These strich, ist freilich keine starke, sie stand der Minorität kaum wie 4 zu 3 gegenüber; aber diese Majorität wiegt doppelt, da sie sich bewusst war, mit ausdrücklicher Ablehnung der Sätze, welche die Vaterlandsliebe und die Pflicht gegen den Staat betonten, einen Schritt zu thun, der einer unangenehmen Missdeutung ausgesetzt war. Der leitende Gedanke dabei, wie ihn der Herausgeber dieser Zeitschrift als Antragsteller unmittelbar vor der entscheidenden Abstimmung kurz dargelegt hatte, und wie er sich im übrigen aus der Debatte ergibt, war der, dass der erziehende Einfluss des histor. Unterrichts und seine sittliche Kraft ganz in der Ausbildung eines objectiven historischen Verständnisses enthalten sei und dass sich die Anwendung auf mannigfache sittliche Verhältnisse auch des öffentlichen Lebens daraus von selbst ergebe, dass man aber, wenn man die Vaterlandsliebe und die Pflicht gegen den Staat einseitig hervorhebe, der Tendenz, die man im Eingang der These principiell zurückgewiesen hatte, eine Hinterthür öffne. Neben der Pflicht gegen den Staat hätten auch andere Factoren unseres Culturlebens und die Respectirung der Individualitäten das Recht genannt zu werden; neben der Vaterlandsliebe müsste man auch die Befreiung von nationaler Einseitigkeit nennen, um nicht nationaler Tendenz, die doch eben auch eine Tendenz ist, Vorschub zu leisten.
Wir dürfen also das Ergebniss dahin zusammenfassen: mit einer überwältigenden Mehrheit hat die Versammlung grundsätzlich erklärt, dass der Geschichtsunterricht nicht systematisch für das öffentliche Leben vorbereiten oder auf eine bestimmte Gesinnung hinzielen dürfe; und mit einer schwachen Mehrheit hat sie es, um jede Tendenz auszuschliessen, abgelehnt, auch nur die Erweckung der Vaterlandsliebe als ein besonderes Ziel des Unterrichts in bezeichnen.
Andere Thesen sind, wie gesagt, nicht mehr zur Abstimmung gekommen, in einigen Fragen aber ist doch die Meinung der Versammlung ziemlich deutlich hervorgetreten.
Um mit den Beziehungen zum öffentlichen Leben zu beginnen, so ist mit Annahme der verkürzten Stieve’schen These eigentlich schon das Verlangen des Referenten, den culturgeschichtlichen Unterricht auf eine Bekämpfung der socialdemokratischen Ideen zuzuspitzen, abgelehnt worden; dieses Verlangen war von verschiedenen Rednern, besds. Prof. Kaufmann, unter dem Beifall der Versammlung bekämpft worden und auch nach sonstigen Anzeichen ist wohl anzunehmen, dass sich eine starke Mehrheit gerade gegen diese Forderung zusammengefunden hätte.
Ebenso überwog offenbar in der Versammlung eine vorsichtige Zurückhaltung gegenüber dem Verlangen, dass die Culturgeschichte in den Vordergrund des Interesses treten sollte. Nicht nur stellten die beiden Correferenten Thesen in dem Sinne auf, dass die politische Geschichte das Centrum des Unterrichts bleibe und die Culturgeschichte ihr unterzuordnen sei, und nicht nur erhob Prof. Prutz seine Stimme für solche [162] Zurückhaltung, sondern auch Prof. Lamprecht warnte davor, die im Fluss befindliche Forschung und deren Probleme in den Unterricht hineintragen zu wollen. Dir. Martens hatte ebenfalls in seinen Thesen der politischen Geschichte die erste Stelle angewiesen, wollte aber die Culturgeschichte doch augenscheinlich stärker als die Correferenten betont haben. Auf seinen Standpunkt stellte sich Prof. Böhtlingk, und nicht unwahrscheinlich ist es, dass bei einer genauer eingehenden Erörterung der Frage diese Ansicht gegenüber der vielleicht gar zu weit gehenden Zurückhaltung der genannten vier Herren noch stärker zum Wort gekommen wäre.
Seiner Forderung, dass jede politische und kirchliche Tendenz dem Unterricht fern bleiben müsse, hatte Prof. Kaufmann auch in dem Verlangen Ausdruck gegeben, dass die Schüler im Geschichtsunterricht nicht nach Confessionen getrennt werden dürften, wie es hie und da noch geschieht. Lebhaften Widerhall fand dieser Gedanke in Ausführungen Prof. Vogt’s über den Eindruck unbefangener Würdigung grosser histor. Erscheinungen gerade durch Angehörige der fremden Confession. Ein Widerspruch wurde auch von katholischer Seite nicht erhoben, – ob vielleicht nur, weil die These nicht speciell zur Discussion stand, muss dahingestellt bleiben.
Vielfach berührt, aber in sehr verschiedenem Sinne, wurde die Frage, wie weit und in welcher Weise der Geschichtsunterricht Belehrung über die Zustände des gegenwärtigen öffentlichen Lebens zu geben hat, ob sich ihm also eine Art von „Bürgerkunde“ anschliessen soll. In der Stieve’schen These, die die „systematische“ Vorbereitung für das öffentliche Leben durchaus verwirft, könnte man sehr wohl schon eine Ablehnung dieses Gedankens finden; sicher aber war das nicht die Meinung aller Theilnehmer, welche für die These stimmten. Dass man nicht polit. u. nationalökon. Theorien lehren könne, war wohl ziemlich allgemein die Ansicht der Versammlung und wurde von Prof. Lamprecht für das wirthschaftliche Gebiet besonders ausgeführt. Die Forderung aber, dass die Schule das rein Thatsächliche über die wichtigsten Verfassungs-, Rechts- und Wirthschaftsverhältnisse mitzutheilen habe, wurde von mehreren Rednern, so von Prof. Böhtlingk, der dem Deutschen Studenten den 13jährigen Schweizer Volksschüler als Muster vorhielt, von Prof. Kaufmann und Archivar Dr. G. Winter (aus Magdeburg), sehr entschieden vertreten, von Anderen wie Prof. Dove, wenn auch mit einer leisen Skepsis an dem Nutzen, doch auch anerkannt, während Oberl. Dr. Klatt (aus Berlin) behauptete, das Wesentlichste, was man verlange, eine genaue Kenntniss der Deutschen Reichsverfassung, sei schon jetzt bei jedem Schüler zu finden, und während noch Andere, wie Prof. Prutz, Prof. Lamprecht und Prof. Kropatscheck, die Berechtigung der ganzen Forderung bestritten. Prof. Kr.’s Widerspruch richtete sich gegen diese „Bürgerkunde“ besonders in der Ausdehnung, die ihr der 2. Referent Prof. Kaufmann, geben wollte. Auch die Kenntniss gewisser wichtiger Einrichtungen des Geschäftslebens wünschte dieser in sie hineinzuziehen, dafür freilich sie in die Mittelclassen zu verlegen und sie vom Geschichtsunterricht völlig loszutrennen. Diese letztere Ansicht wurde auch sonst getheilt, während Dir. Martens die „Bürgerkunde“ mit der neuesten Geschichte vereinigen wollte. Gewiss liegt ja in der Verbindung dieses [163] Unterrichts mit der Darstellung der neuesten Geschichte für den Lehrer selbst die Gefahr einer tendenziösen Behandlung, die bei Abtrennung der Bürgerkunde vom Geschichtsunterricht weit leichter vermieden wird. Auf der andern Seite aber steht eine Unterweisung über die Rechts- und Verfassungsverhältnisse der Gegenwart offenbar im allernächsten Zusammenhang mit der neuesten Geschichte.
Die Ausdehnung, welche dem Unterricht in der neuesten Geschichte zu geben sei, wurde mehrfach in den Thesen und Debatten berührt. Dir. Martens wollte, entsprechend den Preussischen Verfügungen, den Unterricht bis zur Schwelle der Gegenwart fortführen, Prof. Dove und Prof. Kaufmann verlangten dagegen, dass man 1871 abschliesse. Diese Ansicht wurde u. a. von Prof. Kropatscheck und Minist.-Dir. Baumeister unterstützt, und eine sehr starke Strömung in der Versammlung ging offenbar nach dieser Richtung. Eine noch weiter zurückliegende Grenze wurde wenigstens in öffentlicher Versammlung nicht vertreten.
Die Frage, wie nun für die ausgedehntere und eingehendere Behandlung der neueren Geschichte Raum zu gewinnen sei, wurde in der Debatte nur schwach gestreift, eigentlich nur indirect durch die Erörterung über das Schicksal der alten Geschichte. Dass diese ihre propädeutische Stellung ungeschmälert behalten müsse, hatten die beiden Correferenten in ihren Thesen vertreten; Prof. Kaufmann aber hatte in ausdrücklichem Gegensatz zu den neuen Preussischen Lehrplänen sich auch gegen die Schmälerung ihres Platzes in den Oberclassen gewandt. In dem Berechtigungswesen und in dem Abschluss, der deshalb in Untersecunda erreicht werden solle, wurde von ihm die Ursache dieses Missstandes wie manches anderen gefunden. Von anderer Seite fand diese Ansicht, dass es unthunlich sei, die alte Geschichte in dem einen Jahr der Obersecunda durchzugehen, lebhafte Unterstützung; ob aber die letzten vier Jahre, in der Art vertheilt werden sollen, dass die alte Geschichte wie früher allein zwei Jahre, Mittelalter und Neuzeit zusammen nur ebenso viel zugetheilt erhalten, darüber sprach man sich nicht näher aus. Die Gegner, welche die alte Geschichte zu Gunsten der mittleren und neueren einschränken möchten, kamen, da das Thema nicht eigentlich zur Discussion stand, nicht recht zu Worte. Vom Referenten abgesehen, auf den wir gleich zurückkommen, betonte nur Dr. Klatt entschieden, dass zwei Jahre für Mittelalter und Neuzeit nicht genügten. Fraglos war aber auch diese Ansicht unter den Versammelten stärker vertreten. Dir. Martens ging übrigens in seinem Schlusswort so weit, dass die alte Geschichte, da sie einmal nicht ordentlich gegeben werden könne, am besten ganz im oberen Cursus fortfalle und ihre Berücksichtigung den Philologen bei der Lectüre der classischen Schriftsteller überlassen bleibe, so dass man für Mittelalter und Neuzeit die drei letzten Jahre (Obersecunda und Prima) verfügbar hätte.
Ein ganz anderes, weit verlockenderes Bild entrollte Dr. Baldamus ans Leipzig von der in Sachsen eingeführten Vertheilung des Stoffes auf die einzelnen Classen. Der erste Cursus schliesst dort mit Untertertia ab, und es bleiben dann also fünf Jahre für den letzten doch eigentlich entscheidenden Cursus, zwei für Alterthum, eins für Mittelalter, zwei [164] für Neuzeit. Dabei ist auf den Einschnitt zwischen Unter- und Obersecunda, der durch das Berechtigungswesen veranlasst ist, also gar keine Rücksicht genommen. Es drängt offenbar alles darauf hin, die Rücksichtnahme auf das Einjährigfreiwilligenthum inmitten eines auf den Abschluss mit der Prima berechneten Unterrichtes, diesen Krebsschaden unseres höheren Schulwesens, allgemein zu beseitigen und zu sagen: keinerlei Berechtigung ohne völlige Absolvirung einer Schule. – Den Abschluss mit Untersecunda wollte Dir. Martens freilich aus pädagogischen Gründen aufrechterhalten.
Sehr lebhaft kam in der Versammlung die Ansicht zum Ausdruck, dass mit der Ueberbürdung, wenigstens der Ueberbürdung des Gedächtnisses, sehr viel Schwindel getrieben sei. Klang diese Anschauung schon in den Thesen Prof. Dove’s leise an, indem er umfassendes Wissen forderte, und hatte Prof. Kaufmann sie in die Forderung einer bestimmten Anzahl von Daten, die auswendig zu lernen seien, umgesetzt (c. 150 aus der alten Geschichte, reichlich doppelt so viele aus Mittelalter und Neuzeit), so trat sie mit weit kräftigeren Accenten in den Reden von Prof. Prutz, Prof. Kropatscheck und Anderen hervor. Auf die ungläubige Heiterkeit der Versammlung stiess ein von Prof. Prutz erwähnter Preussischer Ministerialerlass, der das Repetiren und besonders das Repetiren in alter Geschichte bei Disciplinarstrafe verbietet. Es überwog offenbar die Auffassung, dass die Kenntniss der einzelnen Thatsachen neben den allgemeinen Ideen und der Erziehung ihren Platz behaupten müsse. – Gewiss würde man daneben auch anerkannt haben, dass vielfach mit dem Auswendiglernen viel zu weit gegangen wird. Bei besonderer Erörterung des Punktes wäre diese Ansicht, die in diesem Jahre nicht recht zum Wort kam, sicher sehr entschieden vertreten worden.
In einem besonderen Satze seiner Thesen bekämpfte Prof. Dove die Versuche, im Schulunterricht neben der positiven lebendigen Darstellung auch Hinweise auf kritische Quellenbenutzung zu geben, und unter dem lebhaften Beifall der Versammlung wandte er sich gegen Quellenbücher und „Quellenschnüffelei“. Dass in dieser Zeitschrift eine andere Auffassung vertreten ist, wird den Lesern bekannt sein. In der Versammlung kam sie nicht mehr zum Wort.
Der regressiven Methode, die, mit der neuesten Geschichte beginnend, rückwärts gehen will, wurde nur als einer „Herausforderung der historischen Wissenschaft“ gedacht. Eine Resolution, die sie ausdrücklich verurtheilen sollte, wurde von Prof. Böhtlingk eingebracht, eine andere desselben Inhalts von Prof. Egelhaaf, beide aber kamen wie alle anderen nicht mehr zur Abstimmung.
Einige Fragen betrafen dann noch die Ausbildung und Stellung der Lehrer.
Dass der Geschichtsunterricht in den oberen Classen von geschulten Historikern ertheilt wird, ist ja in Preussen jetzt meist durchgeführt, ist aber in einigen anderen Staaten, so in Baiern und Hessen, noch ein pium desiderium. Für diese Forderung trat mit besonderem Nachdruck Prof. Vogt (aus Augsburg) auf, und Prof. Egelhaaf berücksichtigte dieselbe ebenfalls in einer von ihm beantragten These. Dass die Versammlung [165] principiell fast einstimmig auf ihrer Seite stand (mehrere Redner behandelten die Forderung als selbstverständlich), ist wohl sicher. Ueber die Ausführungsbestimmungen (betr. Examen etc.), von denen in dieser Zeitschrift öfter die Rede war, ist damit natürlich nichts entschieden.
Die beiden Correferenten hatten ferner beantragt, zu erklären: eine Unterweisung über das öffentliche Leben der Gegenwart könne nur dann Nutzen stiften, wenn Studiengang und amtliche Prüfung der Lehrer, die diesen Unterricht ertheilen sollen, ausdrücklich auch auf das Gebiet der Staatswissenschaften erstreckt werden. Die Versammlung schien dieser Ansicht im allgemeinen beizupflichten.
Prof. Kaufmann hatte ausserdem als eine unerlässliche Vorbedingung für einen gedeihlichen Unterricht gefordert, dass auf die Lehrer keinerlei Druck von politischen oder kirchlichen Behörden geübt werde und dass ihnen nicht durch eine Ueberlastung die Möglichkeit wissenschaftlicher Vertiefung und Erfrischung abgeschnitten sei. Die erste dieser Forderungen fand sich auch in einer These Prof. Egelhaaf’s wieder und wurde in der Debatte noch präciser dahin formulirt, dass besonders bei Ausdehnung des Unterrichts auf neueste Geschichte die unabhängige Stellung des Lehrers wirksamer als bisher gegen Eingriffe der Behörden gesichert werden müsse. Widerspruch erfuhr dieses Verlangen nicht; auf welche Weise aber ihm genügt werden könne, wurde nicht näher erörtert.
Endlich wünschte Prof. Egelhaaf noch eine Art Protesterklärung, des Inhalts, dass der Geschichtsunterricht auch bisher in allen wesentlichen Punkten schon seine Aufgabe erfüllt habe. Die Kritik, die von hoher Stelle in Preussen am bisherigen Geschichtsunterricht geübt sei und die mit den Ausgangspunkt der lebhaften Erörterungen bilde, habe man, so führte Redner aus, als eine unverdiente Kränkung empfunden, und man müsse sich gegen dieselbe verwahren. Die Versammlung schien das Bedürfniss eines solchen Protestes nicht recht zu empfinden.
Einrichtung der Universitätsseminare. Die Erörterung über die Seminarübungen hatte einen ganz anderen Charakter als jene über die Unterrichtsfrage. Während in dieser das Bedürfniss vorherrschte, zu gewissen in der Oeffentlichkeit erhobenen Forderungen principiell Stellung zu nehmen, und entgegengesetzte Anschauungen sich scharf bekämpften, tauschte man hier mehr erzählend und plaudernd Erfahrungen aus. Thesen waren überhaupt nicht aufgestellt, der Referent Prof. W. Arndt aus Leipzig behandelte das Thema wesentlich historisch, erzählte, wie es bei Ranke und Waitz gewesen, wie die „historischen Uebungen“ sich durch die Schüler von Waitz und Sybel verbreitet hätten und wie dann nach dem Muster naturwissenschaftlicher Institute die Errichtung von Seminaren, d. h. einer Handbibliothek und eines Arbeitsraumes, hinzugekommen sei und sich überall eingebürgert habe. Nach anfänglichen Bedenken habe er selbst sich doch mit den überwiegenden Vortheilen eines solchen Instituts befreundet. Er schilderte die Einrichtungen des Leipziger Seminars, erörterte die verschiedenen Methoden kritischer Uebungen, für die sich bestimmte Vorschriften nicht geben liessen, da die Individualität des Lehrers [166] immer ausschlaggebend sein werde. Das Wesentliche sei jedoch überall, zu wissenschaftlicher Selbständigkeit zu erziehen. Das sei das Hauptziel sowohl bei Ranke wie bei Waitz gewesen, die ausserdem der Individualität jedes Schülers freien Spielraum gelassen hätten.
Auf das pädagogische Seminar ging Referent nur mit wenigen Worten ein, um andere Collegen zu Mittheilungen zu veranlassen. Ein solches pädagogisch-historisches Seminar, das wesentlich Vortragsübungen gewidmet war, bestand bekanntlich früher in München. Prof. Heigel berichtete von Erfahrungen wenig ermuthigender Art, zeigte sich aber wie auch sein College Prof. Grauert nicht abgeneigt, diese Uebungen in etwas veränderter Gestalt wieder aufzunehmen, besonders da Prof. Stieve und Prof. Meyer v. Knonau über günstigere Erfolge von ähnlichen Uebungen zu berichten wussten.
Die Frage, ob lediglich kritische Uebungen oder daneben auch solche, die mehr die künftige Thätigkeit der Lehrer im Auge hätten, abgehalten werden sollten, bildete den Mittelpunkt der Erörterungen. Prof. Stieve warf die Frage auf, ob in erster Linie Forscher oder Lehrer ausgebildet werden sollten; er trat gegen die Züchtung von Specialisten, gegen die schon von Waitz beklagte Ueberfüllung der kritischen Seminare, bei der schliesslich die Docenten zu Grunde gingen, und gegen die Ueberschwemmung mit Dissertationen auf und verlangte, dass der Schüler in den Uebungen ein grösseres Thema ohne Specialstudien auf Grund der Literatur in grossen Zügen behandeln lerne. Uebungen dieser Art sind, wie der Referent erwähnt hatte, früher auch in Berlin abgehalten worden, jetzt aber dort wohl auch eingegangen. Der einseitigen Ausbildung von Specialisten und Doctoranden war freilich der Referent schon selbst, z. Th. mit den Worten von Waitz, entgegengetreten, und die übertriebene Entwicklung des Seminarwesens, bei der der Student schliesslich jeden Tag mit Uebungen besetzt hat, fand auch sonst energischen Tadel, – so u. a. durch Prof. Kaufmann; aber die von Prof. Stieve gegebene Formulirung des Gegensatzes, ob Forscher oder Lehrer auszubilden seien, wurde von verschiedenen Seiten als unzutreffend zurückgewiesen.
Nicht vorzugsweise um die Schulung von „Forschern“ handle es sich im kritischen Seminar, sondern darum, dass der künftige Lehrer einmal in seinem Fache wissenschaftlich arbeiten gelernt habe und zu den Quellen hinabgestiegen sei; für die Ausbildung wissenschaftlich geschulter Lehrer seien die kritischen Uebungen nicht zu entbehren. Das machten in Uebereinstimmung mit Prof. Arndt u. a. gerade die Schulmänner wie Prof. Kropatscheck, Dir. Friedländer, Dir. Martens geltend. In besonderer Anwendung auf die Kirchengeschichte vertrat Prof. Kolde aus Erlangen einen ähnlichen Standpunkt. Zu selbständigem Urtheil solle der Studirende durch wissenschaftliche Arbeiten befähigt werden. Prof. Grauert verfocht zugleich noch lebhaft die Bedeutung der Seminare als Stätten wissenschaftlichen Forschens. In der engen Verbindung von Forschung und Lehre liegt der eigenthümliche Werth unserer Universitäten.
Daneben wurden doch auch die von Prof. Stieve erhobenen Forderungen kräftig vertreten. Was neben der Einführung in die wissenschaftliche [167] Methode verlangt wurde, lässt sich wohl in zwei Punkte zusammenfassen: erstens Erziehung zu allgemeiner weltgeschichtlicher Betrachtung, zur Erfassung der wesentlichen Momente in grösseren Entwicklungen, und zweitens Gelegenheit zur Uebung in mündlicher und schriftlicher Darstellung. Die Betonung der grossen weltgeschichtlichen Gesichtspunkte, von denen man ja jetzt zum Glück wieder reden dürfe, ohne unwissenschaftlich zu erscheinen, wollten die Einen, wie Dr. Baldamus, den Collegien zuweisen, während Andere, wie Prof. Stieve, darauf auch in den Uebungen besonderen Werth legten. Prof. Brückner sah das Heil in einer Vereinigung von Colleg und Prakticum. Prof. Lamprecht glaubte den verschiedenen Aufgaben in denselben Uebungen genügen zu können, indem Einzelfragen kritisch behandelt würden, Vorträge zur Verbindung dienten, die Erörterung grösserer Gesichtspunkte sich anschlösse. Prof. Bachmann, der auch aus dem Waitz’schen Seminar berichtete, wollte ebenfalls einheitliche Uebungen, wesentlich zur Einführung in die Quellen, aber mit Annäherung an die Stieve’sche Auffassung. Zweierlei getrennte Arten von Uebungen dagegen wurden, wie gesagt, früher in München gehalten und bestehen jetzt in der Schweiz. Von den Züricher Vortragsübungen, die durch besondere Verhältnisse (durch die Theilnahme von pädagogisch geschulten Lehrern, durch die Mischung der verschiedenen Nationalitäten und durch Anwesenheit von weiblichen Studenten) begünstigt sind, entwarf Prof. Meyer v. Knonau ein anziehendes Bild. Für die Uebung in Aufsätzen und Vorträgen trat im Anschluss an Stieve besonders Prof. v. Scala ein, doch wurde die Nothwendigkeit, darin mehr als bisher zu thun, und der wachsenden Vernachlässigung des Deutschen Ausdrucks entgegenzuwirken, von den meisten Rednern erwähnt.
Eine besondere Art von Uebungen, Besprechungen, welche an die Lectüre von wichtigen darstellenden Werken unserer Deutschen Geschichtsliteratur anknüpfen und die Studirenden zu solcher Lectüre anhalten, wurde von Prof. Kaufmann empfohlen.
Benützung von Archiven und Handschriftensammlungen. Ueber die Verhandlungen des letzten Tages können wir uns am kürzesten fassen; denn Meinungsverschiedenheiten traten hier nur in untergeordneten Punkten hervor, und die nahezu einmüthige Meinung der Versammlung ist in den Thesen, die wir unten wiedergeben, getreu zum Ausdruck gekommen. Der Referent, Prof. Heigel, begründete dieselben in einer sehr wirkungsvollen, mit lebhaftem Beifall aufgenommenen Rede, deren Hauptgesichtspunkte sich natürlich mit den Thesen deckten, so dass wir hier auf sie nicht näher einzugehen brauchen, um so weniger, als sie in der AZtg Nr. 103–4 im Wortlaut vorliegt. Ueber die Thesen hinaus griff sie nur in einem Punkte, der die wissenschaftliche Archivbenützung ja nicht unmittelbar berührt: unter besonders lebhafter Zustimmung der Versammlung verlangte der Redner, dass auch das fiskalische Interesse gegenüber Gemeinden und Privaten kein Grund zur Verweigerung der Archivalien sein dürfe; gerade in diesem Falle müsse vielmehr unbedingte Archivfreiheit herrschen, die zu befürchtenden fiskalischen Nachtheile seien gering im Vergleich zu [168] dem Uebelstande, dass der Staat durch Vorenthaltung der Archivalien gegen Recht und Billigkeit verstosse.
Die nachfolgenden Redner, zunächst die Archivbeamten Dir. Wiegand aus Strassburg, Reichsarchivassessor Wittmann aus München, Generalmajor von Wetzer aus Wien, dann auch Prof. Böhtlingk aus Karlsruhe traten dem Referenten in allen wesentlichen Punkten bei. Von neuen Gesichtspunkten wäre etwa noch die Anregung Dir. Wiegand’s hervorzuheben, möglichst auf diplomatische Vermittlung zu verzichten und sich direct an die Verwaltungen zu wenden.
Widerspruch fanden von den Vorschlägen des Referenten eigentlich nur zwei Punkte, die Drucklegung von Repertorien und das Normaljahr. Prof. Heigel hatte in seinen Thesen auch den Druck gut gearbeiteter Repertorien gefordert. Gegen die Ausführbarkeit und z. Th. auch gegen die Zweckmässigkeit dieses Wunsches wandten sich die genannten drei Archivare, und Prof. Heigel liess darauf die betreffende These fallen.
Als Normaljahr, bis wohin die Benutzung frei sein sollte, hatte Referent ursprünglich das Jahr 1848 genannt. Gegenüber den Bedenken eines Theiles der Versammlung setzte Referent aber, um möglichst einstimmige Annahme zu ermöglichen, 1847 ein, und in dieser Form wurde die These mit allen gegen 3 Stimmen genehmigt. Ausdrücklichen Widerspruch erhob Ass. Wittmann, der auch das fiskalische Interesse vertreten hatte.
Die übrigen Thesen fanden einstimmige Annahme. Es wurde zugleich beschlossen, sie den betheiligten Behörden und Parlamenten vorzulegen. Wir theilen hier nun den beschlossenen Wortlaut mit:
1. Es erscheint wünschenswerth, dass sich alle Regierungen den Grundsätzen, welche im Erlass des k. Preuss. Cultusministeriums vom 8. Jan. 1890 in Bezug auf Versendung von Handschriften aus öffentl. Bibliotheken aufgestellt sind, anschliessen möchten.
2. Die Entscheidung, ob einem Gesuch um Archivbenützung zu wissenschaftlichen Zwecken zu willfahren sei, soll ohne besondere Ermächtigung durch die Staatsregierung dem Leiter des Archivs zustehen.
3. Als Normaljahr, bis zu welchem Archivalien zu wissenschaftlicher Benützung überlassen werden, ist das Jahr 1847 für alle Archive festzusetzen.
4. Den Archivvorständen soll freigestellt sein, vertrauenswürdigen Forschern auch Einsicht in die Repertorien und Zettelkataloge zu gewähren.
5. Urkunden, Handschriften und Acten sollen zu wissenschaftlicher Benützung an jedes andere Archiv (Bibliothek) verschickt werden, falls sich das entleihende Archiv zur nämlichen Dienstleistung bereit erklärt und für sichere Aufbewahrung und Rücksendung verbürgt.
6. Es wäre wünschenswerth, dass für Abschriften, welche von Beamten oder Bediensteten der Archive im Dienste von Privaten gefertigt werden, eine einheitliche Taxe für ganz Deutschland festgesetzt würde.
[169] Die Generalversammlung des Gesammtvereins der Deutschen Geschichtsvereine, die im September vorigen Jahres wegen der Choleragefahr ausfiel und Pfingsten 1893 zu Münster stattfinden sollte, ist durch Beschluss der Ortsausschusssitzung vom 18. April jetzt endgültig aufgegeben. Die nächste Versammlung wird im Herbst in Stuttgart zusammentreten.
Die Verhandlungen des 10. Deutschen Geographentages, der in der Zeit vom 5.–7. April in Stuttgart stattfand, haben manches für den Historiker Interessante ergeben. Zu erwähnen wäre vorerst die reichhaltige Ausstellung, welche die Entwicklung der Kartographie in Schwaben, speciell Württemberg, seit den ältesten Zeiten veranschaulichte. Inspector C. Regelmann hatte für dieselbe einen trefflichen Leitfaden (Abriss einer Geschichte der Württembergischen Topographie, Sonderabdruck aus den Württemb. Jbb. für Statistik u. Landeskunde 1893) verfasst.
Vorträge hielten u. a. Prof. Dr. J. Rein über die Rückwirkung der neuen Welt auf die alte, Prof. J. Hartmann über die landeskundliche Erforschung Schwabens und die Besiedelungsverhältnisse daselbst, Prof. Dr. L. Neumann über Geographie als Gegenstand des akad. Unterrichts, Prof. Dr. A. Kirchhoff über die Vorbereitung der geogr. Lehrer für ihren Beruf. Ueber den Stand der Herstellung einer einheitlichen Erdkarte 1 : 1,000 000 berichtete Prof. Dr. E. Brückner. Der 11. Geographentag wird im Jahre 1895 in Bremen zusammentreten, und zwar so, dass er jedenfalls dem im selben Jahre in London sich versammelnden internet. Geographencongress zeitlich vorausgeht.
Den Bericht über die Arbeiten der Centralcommission für wissenschaftliche Landeskunde von Deutschland erstattete deren Vorsitzender, Prof. Dr. A. Penck. Neu eingetreten sind bei derselben als Mitglieder Prof. Dr. E. Oberhummer für Baiern an Stelle des ausgeschiedenen Prof. Dr. S. Günther und Stadtrath E. Friedel für die Mark Brandenburg. Ausgeschieden ist Prof. Dr. J. Rein, der bisherige Vertreter für Rheinlande und Westfalen. – Von den Forschungen zur Deutschen Landes- und Volkskunde ist eine Anzahl neuer Hefte erschienen, die sich z. Th. in unserer Bibliographie, besonders den territorialen Gruppen derselben, erwähnt finden. Gegen den verhältnissmässig hohen Preis kann die Comm. nichts thun, da ihre einzige Einnahme – 500 Mark, welche sie vom Preuss. Cultusministerium als Subvention bezieht – für die Herstellung einer Deutschen Bibliographie absorbirt wird. Um so lebhafter ist es zu bedauern, dass der Verein für Deutsche Landeskunde (vgl. unsere Notiz ’91, Nr. 104) diesmal noch nicht ins Leben treten konnte. Trotz eifrigen Werbens hatte sich bisher nur die Zahl von ca. 150 Theilnehmern zusammengefunden. Man beschloss daher die Angelegenheit auf den 11. Geographentag zu verschieben, die schon angemeldeten Mitglieder aber aufzufordern, auf die „Forschungen“ zu pränumeriren. Die fünf ersten Bände der „Forschungen“ sollen überdies, soweit der Vorrath reicht, zu ermässigtem Preise abgegeben werden. In dem künftigen Verein wird ein Jahresbeitrag von 6 Mark erhoben werden. Dafür erhalten die Mitglieder die „Forschungen“ gratis, anderweitige Veröffentlichungen des Vereins zu ermässigtem Preise.
[170] Besondere Fürsorge hat die Centr.-Comm. wiederum den in Vorbereitung begriffenen landeskundlichen Bibliographien zugewandt. Die von P. Richter begonnene Bibliographie für das Deutsche Reich konnte erheblich gefördert werden. Von der Bibliographie für einzelne Landschaften sind erschienen: Schlesien, Heft 1, bearb. v. Partsch; Ost- u. Westpreussen, Heft 1, hrsg. v. d. Königl. geogr. Ges.; Fürstenth. Reuss j. L., hrsg. v. Auerbach (vgl. unsere Bibliogr, ’92, Nr. 2055; 2030; 2085). Fortgesetzt sind die Jahresübersichten entsprechender Literatur: für Baiern in den JBMünchGeogrGes, für Niederösterreich in den BllVLdkde Niederösterr., für Böhmen in MNordböhmExcursClub.
Der in Bibliogr. ’92, 2311 erwähnte Fascikel 2 A einer kürzlich erschienenen Bibliographie der Schweizerischen Landeskunde geht auf die Centralcommission für Schweizerische Landeskunde zurück, die sich nach dem Vorbild der Deutschen Centr.-Comm. constituirt hat. – Einer Anregung der Centr.-Comm. verdankt man das im 2. Jg. befindliche „Archiv für Landes- u. Volkskunde der Provinz Sachsen“, vgl. Nachrr. ’91, 444 und Bibliogr. in Gruppe V, 3 (’92, 2089). – Eine Zusammenstellung der bisher erschienenen landeskundlichen Bibliographien von Deutschland findet sich in den Verhandlungen des fünften internationalen Congresses der geograph. Wissenschaften zu Bern (Bern 1892, 9 M.) p. 574.
Um über die Gründung eines Verbandes wissenschaftlicher Körperschaften zu berathen, sind Ende Januar in Leipzig Vertreter der Akademien von Berlin, Wien, München, Göttingen und Leipzig zusammengetreten. Dieselben haben dort einen Entwurf zu Statuten aufgestellt. Es handelt sich darum, in eine stete Verbindung zu treten, um 1., Collisionen zwischen den Arbeiten zu verhindern und 2., auch gewisse dazu geeignete Aufgaben gemeinsam in Angriff zu nehmen. Dass man den Verband früher oder später über das Dt. Sprachgebiet hinaus zu einer internationalen Vereinigung ausdehnen könnte, wurde von vornherein in Betracht gezogen. Besonders lebhaft interessirten sich die Wiener für das Project, während man in Berlin vornehmlich gegen die weitere Ausdehnung Bedenken hatte. Die Berliner Akademie hat dann auch in der That gegen das Votum ihrer Delegirten, der beiden Secretäre Mommsen und Auwers, den Beitritt abgelehnt. Der Verband wird trotzdem beschränkt auf die vier anderen Körperschaften ins Leben treten. Die praktische Wirksamkeit des Verbandes wird sich zunächst voraussichtlich besonders naturwissenschaftlichen und philologischen Unternehmungen zuwenden, kann aber natürlich künftig auch für die geschichtlichen Studien von Bedeutung werden.
Berliner Akademie. In der öffentl. Sitzung vom 26. Januar sind nach einem Vortrage, den Prof. Zeller über die Entstehung ungeschichtlicher Ueberlieferungen hielt, die Berichte über die im Gang befindlichen wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie erstattet worden.
Auf die Editionen zur alten Geschichte (die Inschriftenwerke, die Prosopographie der Römischen Kaiserzeit, die Aristoteles-Commentatoren und das Corpus nummorum) können wir aus Mangel an Raum leider nicht [171] näher eingehen. Erschienen sind im Laufe des Jahres: Attische Inschrr. Abth. II, Indices v. Kirchner; Nordgriech. Inschrr. Bd. I v. Dittenberger; Lat. Inschrr. Suppl.-Bd. zu II Spanien v. Hübner; Aristoteles-Comm. 2 Bde. v. J. Bruns u. G. Heylbut. – Noch für das laufende Jahr stehen in Aussicht: Lat. Inschrr. Bd. I Abth. II neue Aufl. v. Mommsen u. Hülsen; Suppl.-Bd. III Orient u. Donauländer v. Mommsen, O. Hirschfeld u. Domaszewski. Der Druck des uns näher interessirenden XIII. Bandes (Nordgallien u. Germanien) hat vorläufig noch nicht, wie in Aussicht gestellt war, wieder aufgenommen werden können, da Prof. Zangemeister in Heidelberg durch die Arbeiten der Limes-Commission vollauf in Anspruch genommen war. Die Bearbeitung des Instrumentum ist durch Vervollständigung des massenhaften Materials und Ausarbeitung einzelner Kategorien durch Dr. Bohn weitergeführt worden. – Ueber die von der Akademie geplante Ausgabe der Griechischen Kirchenväter berichtete Prof. A. Harnack. Die Vorbereitungen für die Edition haben begonnen. Zunächst wird der Anfang gemacht mit einer Uebersicht über die Ueberlieferung und den gegenwärtigen Bestand der älteren christlichen Griechischen Literatur. Der Druck dieser Uebersicht ist in Angriff genommen.
Für die Veröffentlichung der Politischen Correspondenz Friedrich’s des Grossen sind unter Leitung Prof. A. Naudé’s die Drr. K. Treusch v. Buttlar und O. Herrmann weiter thätig gewesen. Band 19, die Acten des Kriegsjahres 1760 umfassend, konnte veröffentlicht werden. Mit dem Druck des 20. Bandes ist begonnen. Der von Geh.-R. v. Sybel und Prof. Schmoller erstattete Bericht stellt für künftig beschleunigteren Gang der Publication – bei Vermehrung der Zahl der Mitarbeiter – in Aussicht. Durch freundliches Entgegenkommen des Geh.-R. K. Schottmüller konnten die hinterlassenen Papiere des Prof. Preuss, Herausgebers der Oeuvres, benutzt werden, die zahlreiche Abschriften von jetzt verloren gegangenen Originalen enthalten. Der Bericht beklagt es, dass vielfach wichtige Correspondenzen im Privatbesitz Preussischer Adelsfamilien mit geringer Sorgfalt behandelt werden und so zu Grunde gehen, bisweilen auch aus Gleichgültigkeit der Besitzer der Forschung unzugänglich bleiben.
Von Abtheilung 2 der Acta Borussica sind die ersten 3 Bände, bearb. von G. Schmoller u. O. Hintze, nunmehr erschienen. Sie behandeln die Seidenindustrie (s. Bibliogr. ’92, 923). Band I der ersten Abtheilung (innere Staatsverwaltung), bearb. von O. Krauske, wird die Jahre 1700–1715 umfassen und voraussichtlich Ende 1893 ausgegeben werden. – Nahezu vollendet ist von W. Naudé’s Bearbeitung der Getreidehandelspolitik der Theil, welcher die Actensammlung bis 1786 enthält. Man könnte mit dem Druck beginnen, doch werden noch Erwägungen angestellt, ob es im Interesse compacter Zusammenfassung des Stoffes nicht vielleicht doch angezeigter, vorher das umfangreiche Material der Jahre 1786 bis 1806 noch vollständig durchzusehen. Für die Bearbeitung des Berg-, Hütten- und Salinenwesens hat bis zum 1. Oct. 1892 Bergassessor Knops die beim Handelsministerium erhaltenen Rhein. u. Magdeb. Bergwerksacten des 18. Jh. [172] durchgegangen. An seine Stelle wird Bergassessor Schwemann treten; derselbe wird mit der Bearbeitung der Magdeb. Salinenacten von 1700 ab beginnen. – In Bezug auf die „Centralverwaltung Preussens“ hat die Comm. eine Theilung der Arbeit beschlossen. Die Zeit Friedrichs d. Gr. wurde abgetrennt und dem Dr. O. Hintze zugewiesen, während O. Krauske die Zeit von 1713 bis 1740 beibehält. Bei Bearbeitung der Wollindustrie wird Geh.-R. Schmoller von dem neu angestellten Mitarbeiter F. v. Schrötter unterstützt. Derselbe ist ausserdem mit Auszügen für die gesammten in Bearbeitung genommenen Materien beauftragt, um mehrmaliges zeitraubendes Durchsehen derselben Acten zu vermeiden.
Savigny-Stiftung. Dr. G. Knod ist noch mit Stoffsammlung für den Ergänzungsband der Acta nationis Germanicae univ. Bononiensis beschäftigt, hat aber auch die Ausarbeitung einzelner Artikel für den Personenindex schon in Angriff nehmen können. – Von den Libri feudorum ist die älteste Compilation durch Prof. K. Lehmann auf Grund von 4 Hss. unter dem Titel Consuetudines feudorum I: compilatio antiqua herausgegeben (vgl. Bibliogr. Nr. 287). – Die Drucklegung des Wörterbuchs der class. Rechtswissenschaft hat sich noch etwas verzögert, da einige grössere Artikel umgearbeitet werden mussten; nun sollte am 1. April d. J. der Druck beginnen.
Ein Bericht über das Histor. Institut in Rom wurde im Januar nicht erstattet; er folgt voraussichtlich im Sommer (vgl. bei uns zuletzt ’92, 252–8). Ueber die Gerhard-Stiftung s. unten bei Stipendien, über das Secretariat d. philos.-hist. Classe bei Personalien.
Verwaltung des Böhmer’schen Nachlasses. Es wird im allgemeinen bekannt sein, dass Joh. Friedr. Böhmer bedeutende Mittel zur Förderung historischer Publicationen zur Verfügung gestellt hat und dass eine Reihe von Werken mit Unterstützung aus diesen Fonds erschienen sind. Nirgends aber ist bisher eine vollständige Uebersicht über diese Unternehmungen gegeben, und wir hoffen uns desshalb den Dank der Fachgenossen zu verdienen, wenn wir hier nach zuverlässigen Quellen über das bisher Geleistete berichten und zugleich über den augenblicklichen Stand der im Gange befindlichen Arbeiten Auskunft geben. Man wird sehen, wie noch über den Tod dieses Mannes hinaus das Wort gilt, dass seine Thätigkeit die ganzer Gesellschaften aufgewogen hat.
In seinem Testamente vom December 1860 hatte B. die Verfügung über seinen wissenschaftlichen Nachlass an Wilh. Arnold. Jul. Ficker und Joh. Janssen übertragen und ihnen zu dessen Veröffentlichung ein Capital von 20 000 fl. angewiesen. Die Geldverwaltung sollten die Testamentsexecutoren führen, die Verwendung aber war den drei genannten Gelehrten freigestellt. Ausserdem hatte er bestimmt, dass nach Auszahlung gewisser Zuwendungen der Restbetrag seines Vermögens zur Hälfte für verschiedene Zwecke, besonders auch zur Förderung historischer Forschungen, verwerthet werden sollte, und zwar nach näherer Bestimmung seiner Testamentsexecutoren und Nachlassadministratoren. Es waren das Justizrath Dr. L. Euler und Justizrath Dr. Adolf von Harnier zu Frankfurt a. M. [173] An Stelle des Ersteren ist 1885 Dr. Fr. Schmidt-Pollex getreten. Es ergab sich nach der ziemlich langwierigen Liquidation des Nachlasses, dass die für geschichtswissenschaftliche Zwecke verfügbare Summe sehr bedeutend war, wohl weit über B.’s eigene Erwartung hinaus. Die Administratoren beschlossen, dieselbe möglichst in der Weise zu verwenden, dass ein Theil für Unternehmungen Verwendung finde, welche die Geschichte von Böhmer’s Vaterstadt Frankfurt beträfen, ein anderer Theil aber zur Förderung solcher Publicationen aus dam Gebiet der allgemeinen Geschichte diene, welche sich entweder an Böhmer’s eigene Arbeiten näher anschlössen oder von anderen Instituten nach deren stiftungsgemässen Vorschriften nicht subventionirt werden könnten. Es handelt sich also eigentlich um zwei Vermächtnisse, das eine zur Edition des B.’schen wissenschaftlichen Nachlasses und zur Verfügung der genannten drei Historiker, das andere allgemeineren Charakters zur Verfügung der genannten Administratoren. Wir fassen hier aber beide zusammen, wie denn thatsächlich die Verwendung beider Summen sich nahe berührt hat, und scheiden nach den Publicationen.
Die Regesta imperii, B.’s Hauptwerk, stehen für uns natürlich in erster Linie. Es handelte sich um Fortsetzung derselben über 1347 hinaus bis zu der von B. selbst in Aussicht genommenen Grenze und um Ergänzung oder Neubearbeitung der älteren Partien. Zunächst erschien, von Ficker bearbeitet, ein von B. schon für den Druck vorbereitetes 3. Supplementheft zu den Regesten von 1314–47. – Dann aber wurde unter Ficker’s Leitung eine neue Ausgabe des ganzen Werkes in Angriff genommen, das nun in 8 oder 9 Bände eingetheilt ist. Eröffnet ist diese Ausgabe durch den 8. Bd., die Regesten Karl’s IV., die B. schon weit gefördert hatte, bearbeitet von Alfons Huber. Ein Supplementheft ist 1889 gefolgt.
Zugleich nahm Ficker selbst die spätere Stauferzeit und das Interregnum 1198–1272 in Angriff. Die erste grosse Abth. dieses 5. Bandes, die Kaiserregesten bis 1250, erschien 1881, die zweite, Kaiserregesten von 1250–72 folgte 1882; dann trat eine längere Pause ein, bis im vorigen Jahre in rascher Folge drei neue Lieferungen ausgegeben wurden. Ed. Winkelmann ist für Ficker eingetreten und hat als dritte Abth. die Papstregesten etc., als vierte die Reichssachen herausgegeben. Nur eine Lieferung mit dem Schluss der Reichssachen fehlt noch und wahrscheinlich wird dann eine weitere Lieferung mit dem Register zur Vollendung des Bandes nöthig werden.
Daneben sind die Regesten der Karolinger, bearbeitet von E. Mühlbacher, in den Jahren 1880–1892 bis zum Abschluss der ersten sehr starken Abth. vorgerückt. Es liegen darin die Regesten der Deutschen Karolinger bis 918 vollständig vor; es fehlen noch die der Westfränk., Aquitan., Burgund. etc. Herrscher.
Die übrigen Bände des grossen Werkes sind lange im Rückstand geblieben. Die Zeit der Sächsischen und Salischen Kaiser (Bd. II u. III) hatte man absichtlich zurückgestellt, um mit der Publication der Kaiserurkunden in den Monumenten Hand in Hand gehen zu können. Jetzt ist nun ganz vor kurzem die 1. Lieferung des 2. Bandes, bearbeitet von Prof. v. Ottenthal erschienen. Sie enthält die Regesten Heinrich’s I. u. Otto's I. [174] – Wer den folgenden 3. Band die Regesten der Salier bearbeiten wird, steht noch nicht fest. Früher war der 1885 verstorbene W. Diekamp für denselben thätig.
Den 4. Band, die Regesten der früheren Staufer, mit dem man anfänglich die Neubearbeitung hoffte beginnen zu können, hat vor etwa 25 Jahren Prof. Scheffer-Boichorst übernommen und seitdem trotz mannigfacher Störungen durch akademische Thätigkeit und andere Obliegenheiten doch stetig weiter gefördert, wovon in der Oeffentlichkeit zahlreiche kleinere Abhandlungen Zeugniss abgelegt haben, so dass jetzt das Erscheinen einer ersten Lieferung nicht mehr in ferner Aussicht steht.
Den 6. Band, die Regesten der Könige aus verschiedenen Häusern, der beiden ersten Habsburger, Adolf’s von Nassau u. Heinrichs VII., 1273 bis 1313 hatte ursprünglich Prof. O. v. Zallinger bearbeiten wollen. An seine Stelle ist dann Prof. Osw. Redlich getreten. Dieser wird jetzt zunächst einen Fund von Briefen etc., den man unerwartet in der Vaticana gemacht hat, verarbeiten, hofft dann aber die Ausgabe der Regesten rasch fördern u. in einem 1. Heft die Regesten Rudolf’s publiciren zu können. – Für Ludwig den Baiern (Bd. 7) ist in jüngster Zeit Dr. M. Mayr in Innsbruck gewonnen. – Ob die Regesten Wenzel’s das Unternehmen als Bd. 9 abschliessen werden, steht noch nicht fest; es hängt das z. Th. davon ab, ob sich ein geeigneter Bearbeiter findet, z. Th. davon, ob die Mittel so weit reichen.
Andere Publicationen aus Böhmer’s literarischem Nachlass. Zwischen den drei Historikern, denen Böhmer die Sorge für Ausführung seiner wissenschaftlichen Absichten anvertraut hatte, war nach längeren Verhandlungen ein Abkommen zu Stande gekommen, wonach Janssen die Publication der Briefe, Arnold die Mainzer Regesten übernahm, während alles übrige Ficker überwiesen wurde, mit Ausnahme nur der Francofurtensien, die für etwaige künftige gesonderte Verwerthung reservirt blieben. Die Briefe nun sind mit einer von Janssen geschriebenen Biographie und einem Anhang kleinerer Schriften im J. 1868 in drei Bänden erschienen. – Von den wissenschaftlichen Werken aber, für welche B. selbst noch grössere Vorarbeiten hinterlassen hatte, erschien nach dem oben erwähnten Ergänzungsheft der Regesten zuerst der 4. Band der Fontes rerum Germanicarum (mit Math. v. Neuenburg, Heinr. v. Diessenhoven, Heinr. v. Rebdorf etc.). hrsg. v. Alf. Huber (1868). – Bald folgten (1870) in einem stattlichen Bande die wichtigen von J. Ficker bearbeiteten Acta imperii selecta. – Die Bearbeitung der Wittelsbacher Regesten, für die B. auch gesammelt hatte, wurde zurückgestellt, die der Mainzer Regesten aber wurde von Arnold an Corn. Will übertragen. Zwei Bände der Regesta archiepiscoporum Maguntinensium liegen nun vor, der erste (bis 1160) wurde im J. 1877, der zweite (bis 1280) im J. 1886 vollendet. Die Fortführung ist jetzt in’s Stocken gerathen.
Unterstützung fremder Publicationen zur allgemeinen Geschichte. Zunächst, wenn auch nicht der zeitlichen Ordnung nach, ist hier der Unterstützung zu gedenken, welche das Erscheinen der Ergänzungshefte [175] zu den Mittheilungen des Instituts für Oesterreichische Geschichtsforschung ermöglichte. – Die übrigen Einzelpublicationen, welche eine Unterstützung aus Böhmer’schen Mitteln erhalten haben, führen wir nach der Zeitfolge des Erscheinens auf: H. Loersch, Der Ingelheimer Oberhof (1885), Acta imperii inediti, ed. Ed. Winkelmann Bd. II (1885), Anonymi Gesta Francorum et aliorum Hierosolymitanorum, ed. H. Hagenmeyer (1890), Acta Karoli IV. imperatoris inedita, ed. Fr. Zimmermann (1891), endlich Regesta regni Hierosolymitani 1095–1291, ed. R. Röhricht (1893).
Publicationen zur Frankfurter Geschichte. Von Anfang an hatte man an die Herausgabe eines Supplementbandes zum Codex diplom. Moenofrancofurtanus gedacht, für den auch Materialien in B.’s Nachlass vorhanden waren. Dieser Plan ist dann erweitert worden zu einer Sammlung von Quellen zur Frankfurter Geschichte, in die sowohl Chroniken wie archivalische Materialien aufgenommen werden sollten. Unter Leitung des früheren Stadtarchivars Dr. Grotefend sind erschienen Bd. I: Frankf. Chroniken u. annalist. Aufzeichnungen des MA., bearbeitet von R. Froning (1884), und Bd. II: Frankf. Chroniken etc. der Reformationszeit, nebst einer Darstellung der Frankf. Belagerung von R. Jung (1888). Unter Oberleitung des jetzigen Stadtarchivars Dr. Jung ist ein weiterer Band des Werkes in Herstellung begriffen, bearb. von Dr. H. v. Nathusius, zweitem Bibliothekar der Stadtbibliothek. Dieser Band soll eine theilweise Neuausgabe und Ergänzung des Böhmer’schen Urkundenbuchs bringen. Ferner ist Dr. Jung selbst mit Vorarbeiten für einen 4. Band beschäftigt, der die Verordnungen über das mittelalterliche Stadtregiment einschliesslich des Zunft-, Finanz- und Gerichtswesens bis 1525, mit einer erläuternden Einleitung über Zusammensetzung, Geschäftskreis und Verwaltungspraxis des Raths und seiner Organe enthalten soll. Endlich hat Prof. Bücher in Leipzig es übernommen, den Frankf. Stadthaushalt des 14. u. 15 Jh. zu bearbeiten und in einem 5. Bande der Geschichtsquellen die Statuten, Ordnungen etc. der Finanzgesetzgebung und Finanzverwaltung herauszugeben und zu erläutern.
Neben diesen „Geschichtsquellen“ ist in erster Linie eines Werkes von demselben Prof. Bücher zu gedenken: Die Bevölkerung von Frankfurt a. M. im 14. u. 15. Jahrhundert. Bd. I (1886). Für einen zweiten Band ist ebenfalls die Unterstützung zugesagt. Derselbe soll eine statist. Bearbeitung der Bedebücher und Steuerlisten nach den Gesichtspunkten der Vermögensvertheilung, der Grundbesitzverschuldung, der Bevölkerungsbewegung und -Gliederung im MA. und eine Publication der Bedeordnungen und verwandter Urkunden selbst enthalten. – Dazu kommen folgende Werke zur Frankfurter Cultur- u. Kunstgeschichte, bei denen besonders die Ausstattung mit Tafeln eine Subvention erforderlich machte: G. der Frankf. Orden u. Ehrenzeichen von H. v. Heyden (1890); Jerg Ratgeb’s Wandmalereien im Karmeliterkloster von O. Donner v. Richter (1892): Der Kaiserdom zu Frankfurt a. M. von C. Wolff (1892); Die Papiere d. 14. Jh. im Frankfurter Stadt-A. von E. Kirchner (1893). Ausserdem sind noch eine Anzahl kleinerer Publicationen, welche Frankfurter [176] G. und städt. Verhältnisse betreffen, theils direct, theils indirect (z. B. durch den Verein für G. u. Alth.-Kunde) aus den Mitteln des Nachlasses unterstützt worden.
Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde. Die 12. J.-Versammlung fand am 17. März in Köln statt. Das Vermögen der Ges. beträgt über 79 500 M. Am 1. April scheidet der erste Vorsitzende Landgerichtsdir. A. Ratjen aus dieser Stellung aus; für ihn wurde in den Vorstand Dr. jur. G. Mallinckrodt in Köln gewählt; über die Wahl eines neuen ersten Vorsitzenden wird der Vorstand demnächst Beschluss fassen. – Die Commission für die Denkmälerstatistik der Rheinprovinz wählte an Stelle der von Bonn verzogenen Prof. A. Dove, Prof. K. Lamprecht und Dr. H. Thode den Regierungsbaumeister Ludw. Arntz in Köln, Dr. Paul Clemen in Bonn und Stadtbaurath Fr. K. Heimann in Köln zu Mitgliedern. Der Prov.-Ausschuss delegirte, auf Wunsch der Commission, den Landesdirector der Rheinprovinz Geh. Oberreg.-Rath Klein und als dessen Vertreter den Decernenten Landesrath Kehl zur Theilnahme an den Geschäften der Comm. – Seit der 11. J.-Versammlung wurden ausgegeben: Kölner Schreinsurkunden des 12. Jhs., hrsg. von R. Hoeniger, 2. Bd., 1. Hälfte; Kölnische Künstler in alter und neuer Zeit, nach Johann Jakob Merlo neu bearb. etc., hrsg. von Ed. Firmenich-Richartz und H. Keussen, 1. Lfg.: Kunstdenkmäler Bd. I, Heft 3 u. 4: Kreise Mörs u. Kleve; Bd. II, Heft 1 u. 2: Kreis Rees und Stadt Duisburg, Kreis Mühlheim a. d. Ruhr und Ruhrort, alle bearb. von P. Clemen. Ueber den Stand der wissenschaftlichen Unternehmungen besagt der JB das Folgende.
Zur Gesammtgeschichte der Rheinprovinz. Für die älteren Rhein. Urkunden setzte Prof. Menzel die Vorarbeiten fort. Eine chronologische Zusammenstellung des gesammelten Materials ergab 187 Nummern bis zum Jahre 800, 536 Nummern von da bis zum Jahre 1000, darunter etwa 30 noch ungedruckte. Das Manuscript soll in diesem oder im Anfang des nächsten Jahres fertig gestellt werden.
Von den Rhein. Weisthümern konnte der 1. Bd., da der Bearbeiter, Geh. Rath Loersch, dauernd behindert war und ein ständiger Hilfsarbeiter fehlte, noch nicht dem Druck übergeben werden. – Die Herausgabe der Rhein. Urbare, von Prof. Lamprecht in Leipzig geleitet, hat sich günstiger gestaltet. An Stelle des Dr. Bahrdt, der als voller Mitarbeiter ausgeschieden ist, ist Dr. Helmolt aus Dresden eingetreten; ausserdem ist Herr Kelleter in Köln seit kurzem für die Edition ständig beschäftigt. Der Stand der Ausgabe ist folgender: Dr. Hilliger hat die Edition der Urbarialien von St. Pantaleon ganz, der von St. Aposteln nahezu vollendet, so dass noch in diesem Jahre das Manuscript eines 1. Halbbandes der Stadt-Kölnischen Urbare wird vorgelegt werden können. Herr Kelleter hat die Urbare der Stadt-Aachener Grundherrschaften übernommen. Dr. Helmolt bearbeitet die Urbare der ältesten grossen ländlichen Grundherrschaften des Niederrheins; mit der Bearbeitung des Werdener Materials ist, unter Benutzung der Vorarbeiten des † Crecelius, begonnen worden. Dr. Bahrdt hat die Bearbeitung der kleineren und späteren ländlichen [177] Urbarialien des Niederrheins beibehalten und wird – nachdem die Edition des Altenberger und Gerresheimer Materials fertig gestellt ist – zunächst den kleinen Grundherrschaften in der Umgegend von Düsseldorf sein Augenmerk zuwenden.
Neu beschlossen ist eine Edition der Quellen zur ältesten Geschichte des Jesuitenordens in den Rheinlanden 1543–1582, zu der Stadtarchivar Dr. Hansen Plan und Begründung vorgelegt hat. Das hauptsächlichste Material, ein grosser Theil des hs. Nachlasses des Kölner Ordenshauses, ruht im Archiv der Gymnasial- und Stiftungsfonds sowie im Archiv der Maria-Himmelfahrtskirche zu Köln. Späterer Erwägung soll es vorbehalten bleiben, ob ein 2. Band die Ausgabe über 1582 hinaus fortsetzen soll.
Ueber die Arbeiten für den geschichtlichen Atlas der Rheinprovinz berichtet Geh.-Rath Nissen. Technische Schwierigkeiten verzögerten den Fortgang des Werks. Die Karte von 1813, deren Stich erst jetzt beendet ist, wird nach dem Druck des im Manuscript vorliegenden Erläuterungsheftes einzeln zur Ausgabe gelangen. Die Karte von 1818, die Anfänge der Preuss. Verwaltung darstellend, gedenkt Herr Schulteis bald nachfolgen zu lassen. Von der Karte von 1789, welche Dr. Fabricius bearbeitet, sind 4 Blätter, die Hälfte des Ganzen, in der Zeichnung vollendet; der Stich hat begonnen. Es wird sich hier die Veröffentlichung einzelner Blätter empfehlen. – Die Commission für die Denkmälerstatistik konnte, wie oben angegeben, 4 Hefte vorlegen. Das 3. Heft des II. Bandes befindet sich unter der Presse. Für Bd. III und IV sind die Vorarbeiten fortgesetzt worden.
Zur Geschichte von Jülich-Cleve-Berg. Die unter Prof. Ritter’s Leitung stehenden Arbeiten Prof. v. Below’s für die Herausgabe des 1. Bandes der Jülich-Bergischen Landtagsacten sind so weit gediehen, dass der Druck sofort nach der Vereinbarung über den Verlag des Werkes beginnen kann. – Die Bearbeitung der 2. Serie der Jülich- Bergischen Landtagsacten durch Geh.-Rath Harless ist mangels eines Mitarbeiters noch in den Anfängen stecken geblieben.
Als neues Unternehmen ist eine Ausgabe von Acten der Jülich-Clevischen Politik Kurbrandenburgs 1610–1640 beschlossen. Zur Begründung wurde von Prof. Ritter darauf hingewiesen, dass für den Zeitraum der Errichtung und Befestigung der Brandenburgischen Herrschaft in genannten Territorien, nämlich die Zeit von 1590 bis 1610, und wieder für die Zeit von 1640 an die Quellen reichlich fliessen, während für die Zwischenzeit nur wenige Acten und Nachrichten vorliegen, die keine zusammenhängende Kenntniss ermöglichen. Dr. Hugo Loewe, Oberlehrer am Kölner Realgymnasium, ist als Hilfsarbeiter für die Ausgabe gewonnen worden.
Zur Geschichte von Kurköln. Für den älteren Theil der von Prof. Menzel bearbeiteten erzbischöfl.-Kölnischen Regesten bis zum Jahre 1099 sind die Vorarbeiten, zumeist diplomatischer Natur, fortgesetzt. – Für den 2. Theil, der die Jahre 1099 bis 1304 umfassen soll, fand [178] Dr. Richard Knipping reiche Ausbeute im Staats-A. zu Düsseldorf, im Kölner Stadt-A. und in verschiedenen Kirchenarchiven Kölns, so dass die Gesammtzahl der bisher ungedruckten Stücke für den genannten Zeitraum auf 289 angewachsen ist. – Für die Bearbeitung des 3. Theils, von 1304 bis 1414, ist seit Neujahr 1893 Dr. Moriz Müller thätig.
Zur Geschichte der Stadt Köln. Von den Kölner Schreinsurkunden soll die Schlusslieferung des 2. Bandes, die Kölner Bürgerverzeichnisse, die Gildeliste des 12. Jhs. u. umfangreiche Register enthaltend, nach der Erklärung des Dr. R. Hoeniger im Winter erscheinen. Für die Ausgabe der Zunfturkunden der Stadt Köln ist bisher ein neuer Leiter nicht gewonnen worden, so dass das Unternehmen einstweilen ruht.
Die Bearbeitung des 2. Bandes der älteren Matrikeln der Universität Köln hat Dr. Keussen andauernd gefördert. Wichtiger Erläuterungsstoff ist aus den Acta rectoralia seit 1502 gewonnen. – Die Bearbeitung der 2. Auflage der Nachrichten von dem Leben und den Werken Kölnischer Künstler von Joh. Jak. Merlo hat Dr. Ed. Firmenich-Richartz unter Beihilfe von Dr. Keussen bis auf den Schlussabschnitt über die ungenannten Monogrammisten abgeschlossen; die 1. Lieferung ist erschienen. Eine bildliche Ausstattung des Werkes, welche die Eigenart der bedeutenderen Künstler veranschaulichen soll, wurde beschlossen: in etwa 30 Lieferungen wird die Arbeit vollständig sein.
Von den Acten zur Geschichte der Verfassung und Verwaltung der Stadt Köln im 14. und 15. Jahrhundert liegt der 1. Band bis auf die Schlussbogen fertig vor. Bis Pfingsten hofft Dr. Stein in Giessen die Einleitungen abzuschliessen. Der Druck des 2. Bandes wird sich ohne Unterbrechung anreihen können.
Zur Geschichte der Stadt Aachen. Stadtarchivar Pick in Aachen hat die Herstellung des Textes nach den Originalen des 14. Jhs., so viel ihm dies seine sonstige Thätigkeit erlaubte, fortgesetzt.
Der 1. Bericht der Historischen Landescommission für Steiermark (deren Begründung wir ’92, Nr. 369 erwähnten) bringt das Arbeitsprogramm der Commission. Danach wird die Veröffentlichung der Arbeiten in zwei Abtheilungen erfolgen, deren erste den Titel „Allgemeine Verfassungs- und Verwaltungs-G. d. Hzth. Steiermark“ führt. Sie soll in 10 chronologische Gruppen bis zum Jahre 1848 gegliedert werden; die erste derselben, die das ganze Mittelalter bis zum Regierungsantritt Maximilian’s I. umfasst, wird wieder in zwei selbständige Theile, „Geschichte der Verfassung und Verwaltung“ und „des Landtages und der Stände“ zerfallen, während in den übrigen chronolog. Gruppen diese Materien nicht geschieden werden. Die 2. Abtheilung unter dem Titel „Forschungen zur Steiermärk. Verfassungs- u. Verwaltungs-G.“ soll eine Sammlung von einzelnen Arbeiten über jene Einrichtungen und Zweige des öffentl. Lebens enthalten, welche in der 1. Abth. nicht erschöpfend behandelt werden konnten.
Als Bearbeiter sind bis jetzt angemeldet für die Abtheilung I: Prof. v. Krones für die G. d. Landtages u. d. Stände im MA., Prof. v. Luschin-Ebengreuth für die Zeit Maximilian’s I. 1493–1525, Reg.-Rath [179] Ilwof für die Ferdinand’s I. 1525–64, Dir. F. M. Mayer für die Karl’s II. 1564–90, und Prof. v. Zwiedineck-Südenhorst für die Ferdinand’s II. Von der Abtheilung II haben übernommen: Propst Schuster die kirchliche Verwaltung, Archiv-Aspirant Dr. Mell die grundherrliche Verwaltung und das Unterthanenverhältniss, Reg.-R. Bischoff die Geschichte d. Rechtsquellen, Reg.-Rath Ilwof Handel, Verkehr und Postwesen, Prof. v. Luschin-Ebengreuth Münz- und Geldwesen, A. v. Anthony v. Siegenfeld Kriegswesen und Landesvertheidigung bis Maximilian I. und Prof. v. Zwiedineck-Südenhorst dasselbe seit Maximilian I., Dr. Peisker Ansiedelungs- u. Wirthschaftswesen d. ältest. Zeit, Reg.-R. v. Zahn Wehrbauten und adliche Ansitze. Ausserdem ist von Herrn A. v. Anthony v. Siegenfeld eine Abhandlung über das Wappen des Herzogthums in Aussicht gestellt.
Die Commission beschloss ferner mit den hier verzeichneten Aufgaben eine Bearbeitung der „Familien-G. d. Steiermärk. Hochadels“ zu verbinden, da man bei den Recherchen für die Verwaltungsgeschichte zahlreiche Notizen über Steierische Adelsgeschlechter sammeln könnte. Durch den Landeshauptmann wurde den einzelnen in Betracht kommenden Familien eine Denkschrift übermittelt, worin die Commission bat, ihr die Benutzung der Familienarchive zu ermöglichen, und zugleich sich erbot, die Abfassung von Geschichten derjenigen Familien in ihre Publicationen aufzunehmen, welche sich zur Durchführung des Unternehmens für 10 Jahre zu einem jährlichen Beitrag von mindestens 50 fl. verpflichteten. Die Anmeldungen sind nun bis jetzt schon so zahlreich erfolgt, dass das Unternehmen als gesichert angesehen werden kann.
Deutsche Provinzialvereine. Die Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Alterthumskunde, die bei uns noch nicht erwähnt ist, hat ihre drei letzten Jahresberichte (Jg. 52–54, vom April 1889 bis zum April 1892) in den Baltischen Studien Bd. 40–42 veröffentlicht. Darnach war die Mitgliederzahl in drei Jahren stetig, von 699 auf 825, gestiegen. – Die zinsbar belegten Capitalien des Vereins betragen reichlich 10 000 M., das Jahresbudget bewegt sich um 12–14 000 M. – An wissenschaftl. Unternehmungen liegen aus den Berichtsjahren vor: Baltische Studien Bd. 40 bis 42 und Register zu Bd. 1–39, Monatsblätter der Ges. für Pomm. G. u. Alterthumskunde Jg. 1–5, Quellen zur Pomm. Geschichte Bd. 2: Urkunden u. Copiar d. Klosters Neuencamp im K. Staatsarchiv zu Wetzlar; bearb. von F. Fabricius 1891 (cf. Bibliogr. ’92, Nr. 2028), vom Inventar der Baudenkmäler Bd. I: Reg.-Bez. Stralsund (bearb. von E. v. Haselberg), 3. Heft: Kreis Grimmen (cf. Bibliogr. ’89, Nr. 3770) u. Bd. III: Reg.-Bez. Cöslin (bearb. von Ludw. Böttger), 1.–3. Heft (cf. Bibliogr. ’90, Nr. 2073 u. 3877 u. ’92, Nr. 1838). Die Vorarbeiten für die Fortsetzung des Werkes sind für alle drei Regierungsbezirke im Gange. Auf Veranlassung der Ges. ist ferner herausgegeben u. 1890 abgeschlossen: Die mittelalterl. Backsteinbauten Mittelpommerns, bearb. von H. Lutsch (cf. Bibliogr. ’91, Nr. 3295). – Der 1. Bd. des Hauptkatalogs der Vereinsbibliothek ist seit August 1889 in Benutzung gegeben. – Ueber die Zugänge der werthvollen [180] Sammlungen der Gesellschaft an Alterthümern, Volkstrachten und Münzen geben die Jahresberichte eingehende Auskunft.
Die Rügisch-Pommersche Abtheilung der Ges. bringt ihren 51.–54. Jahresbericht (1888–1892) in den „Beiträgen zur G. der Stadt Greifswald“ Forts. 4. Greifswald 1893, zum Abdruck. Die Mitgliederzahl beläuft sich auf 159 gegen 158 im J. 1888. Die Summe der Einnahmen 1888–92 beträgt 2451 M., der Ausgaben 1792 M. Von Vereinspublicationen erschienen seit 1890: Beiträge zur Pomm. Gesch. Heft 2: Die Verwaltung u. Gerichtsbarkeit des Greifswalder Rathes (s. Bibliogr. ’90 Nr. 3602) u. Beitrr. z. G. d. Stadt Greifswald, Forts. 3 u. 4 (s. ebd. ’91, 3515 u. ’92, 2028 b). Die Form der Verbindung zwischen wissenschaftl. Publication u. Vereinsbericht ist bibliographisch übrigens mehr als absonderlich, und der Jahresbericht enthält allerhand, was entschieden nicht hineingehört; so erzählt der Bericht über die „literar. Thätigkeit d. Gesellschaft“ vorzugsweise von fremden Unternehmungen.
Der Harzverein für Geschichte und Alterthumskunde hielt seine 24. Jahresvers. im Juli 1891 zu Braunschweig, die 25. als Jubiläumsfestvers. im Juli 1892 zu Wernigerode. Auf der letzteren hielt den Festvortrag A.-Rath Dr. Jacobs über „die Bewegung der Bevölkerung in Wernigerode“. Zum Vorsitzenden für die nächsten drei Jahre wurde Oberbibl. v. Heinemann gewählt, zu corresp. Mitgliedern wurden proclamirt: Geh. Staatsarchivar Döbner (Berlin), Prof. Köcher (Hannover), Prof. Lindner, Prof. v. Sickel, Prof. Weiland und Prof. Winkelmann. Der Verein hat in den 25 Jahren seines Bestehens 25 Bände seiner Vereins-Z. und 15 Bände Urkundenbücher erscheinen lassen. Seit unserem letzten Bericht (cf. Nachrr. ’90, Nr. 249) ist in Verbindung mit der Histor. Commission der Provinz Sachsen das „Urkundenb. der Stadt Goslar.“ Bd. I bis z. Jahre 1250, bearb. von G. Bode (cf. Nachrr. ’91, Nr. 188) ausgegeben worden; der Druck von Bd. II (1250–1300) hat begonnen. In Vorbereitung ist das Ukb. des Cisterzienserklosters Michaelstein. – Die Mitgliederzahl beläuft sich auf 826, das Vereinsvermögen auf rund 16 000 M.
Der Historische Verein für Niedersachsen hat seit unserem letzten Bericht zwei Generalversammlungen abgehalten, am 9. Nov. 1891 und 5. Dec. 1892. Auf der ersteren wurde eine engere Verbindung mit dem Verein für Geschichte und Alterthumskunde der Herzogthümer Bremen und Verden und des Landes Hadeln auf dessen Antrag eingegangen. Laut vereinbarten Statuts (vgl. ZHVNiedersachsen Jg. 1891) verzichtete letztgenannter Verein auf die Herausgabe einer eigenen Zeitschrift, erhielt aber vom HVNiedersachsen zur Veröffentlichung seines Jahresberichts und etwaiger wissensch. Arbeiten bis sieben Bogen in dessen Zeitschrift zur Verfügung gestellt; diese wurde durch einen Zusatz zum Titel als Organ des Vereins kenntlich gemacht. Die Mitgliederzahl des HVNiedersachsen belief sich Ende 1892 auf 357 gegen 370 im Vorjahre. Die Einnahmen betrugen im Jahre 1891/92 ca. 3000 M., die Ausgaben ca. 2700 M. Ein Separatconto für die Literar. Publicationen des Vereins wies an Einnahmen ca. 4600 M. auf, an Ausgaben ca. 3700 M.
[181] Von wissenschaftl. Arbeiten wurden seit der Gen.-Vers. von 1890 fertig gestellt: Die Ausgabe der „Weltkarte des Klosters Ebstorf“ von E. Sommerbrodt (cf. Bibliogr. ’92, Nr. 488), das 3. Heft des Atlas vorgeschichtlicher Befestigungen Niedersachsens von General v. Oppermann (cf. Bibliogr. ’91, Nr. 2075) und Heft 2 des Hannov. Städtebuchs: Geschichte der Stadt Lüneburg von K. Jürgens (cf. Bibliogr. ’91, Nr. 3641). In Angriff genommen ist von dem inzwischen gestorbenen Gen. v. Oppermann die Bearbeitung einer Uebersichtskarte der alten Niedersächs. Befestigungen gegen Thüringen; die Fortführung hat der neu in den geschäftsführenden Ausschuss eingetretene Museumsdirector Dr. Schuchhardt übernommen. Die Fortführung des Hannov. Städtebuchs ist zwar nicht grundsätzlich aufgegeben, aber thatsächlich in’s Stocken gerathen. Die besondere Berücksichtigung der stadt-hannoverschen Geschichte und Alterthümer ist dem ebenfalls neu gewählten Ausschussmitglied Stadtarchivar Dr. Jürgens anvertraut.
In engem Anschlusse an den HVNiedersachsen hat sich am 24. Febr. 1893 ein „Verein für Geschichte der Stadt Hannover“ konstituirt. 1. Vorsitzender ist Justizrath Bojunga, 2. Vorsitzender Stadtsyndicus Eyl, Schriftführer Stadtarchivar Dr. Jürgens, Kassenwart Actuar Gooss. Der Jahresbeitrag beträgt 3 M. Der Verein erhält vom HVNiedersachsen einen Theil von dessen Zeitschrift für seine Veröffentlichungen zur Verfügung gestellt. Die Erwerbungen des Vereins gehen in das Eigenthum der Stadt über und werden im Kestner-Museum bezw. im Stadtarchiv aufbewahrt.
Der 1875 gegründete Oldenburger Landesverein für Alterthumskunde hat sich im Jahre 1890 zum Oldenburger Verein für Alterthumskunde und Landesgeschichte umgestaltet und wird also fortan neben den Ausgrabungen etc. auch die eigentlich histor. Studien pflegen. Wie überall sonst, wird man dabei in erster Linie auf Anschluss an das Archiv angewiesen sein, das ja im J. 1889 unter eine neue Leitung gestellt wurde. – Der Vorstand des Vereins besteht aus zwei Vorsitzenden, Schriftführer, Schatzmeister und vier weiteren Mitgliedern. Regelmässige Vereinssitzungen wurden bisher nicht abgehalten. Die Hauptversammlung, deren Ort wechselt, findet im Juni jedes Jahres statt. Die Mitgliederzahl beträgt ca. 900, der jährl. Beitrag 1 M. Die Mitgliederbeiträge und ein Staatszuschuss von jährl. 300 M. werden für Zwecke der Alterthumsforschung, sowie für Herausgabe von Berichten über die Vereinsthätigkeit auf diesem Gebiete verwendet. Für historische Zwecke disponirt der Verein über einen jährl. Staatszuschuss von 500 M. und den Erlös aus seinen Publicationen, für welche eine ständige Redactionscommission von drei Mitgliedern eingesetzt ist. Alljährlich im Herbst soll ein „Jahrbuch für die Geschichte des Herzogthums Oldenburg“ erscheinen, welches ausschliesslich Abhandlungen bringen wird. Der 1. Bd. ist 1892 ausgegeben worden und enthält grössere Beiträge von H. Oncken, G. Sello und K. Meinardus. Daneben werden nach Massgabe der vorhandenen Mittel Quellenschriften zur Oldenburgischen Geschichte veröffentlicht werden. Eine Uebersicht über das, was auf diesem Gebiete zu thun ist, gewährt im 1. Bande des Jb. ein einleitender Artikel „Unsere Aufgaben“. [182] Zunächst bearbeitet Dr. Oncken das älteste Lehens- und Güterverzeichniss der Grafen von Oldenburg (2. Hälfte des 13. Jh.); der Druck wird in kurzem beginnen. Die Mitglieder erhalten die Berichte über die Thätigkeit des Vereins gratis, das Jahrbuch und die Quellenschriften zur Hälfte des Ladenpreises.
Ein Kunst- und Alterthumsverein für Unterfranken und Aschaffenburg wurde auf Anregung des Reg.-Präsidenten Grafen Luxburg im Januar d. J. in Würzburg gegründet. Die Zahl der Mitglieder war bis zur constituirenden Versammlung (am 25. April) bereits auf 1326 gestiegen. Der jährl. Beitrag beträgt 2 M. Zweck ist die Gründung eines Museums, in dem die im Kreise zerstreuten Kunstgegenstände und Alterthümer gesammelt werden sollen. 1. Vorsitzender ist Kreisrichter Conrady in Miltenberg.
Der Geschichtsverein für Kärnten hielt am 14. April 1893 unter Vorsitz des stellvertretenden Directors Custos S. Laschitzer seine Gen.-Versammlung ab. Laut Rechnungsablage beträgt der Etat ca. 7300 Mark, die Mitgliederzahl 317 (gegen 321 im Vorjahre). Beschlossen wurde die Fortsetzung des im J. 1886 mit dem 16. Heft eingeschlafenen „Archivs für vaterländ. Gesch. u. Topographie“, für das ein Manuscript Kärntnerischer Regesten aus dem Vatic. Archiv von Dr. Starzer in Rom vorliegt. Ordnungsarbeiten wurden vorgenommen in den Archiven und Registraturen der Stadt Wolfsberg, der Gmündner Herrschaft, des Kreisamts Villach, der Grafen Goës; ausserdem wurden 15 geistliche Archive, bes. in Unterkärnten neu durchgesehen und revidirt. Das Material für den 1. Bd. des Gurker Urkundenbuchs, der bis zum J. 1232 reichen und als Jubiläumsausgabe des Vereins (1895) erscheinen soll, ist so weit zusammen, dass der Band noch in diesem Jahre druckfertig werden kann. Die „älteste Geschichte Kärntens bis zur Einbeziehung Baierns in das Frankenreich unter Karl d. Gr.“ ist vom V.-Secretär, Baron Hauser, in einem Bande neu bearbeitet. Berichte über die vorgesch. und Röm. Forschungen werden in den M. d. K. K. Centr.-Comm. und in der Vereins-Zeitschrift Carinthia I gedruckt. Die Gen.-Versammlung wählte Prof. von Krones zum Ehrenmitgliede.
Der fünfte Italienische historische Congress (s. ’90, Nr. 42 u. 182) fand vom 19.–27. September 1892 in Genua in den Räumen des Palazzo di S. Giorgio statt. Den Vorsitz führte Paolo Boselli. Der 6. Congress wird 1895 in Rom abgehalten werden. – Berichte über den Congress bringen die R. stor. it. IX, 785 f. (C. Merkel) u. das A. stor. it. X, 221.
Die Versammlung hatte über fünf Themata zu verhandeln. Dr. Giov. Mariotti schlug vor, die Vereine und historischen Gesellschaften Italiens möchten ein eingehendes und allgemeines Studium der Hauptstrassenverhältnisse Italiens im Mittelalter veranlassen mit gleichzeitiger Heranziehung der noch erhaltenen Ueberreste und Denkmäler, sowie der überlieferten Nachrichten. Dieses Studium sei zu betreiben in Anlehnung an die grosse archäologische und historische Karte Italiens, welche im Auftrage des Unterrichtsministeriums ausgearbeitet wird. Der Antrag wurde zunächst an eine Commission unter Vorsitz des Archäologen Ariod. Fabretti [183] überwiesen, sodann angenommen mit dem Zusatz, dass bei der Herstellung der Karten auch auf die schon vorhandenen Blätter zurückzugreifen sei, die das Istituto geografico militare zu Florenz herausgibt.
Zur zweiten These sprach Gino Loria. Sie betraf die einheitliche Leitung der Arbeiten für die Geschichte der Wissenschaften. Nach lebhaften Debatten wurde mit sehr kleiner Mehrheit der vorerst wohl kaum realisirbare Wunsch ausgesprochen, es möchte zu diesem Zwecke eine besondere Organisation geschaffen werden.
Giov. Sforza beantragte sodann, man möge sich für die Inangriffnahme einer allgemeinen Biographie der Italienischen Schriftsteller aussprechen. Der Vorsitzende der Commission, die über diesen Punkt berieth, Ant. Manno, einer der besten Kenner in diesem Fach, befürwortete die Annahme, aber mit der Einschränkung, dass vor allem auf das Bibliographische Nachdruck gelegt werde, die biographischen Daten auf das Thatsächliche beschränkt und im allgemeinen knapp gehalten würden. Der so modificirte Antrag wurde einstimmig angenommen.
An vierter Stelle handelte es sich um die Frage grösserer Gleichförmigkeit in den Ausgaben mittelalterlicher Urkunden, soweit sie von den Deputazioni und Gesellschaften besorgt werden. Antragsteller war F. Gasparolo. Der Berichterstatter Prof. Ces. Paoli glaubte, dass eine ganz strenge Einheitlichkeit in dieser Hinsicht kaum möglich, auch nicht nothwendig sei, und sprach sich in gehaltvollem Vortrag dahin aus, es genüge, dafür zu sorgen, dass Inhalt, Sprache, Grammatik und bedeutungsvolle graphische Eigenthümlichkeiten treu wiedergegeben würden. Diese Ansicht wurde gegen Gaudenzi, der in der exacten Wiedergabe weniger weit gehen wollte, von Novati unterstützt und vom Congress gebilligt.
Schliesslich wurde noch über den Vorschlag Tononi’s berathen, sich für die Ausgabe von Regesten aller Italienischen Communalbehörden im Mittelalter zu erklären. Auf Antrag C. Merkel’s wurde dieser Vorschlag dahin eingeschränkt, dass lediglich urkundlich belegte Listen von den hervorragendsten Magistraturen der bedeutenderen Italienischen Städte publicirt werden sollen.
Am 17. u. 18. Dec. 1892 hat das Istituto storico Italiano, über das wir zuletzt ’91, Nr. 126–128 berichteten, seine Plenarversammlung in Rom abgehalten. Aus Ersparnissrücksichten ist die Sitzung 1891 ausgefallen. Dem Institut standen zeitweilig 15 000 fr. jährlich zur Verfügung, die jetzt aber auf 13 500 reducirt sind. Die Società storica napoletana hat ihren Vertreter abberufen, da das Institut kein genaues Programm habe und zu sehr centralisire, Vorwürfe, die der Präsident Senator Tabarrini mit Hinweis auf die Entstehungsgeschichte und die Zusammensetzung des Instituts ablehnte. Der Secretär C. Merkel referirte über den Stand der Veröffentlichungen. (Den ausführlicheren Sitzungsbericht, den wir nicht mehr benutzen können, bringt soeben das 13. Heft des Bullettino p. i–xxj.)
Von den „Fonti per la storia d’Italia“ sind seit der letzten Sitzung erschienen: Bd. I–II der Croniche di Sercambi, hrsg. v. S. Bongi, [184] und Bd. I des Epistolario di Coluccio Salutati, hrsg. v. F. Novati (s. Bibliogr. Nr. 380). Als nahe bevorstehend wurde angekündigt die Ausgabe von Bd. III der gen. Croniche – dieser Band ist seitdem erschienen –, von Bd. II des gen. Epistolario und von Bd. II der Statuti delle arti del popolo di Bologna, hrsg. v. A. Gaudenzi.
Der Bericht constatirte auch, dass die Ausgaben mehrerer anderer Werke ununterbrochen gefördert würden, so die Annali Genovesi von L. T. Belgrano, das Chronicon Novaliciense und die Schriften des Ferreto Vicentino von C. Cipolla, das Prochiron Legum von F. Brandileone und V. Puntoni, Procop von D. Comparetti. – Ein Bericht, den V. Lami (seitdem verstorben) über die von ihm vorbereitete Ausgabe des Villani erstattete, wurde zur Drucklegung im Bullettino bestimmt. Ueber die Ausgaben des Salimbene und des Sicard lagen in Abwesenheit des Prof. L. Vichi keine Berichte vor.
Die Versammlung beschloss die Weiterführung der Ausgabe des Chronicon Vulturnense durch E. Monaci und C. Merkel. Ferner beschloss man, an zwei neue Editionen heranzutreten: eine Sammlung der Capitolari antichissime delle arti Veneziane, die G. B. Monticolo besorgen wird, und ein Corpus Bolognesischer Chroniken, die A. Gaudenzi bearbeitet.
Vom Bullettino des Instituts lagen die Nrr. 11–12 vor; seitdem ist auch noch Nr. 13 ausgegeben. Das 12. Heft enthält eine vom Secretär C. Merkel bearbeitete ausführliche Bibliographie, welche die Literatur der Jahre 1885–91 umfasst, soweit sie für die Kenntniss der Quellen („Documenti“) zur mittelalterl. G. Italiens in Betracht kommt.
Archive, Bibliotheken, Museen. An erster Stelle ist hier auf die oben abgedruckten Thesen zu verweisen, welche auf der Historikerversammlung von Prof. Heigel vorgeschlagen und dann so gut wie einstimmig genehmigt worden sind.
Nur auf zwei Fragen der Archivbenutzung kommen wir hier noch besonders zurück. Die vom Referenten schliesslich fallen gelassene Forderung, dass gut gearbeitete Repertorien durch den Druck zugänglich gemacht werden sollten, war zum grossen Theil desshalb bekämpft worden, weil die finanziellen Mittel zur Durchführung fehlten. Das Bedenken scheint uns doch nicht durchschlagend, da es sich nicht um eine schleunigst zu veranstaltende Riesenpublication, sondern um ein allmähliges Vorgehen handelt, mit dem man nur erst einmal den Anfang machen müsste. Die Frage ist bisher in dieser Zeitschrift nur gestreift worden, und da sie, wie es uns scheint, auch auf dem Historikertage ein wenig zu kurz gekommen ist, so mögen die Bemerkungen hier wiederholt sein, die in der „Festgabe“ abgedruckt waren.
Es bedarf für den Kundigen ja gar nicht der Ausführung, wie weit wir in Deutschland hinter anderen Ländern, besonders Frankreich, in der Aufschliessung unserer Archive durch Druck der Repertorien zurück sind. Natürlich sollen wir nicht einfach das Beispiel der Franzosen nachahmen, sondern wir sollen es besser machen als sie, mit mehr historischem Sinn und weniger Schablone. Denn wer einmal in Elsässischen Städten, besonders [185] Strassburg, es kennen gelernt hat, welche Verwüstungen im historischen Zusammenhang der Archivalien das unverständige Zwangsschema des Französischen Inventaire sommaire des archives municipales angerichtet hat, wird diese bureaukratische Schablone aus dem Grund seines Herzens verwünschen. Die Existenz von guten und in Ruhe gearbeiteten handschriftlichen Repertorien ist die Vorbedingung für die Publication, und desshalb wird kein Fachmann zur Ueberstürzung drängen, wo diese Vorbedingung fehlt. Aber rechtfertigen diese Erwägungen es, dass in Deutschland auf diesem Gebiete so wenig und von Seiten unserer grössten Staatsarchivverwaltung rein gar nichts geschieht? Seit vielen Jahren verfügt dieselbe über Mittel zu „Publicationen aus den Preussischen Staatsarchiven“. Die ersten Publicationen, die der Forscher da erwarten sollte, sind Archivinventare oder doch Archivübersichten. Noch kein Band dieses Inhalts ist jedoch erschienen.
In der erwähnten Festgabe haben wir uns noch mit einer zweiten Frage der Archivbenutzung beschäftigt, die bisher in der Zeitschrift nicht zur Sprache gekommen ist, von dem Referenten des Historikertages aber in sehr wirksamer Weise behandelt wurde, mit der Geheimhaltung von Archivalien, die man aus polit. Rücksichten glaubt verfügen zu müssen. Bei der immer extensiver und intensiver werdenden Beschäftigung mit neuester Geschichte und der zugleich immer liberaler gewordenen Praxis der meisten Archivverwaltungen muss es um so mehr als eine kleinliche Kurzsichtigkeit erscheinen, wenn andere Verwaltungen aus Rücksicht auf das „Staatsinteresse“ die Benutzung von Acten aus der ersten Hälfte, sogar aus dem ersten Viertel dieses Jahrhunderts verweigern. Gerade in der letzten Zeit sind uns verschiedene solche Fälle bekannt geworden, in denen es sich u. A. um das Münchener Staatsarchiv handelte. Typisch ist der Fall, dass ein Forscher für seine Arbeit zwei oder drei Archive benutzt hat und im vierten verschlossene Thüren findet. Die Folge ist natürlich in der Regel, dass es ihm erschwert ist, der Politik des Staates, dessen Archiv ihm unzugänglich blieb, gerecht zu werden. Werden ihm z. B. die Baierischen Acten vorenthalten, während er die Preussischen, Oesterreichischen und Französischen benutzen durfte, so sieht er die Baierische Politik durch Preussische, Oesterreichische und Französische Brillen!
Die Verwaltung des Stadtarchivs zu Speyer, die bisher von der Stadtkanzlei besorgt wurde, ist seit vorigem Jahre einem Fachmann, dem k. Kreisarchivar Dr. J. Mayerhofer, provisorisch übertragen worden. Es ist zwar nicht, wie eine Zeitungsnotiz wissen wollte, bei dieser Gelegenheit ein „bisher unbekannter wahrer Schatz“ entdeckt worden, aber immerhin darf man erwarten, dass das bisher wenig beachtete Archiv durch die fachmännische Verwaltung der Forschung bequemer zugänglich werden wird. Zur allgemeinen Orientirung geben wir hier einige Notizen, die wir der Güte des Herrn Kreisarchivars verdanken und die zugleich die Angaben in Burkhardt’s Hand- und Adressbuch ergänzen und berichtigen. Das Archiv der ehemaligen Reichsstadt ist überraschend gut erhalten. Die Ordnung desselben, wie sie noch besteht, ist in den Grundzügen eine sehr zweckmässige und rührt von dem am 18. August 1836 verstorbenen k. Kreisarchivar Peter Gayer her, der auch ein Repertorium verfasst hat. Das [186] Archiv zerfällt in Acten und Rechnungen einer- und Urkunden anderseits. An Originalurkunden sind über 1000 Stück, darunter 164 Kaiserurkunden vorhanden; die Acten betreffen die staatsrechtlichen Gegenstände, die innere Verwaltung, das Justiz- und Finanzwesen der Reichsstadt. Die Genehmigung zur Benutzung ertheilt in liberalster Weise der Bürgermeister, k. Hofrath Süss. Versendung findet nur ganz ausnahmsweise statt.
Ueber die Katalogisirung der Handschriften Preussischer Bibliotheken, die im Auftrage des Ministeriums unter Leitung von Prof. Wilh. Meyer ausgeführt wird, haben wir ’91, Nr. 257 berichtet. Als erstes Ergebniss der Arbeit ist jetzt der erste Halbband eines „Verzeichnisses der Handschriften im Preussischen Staate“ erschienen. Er enthält einen Theil der Handschriften der Göttinger Univ.-Bibl. Ueber eine bei diesen Nachforschungen entdeckte Hs. der Geschichte des Inkareiches von Pedro Sarmiento de Gamboa hat Prof. Meyer in den Nachrr. der Ges. d. Wiss. zu Göttingen ’93, 1–18 berichtet.
In der Münchener Universitätsbibliothek sind bei den Ordnungsarbeiten durch den neuen Oberbibliothekar Dr. H. Schnorr v.Carolsfeld einige bisher unbekannte, z. Th. recht werthvolle Fragmente von Hss. aufgefunden worden: 2 Bll. einer Hs. der Epitome Sangallensis des Herm. Contractus, 4 Bll. einer grösseren Karoling. Capitularien-Hs., 8 Bll. einer Fredegar-Hs., 2 Bll. einer Itala-Hs., d. h. einer vorhieronym. Bibelübersetzung (dieselbe wird Prof. Wölfflin in den SBMünchAk publiciren), Theile einer Hs. von Wolfram’s Titurel und ein Blatt einer Notker-Hs. (diese beiden wird Dr. Golther in der ZDA veröffentlichen), endlich 1 Blatt, enthaltend ein Latein. Glossar mit althochdeutschen Glossen.
G. Mazzatinti’s Inventari dei mss. delle biblioteche d’Italia, die wir ’91 Nr. 138 angekündigt haben, sind bis zum Schluss des II. Bds. vorgerückt. Dieser verzeichnet die Hss. verschiedener kleinerer Bibliotheken in Ober- und Mittelitalien. Für Dt. G. des MA. bietet er wenig Material, mehr für 16. u. 17. Jh. Bezüglich der Bearbeitung wäre grössere Gleichmässigkeit und weniger ängstliches Festhalten an dem Französischen Vorbilde wünschenswerth gewesen. Bei einer nicht geringen Anzahl von Hss. vermisst man Angaben über Alter, Format, Umfang, ob Papier oder Pergament, u. dergl. m. Eine Ausnahme in letzterer Hinsicht macht nur das von A. Bellucci bearbeitete Verzeichniss der Hss. von Fonte Colombo und Perugia. Schärfere Hervorhebung der Signaturen und Stellung der Codexbeschreibung an die Spitze anstatt an den Schluss, etwa nach dem Muster des Heinemann’schen Kataloges der Wolfenbütteler Hss., würde die Uebersichtlichkeit wesentlich vermehrt haben. – Vgl. Bibliogr. ’93, 54.
Ein neues Rheinisches Provinzial-Museum wird jetzt in Bonn errichtet. Dasselbe wird wahrscheinlich im Juni feierlich eröffnet werden. Es soll die Sammlungen der Universität, des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinlande und des alten Provinzial-Museums aufnehmen. Zum Vorstand ist Prof. Klein ernannt worden.
Im letzten Hefte des vorigen Jahrgangs haben wir unter Nr. 401 eine Notiz über das kunsthistorische Hofmuseum in Wien gebracht, die, [187] wie uns von zuständiger Seite geschrieben wird, insofern nicht ganz zutreffend war, als nur für die Gemälde von einer z. Th. missglückten Anordnung die Rede sein kann, während die übrigen Abtheilungen überall Beifall gefunden haben. Dass die Aufstellung der Gemäldesammlung z. Th. verfehlt war, ist auch nicht erst in der von uns erwähnten anonymen Broschüre, sondern so ziemlich von der gesammten Kritik behauptet und von der Behörde anerkannt worden. Letztere hat den neuernannten Director der Abtheilung mit den nöthigen Aenderungen beauftragt. Das Museum besteht aus drei selbständigen Abtheilungen unter besonderen Directionen: 1. Antiken und Münzen sowie Egyptische Alterthümer (Director: Reg.-R. Dr. Fr. Kenner). 2. Kunstindustrielle Gegenstände und Waffen (Director: Reg.-R. Dr. A. Ilg). 3. Gemälde (Director: A. Schäffer).
Zeitschriften und Sammelwerke. In unserer Bibliographie haben wir diesesmal unter Nr. 605 eine „Erwiderung“ zu verzeichnen, die in den Göttingischen Gelehrten Anzeigen erschienen ist. Man könnte meinen, unser vornehmstes kritisches Organ hätte seinen bisherigen Standpunkt, die Polemik grundsätzlich auszuschliessen, aufgegeben. Dem ist aber nicht so: die Aufnahme der Erwiderung ist vielmehr auf Grund des Pressgesetzes verlangt worden, wonach rein thatsächliche Berichtigungen aufgenommen werden müssen. Die Anrufung des Pressgesetzes scheint neuerdings in wissenschaftlichen Erörterungen gerade unter Historikern Sitte werden zu sollen. Wir können uns nicht erinnern, dem erwähnten, ja sehr schätzenswerthen § 11 früher in wissenschaftlichen Organen begegnet zu sein; im Laufe der letzten anderthalb Jahre aber finden wir ihn in der Historischen Zeitschrift 4mal angerufen. Ob damit etwa nur ein anderswo gegebenes Beispiel nachgeahmt wird, vermögen wir nicht anzugeben.
Dieses Auftreten von Entgegnungen auf Grund des Pressgesetzes hat seine erfreuliche, aber auch seine bedenkliche Seite. Dass bei uns auf Kritiken fast gar nicht geantwortet wird, auch wo eine Erörterung sachlich förderlich sein könnte, scheint uns ein Uebelstand in unseren literarischen Gewohnheiten, dessen Milderung freudig zu begrüssen ist. Dass andererseits Redactionen von Zeitschriften, die viele Recensionen bringen, der Polemik vorsichtig äussere Grenzen ziehen müssen, begreift ein Jeder. Durchaus unbillig aber ist es offenbar, wenn man es dem Angegriffenen grundsätzlich verwehren will, seinem Kritiker an der Stelle, wo dieser sein Urtheil ausgesprochen hat, zu antworten. Die Gelegenheit zu einer solchen Entgegnung zu erhalten, ist unter Umständen ein sehr legitimes Bedürfniss. Zu welchen unhaltbaren Consequenzen es führt, wenn dieses Bedürfniss grundsätzlich geleugnet wird, man ihm im Einzelfall aber doch halbe Zugeständnisse macht, haben die Leser dieser Zeitschrift vor 2 Jahren in einem die GGA betreffenden Fall kennen gelernt, s. Bd. 6, 232–4. Erfreulich ist es, wenn durch § 11 des Pressgesetzes in die Schranken solcher Grundsätze in wirksamer Weise Bresche gelegt wird; aber es wäre wohl die Frage aufzuwerfen, ob nicht die jetzt in Aufnahme kommende Form, eben dieser Hinweis auf das Pressgesetz, lieber unterbliebe. Was das Pressgesetz [188] verlangt, ist doch zugleich Anstandspflicht. Da will es uns nicht würdig erscheinen, dass die Spalten einer Zeitschrift für eine wissenschaftliche Erwiderung, wenn auch nur scheinbar, durch die Drohung mit dem Polizeibüttel geöffnet werden.
Es liegt uns die erste Nummer einer Niederländischen Literaturzeitung vor: Museum, Maandblad voor philol. en gesch., hrsg. v. P. J. Blok, J. S. Speyer und B. Symons. Die Zeitschrift, in Einrichtung und Ausstattung unseren Literaturblättern wie CBl und DLZ ähnlich, berücksichtigt in erheblichem Masse die Dt. Literatur. (Groningen, Wolters. à Jg. 5 fl. 90.)
Von den Mittheilungen aus d. histor. Litteratur ist ein Ergänzungsheft mit Registern über die ersten 20 Jahrgänge (1873–92) ausgegeben worden (Berlin, Gärtner. 144 p. 3 M.). Die beiden Hauptbestandtheile sind ein alphabet. und ein systemat. Register der besprochenen Schriften. Daran schliesst sich drittens noch ein alphabet. Verzeichniss der Mitarbeiter.
Bei der Historischen Zeitschrift hat sich eine wichtige Veränderung vollzogen. Prof. Max Lehmann, der langjährige Mitarbeiter Geh.-R. v. Sybel’s, der seit einigen Jahren auch als Mitherausgeber zeichnete, ist aus der Redaction ausgeschieden. Für ihn ist Archivar Dr. Fr. Meinecke eingetreten. – Bei diesem Anlass sei noch darauf aufmerksam gemacht, dass die Zeitschrift in den letzten Jahren allerhand kleine Verbesserungen eingeführt hat, die meist die äussere Einrichtung, z. Th. aber auch den Inhalt ihrer literar. Berichterstattung betreffen. Sie sorgt jetzt für eine systemat. Uebersicht über ihren Literaturbericht und bietet ein Verzeichniss der bei ihr eingelaufenen neuen Bücher. – Vgl. auch oben Nr. 119–120.
Das Historische Taschenbuch, das zuletzt von W. Maurenbrecher herausgegeben wurde und im Verlage von F. A. Brockhaus bis zu seinem 62. Jahrgang gelangt ist, wird voraussichtlich nicht weiter erscheinen. Die im J. 1830 durch Fr. v. Raumer begründete Zeitschrift hat zeitweise einen recht erheblichen Einfluss auf Verbreitung geschichtlicher Kenntnisse und Popularisirung der Forschungsergebnisse geübt. Lange Jahre hindurch hat Raumer selbst sie redigirt, ihm folgte W. H. Riehl, diesem Maurenbrecher.
Auch die Germania, Vierteljahrsschrift für Dt. Alterthumskunde, zuletzt hrsg. v. Behaghel ist eingegangen. Dieselbe kann zwar nicht auf eine so lange Lebensdauer wie das Taschenbuch, aber immerhin auf fast 40 Jahre zurückblicken, die verstrichen sind, seit sie im J. 1856 durch Fr. Pfeiffer im Gegensatz gegen die Lachmann’sche Schule gegründet wurde.
Die Zeitschrift für Deutsche Culturgeschichte ist mit dem 3. Jahrgang in den Besitz des bisherigen Commissionsverlegers H. Lüstenöder in Berlin übergegangen. Die Redaction bleibt, wie es in der Ankündigung heisst, vorerst in den Händen des Hrn. Dr. Christ. Meyer. An Stelle der seitherigen Vierteljahrshefte sollen 8 Hefte jährlich erscheinen, und es wird auch an eine Erweiterung des Umfangs der Zeitschrift gedacht, [189] falls die verstärkte Antheilnahme des Publicums das Unternehmen einigermassen unterstützt.
Von der Zeitschrift für Social- und Wirthschaftsgeschichte, deren Begründung wir das letzte Mal anzeigten, liegt das 1. Heft vor. Es wird eröffnet durch Aufsätze von zwei Deutschen Historikern, Pöhlmann, „Die Feldgemeinschaft bei Homer“, und Mommsen, „Die Bewirthschaftung der Kirchengüter unter Papst Gregor I.“. Es folgt ein Englischer Wirthschaftshistoriker, W. Cunningham, „Die Regelung des Lehrlingswesens durch das Gewohnheitsrecht von London“, und sodann ein Deutscher Nationalökonom, Brentano, „Die Volkswirthschaft und ihre concreten Grundbedingungen“. Auch weiterhin werden, nach der Ankündigung zu urtheilen, wirthschaftsgeschichtliche Abhandlungen, die mit der sogenannten politischen Geschichte enge Fühlung halten, einen wesentlichen Theil des Inhaltes ausmachen, so dass die Zeitschrift auch von den Historikern im engern Sinne fortdauernd wird beachtet werden müssen. Literaturübersicht und Besprechungen, die in Aussicht gestellt waren, fehlen im 1. Heft, um den Aufsätzen Raum zu lassen.
Im Verlage von Hirschfeld in Leipzig hat ein neues Blatt, „Zeitschrift für Literatur und Geschichte der Staatswissenschaften“, hrsg. v. Dr. K. Frankenstein, zu erscheinen begonnen (à Jg. 12 M.). In einem ersten Abschnitte sollen grössere Abhandlungen, im zweiten Referate und Kritiken gebracht werden, woran sich als dritter eine systematische Bibliographie der Staatswissenschaften anschliesst. Es sind viele, auch auswärtige Mitarbeiter gewonnen worden.
Eine Sammlung älterer und neuerer staatswissenschaftlicher Schriften des In- und Auslandes wird bei Duncker & Humblot von L. Brentano und Em. Leser herausgegeben. Es sollen eine Anzahl schwer zugänglicher oder in fremder Sprache geschriebener Schriften dargeboten werden, die letzteren in Uebersetzung. Anscheinend werden Uebersetzungen aus dem Englischen überwiegen. (Vgl. Bibliogr. ’93, 651.)
Deutsche Provinzialzeitschriften. Neu entstanden ist ein „Jahrbuch für Geschichte des Herzogthums Oldenburg“, s. unsere Notiz über den Verein, Nr. 96. – Ebenso unter dem Titel „Argo“ eine Zeitschrift für Krainische Landeskunde, hrsg. v. A. Müllner, die sich aber vorzugsweise mit Prähistorie beschäftigt und im übrigen stark populär gehalten ist. – Die Zeitschrift des Harzvereins hat im 24. Bande ein „sachlich geordnetes Inhaltsverzeichniss der Veröffentlichungen des Vereins v. 1889–91“ gebracht. – Bei der Leitung des geschtl. Theils der Alemannia wirkt seit vorigem Jahre Prof. Ed. Heyck mit. – Die Redaction der Monatsschrift des historischen Vereins für Oberbayern hat Dr. G. Hager, Secretär am Nationalmuseum, übernommen. – Das Monatsblatt des Alth.-V. zu Wien wird vom 10. Jahrgang ab nicht mehr durch W. Boeheim, sondern durch Prof. W. Neumann redigirt.
Neue Französische Zeitschriften. Von allgemeinerem Interesse ist die Revue de l’Orient latin, die seit Anfang dieses Jahres unter Direction des Marquis de Vogué und Ch. Schefer’s von Ch. Kohler bei [190] Leroux herausgegeben wird (jährlich in 4 Heften, 25 resp. 27 fr.). Den Inhalt bilden: 1. Inventare und Beschreibungen von Handschriften, 2. Publicationen von Documenten, 3. darstellende Artikel und Notizen. Künftighin sollen noch Besprechungen und am Schluss jedes Bandes eine ausführliche Bibliographie hinzukommen. Die Archives de l’Orient latin, von denen bei Lebzeiten des Grafen Riant 2 Bde. erschienen sind, erhalten damit eine Art Fortsetzung.
Unter dem Titel L’Archiviste erscheint in Asnières bei Paris seit Ende 1892 eine Revue histor. et documentaire publ. d’après des docc. tirés des collections publiques etc., hrsg. v. L. Séché (monatlich 2 Hefte, jährlich 15 fr.). Der Herausgeber, Verf. eines preisgekrönten Buches über die letzten Jansenisten und einer Biographie Jules Simon’s, versichert im Programm, es habe bisher an einer Zeitschrift gefehlt, die zur Publ. von Documenten ohne Parteirücksichten bestimmt sei. Die Zeitschrift soll allen „chercheurs et possesseurs de documents inédits sur l’hist. de France“, also einem stark dilettantischen Publicum offen sein. Sie bringt Abhandlungen, meist kleineren Umfangs, über Fragen von „actuellem Interesse“, Textabdrücke von histor. Documenten, einige Recensionen und eine Art Briefkasten „Questionnaire hist.“. Der Inhalt der ersten 6 Nummern gehört ganz der neueren Geschichte seit dem 18. Jahrh., vorzugsweise der Revolutionszeit an.
Eine Revue sémitique d’épigraphie et d’histoire ancienne wird seit kurzem von J. Halévy bei Leroux herausgegeben. – Von rein localer Bedeutung sind die Monatsschriften L’Union histor. et litér. du Maine (Le Mans, Leguicheux. 10 fr.) und L’Auvergne histor., litér. et artistique (vgl. RQH 53, 565).
Neue Italienische Zeitschriften werden in der R. stor. ital. X, 189–191 zusammengestellt. Wir erwähnen davon eine Rassegna bibliografica della letteratura italiana, hrsg. v. Prof. A. d’Ancona (Pisa, Mariotti, à Jg. 6 fr.), eine Rivista di storia antica, die als Vierteljahrsschrift in Messina erscheint, ein Bollettino stor. pavese, hrsg. v. A. Cavagna Sangiuliani (à Jg. 6 fr.) und eine Rivista calabrese di storia e geogr. hrsg. v. O. Ditto (Catanzaro, à Jg. 8 fr). Manche von diesen in Italien so rasch aufschiessenden Zeitschriften haben nur ein kurzes Leben. So ist eine neu entstandene Rivista critica e bibliogr. della lett. dantesca, hrsg. v. G. L. Passerini, die auch in Dtld. angezeigt wurde, schon nach drei unbedeutenden Heften eingegangen. Mehr Dauer verspricht wohl die mit städtischen Mitteln im Juli 1892 begonnene Rivista di storia, arte etc. di Alessandria (à Jg., 2 Hfte. zu mindestens 10 Bogen, 12 fr.).
Gleichzeitig mit dem Deutschen und dem Französ. Organ für Socialgeschichte (s. oben Nr. 127 u. ’92, 415–16) ist in Italien eine Rivista internazionale di scienze sociali e discipline ausiliare entstanden. Sie vertritt den katholisch-kirchlichen Standpunkt und wird im Auftrage der Unione cattolica per gli studi sociali in Italia von Prof. S. Talamo herausgegeben. Den Inhalt bilden neben Aufsätzen ziemlich umfangreiche Mittheilungen aus anderen Zeitschriften, Recensionen und [191] bibliogr. Notizen und eine Chronik des socialen Lebens, die auch eine stark kirchliche Färbung hat. Die Zeitschrift erscheint im Selbstverlage in Rom, monatlich in Heften von wenigstens 10 Bogen, die zu je 4 einen Band bilden. Abonnementspreis für Italien 20, für’s Ausland 25 Lire jährlich.
Als Organ der Moskauer archäologischen Gesellschaft erscheint seit Anfang des Jahres: Archeologičeskija izvěstija i zaměcki (Archäol. Nachrichten u. Notizen), hrsg. von A. v. Orěšnikov. Das frühere Organ der Ges., die Archäolog. Zeitschrift (Archl. Věstnik), hat nur ein Jahr existirt. Auch die Nachrichten der Petersburger archäologischen Gesellschaft sind eingegangen. Die neue Zeitschrift soll monatlich in Lieferungen von je 2 Bogen erscheinen; Preis à Jg. 3 Rubel.
Eine Zusammenstellung und Besprechung von Lehr- und Handbüchern müssen wir aus Raummangel zurückstellen. Erwähnt sei vorläufig nur, dass Schulte’s Lehrbuch der Dt. Reichs- u. Rechts-G. in 6. Aufl. vorliegt, dass von Grotefend’s chronologischem Handbuch (Zeitrechnung d. christl. MA.) die erste Hälfte des 2. Bandes (mit den Diöcesankalendern), ebenso von Chevalier’s Répertoire des sources historiques du MA. der 2. Band (Topo-Bibliographie) erschienen ist, und dass endlich auch das Adressbuch der Dt. Bibliotheken, bearbeitet von P. Schwenke, über dessen Vorbereitung wir früher berichtet haben, seit kurzem vorliegt.
Preisausschreiben und Stiftungen. Die Fürstl. Jablonowski’sche Gesellschaft zu Leipzig, welche, wie nebenbei bemerkt sei, die Proff. Ed. Sievers und K. Lamprecht zu Mitgliedern gewählt hat, stellt als Preisaufgabe für 1896 „Eine eingehende Untersuchung der wirthschaftl., socialen und politischen Bewegung in irgend einer grösseren Dt. Stadt des ausgehenden Mittelalters mit besonderer Rücksicht auf die Wirkungen des seit Ende des 14. Jh.s aufkommenden capitalistischen Individualismus“. Preis 1000 Mark. Die Aufgaben für 1893–95 s. Nachrr. ’92, Nr. 211.
Die Arbeiten für die Preisaufgaben der Mevissen-Stiftung in Köln (s. ’91, 463) sind an den stellvertretenden Vorsitzenden der Gesellschaft für Rhein. Geschichtskunde, Stadtarchivar Dr. Hansen in Köln, einzuschicken.
Die philos. Facultät der Univ. Breslau hat als Verwalterin einer von dem verstorbenen Generalconsul und Major a. D. Neigebaur begründeten Stiftung folgende Preisaufgabe ausgeschrieben: „Welche Einwirkung haben die in den letzten 30 JJ. erzielten Fortschritte der Kenntniss fremder Erdtheile auf das staatliche und wirthschaftliche Leben des Dt. Reiches geübt?" Die zu Preisen verfügbare Summe beträgt 12–14 000 M.; es können mehrere Preise von mindestens 900 und höchstens 3000 M. vertheilt werden.
Die Göttinger Gesellschaft der Wissenschaften stellt als Preisaufgabe für das Jahr 1895 die vollständige Verzeichnung, Ordnung und kritische Untersuchung der Schriften Abraham Gotthelf Kästner’s soweit sie nicht in den Bereich seiner Berufswissenschaft fallen. Die Arbeit soll als unmittelbare Grundlage für eine neue Ausgabe der schönwissenschaftlichen Schriften Kästner’s dienen können.
[192] Dieselbe Göttinger Gesellschaft ist von dem am 22. December 1891 verstorbenen Professor Paul de Lagarde zur Erbin seines Nachlasses eingesetzt worden, aus dessen Ertrag die Drucklegung einer fortlaufenden Reihe von wissensch. Werken der verschiedensten Disciplinen – wir erwähnen nur: culturgesch. Texte des Mittelalters, Briefwechsel verdienter Gelehrter, Folgen von Gesandtschaftsberichten uud Briefen bekannter Staatsmänner und Publicisten, Werke der Kirchenväter und Scholastiker, jüd. Schriften des späteren Mittelalters – bestritten werden soll. Zur Aufbringung der Kosten für die Vorarbeiten solcher Ausgaben hat nun ein Comité einen Aufruf zur Betheiligung an einer „Stiftung der Freunde Paul de Lagarde’s“ erlassen. Geldbeiträge sind an Professor G. Hoffmann, Kiel, als Kassenführer einzusenden.
Bei der Berliner Akademie tritt jetzt die Eduard Gerhard-Stiftung, die zur Errichtung eines archäolog. Reisestipendiums bestimmt ist, ins Leben, da nach dem Tode der Witwe des Stifters die Zinsen des Kapitals (von reichlich 70 000 M.) verfügbar geworden sind. Das Stipendium soll noch in diesem Jahre zum ersten Mal verliehen werden.
Die Teyler’sche Theol. Gesellschaft zu Haarlem hat als Preisaufgabe gestellt: Geschichte der Niederländischen Bibelübersetzung bis zur Herausgabe der Uebersetzung nach Luther im J. 1523.
Die Brüsseler archäologische Gesellschaft hat Preise von je 500 fr. ausgesetzt für 1. eine vorgeschichtliche Karte Belgiens, 2. eine Karte Belgiens zur Römischen, und 3. zur Fränkischen Epoche.
Die Académie des inscriptions stellt als Thema für den Prix Bordin das Verhältniss der Ἀθηναίων πολιτεία zu den vollständig oder fragmentarisch erhaltenen Werken des Aristoteles nach Stil und Inhalt zu untersuchen.
Die Académie des sciences morales et politiques hat aus der Stiftung Aucoc et Picot 1000 fr. an P. Griveau für seine Administration sous François I bewilligt (vgl. das Preisausschreiben ’89, 163). – Für 1896 stellt sie das Thema: Finanzgeschichte Spaniens, Oesterreichs und Italiens im 18. und 19. Jahrhundert. Die Höhe des Preises ist in unserer Quelle nicht genannt, sie ist aber wahrscheinlich nicht unbedeutend.
Personalien. Akademien etc. Der Secretär der histor.-philos. Classe der Akad. d. Wiss. in Berlin, Geh.-Rath Prof. Dr. E. Curtius hat sein Amt niedergelegt; zu seinem Nachfolger ist Geh.-Rath Prof. Dr. J. Vahlen gewählt worden. Von derselben Classe wurde zum auswärt. Mitgliede Prof. Dr. H. v. Brunn in München ernannt. – Die Gesellschaft d. Wiss. in Göttingen wählte zu ordentlichen Mitgliedern ihrer histor.-philol. Classe Prof. Dr. U. v. Wilamowitz-Möllendorf und Prof. Dr. J. Wellhausen in Göttingen, zu Correspondenten ebenderselben Prof. Dr. M. Ritter in Bonn, Prof. Dr. G. v. d. Ropp in Marburg, H. Harrisse in Paris.
Die Académie française wählte an C. Rousset’s Stelle P. Thureau-Dangin, die Académie des inscrr. et belles-lettres an Stelle von S. Luce zum Mitgliede Eug. Müntz, zum corresp. français an A. Castan’s Stelle Ch. de Grandmaison, Archivar des Departement-A. in Tours. – Die [193] Académie des sciences morales et polit. wählte an Stelle des Barons Hübner den Director des Wiener Staatsarchivs Ritter Alfr. v. Arneth zum associé étranger. – Die Gesellschaft der Wiss. in Kopenhagen hat Prof. Alb. Sorel in Paris zum ausw. Mitgliede ihrer hist.-philos. Classe ernannt.
Universitäten etc. Zum Nachfolger M. Lehmann’s in Marburg ist Prof. Dr. A. Naudé in Berlin ernannt worden. Die Facultät hatte, wie man uns schreibt, nicht ihn, sondern in erster Linie Prof. F. v. Bezold in Erlangen vorgeschlagen und ihre Ansicht gegen das Ministerium mit besonderer Entschiedenheit, aber ohne Erfolg vertreten. – Zum Nachfolger A. Gaedeke’s ist Prof. Dr. W. Busch in Leipzig an die Techn. Hochschule in Dresden berufen. – Prof. Dr. J. Loserth in Czernowitz ist an die Univ. Graz versetzt. – Der Archivar am Staats-A. in Wien Dr. A. v. Károlyi ist zum o. Prof. der Ungar. G. an der Univ. Budapest und der Supplent am Institut für Oesterr. G.-Forschung Priv.-Doc. Dr. O. Redlich zum ao. Prof. an der Univ. Wien ernannt worden. – Die durch den Tod J. Fehr’s im Herbst 1891 erledigte ao. Professur für G. an der Univ. Tübingen hat der Repetent am katholischen Wilhelmsstift daselbst Dr. J. B. Sägmüller, diejenige für G. und Philologie am kgl. Lyceum in Dillingen Prof. J. Schlecht in Eichstätt erhalten. – O. Waltz in Dorpat hat seine Professur niedergelegt, desgl. Director Dr. Aug. Thorbecke seine Privatdocentur an der Univ. Heidelberg. – Habilitirt haben sich für neuere G. Dr. K. Spannagel in Berlin, Dr. F. Rachfahl in Kiel und Dr. R. Luginbühl in Basel; für allg. Cultur-G. Dr. V. Zíbrt in Prag; für allg. Oesterr. G. Dr. A. Dopsch in Wien.
Priv.-Docent Dr. K. Wasserrab in München ist als o. Prof. für Nationalökonomie nach Freiburg in der Schweiz und der ao. Prof. Dr. G. Adler in Freiburg i. Br. als ao. Prof. nach Basel berufen. – Priv.-Doc. Dr. K. Bergbohm in Dorpat erhielt eine ao. Professur für Staatsrecht an der Universität Marburg. – Nachträglich erwähnen wir, dass sich für Dt. Rechts-G. im Sommer 1891 in Leipzig Dr. K. Burchard aus Königsberg habilitirte.
Der ao. Prof. für Kirchen-G. Dr. A. Weiss in Graz wurde zum o. Prof. ernannt. – Die erledigte ao. Professur für Kirchenrecht u. Kirchen-G. am kgl. Lyceum in Dillingen wurde dem derzeitigen Verweser dieser Stelle Dr. J. Schnitzer übertragen. – Habilitirt hat sich in Heidelberg für Kirchen-G. Lic. Dr. G. Grützmacher.
Als o. Prof. für Dt. Sprache u. Lit. ist F. Kluge in Jena nach Freiburg i. Br. berufen. – Die seit Elze’s Tode (1887) erledigte o. Professur für Englische Philologie an der Univ. Halle ist dem ao. Prof. Dr. Albr. Wagner daselbst übertragen worden. – Der o. Prof. an der Czechischen Univ. in Prag Dr. K. Jireček wurde zum o. Prof. der Slavischen Philologie und Alterthumskunde an der Univ. Wien ernannt. – In Strassburg habilitirte sich für class. Alterth.-Wiss. Dr. Richard Heinze aus Leipzig, in Heidelberg für Lit.-Gesch. der Prof. an der höheren Töchterschule daselbst Dr. A. Waag.
Prof. Dr. Jakob Burckhardt in Basel hat seine akademischen Vorlesungen eingestellt. Als sein Nachfolger ist Priv.-Doc. Dr. H. Wölfflin [194] aus München berufen worden. – Der ao. Prof. der Musikwissenschaft an der Dt. Univ. in Prag Dr. Guido Adler wurde zum o. Prof. ebendaselbst ernannt. – Der Priv.-Doc. an der Technischen Hochschule in Charlottenburg Dr. Corn. Gurlitt folgt einem Rufe als Prof. f. prakt. Aesthetik an die Techn. Hochschule in Dresden. – Es habilitirten sich für Kunst-G. an der Univ. Berlin Dr. Ad. Goldschmidt und an der Univ. Giessen der Gymn.-Lehrer Dr. Adelbert Matthäi. Zeitungen haben fälschlich berichtet, dass Letzterer nach Kiel berufen sei, wo es gar keine Professur für Kunst-G. gibt.
Ausland. Zum Nachfolger S. Luce’s als Prof. an der École des Chartes in Paris wurde unser Mitarbeiter Aug. Molinier, bisher an der Bibl. Ste.-Geneviève, und zum Prof. der Dt. Sprache u. Lit. am Collège de France Prof. Arthur Chuquet ernannt. – Die durch W. J. Skene’s Tod erledigte Stelle eines Schottischen Historiographen erhielt Prof. David Masson in Edinburgh.
Archive. Der ehemalige Professor an der Univ. Basel Dr. J. v. Pflugk-Harttung ist zum Archivar 1. Cl. ernannt und dem Geh. Staats-A. in Berlin zu commissarischer Beschäftigung überwiesen. – Am Staatsarchiv zu Wien sind befördert worden: Staatsarchivar A. V. Felgel zum Sectionsrath, Dr. K. Schrauf zum wirklichen Staatsarchivar, und A. Györy v. Nádudvár zum Concipisten 1. Classe. – Am Haupt-Staats-A. in Dresden ist A.-Secr. Dr. W. Lippert zum Staatsarchivar, am General-Landesarchiv zu Karlsruhe Dr. P. Albert zum etatsmässigen Hilfsarbeiter ernannt worden. – Der Praktikant am Reichsarchiv in München Dr. J. Striedinger wurde an das Kreisarchiv daselbst versetzt. – Bei den Staatsarchiven in Hannover und Koblenz traten Dr. O. Merx und Dr. P. Richter als Hilfsarbeiter ein.
Bibliotheken. Der Oberbibliothekar der Univ.-Bibl. zu Leipzig Prof. Dr. O. v. Gebhardt ist zum o. Hon.-Prof. für Buch- und Schriftwesen an dortiger Univ. ernannt worden. – Director der Druckschriften-Abtheilung der kgl. Bibliothek in Berlin wurde Oberbibliothekar Dr. K. Gerhard in Königsberg. An seine Stelle trat commissarisch der Bibliothekar an der Univ.-Bibl. in Göttingen P. Schwenke. – An der Univ.-Bibl. in Lemberg wurde Scriptor Dr. F. Papée zum Custos befördert. – Der Volontär an der Univ.-Bibl. in Berlin Dr. W. Drexler wurde als Assistent an die Univ.-Bibl. zu Halle versetzt. – Als Hilfsarbeiter trat Dr. F. Wissowa an der Stadtbibl. in Aachen ein. – Der Hilfsarbeiter an der Univ.-Bibl. zu Jena Dr. F. Redlich hat seine Stelle niedergelegt.
Museen etc. Dem Director des Museums für Völkerkunde in Kiel Oberl. Dr. R. Scheppig wurde der Professorentitel verliehen. – Zu Conservatoren der Kunst- und histor. Denkmäler der Prov. Sachsen bezw. der Prov. Schleswig-Holstein wurden Archiv-Assistent Dr. E. Theuner in Magdeburg und Gymn.-Prof. Dr. R. Haupt in Schleswig ernannt.
Schulen. In den Ruhestand trat Gymn.-Director Dr. M. Töppen in Elbing, mit dem Titel Geh. Reg.-Rath. An seine Stelle ist Dir. Dr. Rich. Martens aus Marienburg nach Elbing versetzt worden. – Zum Dir. des Progymn. in Schwetz ist Oberl. Dr. M. Baltzer in Danzig ernannt. [195] – Versetzt sind: die Oberlehrer Dr. A. Güldenpenning von Stargard nach Dramburg, Dr. F. Kurze von Stralsund an das Elisabeth-Gymn. in Berlin, Dr. K. Krüger von Schwetz nach Strasburg i. Westpr. – Die Oberlehrer Dr. W. Fischer in Plauen, Dr. S. Issleib in Leipzig und Dr. K. M. Welte in Dresden erhielten den Professorentitel. – Dr. J. Girgensohn, der in Folge der Russificirung der Ostseeprovinzen seine Stellung am Gymnasium zu Riga vor 2 Jahren aufgegeben hat, hat im vorigen Herbst eine zunächst provisor. Anstellung am Lehrerseminar zu Kammin erbalten.
In Preussen ist am 1. April die Bestimmung in Kraft getreten, dass ein Drittel der Oberlehrer (im allgemeinen nach der Anciennität) den Titel Professor erhält und alle fest angestellten Lehrer den Titel Oberlehrer führen. Die hierauf beruhenden Oberlehrer-Ernennungen lassen wir ganz unberücksichtigt, dagegen haben wir die Historiker von Fach, die sich unter den neu ernannten Professoren befinden, zusammenzustellen gesucht. Für einige Provinzen fehlt uns noch die Auskunft. Soweit wir bisher erfahren konnten, wurden ernannt:
In der Provinz Ostpreussen: Dr. K. Gawanka in Osterode, Dr. P. Krause in Rastenburg, A. Krüger in Wehlau, H. Laves in Lyck, F. Preiss in Hohenstein, Dr. G. Schmitz in Wehlau, F. Stumpf in Lötzen, Dr. H. Töws in Insterburg, Dr. G. Zippel in Königsberg.
In der Provinz Posen: Dr. P. Beck in Posen, A. Engelhardt in Bromberg, F. Hengstenberg in Rawitsch, Dr. Eug. Muche in Schneidemühl, Dr. J. Rangen in Ostrowo, Dr. E. Rummler in Posen, Dr. M. Tetzlaff in Nakel.
In der Provinz Pommern: Dr. O. Blümcke und Dr. K. F. Meyer in Stettin, F. Mojean in Stralsund.
In der Provinz Sachsen: Dr. Adalb. Düning in Quedlinburg, Dr. Gust. Hertel in Magdeburg, Dr. Reinh. Jordan in Mühlhausen, Rich. Kanngiesser in Magdeburg, Dr. Emil Sauer in Stendal.
In der Provinz Schleswig-Holstein: Dr. J. Claussen in Altona, Dr. J. v. Destinon in Kiel, H. Hansen in Flensburg, Dr. H. Mehmel in Altona, A. Pautz in Itzehoe, Schumann in Wandsbeck, Dr. W. Wiegand in Flensburg, O. Zschech in Neumünster.
In der Provinz Westfalen: Dr. J. Holle in Recklinghausen, Dr. K. Rübel in Dortmund, Joh. Schmülling in Münster, Dr. W. Schröder in Minden.
In Hohenzollern: Dr. Th. Dreher u. Dr. J. Heinz in Sigmaringen.
Jubiläen, Ehrungen etc. Geh.-Rath Prof. H. v. Brunn in München feierte am 20. März sein 50jähriges Doctorjubiläum. Es wurden ihm aus diesem Anlass besondere Ehrungen erwiesen; u. a. wurde eine Büste von ihm im Archäol. Institut in Rom aufgestellt. Der Jubilar selbst feierte den Tag durch die Publication der 1. Lfg. seiner Griech. Kunst-G. – Dasselbe Fest beging am 26. Februar auch Prof. Dr. Wold. Wenck in Leipzig. – Prof. Dr. R. Schröder in Heidelberg ist von der philos. Facultät der Univ. Göttingen zum Ehrendoctor ernannt worden.
[196] Todesfälle. Deutschland (mit Oesterreich u. d. Dt. Schweiz). Am 12. Febr. in St. Gratien bei Paris, 73 J. alt, der Dt. Generalconsul z. D. Dr. Felix Bamberg, Verf. einer schon 1849 erschienenen G. der Februarrevolution, die er in Paris miterlebt hatte, und verschiedener Arbeiten zur G. d. Orientalischen Frage, darunter eines Bandes in der Oncken’schen Sammlung (s. Bibliogr. ’89, 983 u. ’92, 1204), auch einiger lit.-historisch wichtigen Publicationen aus dem Nachlasse Friedr. Hebbel’s, mit dem er eng befreundet gewesen war: der Tagebücher (Berlin 1885–87) und des Briefwechsels (s. Bibliogr. ’91, 1343 u. ’92, 1458 a).
Am 21. April in Ulm, 73 J. alt, der Vorstand des Oberschwäb. Kunst- u. Alterth.-Vereins Landgerichtsrath a. D. Hugo Bazing, Autorität für Ulmer Local-G. und mit Arbeiten für Fortführung des Ulmer Urkk.-buches beschäftigt. Einige seiner Schriften s. Bibl. ’90, 2991. ’91, 2313; 3854 l. ’93, 405 a.
Am 25. Jan. in Danzig, 55 J. alt, Archidiakonus u. Stadtarchivar A. Bertling, der in der provinzialen G.-forschung besds. Westpreussens eine sehr angesehene Stellung einnahm. B. war auch Referent für dieses Gebiet in den JBG. Den 1. Theil seines Kataloges der Danziger Stadtbibliothek s. Bibliogr. ’92, 2035 a.
Am 23. Jan. in Berlin, 75 J. alt, der Docent an der Lehranstalt für d. Wiss. des Judenthums Dr. David Cassel, hervorragender Kenner der Jüd. G. u. Lit.
Am 18. Jan. in Dillingen, 65 J. alt, der Prof. am kgl. Lyceum daselbst M. Daisenberger. Einige Arbeiten von ihm zur Schul-G. des 16. Jhs. erwähnten wir Bibliogr. ’91, 2451 k u. ’92, 2274 b.
Am 1. März in Tokio, 44 J. alt, der Prof. der Nat.-Oekonomie an dortiger Univ. Dr. Udo Eggert, der seine wissenschaftliche Laufbahn als Historiker mit „Studien zur G. der Landfrieden“ begonnen hat.
Am 28. Jan. in Bamberg, 79 J. alt, Lyceal-Prof. Dr. Andreas Haupt, Stifter der städtischen Sammlungen daselbst.
Ende 1892 in Greifswald, 24 J. alt, Dr. Benno Kindt, in dem auch unsere Zeitschrift einen Mitarbeiter verliert. K. stammte aus Greifswald, studirte auf den Universitäten Zürich und Greifswald und promovirte an letzterer im J. 1890 mit einer Arbeit über „Die Katastrophe Ludovico Moro’s in Novara im April 1500“ (vgl. Bibliogr. ’91, 457). In Bd. VII brachten wir einen Aufsatz von ihm über den „Fälscher der Briefschaften des Grafen d’Estrades aus den JJ. 1637 u. 1638“.
Am 14. Febr. in Mainz, 83 J. alt, der Director des Römisch-Germanischen Centralmuseums Prof. Dr. Ludwig Lindenschmit, der Nestor der Dt. Alterthumsforscher. Von seinen Hauptwerken seien hier genannt: Die vaterländ. Alterthümer der fürstl. Hohenzollern’schen Sammlungen zu Sigmaringen (1860); Die Alterthümer unserer heidnischen Vorzeit. 4 Bde. 1864 ff. (vgl. Bibliogr. ’89, 2734 u. ’91, 2084); Handbuch der Dt. Alterthumskunde. 3 Lfgen. 1880–89 (vgl. Bibliogr. ’89, 2773 u. ’92, 185 h); Das Römisch-German. Centralmuseum in bild. Darstellungen (vgl. Bibliogr. ’90, 6 u. ’91, 123).
In der Nacht zum 5. April in Karlsruhe, 67 J. alt, der Kunsthistoriker Prof. Dr. Wilhelm Lübke. Unter seinen Werken, die sich durch klare, [197] etwas nüchterne Darstellung und Stoffreichthum auszeichnen, ist das bekannteste und verbreitetste der „Grundriss der Kunst-G.“, der 1892 in 11. Aufl. erschienen ist. Daneben verdienen noch besonders erwähnt zu werden: Vorschule zum Studium der kirchlichen Kunst des Dt. MA. (6. Aufl. 1873); Grundriss der Cultur-G. (7. Aufl. 1876); G. der Italienischen Malerei vom 4. bis 16. Jh. (1878); G. der Plastik (3. Aufl. 1880); G. der Renaissance in Dtld. (2. Aufl. 1881); G. der Renaissance in Frankreich (2. Aufl. 1885); G. der Dt. Kunst (1888).
Am 14. März in Königsberg, 40 J. alt, der Oberl. am Friedrichs-Colleg Dr. E. Meyer, Verf. einer Schrift über Lambert von Hersfeld (Diss. Königsb. 1877). Eine neuere Arbeit von ihm s. Bibliogr. ’93, 259 a.
Mitte Nov. 1892 in Leipzig, 69 J. alt, der Bibliothekar des Börsenvereins der Dt. Buchhändler Fr. H. Meyer, verdient um G. des Buchhandels und Mitarbeiter an der vom Börsenverein herausgegebenen G. des Dt. Buchhandels (von Fr. Kapp). Kleinere Aufsätze von ihm s. Bibliogr. ’90, 1970 e; n. ’91, 3159 h–l. ’92, 451 e; 500 f; 880 d; 1388 d; 1760 a–c.
In der Nacht vom 10. zum 11. März in Colmar, 72 J. alt, Stadtarchivar Xaver Mossmann, Herausgeber des Urkk.-buches von Mühlhausen (6 Bde. 1883–92). Auch seine sonstigen histor. Arbeiten betreffen überwiegend Elsäss. Local-G. Vgl. Bibliogr. ’89, 715; 1513; 2384; 3156; 4215. ’90, 464; 2511. ’91, 2411 m.
Am 23. März in Detmold, 37 J. alt, der Lit.-Historiker Professor G. H. Rahstede. Zwei grössere Arbeiten von ihm, die beide die neuere Französ. Lit.-G. betreffen, s. Bibliogr. ’89, 4942 u. Nachrr. ’92, 317 d.
Am 1. Febr. in Neudorf bei Strassburg, 59 J. alt, Pfarrer Jul. Rathgeber, Verf. zahlreicher Schriften zur Elsässischen G., besonders der neueren Zeit.
Am 1. April in München, 54 J. alt, der Rath am Verwaltgs.-Gerichtshofe daselbst Frh. Herm. von Reitzenstein, Forscher auf dem Gebiete der Familien-G. u. der Schwäb.-Fränkischen Local-G.
Am 26. Jan. in Bonn, 76 J. alt, Geh. Rath Prof. Dr. Herm. Schaaffhausen, hervorragender Anthropolog, dem auch Beiträge zur Prähistorie verdankt werden. Vgl. H. Hüffer in AZtg ’93 Nr. 100.
Am 24. April in Bozen, 59 J. alt, der Schriftsteller u. Lit.-Historiker Dr. Ed. Schmidt-Weissenfels, Verf. von populären histor. Schriften, besds. Biographien aus der neuesten Geschichte. Zwei neuere Arbeiten s. Bibliogr. ’90, 3490 u. ’91, 2607 g.
Am 10. Dec. 1892 in Würzburg, 56 J. alt, Universitäts-Bibliothekar Dr. J. B. Stamminger, früher Herausgeber einer populären Franconia sancta (Heiligenleben) u. neuerdings einer Franconia sacra (Ortsbeschreibung u. Ortsgeschichte), von der nur eine Lfg. erschienen ist (vgl. Bibliogr. ’90, 2459 u. ’91, 3841).
Am 3. Jan. in Dresden, 55 J. alt, der Kunsthistoriker Professor Dr. Rich. Steche, verdient um Erhaltung, Erforschung und Inventarisirung der Kunstalterthümer des Kgr. Sachsen. Von ihm bearbeitete Hefte der Beschreibenden Darstellung d. Bau- u. Kunstdenkmäler s. in unserer Bibliogr. ’90, 2075; 3879. ’91, 3262. Vgl. Nekrolog in MVGBerlin 10, 23.
[198] Am 9. Jan. in Zürich, 84 J. alt, Kirchenrath Prof. Dr. G. Volkmar, Verfasser zahlreicher Schriften zur ältesten G. des Christenthums, auch Herausgeber eines Jb. der histor. Ges. Züricher Theologen, von welchem jedoch nur ein Band (1877) erschienen ist.
Schweden. Am 12. Febr. in Linköping, 64 J. alt, der ehemalige Prof. der G. u. Kirchen-G. an der Univ. Upsala Bischof C. A. Cornelius. Seine 8bändige Kirchen-G. haben wir in der Bibliogr. ’91, 3009 u. ’92, 1673 a erwähnt.
England. Am 2. Jan. in Oxford, 87 J. alt, der Zoolog Prof. John O. Westwood, der hier wegen seiner Publl. zur Paläographie zu erwähnen ist. Darunter: Palaeographia sacra pictoria (farbige Proben aus Prachthss. 4.–16. Jh., 1843–45), Facsimiles of the miniatures and ornaments of the Anglo-Saxon and Irish mss. (1868) und Lapidarium Walliae (älteste Walliser Steininschriften 1876–79). Vgl. auch DZG II, 222 und VII E56.
Holland. Am 11. März in Amsterdam der Director des städt. Archivs und Lector f. G. des Niederländ. Rechts an der Univ. Dr. N. De Roever, Herausgeber der Anf. 1891 wieder eingegangenen Amsterd. Jaarboekje und Verf. einiger Werke zur älteren Amsterd. und allg. Holländ. Geschichte. Vgl. Bibliogr. ’90, 2369; 4092. ’91, 3396; 3705 a; 3709 a.
Belgien. Am 30. Jan. in der Abtei Parc-lez-Louvain, 82 J. alt, der emeritirte Prof. an d. Univ. Löwen Dr. theol. A. J. Namèche. Er ist der Verfasser des 29 Bde. umfassenden Cours d’hist. nationale, eines recht brauchbaren, wenn auch bei Berührung religiöser Fragen nicht mit der nöthigen Objectivität geschriebenen Handbuches der Belgischen Geschichte. Einzelne Theile dieses Werkes erschienen auch unter besonderen Titeln, z. B. L’empereur Charles V. et son règne u. Guillaume le Taciturne (Bibliogr. ’91, 591 u. 811). Vgl. auch Bibliogr. ’89, 4082 u. ’90, 2396.
Im Dec. 1892 der Belgische Localhistoriker Th. J. Welvaarts, Prior und Bibliothekar der Abtei Prémontrés de Postel. Vgl. Bibliogr. ’91, 3710 q; 3720 a; 3737 b–d. ’92, 765 f; 2186.
Frankreich. Am 2. März in Paris, 56 J. alt, A. L. Brièle, Archivar bei der Assistance publique und Herausgeber der Collections de docc. pour servir à l’hist.[WS 1] des hôpitaux de Paris. Vgl. auch DZG Bd. VII p. 366 und Bibliogr. ’90, 2505 c.
Am 14. März in Paris, 80 J. alt, Baron A. Du Casse, der sich durch eine grössere Anzahl von Publicationen zur Kriegs-G. des 18. u. 19. Jhs. bekannt gemacht hat. Vgl. Bibliogr. ’89, 944; 2565. ’90, 3460.
Am 11. April in Paris, 83 J. alt, der Prof. am Collège de France Adolphe Franck, Verf. zahlreicher Schriften zur G. der Philosophie, vorwiegend im 17. u. 18. Jh.
Am 3. April in Bordeaux, 67 J. alt, der Stadtarchivar L. F. E. Gaullieur. Sein Hauptwerk ist die Hist. de la réf. à Bordeaux et dans le ressort du parlem. de Guyenne, von welcher 1884 der 1. Band (1523–1563) erschienen ist, der Rest laut RH fertig vorliegen soll.
Am 2. Jan. in Paris Ch. Gérin, Mitarbeiter der RQH. Er hat sich u. a. mit den beiden pragmat. Sanctionen Ludwig’s IX. (2. Aufl. 1869) und [199] in verschiedenen Arbeiten mit kirchlichen Verhältnissen unter Ludwig XIV. beschäftigt.
Am 10. Jan. in Evrecy, 31 J. alt, der Unterbibliothekar an der Nat.-Bibl. in Paris Ach. Le Vavasseur. Er hat 1890 Guillaume Gruel’s Chronique d’Arthur de Richemont herausgegeben. Vgl. DZG Bd. VII p. 360 und VIII E p. 165, auch Bibliogr. ’90, 235.
Am 22. Jan. in Poitiers der Domherr Ulysse Maynard, bekannt durch sein Buch über Pascal (2 Bde. 1850) und mehrere Schriften über Voltaire und Vincent de Paul.
Am 27. April in Paris, 72 J. alt, Charles de Mazade, Mitglied der Académie française und seit 1846 Mitarb. der R. des 2 mondes. Einige Arbeiten von ihm s. DZG Bd. III p. 180 u. Bibliogr. ’89, 960; 3366. ’90, 618; 1326. ’92, 1064 k.
Am 5. März in Paris, 64 J. alt, der berühmte Schriftsteller Hippolyte Taine, Prof. an der École des beaux arts und Mitglied der Akademie. T. ist ausgegangen von Arbeiten d. literar. Kritik und Literaturgeschichte. Ein Essai über Livius, der 1856 preisgekrönt wurde, erschien 1882 in 2. Aufl. Seine bedeutendste Leistung auf diesem Gebiete war die Englische Literaturgeschichte (4 Bde. in mehreren Aufl., auch in’s Deutsche übers.), in den letzten 20 Jahren aber ist er als Historiker durch sein grosses Werk „Les origines de la France contemporaine“ zu Berühmtheit gelangt. Das Werk hat in Frankreich wohl mehr als alle anderen dazu beigetragen, die früher landläufige Verherrlichung der Revolution zu erschüttern. Eine Menge von Stoff ist darin von einem geistreichen Manne verarbeitet, aber dabei ist es nach dem Urtheil aller Fachleute in hohem Grade einseitig. Man wird den Verf. darum schwerlich tendenziös im gewöhnlichen Sinne schelten dürfen; was ihn am meisten zur Einseitigkeit verführte, war wohl das Streben, seiner eigenen Voreingenommenheit zu entgehen, wie denn eine Neigung zum Paradoxen ihm nicht fremd war. Eine gründliche Auseinandersetzung mit Taine’s Forschung fehlt leider noch. Das Werk ist bis zur Wende des Jahrhunderts gelangt. Den letzten 5. Bd. „Le régime moderne“ s. Bibliogr. ’91, 1072 u. ’92, 1059 d. Abschnitte aus Bd. 5 u. 6 „La reconstruction de la France en 1800“ erschienen in der R. des 2 mondes (s. Bibliogr. ’89, 3320 u. ’92, 1067 b). Viel bewundert ist seine Charakteristik Napoleon’s. – Nekrologe: AZtg ’93, Nr. 69 u. 94; Fkft. Ztg. ’93, Nr. 70 (Katscher); N. Fr. Presse Nr. 10 256; MagLit. 62, 204–6; NR 81, 383–7 (F. Loliée); Corresp. 170, 985–1018 (Th. Froment); Ath. Nr. 3411 f.; Contemp. R. 63, 518–36 (G. Monod); BllLU ’93, 241–3 (Wychgram).
Am 9. Jan. 72 J. alt, General Ch. A. Thoumas, Verf. mehrerer Arbeiten zur Französ. Kriegs-G. des 18. u. 19. Jhs. – Vgl. DZG Bd. III p. 182 u. Bibliogr. ’91, 2622. ’92, 1067 f; 1080; 1086; 1090; 1127 d; 1208.
Italien. Mitte Jan. in Parenzo, 83 J. alt, der Präsident der Società istriana di archeologia e stor. patria Carlo De Franceschi. Sein Hauptwerk, betitelt „L’Istria; note storiche“ erschien 1880.
Am 17. Aug. 1892 in Domodossola, 82 J. alt, Abate Vinc. De Vit, Mitglied der Acc. d. Crusca und bekannt durch seine neue Ausgabe von Forcellini’s Lexicon. Seine histor. Arbeiten sind durchaus localen Inhalts; [200] erwähnt sei nur seine Abhandlung über den Weg der Cimbern (2. Aufl. 1881). Vgl. auch Bibliogr. ’92, 123 d.
Am 7. Dec. 1892 in Florenz der ehemalige Director des Staatsarchivs zu Modena Cesare Foucard. Seine wissenschaftliche Thätigkeit beschränkte sich im wesentlichen auf kleinere Quellenpublicationen, besonders aus d. Modenes. Archiv.
Am 13. März in Florenz, 33 J. alt, Prof. V. Lami, Lehrer am Collegio militare daselbst. Er war seit ca. 3 Jahren mit der Vorbereitung einer kritischen Ausgabe der Chronik des Giov. Villani beschäftigt (vgl. Nachrr. ’91 Nr. 127). Damit hängt auch ein Aufsatz von ihm im A. stor. ital. zusammen (vgl. Bibliogr. ’91, 392 und Nachrr. ’90 Nr. 202a), in welchem er nachzuweisen sucht, dass die Florentiner Geschichte des Malaspini keine Fälschung von Villani’s Chronik ist, sondern dass ihr Verfasser, ohne das eigentliche Werk Villani’s zu kennen, einen Auszug aus demselben neben anderen Quellen benutzt hat. Vgl. den Nekrolog C. Paoli’s in A. stor. Ital. 11, 238–40.
Polen und Russland. Am 26. April in Krakau, 39 J. alt, Prof. Dr. Lothar Ritter von Dargun, der sich durch eine Reihe von Arbeiten zur Polnischen Rechts-G. bekannt gemacht hat. Vgl. Bibliogr. ’89, 4888 u. ’92, 589 b. – Am 10. Nov. in Dorpat, 45 J. alt, Prof. J. J. Ditjatin, bekannter Rechtshistoriker.
Nekrologe (soweit nicht sogleich bei der Todesnachricht erwähnt). M. Amari: O. Tommasini (Mem. d. acc. dei Lincei 6, 340–76). – F. A. Budczies: Fr. Holtze in FBPG 5, 325–9. – A. v. Druffel: C. A. Cornelius in SBMünchAk ’92, 176–9. – V. Finsen: K. Maurer in Krit. Vjschr. f. Gesetzgebg. 16, 1–10. – E. Freeman: J. Bryce in EHR 7, 497 bis 509; C. A. Cornelius in SBMünchAk ’92, 184; Ac. Nr. 1038; Quarterly R. 175, 1–37; Ath. Nr. 3360. – P. Gams: K. Grube in HPBll 110, 233 bis 50. – W. v. Giesebrecht: K. Th. Heigel, Essays pag. 313–25. – A. Gindely: v. Helfert in N. Fr. Presse Nr. 10 216–17. – F. Gregorovius: C. A. Cornelius in SBMünchAk ’92, 173–6; S. Münz in EHR 7, 697–704 und Westerm. 71, 733–46; vgl. auch die Recensionen von G.’s Röm. Tagebüchern in Bibliogr. Gruppe III, 7. – A. Jäger: Tarneller in Progr. des Gymn. zu Meran 1892. – Joh. Janssen: F. Hülskamp in Lit. Hdw. 30, 713–22; H. Wedewer in Katholik 72, I, 385–420; HPBll 109, 750–68. – M. v. Lexer: R. Müller in Carinthia 82, 121–5; K. Weinhold in AZtg ’92 Nr. 118. – J. Löb: Z. Kahn u. J. Lévi in R. des études juives 24, 161–95; A. Neubauer in Jewish QR 5, 1–4. – F. v. Löher: C. A. Cornelius in SBMünchAk ’92, 179–82; P. Wittmann in AZtg. ’92, Nr. 307. – S. Luce: Bertrand, Servois, P. Meyer, Courajod u. Lair in BECh 53, 664–74; A. Molinier in RH 51, 322–6. – W. Maurenbrecher: G. Wolf, Wilhelm Maurenbrecher; ein Lebens- und Schaffensbild. Berlin, Seehagen. 1893. 32 p. 80 Pf. – P. Piolin: J. Denais in R. de l’Anjou (Sep. Angers, Germain & Gr. 24 pag.). – V. Promis: E. Ferrero in Misc. di storia ital. 29, 197 bis 204. – E. Renan: E. G. Ledos in RQH 53, 214–22; G. Monod in RH 51, 84–98 (auch sep.); A. Neubauer in Jewish QR 5, 200–11; S. Reinach in La Republ. franç. 3. Oct. ’92 und R. archl. 20, 351–6; G. Deschamps in [201] Jl. des débats 3. Oct. ’92 und R. archl. 20, 357–62; Ph. Berger in Jl. des débats 7. Oct. ’92 und R. archl. 20, 362–6. – P. Riant: de Vogüé in R. de l’Orient latin 1, 1–15. – P. v. Roth: SavZ 13, Germ. Abth. 250–54. – L. Sieber: anonyme Biogr. L. Sieber etc. Basel, Schweighauser. 1891. 43 p. (Vgl. CBl f. Biblw. 9, 89–92). – G. Voigt: C. A. Cornelius in SBMünchAk ’92, 183.
Th. Ackermann, München. Kat. 346 a: Gesch., Geogr. etc. (Nachlass F. von Löher’s.) 26 p. – 346 b: Kunst- G., Architektur. 37 p.
Bahr, Berlin. Lager-Kat. f. Staats- Wiss. Enthält viel Rechtsgeschichtliches. 6786 Nrr.
J. Baer, Frankfurt a. M. Kat. 307: National-Oekonomie. 555 Nrr. – 309: Allg. Dt. Gesch. 1605 Nrr. – 310: Numismatik. 306 Nrr. – Antiq. Anz. 426: Verschiedenes. 233 Nrr.
Beijers, Utrecht. Kat. 151: Theol., Kirchen-G., Religionswiss. 1832 Nrr.
A. Bielefeld, Karlsruhe, Kat. 163: G. d. Höfe u. d. Adels in Dtld., Oesterr. u. der Schweiz. Familiengeschichten etc. Urkk., Wappen- u. Stammtafeln. A–J. 1412 Nrr. – 167: Kunst-, Lit.- u. Cultur-G., Belletr. u. G. 1408 Nrr.
A. Buchholz, München. Kat. 27: Bavarica. 1073 Nrr.
E. Carlebach, Heidelberg. Kat. 191: Lit.-G., Dt. Lit. 763 Nrr.
C. Clausen, Torino. Cat. 94: Opere importanti e rare. (Viele seltene Werke z. Gesch. Italiens.) 416 Nrr.
Dobrowsky, Budapest. Kat. 63: Bibl. G. Hunfalvy. 2172 Nrr.
Drucker, Padua. Cat. 16: Misc. letteraria. 985 Nrr.
Freiesleben, Strassburg. Mitth. 8: Alsatica. 436 Nrr.
A. Geering, Basel. Kat. 230: Bibl. histor.-geogr. II. 1906 Nrr. – 232: Jurisprudenz, Staats-Wissensch. 875 Nrr. – 233: Revolutions-G., Kriegs-G., Militär-Wiss. 1208 Nrr. – Anz. 109: Werke aus allen Fächern. 361 Nrr.
H. Georg, Basel. Cat. 69: Généalogie, héraldique, numism. 322 Nrr.
Gilhofer & Ranschburg, Wien. Kat. 40: Austriaca und Hungarica. Balkan und Orient. 1333 Nrr. – 41: Wien und seine Umgebung. 484 Nrr.
O. Harrassowitz, Leipzig. Kat. 185: Bibl.-wesen, Bibliogr., Buchdruck u. Buchhandel. 1028 Nrr. – 188: Europäische Gesch. nebst den historischen Hilfswissenschaften. (Bibl. des Prof. Dr. Georg Voigt in Leipzig.) 3971 Nrr.
C. Haugg, Augsburg. Verz. 128: Seltene Bücher und frühe Drucke. 330 Nrr.
R. Heinrich, Berlin. Kat. 32: Class. Philol. u. Alterth.kde. 1908 Nrr. – 34: Dt. u. ausländ. Lit. v. 16. Jh. bis z. Ggw. 1521 Nrr.
K. W. Hiersemann, Leipzig. Kat. 111: Kunstgewerbe. 1295 Nrr. – 113: Archäologie. Mit einem Anhang: Gemmenkunde. 1316 Nrr. – 117: Die Kriege d. 16.–19. Jhs. Gleichzeitige Originalwerke u. Einzelbll. 2136 Nrr. – 118: Geogr., Ethnogr., Prähistorik. 855 Nrr. – 119: Americana. 1864 Nrr. – 120: Numismatik u. Gemmenkunde. 508 Nrr.
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[323] Zum Münchener Historikertage. Entgegnung. Ich habe nicht die Absicht, den vielfachen Aeusserungen und Urtheilen der Presse über mein Verhalten auf dem Historikertage mit einer Polemik entgegen zu treten, hauptsächlich deswegen nicht, weil mir dann doch vielleicht die in den Verhandlungen bewahrte Ruhe abhanden kommen könnte, und ich nichts dazu beitragen will, den dort von mancher Seite mit Leidenschaft geführten Streit zu vergiften. – Der Bericht dieser Zeitschrift ist mir insofern sympathisch gewesen, als er in das innere Werden der Verhandlung psychologisch einzudringen sucht. Ich billige die Auffassungen nur zum geringen Theil; doch lasse ich sie meinem obigen Grundsatz gemäss im Uebrigen auf sich beruhen, um nur einer einzigen entgegenzutreten, weil sie mich aufs persönlichste berührt hat.
Der Bericht findet etwas Merkwürdiges darin, dass ich meine principiellen Thesen zu Gunsten des Stieve’schen Antrages zurückgezogen habe und registrirt, wenn auch ohne es zu theilen, das vielfach ausgesprochene Urtheil der Presse, dass ich mich vor den Gründen meiner Gegner gebeugt und desshalb den Rückzug angetreten habe; und dies mit dem Hinzufügen, dass die systematische Erziehung zu einer bestimmten Gesinnung der Grund- und Eckstein meiner Thesen sei. Die letztere jedenfalls starke Aeusserung stimmt nicht wohl überein mit dem auf der vorhergehenden Seite stehenden Satz: „Man muss zugeben, dass solche Tendenz mit den beiden mitgetheilten Martens’schen Thesen ihrem Wortlaut nach nicht nothwendig gegeben ist.“ Demnach trägt man etwas hinein und imputirt mir etwas, was ich nicht ausgesprochen habe. Die Hauptsache bleibt, dass eine völlige Unvereinbarkeit gefunden wird zwischen meinen Thesen und dem Stieve’schen Antrage, indem der letztere mit den mir gegnerischen Kaufmann’schen Thesen schlechthin identificirt wird.
In dieser Auffassung des Stieve’schen Antrages hat sich der verehrte Berichterstatter vollkommen geirrt. Der Antragsteller selbst hat mich autorisirt, in dieser Entgegnung auszusprechen, dass „der Wortlaut seines Antrages deutlichst dem Geschichtsunterricht die Aufgabe zuweist, bestimmte Kenntnisse zur Vorbereitung und Anregung der Wirksamkeit im öffentlichen Leben beizubringen, dass er also durchaus nicht mit den Thesen von Dove und Kaufmann, welche den Geschichtsunterricht nur um seiner selbst willen ertheilt [324] wissen wollen und ihm nur eine mittelbare Einwirkung auf das öffentliche Leben zuweisen, zusammenfällt.“
Hiernach bleibt mir nur übrig, zu sagen, aus welchen Gründen ich zu Gunsten des Stieve’schen Antrages, dessen ganzen Wortlaut ich als bekannt voraussetzen darf, meine principiellen Thesen zurückgezogen habe. Es geschah
1. weil mir jedes leidenschaftliche Pochen auf den Wortlaut meiner Thesen fehlte und ich gern meinerseits dem Bemühen entgegenkommen wollte zur Annahme einer Formel, die, wie Professor Stieve mir schreibt, aufgestellt war in der Empfindung, dass sie der grossen Mehrheit der Versammlung entsprechen würde. Dass das mit dem mir weitaus wichtigsten zweiten Theil derselben nicht der Fall war, konnte niemand voraussehen;
2. weil ich selbst in der denkbar schärfsten Form Zeugniss ablegen wollte dafür, dass mir jede Tendenz beim Geschichtsunterricht, gerade so wie es in dem ersten Theil des Stieve’schen Antrages ausgesprochen war, fern liege, und weil das in seinem zweiten Theil als Ziel des Geschichtsunterrichts hingestellte „strenge Pflichtbewusstsein gegen den Staat“ meinem auf den Begriff der Verantwortung gegründeten Staatsbewusstsein so nahe kam, dass ich darin nur einen umständlicheren Ausdruck für dieselbe Sache erkannte. Richard Martens.
Erwiderung. Die vorstehende Kritik einzelner Punkte meines Berichtes gibt mir einen nicht unwillkommenen Anlass, manches noch klarer zu stellen, und ich fürchte auch nicht, durch entschiedene Betonung sachlicher Meinungsverschiedenheiten den „Streit zu vergiften“. Viel bedenklicher wäre es meiner Ansicht nach in dieser Beziehung, wenn wir um des lieben Friedens willen die thatsächlich vorhandenen Gegensätze äusserlich auszugleichen versuchten. Damit würden wir eine unwahre Situation schaffen und für künftig gerade die unbefangene Sachlichkeit des Streites, der ja voraussichtlich bei anderen Gelegenheiten weiter geführt werden wird, gefährden.
1. Herr Dir. Martens wirft mir zunächst vor, dass mein Bericht sich selbst widerspreche, da ich an der einen Stelle sage, dass „die systematische Erziehung zu einer bestimmten Gesinnung der Grund- und Eckstein seiner Thesen“ sei, während auf der Seite vorher stehe, man müsse zugeben, „dass solche Tendenz mit den beiden mitgetheilten Thesen ihrem Wortlaut nach nicht nothwendig gegeben“ sei. Da hier ein Widerspruch vorhanden sein soll, so wird der Leser annehmen, dass „solche Tendenz“ und die „systematische Erziehung zu einer bestimmten Gesinnung“ identisch sind. In Wirklichkeit ist aber an jener Stelle meines Berichts mit „solcher Tendenz“ die in der vorhergehenden Zeile genannte „politische Tendenz“ gemeint, und zwar, wie dort weiter ausgeführt wird, politische Tendenz im bestimmten Sinne „die Erziehung zu Mitgliedern der »staatserhaltenden« Parteien im Sinne der jedesmaligen Regierung“. Diese politische Tendenz, das hatte ich zugestanden, ergibt sich aus dem Wortlaut der zwei ersten M.’schen Thesen nicht. Dass sie sich nicht aus etwas anderem ergibt, ist damit ja noch nicht gesagt; aber selbst, wenn das der Fall wäre, wenn [325] also eigentlich politische Tendenz den M.’schen Thesen ganz fern läge, so könnte gleichwohl, ohne dass irgend ein Widerspruch bestände, „systematische Erziehung zu einer bestimmten Gesinnung Grund- und Eckstein“ dieser Thesen sein.
2. Wenn Herr Dir. Martens diese eben citirten Worte eine „jedenfalls starke Aeusserung“ nennt, so scheint er behaupten zu wollen, dass sie unzutreffend seien? Mir schienen und scheinen sie nur eine besonders prägnante Charakteristik, mit der ich recht im Sinn des Herrn Referenten den Kern seiner Anschauung hervorgehoben zu haben glaube. Bestreitet er das, so verbinden wir entweder mit demselben Worte verschiedene Begriffe, oder seine Anschauungen haben sich in der That verändert; denn dass die systematische Erziehung zu einer bestimmten Gesinnung, zu der vom Staatsbewusstsein erfüllten Gesinnung, der rothe Faden in den ganzen M.’schen Thesen und in seinen mündlichen Ausführungen war, das scheint mir nicht nöthig nachzuweisen; ich beziehe mich einfach auf den Wortlaut der Thesen and auf alle Berichte.
3. Wenn ich nun ausserdem aber zugebe, dass die politische Tendenz „mit den beiden mitgetheilten Thesen ihrem Wortlaut nach nicht nothwendig gegeben“ sei und dann trotzdem der Meinung bin, dass man sich bei Bekämpfung der M.’schen Thesen thatsächlich mit Recht gegen eine politische Tendenz gewehrt habe, so ist auch das kein Widerspruch, ich trage damit nichts Fremdes in die M.’schen Thesen hinein und imputire ihm nicht etwas, sondern ich berufe mich 1. auf seine eigene öfter genannte Schrift, 2. auf seine mündliche Erläuterung der Thesen und 3. auf eine seiner eigenen späteren Thesen, alles Zeugnisse, die doch nach den strengsten Regeln der Kritik zur Interpretation des in diesem Punkte weniger deutlichen Wortlauts der beiden ersten Thesen verwendet werden dürfen.
4. Herr Prof. Stieve meint, sein Antrag sei von den Thesen der beiden Correferenten dadurch unterschieden, dass er dem G.-Unterr. die Aufgabe zuweise, für das öffentliche Leben durch Uebermittlung gewisser Kenntnisse vorzubereiten und anzuregen. Diese Aufgabe haben aber auch die beiden Correferenten dem G.-Unterr. nicht im mindesten bestritten! Im Gegentheil, dieser Gesichtspunkt ist, wenn auch nicht in ihren ersten zwei Thesen, doch in späteren deutlich genug zum Ausdruck gekommen (in den Thesen 4 b und 5 Prof. Dove’s und in den Thesen 8 b und 9 Prof. Kaufmann’s; vgl. dazu unseren Bericht unter Nr. 25). Und auch die beiden ersten Thesen der Correferenten bestreiten nicht, dass der G.-Unterr. für das öffentliche Leben vorbereitet, sie bejahen es vielmehr, indem sie nur die Setzung besonderer Ziele ablehnen; der Grundgedanke ihrer Thesen ist: wenn der G.-Unterr. in richtiger Weise auf historische Bildung hinarbeitet, dient er auch als Vorbereitung für das öffentliche, besonders politische Leben; denn – das ist dabei ja die Voraussetzung, ohne welche die Behauptung unsinnig wäre – da der Gegenstand des G.-Unterr. das öffentliche, besonders politische Leben der Vergangenheit ist, so übermittelt er Kenntnisse, Interesse und andere Bildungselemente, welche sich für das öffentliche Leben der Gegenwart nutzbar erweisen werden. Da die These [326] Prof. Stieve’s in ihrem ersten Satze leugnet, dass der G.-Unterr. „in systematischer Weise“ für das öffentliche Leben vorbereiten soll, kann er andere Kenntnisse und Bildungselemente ja auch nicht meinen, als die, welche nach Ansicht der Correferenten zur echten rein historischen Bildung gehören. Der Unterschied zwischen dem Antrag Prof. Stieve’s und den abgelehnten Thesen Prof. Kaufmann’s ist also kaum mehr, als ein redactioneller; es sind zwei leicht verschiedene Schattirungen derselben Farbe; und ich glaube dabei bleiben zu dürfen: der Antrag Prof. Stieve’s konnte als eine inhaltlich kaum abweichende Umformung der Kaufmann’schen Thesen gelten, er stand in seinen ersten principiellen Sätzen in geradem Gegensatz zu den Thesen Herrn Dir. Martens’, und wenn dieser trotzdem seine These zu Gunsten jenes Antrages zurückzog, so verliess er entweder seinen früher eingenommenen principiellen Standpunkt – oder er gab wie andere Theilnehmer der Versammlung gewissen schwer zu definirenden Eindrücken nach, die durch die nicht sehr glückliche Formulirung des Stieve’schen Antrages, auf die ich noch zu sprechen komme, gefördert wurden. Es war eben eine Nachmittagssitzung, und wir alle waren erschöpft und abschlussbedürftig. – Um so mehr müssen wir jetzt nachträglich Klarheit zu schaffen suchen.
5. Ich hoffe, Herrn Martens nichts zu imputiren, sondern seine eigenen Andeutungen und die Aeusserungen anderer Mitglieder der Versammlung richtig aufzufassen, wenn ich sage: was die Stieve’sche These für ihn und einige andere Herren erst annehmbar machte, war der Schluss („und zwar insbesondere durch Erweckung der Vaterlandsliebe und eines strengen Pflichtbewusstseins gegen den Staat“), der auf mein Verlangen getrennt zur Abstimmung gekommen ist und dabei mit schwacher Mehrheit abgelehnt wurde. Dieser Schluss stammt nun zwar direct aus den Thesen Prof. Kaufmann’s, der doch in der Debatte den Grundanschauungen Dir. Martens’ so scharf entgegengetreten war, aber die Worte hatten in der zusammengedrängten Stieve’schen These erhöhte Bedeutung erhalten. Es scheint mir desshalb nur consequent von Herrn Martens, dass diese Schlusswendung, und nicht die im Hauptsatze ausgesprochene principielle Ablehnung jeder Tendenz für ihn „der weitaus wichtigste Theil“ der These war, aber es scheint mir damit zugleich auch meine Auffassung seiner ganzen Stellungnahme bestätigt zu werden. Die wahre Bedeutung dieser Schlussworte war eben, dass sie die Erziehung zu einer bestimmten Gesinnung, die in den Anfangsworten principaliter so entschieden zurückgewiesen war, für zwei besondere Bestandtheile der Gesinnung wieder einführten, ohne das doch geradezu zu sagen.
Es sei gestattet, dabei zur Klarstellung etwas länger zu verweilen, als diese Erwiderung erfordern würde. Schon in den Kaufmann’schen Thesen war „die Erweckung von Vaterlandsliebe und Pflichtbewusstsein gegen den Staat“ in einer, wie mir scheint, unmethodischen Weise auf eine Linie gestellt mit „histor. Wissen“ und „histor. Sinn“, und war zusammen mit ihnen subsumirt unter den Begriff der „histor. Bildung“, als dritter Hauptbestandtheil dieser Bildung, während in Wirklichkeit doch damit ein neuer Gedanke vorgebracht wurde, der neben die Forderung rein historischer [327] Bildung hätte gestellt werden sollen. Diese logische Verwirrung wurde nun in dem rasch entworfenen Stieve’schen Antrag noch erheblich gesteigert. Der Schluss desselben trat formell, eingeleitet mit den Worten „und zwar insbesondere“, wie eine verschärfende Ergänzung zu einem Punkte des vorhergehenden Satzes auf; thatsächlich aber sollte er nach Meinung eines Theiles der Versammlung (und zwar in beiden Lagern) den ersten Satz der These einschränkend modificiren, wie wenn er sich mit „jedoch“ eingeführt hätte. Form und Inhalt standen hier also nicht im Einklang, wie das so leicht bei „Concordienformeln“ der Fall ist, die sich nicht über die Gegensätze erheben, sondern sie in sich aufnehmen. (Deshalb war auch die nachträgliche Bemerkung, dass der Antrag nicht hätte getheilt werden sollen, sondern dass man über die Abwerfung des Schlusses zuerst wie über ein Amendement hätte abstimmen sollen, nach der Form des Schlusses ebenso unberechtigt, wie nach seiner wahren, etwas versteckten, sachlichen Bedeutung gerechtfertigt.) Dass der Unterricht nicht auf eine bestimmte Gesinnung hinzielen solle, war vorn in der These principiell ausgesprochen: nur Kenntnisse und Anregung solle er geben, „und zwar insbesondere“ dadurch, dass er doch eine bestimmte Gesinnung pflege. Diese Gesinnung konnte bei harmloser Deutung der Worte als ein wünschenswerthes Ergebniss des Unterrichts selbstverständlich scheinen, sie aber als Ziel des Unterrichts hinzustellen und einseitig zu betonen, erregte der Mehrheit Bedenken, um so mehr, da man auf der anderen Seite anscheinend etwas durchaus nicht Selbstverständliches darunter begriff. Der Bemerkung des Herrn Martens, dass ihm dieser Schluss der „weitaus wichtigste Theil“ der These war, freue ich mich desshalb als einer neuen Bestätigung dafür, wie richtig es war, diesen Schluss nicht als harmlos und unwesentlich mit passiren zu lassen. Es wäre sonst der falsche Schein einer nicht vorhandenen Uebereinstimmung oder gar einer Zustimmung zu den Martens’schen Anschauungen entstanden.
6. Jetzt scheint nun freilich die entgegengesetzte Unklarheit entstehen zu sollen: der ebenso unberechtigte Schein, als ob bezüglich des ersten (angenommenen) Theils der Stieve’schen These, d. h. der Ablehnung jeder Tendenz, Herr Martens sich (wenn er auch weniger Gewicht darauf legt) in voller Uebereinstimmung mit den Gegnern des abgelehnten Schlusses befinde; denn Herr Martens gibt als eines seiner Motive für Annahme der Stieve’schen These an, dass „er in der denkbar schärfsten Form Zeugniss ablegen wollte dafür, dass ihm jede Tendenz beim Geschichtsunterricht fern liege“. Es thut mir leid, gegen diese Worte, mit denen der geehrte Herr Referent seinen eigenen Standpunkt glaubt bezeichnen zu können, nach meiner Auffassung entschieden Einsprache erheben zu müssen. Was Herr Director Martens in seinen Thesen, in seiner ersten Rede auf der Versammlung und sehr viel mehr noch in seiner Schrift über den Geschichtsunterricht, die ja zur Vorbereitung für dieselbe Versammlung dienen sollte, vertreten hat, ist meiner Meinung nach durchaus Tendenz. Im Sinne des Herrn Martens und zum Theil mit seinen Worten könnte man – so scheint es mir – etwa sagen: „ich verwerfe euren tendenzlosen, für mich farb- und kraftlosen Geschichtsunterricht, der auf eine rein [328] historische Bildung hinarbeitet, er ist für mich erzieherisch werthlos, ich will den Geschichtsunterricht darauf zugeschnitten haben, dass er zum Staatsbewusstsein in meinem Sinne erzieht und dass er unter anderem auch die socialdemokratischen Ideen bekämpfen hilft, wie meine eine These ausdrücklich verlangt – ich will Geschichtsunterricht im Sinne des kaiserlichen Erlasses, ich will eine gewisse Tendenz, die mir sittlich geboten erscheint“. Herrn Martens als Referenten der Directorenversammlung und des Historikertages glaube ich damit so getreu wie möglich interpretirt zu haben, und es fällt mir gar nicht ein, ihm damit irgend etwas imputiren zu wollen, was von seinem Standpunkt aus tadelnswerth wäre. Man muss nur, wenn man die systematische Pflege bestimmter Gesinnungen im Geschichtsunterricht will, sich klar machen, dass man damit Tendenz verlangt, und man muss nicht an dem Worte Anstoss nehmen, als ob Tendenz an sich schon etwas Ehrenkränkendes sei, während doch in so vielen Dingen eine recht kräftige und bewusste Tendenz etwas sehr Erfreuliches ist und wir sie nur dem Geschichtsunterricht möglichst fern halten wollen. Wenn nun Herr Martens, der mir als der beredte Vertreter einer tendenziösen Verwerthung des Geschichtsunterrichts erschien, sagt, er lehne Tendenz ab, so ist das für mich entweder ein Verzicht auf seinen bisherigen principiellen Standpunkt oder, da es das nicht sein soll, so versteht er unter „Tendenz“ etwas ganz anderes als ich, und wenn wir jetzt in Ablehnung der Tendenz den Worten nach übereinstimmen, so müssten wir, um nicht über Worte zu streiten, den verbleibenden thatsächlichen Gegensatz anders zu formuliren suchen. L. Quidde.
Replik. Nach der vorstehenden Erwiderung des Herrn Berichterstatters lässt sich die Meinungsverschiedenheit zwischen ihm und mir mit wenigen Worten klären und auf ihren richtigen Stand zurückführen. Es handelt sich dabei um die Ausdrücke Tendenz und Gesinnung. In den Abschnitten 1 bis 3 scheidet der Herr Berichterstatter sie genau und versteht unter Tendenz lediglich politische Tendenz im Sinne eines bestimmten Parteiprogramms, in Abschnitt 6 tritt der Ausdruck Tendenz an die Stelle desjenigen, was vorher Gesinnung genannt wurde, und dem Geschichtsunterricht unter dem von mir geforderten Gesichtspunkt des Staatsbewusstseins wird ein tendenziöser Zuschnitt beigemessen. Ich erkläre, dass ich unter Tendenz und Gesinnung immer nur ein und dasselbe verstanden habe, nämlich politische Tendenz im Sinne, sei es irgend einer Partei, sei es der jeweiligen Staatsregierung. Dagegen, dass ich einer solchen nicht das Wort rede, glaubte ich hinlänglich geschützt zu sein durch den meinem Staatsbewusstsein zu Grunde liegenden Begriff der Verantwortung, der, wie Jedem klar sein sollte, selbst eine scharfe politische Opposition gegen die „jeweilige Staatsregierung“ an und für sich nicht ausschliesst. Da aber dies Moment der Versammlung nicht einleuchtete, diese vielmehr nur immer politische Tendenz und ich möchte sagen „Gesinnungstüchtigkeit“ in meinen Thesen sah und bekämpfte, so trat ich, um das denkbar schärfste Zeugniss, dass mir politische Tendenz fernliege, abzugeben, dem Stieve’schen Antrag bei, dessen erster Theil – wie auch der Herr Berichterstatter an einer Stelle [329] zugiebt – gegen jede politische Tendenz Front macht, während der zweite – nach meiner Auffassung – das Wesentliche aus meinem Begriffe des Staatsbewusstseins enthält. Bei dieser Auffassung des Stieve’schen Antrages beharre ich im Einklang mit dem Herrn Antragsteller noch heute. Das Wort Gesinnung in dem ersten Theile bedeutet lediglich politische Tendenz; denn wenn es irgendwie auf einen ethischen Zweck hinzielen sollte, so würde sich der ganze Antrag auf die schöne Formel reduciren lassen: der Geschichtsunterricht wehrt jeden ethischen Zweck ab, indem er einen ethischen Zweck verfolgt! Und der Herr Berichterstatter ist nahe daran, dies zu thun.
Bei meiner hiermit nochmals erörterten Auffassung des Stieve’schen Antrages kann gar keine Rede davon sein, dass ich meinen principiellen Standpunkt aufgegeben oder auch nur modificirt habe; ich habe mich, indem ich ihm zustimmte, lediglich gegen politische Tendenz in dem oben gekennzeichneten Sinne verwahren wollen. Das ethische Ziel: die Erziehung der Jugend zum Staatsbewusstsein auf dem Grunde der Verantwortung mittels des Geschichtsunterrichts erhalte ich nach wie vor mit voller Stärke aufrecht. Wenn der verehrte Herr Berichterstatter das als Gesinnung bezeichnet und als tendenziösen Zuschnitt des Geschichtsunterrichts charakterisirt, so liegt da unsere eigentliche Differenz: denn ich betrachte es nicht als Gesinnung, die der Eine haben kann und der Andere nicht, sondern als etwas, was wir alle haben müssen. Diese Differenz zwischen uns bleibt klar und schroff bestehen.
Dabei betone ich, was ich in meiner zweiten Rede vor der Versammlung sehr bestimmt ausgesprochen habe, dass ich das verantwortungsvolle Stastsbewusstsein keineswegs „einbläuen“ oder, um einen Ausdruck von O. Lorenz zu gebrauchen, obrigkeitlich einflössen will. Es soll Frucht und Ergebniss des Geschichtsunterrichts sein, aber nicht eines, dessen Erzielung man auf sich beruhen lässt, unbekümmert, ob es eintritt oder nicht, sondern eines, das mit elementarer Kraft unausbleiblich aus dem Unterricht hervorwächst. Der Herr Berichterstatter wird das wieder als tendenziös bezeichnen, aber die Schule hat eben einen erzieherischen Zweck in eminentem Sinne, der der Universität mangelt. Hierin, glaube ich, liegt eine weitere Differenz zwischen uns, über die wir schwerlich hinauskommen werden. Eine Inspiration durch äussere Einflüsse sollte man billigerweise in meiner Schrift und in meinen mündlichen Aeusserungen nicht finden; als „Rufer im Streit gegen die Socialdemokratie“ (vgl. Recension der Wiener Zeitung) bin ich lediglich deswegen aufgetreten, weil diese – nicht staatsbewusstlose, sondern bewusst staatsentäusserte Bewegung nach meiner Ueberzeugung sich nur auf dem Grunde eines gleichsam über sich selbst gesteigerten Staatsbewusstseins bekämpfen lässt. Die Möglichkeit davon ist meine freigewonnene wissenschaftliche Ueberzeugung, gestützt auf die Gutachten nicht weniger ost- und westpreussischer Historiker; die praktische Erfahrung ist jung, aber sie darf sich des entgegenkommenden und günstigen Interesses der Schüler rühmen und gewiss halten. Dass aber damit der Socialdemokratie in die Hände gearbeitet würde, wie mehrfach behauptet worden ist, erscheint mir sonderbar; denn ein allseitiges Interesse für den Staat, d. h. für die Einrichtungen [330] des bestehenden Staates und ihre organische Weiterentwicklung verlangen und alles, d. h. wie die Römischen Socialdemokraten sagten, panem et circenses, vom Staate fordern, das dürfte doch zweierlei sein. Martens.
Was ich auf diese Replik zu erwidern hätte, ergiebt sich wohl schon ziemlich deutlich aus meinen obigen Darlegungen und aus dem ursprünglichen Bericht. Auf eine Duplik glaube ich deshalb, zumal an dieser Stelle, wo ich nicht nur Partei bin, verzichten zu sollen. L. Q.
Berichte und Artikel über den Historikertag. Der „im Auftrage des Münchener Localausschusses“ vom 1. Schriftführer der Versammlung, Prof. Dr. M. Lossen, erstattete „Bericht über die 1. Versammlung Deutscher Historiker“ ist an die Theilnehmer versandt worden und zugleich im Buchhandel erschienen (München, Rieger. 33 p. 60 Pf.). Demselben sind die Thesen und eine Präsenzliste beigegeben. – Den z. Th. sehr ausführlichen, z. Th. recht gut zusammenfassenden Berichten der Tagespresse (genannt seien für diese beiden Typen die Augsb. Abend-Ztg. und die AllgZtg.) sind resumirende Artikel von Mitgliedern der Versammlung gefolgt. Soweit wir es feststellen konnten, haben sich mit Nennung ihres Namens geäussert: Prof. A. Brückner in der Vestnik Evropy 1893 Juni, p. 865–76, Prof. C. Hammer in der ZGymnw 47, 492–514, Prof. G. Kaufmann im „Humanist. Gymnasium“ 1893, III, 51–58 (dort sind auch die ganzen Unterrichts-Thesen abgedruckt), Dr. C. Mühling in der „Nation“ 10, 437–9 u. in der Frkf. Ztg. Nr. 102 u. 104, Dr. G. Winter in der VjschrVolksw 30, III, 40–54. Ferner rühren von leicht kenntlichen Theilnehmern her anonyme Artikel in der Lpz. Ztg. Beil. Nr. 44 von [Oberl. Dr.] A. B[aldamus], im Schwäb. Merkur Nr. 83, von [Prof.] G. E[gelhaaf] und in der Nat.-Ztg. Nr. 290 [von Prof. H. Prutz]. – Kritisch ins Gericht gegangen ist mit der Versammlung und mit den dort vorgekommenen „Missverständnissen so erschrecklicher Art“ Prof. Ottokar Lorenz in den Grenzboten 52, II, 356–63; 389–98; 425. Aehnlich auch ein Dr. G. L. in der Wiener Ztg. Auf dem entgegengesetzten Standpunkt steht ein Artikel von Stössel in der „Gegenwart“ 43, 328–30. Einen Bericht, unterzeichnet Hamelius, giebt auch die RH 52, 452–55.
In einem Theile dieser Berichte werden auch die 12 Fragen erwähnt, die der Herausgeber dieser Zeitschrift aus den Verhandlungen über die Unterrichtsfrage zusammengestellt hatte. In unserem Berichte sind sie, da sie zu gar nichts geführt haben und sofort fallen gelassen wurden, als bedeutungslos übergangen worden, und wir kommen hier nur auf sie zurück, um Irrthümer zu berichtigen. Aus den blossen Fragen, die der Versammlung als ein Extract aus den Thesen und Debatten vorgelegt wurden, für den Fall, dass der Wunsch bestehen sollte, über einige der am ersten Tage erörterten und etwa schon für spruchreif zu erachtenden Punkte noch zu einem Beschlusse zu kommen, sind in einigen Berichten „Thesen“ geworden, die beantragt sein sollen, oder in einem anderen Berichte Fragen, die zur Beschlussfassung vorgelegt seien, um der Befürchtung einer Missdeutung der verkürzten Stieve’schen These vorzubeugen. Die letztere Deutung steht [331] wie man aus dem Bericht und der obigen Erörterung ersehen haben wird, zu der Auffassung des Herausgebers im schroffsten Gegensatz.
Unserem eigenen Berichte über die Versammlung und den meisten übrigen haben wir noch nachzutragen, dass von Herrn Prof. Thudichum eine instructive Ausstellung von Karten veranstaltet war, die dazu dienten, seine in dieser Zeitschrift schon besprochenen Vorschläge zur Herstellung histor. Grundkarten zu veranschaulichen.
Monumenta Germaniae historica. Die 19. Plenarversammlung der Centraldirection fand vom 6. bis 8. April in Berlin statt. Es hatten sich entschuldigt die Herren v. Hegel, v. Rockinger, Scheffer-Boichorst, v. Sickel und v. Sybel. Anwesend waren die Herren Bresslau, Brunner, Dümmler, Holder-Egger, Maassen, Mommsen, Mühlbacher, Wattenbach. – Prof. Dr. L. Weiland in Göttingen wurde zum Mitgliede gewählt. – Im Laufe des Jahres 1892–93 sind dank der Erhöhung der Mittel nicht weniger denn 13 Bde. ausgegeben worden, nämlich von der Abth. Auctores antiquissimi: Chronica minora I, 2 und II, 1 und Claudiani carmina; von der Abth. Scriptores: 1. Scriptorum Tom. XXIX in 2°; 2. Libelli de lite impp. et pontt. Tom. II und Dt. Chroniken I, 1 und V, 2 in 4°; 3. Gesta Federici I imp. in Lombardia in 8°; von der Abth. Leges: Leges Burgundionum und Concilia aevi Merov.; von der Abth. Epistolae: Epistolae Merov. et Karol. aevi I; von der Abth. Antiquitates: Poetae latini aevi Karolini III, 3; und von dem Neuen Archiv Bd. XVII. – Unter der Presse befinden sich 1 Folioband, 6 Quartbände, 2 Octavbände.
Die Sammlung der Auctores antiquissimi nähert sich, nachdem der umfängliche Claudian und die grössere Hälfte der kleinen Chroniken veröffentlicht sind, ihrem Abschluss. Cassiodor’s Variae sind bis auf den von Dr. L. Traube bearbeiteten Index verborum im Druck vollendet und dürften demnächst hervortreten. – Von den Chronica minora ist die 1. Hälfte des 2. Bandes, die Fortsetzer des Hieronymus enthaltend, erschienen. Die 2. Hälfte, welche die Chroniken Isidor’s mit einigen Anhängen bringen wird, befindet sich unter der Presse. Für einen 3. Band bleiben die Chroniken des Beda, Gildas, Nennius u. a. übrig.
In der Abth. Scriptores [Quartserie] hat Archivar Dr. B. Krusch in der Zeit vom 20. April bis 16. Juli die schon längst geplante Reise nach Frankreich, zur Ausführung von Vorarbeiten für die Merowing. Heiligenleben, mit dem günstigsten Erfolge und unter dankenswerther Zuvorkommenheit aller betheiligten Behörden, vor allem L. Delisle’s in Paris, ins Werk gesetzt. Da er daneben weitere Handschriften aus dem In- und Auslande in Hannover selbst benutzen konnte, so darf für Ostern 1894 dem Beginne des Druckes dieser wichtigen, die bisherigen Texte völlig umgestaltenden Bände entgegengesehen werden. Von den auf demselben Gebiete thätigen Bollandisten wurde ihm gleichfalls mannigfache Förderung zu Theil.
Von den Schriften zum Investiturstreite ist der 2. Bd. ausgegeben worden, der die Zeit Heinrich’s V. bis auf einige kleinere noch fehlende Gedichte erschöpft hat. Bietet er auch, von dem grösseren Gedichte des Rangerius von Lucca De anulo et baculo abgesehen, nichts eigentlich [332] Ungedrucktes, so haben doch manche der darin enthaltenen Werke ihre Gestalt gründlich verändert und auch für die Würdigung der längst bekannten ist durch den vollständigen Nachweis der Citate Wesentliches erreicht worden. Hauptmitarbeiter war Priv.-Doc. Dr. E. Sackur; das Register hat der neu eingetretene Mitarbeiter Dr. J. R. Dieterich bearbeitet. Der 3. diese Sammlung abschliessende Band ist in Vorbereitung. Seinen Inhalt werden die Schriften über den Streit Friedrich’s I. u. Alexander’s III. und hoffentlich auch Ergänzungen zu den früheren Bänden bilden.
In der Reihe der Deutschen Chroniken sind im 1. resp. 5. Bde. die beiden wichtigen Ausgaben der sog. Kaiserchronik durch Prof. Schröder und der Oesterr. Reimchronik des Ottokar durch Prof. Seemüller abgeschlossen worden. Zum 1. Bde. wird im Laufe des Jahres als Anhang das Annolied und die Silvesterlegende durch Prof. J. Rödiger hinzukommen. Für den 3. Bd. stehen Enikels Fürstenbuch und das dazu gehörige kleine Landbuch, ersteres von Prof. Ph. Strauch in Tübingen, letzteres von Archivconcipist J. Lampel in Wien bearbeitet, in baldiger Aussicht.
In der von Prof. O. Holder-Egger geleiteten Folioserie der Scriptores ist der 29. Bd. mit den nord- und osteuropäischen Quellen, die zum Theil noch Waitz bearbeitet hat, erschienen. Der Druck des 30. Bandes hat mit sehr umfänglichen Stücken aus der Hennegauer Chronik des Jacques de Guise begonnen. Der Band wird weiter werthvolle Nachträge für das 11. und 12. Jh., sodann die Erfurter Peterschronik und die für die staufische Zeit wichtigen Reinhardsbrunner Annalen, beide in sehr verbesserter Gestalt, bringen. Mit Bd. 30 wird die Folioserie abschliessen. Die Fortsetzung, die Italienischen Chroniken des 12.–13. Jh.s, soll eine neue Reihe in Quart eröffnen. Einige Vorarbeiten dafür hat Dr. H. Simonsfeld in München bereits auf einer Italienischen Reise, zumal in Forli und Gubbio ausgeführt.
In der Sammlung der Handausgaben hat Prof. O. Holder-Egger die Gesta Federici imp. in Lombardia erscheinen lassen. Seine ganz neugestaltete Ausgabe Lambert’s von Hersfeld wird bis zum Herbste fertig werden. Oberlehrer F. Kurze hofft seine Vorarbeiten für die Annales Lauriss. maj. und Einhardi im Laufe dieses Jahres abzuschliessen.
In der Abth. der Leges ist die von Prof. L. v. Salis besorgte Ausgabe der Leges Burgundionum zum Ziel gelangt. Die als Vorarbeit für eine entsprechende Ausgabe der Leges Visigothorum von Prof. K. Zeumer beabsichtigte Handausgabe derselben ist im Fortschreiten begriffen; eine für jene nothwendige Reise nach Paris soll im Herbst stattfinden. – Der Druck des 2. Bandes der von Dr. V. Krause bearbeiteten Capitularien ist der Vollendung nahe. Vorbereitungen für die Ausgabe des Benedictus Levita, welche später eine Römische Reise erfordern werden, sollen sich unmittelbar anschliessen. – Den 1. bis zum Ausgange des 12. Jh.’s reichenden Band der Kaiser- und Reichsgesetze seit Konrad I. stellt Prof. L. Weiland für den Herbst in Aussicht; der 2. ist unter Beihilfe des Dr. J. Schwalm bereits soweit gefördert, dass sich sein Druck demjenigen des 1. unmittelbar anreihen kann.
[333] Die Synoden des Merowing. ZA. hat Hofrath F. Maassen mit dem Beistande des Dr. B. Bretholz in einem mässigen Bande zu Ende geführt; die noch wichtigeren Karolingischen wird Dr. V. Krause nach Vollendung der Ausgabe des Benedictus Levita bearbeiten. Einzelnes davon musste schon bei den Capitularien vorweg genommen werden, wie z. B. die neuerdings viel erörterte Synode von Tribur.
In der Abth. Diplomata hat Hofr. v. Sickel wegen Erkrankung des Dr. K. Uhlirz die Leitung der Ausgabe der Urkunden Otto’s III. wieder selbst übernommen. Das Erscheinen des 2. Halbbandes, zu welchen Dr. W. Erben und Dr. M. Tangl in Wien Nachträge und Register geliefert haben, steht unmittelbar bevor.
Die Vorarbeiten für die Urkunden Heinrich’s II. (und König Arduin’s) hat Prof. H. Bresslau mit Hülfe des am 1. Juni als Mitarbeiter eingetretenen Dr. H. Bloch bedeutend gefördert. Eine mehrmonatliche Reise durch Italien im Spätherbst lieferte reiches Material; in Frankreich besorgte Dr. B. Krusch nebenher einige Vergleichungen, eine erhebliche Anzahl Urkk. wurden in dankenswerther Weise aus Deutschen und Oesterr. Archiven nach Strassburg gesandt, wo Archivdirector Wiegand die Benutzung in der gefälligsten Weise zu erleichtern suchte. Die Frage, ob bei der Wiedergabe der auf Vorurkunden beruhenden Urkk. ein abgekürztes Verfahren rathsam sei, wurde im Wesentlichen verneint, dem Herausgeber jedoch für einzelne Ausnahmen das Recht dazu vorbehalten.
Die im Vorjahre in Angriff genommenen Karolingerurkunden haben bereits einen kräftigen Fortgang gewonnen. Der Herausgeber, Prof. E. Mühlbacher, hat, vorbereitet durch die von ihm früher veröffentlichten Regesten des Karolingerreiches und unterstützt von Dr. A. Dopsch und Dr. M. Tangl, bereits zahlreiche Urkk. aus Dt. und Oesterr. Archiven erledigt, wobei, insofern es sich nicht um Originale handelte, ältere Abschriften zum Theil gute Dienste leisteten. Eine Reise des Prof. Mühlbacher nach einigen Dt. Archiven, vor Allem aber eine Reise des Dr. Dopsch nach Frankreich sollen das gesammelte Material vervollständigen. Die Frage, ob die auf das heutige Frankreich, soweit es nicht zum Dt. Reiche gehört hat, bezüglichen Urkk. in die Sammlung aufgenommen werden sollen, wurde bis zum J. 840 unbedingt, für die JJ. 840–887 aber nur für den Fall bejaht, dass die Lösung dieser Aufgabe inzwischen nicht von Französischer Seite in Angriff genommen wird; für die Zeit nach 888 wurde die Frage verneint. Die Vorarbeiten für die Karolinger Urkk. im Ganzen werden noch mehrere Jahre in Anspruch nehmen, bevor an den Druck gedacht werden kann.
In der Abth. Epistolae setzte Dr. L. Hartmann seine Bearbeitung des Registrum Gregorii auf dem von P. Ewald gelegten Grunde fort. Von dem 2. Bande, welcher das 8.–14. Buch umfassen soll, wird demnächst die 1. Hälfte als besondere Lieferung erscheinen, der Rest nebst Einleitung und Register bis 1894 nachfolgen. Der 3. Band der Briefe, welcher ausser denjenigen des Merowing. ZA. auch den Codex Carolinus umfasst, konnte im Sommer ausgegeben werden, nachdem das von Dr. W. Gundlach vorbereitete [334] Register von Prof. K. Rodenberg vollendet worden war. Der 4. Band, welcher zunächst die Briefe Alchvin’s enthalten soll, befindet sich in Vorbereitung. – Der Druck des 3. Bandes der Regesta pontificum saec. XIII. ist durch die Versetzung des Prof. K. Rodenberg nach Kiel ins Stocken gerathen und erst jetzt wieder aufgenommen worden.
In der Abth. Antiquitates wird der Druck des noch ausstehenden Registers zu den von Dr. S. Herzberg-Fränkel herausgegebenen Salzburger Todtenbüchern im nächsten Herbst beginnen. – Von den Poetae latini aevi Carolini hat Dr. L. Traube ein neues Heft des 3. Bandes erscheinen lassen, welches ausser den bisher ungedruckten Gedichten von St. Riquier namentlich Agius, Bertharius, Hinkmar von Reims, Heirich von St. Germain und einige kleinere Stücke umfasst. Das nächste Heft wird diesen Band in hoffentlich nicht allzu ferner Zeit abschliessen.
Das unter der Leitung von Prof. Bresslau bis zum 18. Bande gediehene Neue Archiv bietet nach wie vor eine unentbehrliche Ergänzung zu der Ausgabe der Quellen. Es wäre lebhaft zu wünschen, dass dies von allen Abnehmern der Monumenta mehr und mehr anerkannt würde, zumal da die Fülle des zuströmenden werthvollen Stoffes sich kaum mehr in den bisherigen Rahmen fassen lässt und auf eine Erweiterung hindrängt.
Münchener Historische Commission. Die 34. Plenarversammlung hat am 25. und 26. Mai stattgefunden. An Stelle des durch Krankheit verhinderten Vorsitzenden, Geh.-Raths v. Sybel, leitete der Secretär der Comm., Prof. Cornelius, die Verhandlungen. Zum ersten male nahmen theil die neugewählten Mitglieder v. Maurer u. Preger, ausserdem die ord. Mitgll. v. Bezold, v. Hegel, Heigel, v. Liliencron, Lossen, Riezler, v. Rockinger, v. Sickel, Stieve, Wattenbach, Wegele und das ao. Mitglied Quidde. Seit der letzten Sitzung verlor die Commission durch den Tod die Mitglieder General Spruner v. Mertz (24. August 1892) und Prof. v. Kluckhohn (19. Mai 1893), bald nach der diesjährigen Plenarversammlung Prof. Baumgarten (19. Juni 1893). – Die Commission publicirte im abgelaufenen Berichtsjahr: 1. Allgem. Dt. Biographie, Bd. 34 u.35 und 2. Geschichte der Wissenschaften, Bd. 22: Hirsch, Geschichte der medicinischen Wissenschaften in Deutschland.
Von den Hanse-Recessen steht das Erscheinen des 7. Bandes (1419–25) unmittelbar bevor. Orts- und Personen-Register sind im Druck begriffen. Der Herausgeber, Dr. Koppmann, ist mit dem 8. Band beschäftigt, der den Schluss des Werkes, die Jahre 1426–30, bringen soll.
Die Jahrbücher des Deutschen Reichs unter Heinrich IV. und V. sind in erfreulichem Fortgang begriffen. Der 2. Band, der bis zum März 1077 reicht, ist von Prof. Meyer von Knonau fertig gestellt worden und der Druck hat begonnen. Der Stadtarchivar Dr. Uhlirz ist durch die Besserung seiner Gesundheit in Stand gesetzt worden, die Arbeit für die Jahrbücher unter Otto II. und III. energisch wieder aufzunehmen.
Von den Chroniken der Deutschen Städte, unter Leitung des Prof. v. Hegel, stehen zwei neue Bände in Aussicht: ein Band Augsburger [335] Chroniken aus der Reformationszeit, und ein Band für die Niederrheinisch-Westfälischen Städte, insbesondere Soest und Duisburg. Beide Herausgeber, sowohl Dr. Roth als Dr. Ilgen, hoffen im Herbst dieses Jahres den Druck beginnen zu können.
Von der Geschichte der Wissenschaften in Deutschland ist zunächst die Geschichte der Geologie von Prof. v. Zittel zu erwarten.
Die Allgemeine Deutsche Biographie schreitet regelmässig und ungestört fort. Die Herausgeber, Frh. v. Liliencron u. Geh.-Rath v. Wegele, hoffen im Laufe des Jahres, wie gewöhnlich, zwei neue Bände liefern zu können.
Aeltere Serie der Deutschen Reichstagsakten. Der Abschluss des 10. Bandes hat gegen die Erwartung des Herausgebers, Prof. Quidde, noch nicht erfolgen können, hauptsächlich weil die Schwierigkeiten, die er nach seiner Rückkehr aus der Stellung bei dem Preussischen historischen Institut in Rom zu überwinden hatte, sich als grösser herausstellten, als angenommen war. Dr. Beckmann setzte die im vorhergehenden Jahr begonnene Archivreise fort, die ihn, nach längerem Aufenthalt in Wien, nach Wittingau, Prag, Pilsen, Eger führte. Nach einer Zwischenzeit, die der Verarbeitung des gewonnenen Materials gewidmet war, traten Dr. Beckmann und Dr. Herre gemeinsam eine Reise durch Süddeutschland an. Es wurden Augsburg, Ulm, Stuttgart und zahlreiche kleinere Schwäbische Reichsstädte besucht. In Basel fesselte die Concilszeit den Dr. Herre eine geraume Weile, während deren Dr. Beckmann Colmar und eine Reihe anderer Elsässischer Städte, dann Metz und Luxemburg besuchte. In Strassburg trafen beide wieder zusammen, und kehrten dann über Heidelberg, Worms, Speier, Karlsruhe heim. In der Hauptsache ist das Ergebniss der Reise den späteren Bänden zu gut gekommen, doch wurde auch viel für den nächsten Zweck, vor allem in Basel, gefunden. Prof. Quidde beabsichtigt, gemeinsam mit Dr. Herre den 10. Band herauszugeben, der die Zeit des Romzugs mit seinen Vorbereitungen und die nächsten sich anschliessenden Tage umfasst; dann in Gemeinschaft mit Dr. Beckmann den 11. Band, der die Zeit Sigmund’s abschliesst.
Für die jüngere Serie der Reichstagsakten standen dem Prof. v. Kluckhohn während des Jahres Dr. Wrede und, 4 Monate lang, Dr. Saftien zur Seite. Es handelte sich fast ausschliesslich um die Weiterführung des Drucks des 1. Bandes und um die Vollendung der 2. Hälfte des Manuscripts. Prof. v. Kluckhohn hat den Band, an welchem nur noch Titel, Vorrede und Register fehlen, und der mit diesen zusammen etwa 58 Bogen umfassen wird, nach München mitgebracht, um ihn der Commission vorzulegen. Er hat auf dieser seiner letzten Reise noch die Freude erlebt, neu geordnete Acten des Kölner Stadtarchivs einzusehen, und darin einiges für den Wormser Reichstag von 1521, namentlich aber interessante Berichte von den folgenden Reichstagen und dem Reichsregiment zu entdecken. Dr. Wrede ist mit dem Abschluss des 1. Bandes beschäftigt und wird, hoffentlich bald durch Dr. Bernays unterstützt, für die Fortführung des Unternehmens sorgen.
[336] Die ältere Pfälzische Abtheilung der Wittelsbacher Correspondenzen soll mit dem 3. Band der Briefe des Pfalzgrafen Johann Casimir abgeschlossen werden. Prof. v. Bezold gedenkt die Vorarbeiten für denselben im nächsten Herbst zu beenden, worauf der Druck beginnen und etwa im Jahr 1895 vollendet werden kann.
Die ältere Baierische Abtheilung der Wittelsbacher Correspondenzen, unter Leitung des Prof. Lossen, hat zwei Aufgaben zu verfolgen. Dr. Brandi ist mit der Fortsetzung der v. Druffel’schen Beiträge zur Reichsgeschichte beschäftigt. Es wird für zweckmässig gehalten, dieses Werk im wesentlichen nicht über das Ende des Jahres 1554 hinaus zu führen und es mit dem 4. Band abzuschliessen. In diesem Umfang glaubt Dr. Brandi das Manuscript im nächsten Winter, nach einem nochmaligen Besuche Wiens, vollenden und dem Druck übergeben zu können. Dr. Götz wird die Acten zur Geschichte des Landsberger Bundes womöglich in einem einzigen Bande vereinigen. Er hat zu diesem Zweck über Abschriften von Archivalien zu verfügen, welche seiner Zeit Prof. v. Löher für die historische Commission anfertigen liess, ferner über Actenauszüge und Regesten, welche Prof. Lossen bei Gelegenheit seiner Forschungen über die Geschichte des Kölnischen Kriegs angelegt hat, sodann über die von dem verstorbenen Prof. Maurenbrecher ihm zugewiesene Sammlung von Simancas-Papieren. Daneben hat Dr. Götz die Acten des Landsberger Bundes und andere Papiere der Münchener Archive durchzuarbeiten begonnen, auch in den Archiven von Dresden, Bamberg, Nürnberg sich vorläufig orientirt.
Für die jüngere Baierisch-Pfälzische Abtheilung der Wittelsbacher Correspondenzen, die Briefe und Acten zur Geschichte des 30jährigen Krieges, unter Leitung des Prof. Stieve, sind die Arbeiten in derselben Weise wie im vorigen Jahr weiter geführt worden. Der Herausgeber selbst hat die sehr ansehnlichen Reste des Actenstoffs für die Jahre 1608–10 in den Münchener Archiven erledigt. Jetzt wird der 6. und unmittelbar danach der 7. Band gedruckt werden. Beide Bände zusammen umfassen die Jahre 1608–10. Dr. Mayr-Deisinger setzte zunächst in München die Ausbeutung der neuerdings zugänglich gewordenen wichtigen Pfälzischen Papiere der Periode 1618–20 im Staatsarchiv fort. Auch bisher unbekannte Acten des Reichsarchivs zur Geschichte der Liga und der Verwaltung Maximilian’s wurden herangezogen. Sodann hat ein 3monatlicher Aufenthalt in Wien sich sehr ergiebig erwiesen. Jetzt befindet sich Dr. Mayr seit einigen Wochen in Simancas, um die auf Deutsche und Oesterreichische Angelegenheiten der Jahre 1608–20 bezüglichen Acten durchzuarbeiten. Er hat namentlich aus den Depeschen Baltasars de Zúniga bereits höchst erfreuliche Ausbeute gewonnen. Dr. Chroust beendete in Wiener Archiven die Bearbeitung der von Prof. Stieve bezeichneten Actenstücke aus den Jahren 1608–10. Nach München zurückgekehrt, unterstützte er Prof. Stieve in der Bearbeitung von Münchener Acten und setzte das Verzeichniss der Tagesliteratur aus den Jahren 1550–1650 und die Zusammenstellung der neueren Literatur zur Geschichte der Jahre 1600–50 [337] fort. Daneben hat er begonnen, selbständig die Geschichte des Reichstags von 1613 und der ihn begleitenden oder vorbereitenden Ereignisse zu bearbeiten. [Uebrigens haben wir beim Abdruck des vorjährigen Berichtes die Herren „untergeordnete“ statt „ungeordnete“ Acten entdecken lassen, was hiemit als ein besonders bösartiger Druckfehler berichtigt sei.]
Die Gesellschaft für Deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte, über die wir Jg. 1891 (Nachrr. Nr. 9 und 272) berichteten, hat seit ihrer Begründung am 14. Dec. 1890 eine recht erfreuliche Entwicklung durchlaufen. Die Aufgabe der Ges. charakterisirte in der 1. Gen.-Vers. am 11. April 1892 der 1. Schriftführer Dr. Kehrbach dahin, dass „es sich nicht etwa nur um Förderung der Buchgelehrsamkeit von bloss historischem Interesse, sondern um eine wissenschaftliche Behandlung der Deutschen Schulgeschichte handele, die der Gegenwart dienen solle, um sie zu bewahren vor Erneuerung von Versuchen, deren Erfolglosigkeit sich schon in früheren Zeiten erwiesen habe“; und diese dergestalt dem praktischen Leben dienende Forschung solle sich nicht nur auf die Geschichte des gelehrten Unterrichts, sondern in noch viel höherem Masse auf die des Volksschulunterrichts, das bisherige Aschenbrödel der Schulgeschichtswissenschaft, erstrecken.
An der Spitze der Ges. steht ein in der 1. Gen.-Vers. auf 3 Jahre gewähltes Curatorium von mindestens 35 Mitgliedern, welches ebenfalls auf 3 Jahre den Vorstand, den Redactionsausschuss und den Finanzausschuss ernennt. Der Vorstand wird gebildet aus Geh. Oberreg.-Rath Höpfner als 1., Propst und fürstbischöfl. Delegat Dr. Jahnel als 2. Vorsitzenden, Dr. Kehrbach als 1., Prof. Döring als 2. Schriftführer und Seminar-Oberlehrer H. Fechner als Schatzmeister. Dem Redactionsausschuss muss statutengemäss der jedesmalige Herausgeber, dem Finanzausschuss der jedesmalige Verleger der Monumenta Germaniae Paedagogica angehören. Die Mitgliederzahl ist von 60 bei der Gründung auf 516 bei der 3. Gen.-Vers. am 4. April 1893 gestiegen; viele namhafte Schulmänner, Gelehrte und Beamte sind der Ges. beigetreten. Die Einnahmen der Ges. setzen sich zusammen aus den Mitgl.-Beitrr. (à 5 M. jährlich), aus einem bisher für 2 Jahre bewilligten Zuschuss der Anhaltischen Regierung von jährlich 150 M. und aus dem Erlös des Vertriebes der „Mittheilungen“; das Vermögen beträgt jetzt 2980 M. Die übrigen Deutschen Regierungen um Subventionen anzugehen, wurde vertagt bis zur völligen Ausbildung der territorialen Gruppen. In anderer Weise aber ist die Ges. mehrfach von Behörden unterstützt worden: so hat das Preuss. Cultusministerium die ihm unterstellten Schulen zur Anschaffung der „Mittheilungen“ und zur Förderung der Schulgeschichtsforschung in den Schulprogrammen aufgefordert. Nicht ohne Interesse ist es, dass die Badischen Mitglieder es abgelehnt haben, ihre Regierung um eine solche Einwirkung auf den Inhalt der Schulprogramme zu ersuchen.
Um die Zwecke der Ges. in vollkommenerem Masse zu erreichen, d. h. um die „Sammlung und Ordnung, die Zugänglichmachung und Verzeichnung alles auf die Dt. Erziehungs- und Schul-G. bezüglichen, in Bibliotheken, [338] Archiven und Privatsammlungen zerstreuten Materials“ zu ermöglichen, ist man zur Bildung territorialer Gruppen geschritten. Solche Gruppen sind bereits in den meisten Dt. Staaten, in der Schweiz, in Oesterreich entstanden, anderwärts in der Bildung begriffen; über die, nächst der Westfälischen, von Privatdoc. Dr. Kappes ins Leben gerufenen, am weitesten vorgeschrittene Pommersche Gruppe berichtete in der 3. Gen.-Vers. der Begründer Prof. Reifferscheid. Ausser den territorialen Gruppen sind, bei der grossen Bedeutung der kathol. Orden für das gesammte Schulwesen, Gruppen kathol. Ordensverbindungen in Aussicht genommen.
Von den Mittheilungen der Ges. sind bisher erschienen: Jg. 1 zu 3 Heften (1891–92), Jg. 2 zu 4 Heften (1892) und Jg. 3, Heft 1–2 (1893). Sie enthalten in buntem Durcheinander, gemäss dem uns doch nicht ganz unbedenklich erscheinenden Grundsatz des Herausgebers, dass es für den Historiker nichts Unbedeutendes gebe, eine Unmenge von Schulordnungen und -gesetzen, Visitationsprotocollen, Rechnungen und sonstigen Mittheilungen der verschiedensten Art von grösserer oder geringerer Bedeutung. Zwei Wünsche hätten wir zu äussern, zunächst den, dass in der Wiedergabe des Materials eine im Grossen und Ganzen einheitliche, den modernen Editionsgrundsätzen entsprechende Orthographie angewandt werde. Es hat doch keinen Zweck, im sklavischen Anschluss an die Vorlagen z. B. Eigennamen klein und Partikeln wie „und“ etc. gross zu schreiben. Unser zweiter Wunsch wäre, dass nicht so sehr auf Anhäufung eines umfangreichen Materials Gewicht gelegt werde, wobei das werthvolle leicht unter unbedeutendem vergraben wird, sondern auf strenge Sichtung und vor allem auf Bearbeitung in gut geschriebenen darstellenden Werken. Der praktischen Aufgabe der Ges., Schulgesetzgebung und Schulverwaltung zu beeinflussen, würde dadurch sicherlich in weit höherem Grade gedient sein. Es ist daher mit Genugthuung zu begrüssen, dass auf Anregung des Prof. Lommatzsch in der 3. Gen.-Vers. beschlossen wurde, neben den Mittheilungen zwanglos erscheinende „Forschungen“ herauszugeben, die sich die Bearbeitung des Materials zur Aufgabe machen müssten. – Von den durch Dr. Kehrbach ins Leben gerufenen, dann von der Ges. übernommenen Monumenta Germaniae Paedagogica sind 14 Bände erschienen (vgl. unsere Bibliographie in Gruppe IV, 4), Bd. 15 und 16 im Druck. Nähere Angaben über die Fortsetzung der Monumenta finden sich in dem vor der 3. Gen.-Versamml. erstatteten Bericht des 1. Schriftführers in den „Mittheilungen“ Jg. 3, Heft 2, pag. XXIII ff. Wir heben hier nur noch hervor, dass die Monumenta nicht nur Quelleneditionen, sondern auch darstellende Werke enthalten. G. B.
Die Historische Commission des Börsenvereins Deutscher Buchhändler, die am 30. April 1893 in Leipzig tagte, hat die Vollendung der Geschichte des Deutschen Buchhandels dem Verlagsbuchhändler Dr. Oscar von Hase übertragen, der bei Uebernahme dieser Aufgabe den Vorsitz der Histor. Comm. an Dr. Albr. Kirchhoff abtrat. Der Abschluss der Arbeit kann erst nach einer Reihe von Jahren erwartet [339] werden. Nachdem der 1. Band im J. 1886 aus F. Kapp’s Nachlass durch Dr. Kirchhoff und F. H. Meyer herausgegeben war, hatte die Comm. zunächst Dr. Ad. Koch, jetzt Prof. in Heidelberg, mit der Bearbeitung des 2. Bandes beauftragt; als dieser in Folge schwerer Erkrankung auf die Ausführung verzichten musste, trat der kürzlich verstorbene Bibliothekar der Bibl. des Börsenvereins, F. H. Meyer, an seine Stelle. Beide sind zu Vorarbeiten, die Dr. v. Hase übernehmen könnte, nicht gelangt. Dr. v. H. hat sich das Recht vorbehalten, den 1. Band neu zu bearbeiten. – Vom Archiv für Geschichte des Deutschen Buchhandels sind 16 Bände erschienen. Redacteur der ersten 15 Bände war der verstorbene F. H. Meyer; den 16. Bd. hat nach seinem Tode Dr. Albr. Kirchhoff, der geistige Leiter des Unternehmens, abgeschlossen; vom 17. Bd. an wird der 2. Redacteur am Börsenblatt f. d. Dt. Buchhandel, Herr Alberti, die Redaction des Archivs führen.
Die Historische Commission für die Provinz Sachsen hielt am 22. und 23. April unter dem Vorsitz des Prof. Lindner ihre 19. ordentl. Sitzung zu Halle a. S. ab, an der auch der Landeshauptmann theilnahm. Zu Mitgliedern der Commission wurden bis 1897 gewählt die Herren Prof. Dr. G. Hertzberg zu Halle a. S. und Archivar Dr. Theuner, Provinzial-Conservator für die Provinz Sachsen. Da von dem vorjährigen Beschlusse abgewichen und die diesjährige Sitzung wiederum nach Halle verlegt werden musste, so wurde als Ort der Versammlung für das nächste Jahr an erster Stelle Stendal, an zweiter Naumburg von neuem in Aussicht genommen.
Von den Geschichtsquellen sind in dem letzten Verwaltungsjahre erschienen der 1. Band des Urk.-Buches der Stadt Magdeburg, bearbeitet von Prof. Dr. Hertel, und der 1. Theil des Urk.-Buches der Stadt Goslar von Oberlandesgerichtsrath Bode in Braunschweig. Während das erstere Werk reichliche Unterstützung seitens der Stadt Magdeburg gefunden hat, ist das Urkundenbuch von Goslar in Gemeinschaft mit dem Harzverein (s. Nachrr. Nr. 92) herausgegeben worden.
Binnen kurzer Zeit wird zur Ausgabe gelangen der 1. Band des Urk.-Buches des Klosters Pforta, bearb. von Prof. Dr. Böhme, sowie der Wegweiser durch die Geschichtsquellen der Provinz Sachsen von Dr. Walther Schultze. Im Druck befindlich ist ferner der 2. Band des Urk.-Buches von Erfurt, bearb. von Stadtarchivar Dr. Beyer in Erfurt, und der 2. Theil des Urk.-Buches der Stadt Magdeburg, hrsg. von Prof. Dr. Hertel. Auch der Druck des von Dr. Hortschansky angefertigten Registers zu den von Weissenborn herausgegebenen Matrikeln der Universität Erfurt ist vorwärts geschritten. Demnächst im Manuscript vollendet werden sein der 2. Theil des Urk.-Buches der Stadt Goslar, das Urk.-Buch des Hochstiftes Merseburg, mit dessen Bearbeitung Privatdocent Dr. Kehr in Marburg beschäftigt ist, und der 3. Band des Urk.-Buches der Stadt Magdeburg. Die Arbeiten an den Regesten der Herzöge von Sachsen-Wittenberg sind durch Dr. Pabst und Dr. Keil gefördert worden.
Als Neujahrsblatt für 1893 erschien eine kurzgefasste Geschichte [340] der Stadt Erfurt bis zur Unterwerfung unter die Mainzische Landeshoheit im Jahre 1664 von Dr. C. Beyer. Das Neujahrsblatt für 1894 hat Redacteur Dr. Kawerau in Magdeburg übernommen.
Von den Bau- und Kunstdenkmälern der Provinz Sachsen sind im verflossenen Verwaltungsjahre das Heft 16, umfassend die Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Delitzsch, und Heft 17, die Denkmäler des Kreises Bitterfeld enthaltend, in der Bearbeitung des Architekten Gustav Schönermark erschienen. Fast im Druck vollendet sind die Bau- und Kunstdenkmäler des Mansfelder Gebirgskreises, bearb. von Prof. Dr. Grössler, der auch die beschreibende Darstellung des Mansfelder Seekreises vollendet hat. Für einzelne der bereits fertiggestellten Beschreibungen der noch ausstehenden Kreise hat sich die Nothwendigkeit der Nachprüfung des zeichnerischen Materials ergeben.
Die Arbeiten am Geschichtsatlas und dem Wüstungsverzeichniss sind im verflossenen Jahre nicht in wünschenswerther Weise gefördert worden, da das Material des verstorbenen Dr. Krühne der Commission noch nicht ausgeliefert worden ist.
Für die Vorgeschichtlichen Alterthümer ist Dr. med. P. Zschiesche durch Erforschung der vorgeschichtlichen Burgen und Wälle der Finne thätig gewesen.
Das Provinzial-Museum hat nach dem vom Director eingereichten Berichte wieder einen bedeutenden Zuwachs durch Geschenke, Ankäufe und Ausgrabungen erhalten. Eine Reihe von Zusammenstellungen sind gemacht worden, um dem Besucher die Entwicklung einzelner Zweige der Technik und des Kunstgewerbes zu vergegenwärtigen. Das erste Heft der „Mittheilungen aus dem Provinzial-Museum“ wird binnen kurzem erscheinen.
Hansischer Geschichtsverein. Die 22. Jahresversammlung hat am 23. und 24. Mai in Stralsund stattgefunden, woselbst 20 neue Mitglieder dem Verein beitraten, so dass deren Zahl sich jetzt auf 465 beläuft. Vorträge hielten Dr. Mack über „die Hanse und die Belagerung Stralsunds im Jahre 1628“, Oberlandesgerichtsrath Dr. Fabricius über „Schweriner Recht in Stralsund und Pommern“, Rathsherr Israel aus Stralsund über „die Insel Hiddensee und das Cistercienserkloster daselbst“, Senator Dr. Brehmer: „Schilderung eines Processes aus der 2. Hälfte des 14. Jhs.“ – Die 2. Abth. der Hanserecesse (1431–1476), bearbeitet von Prof. G. v. d. Ropp, ist im Laufe des verflossenen Jahres durch Ausgabe des 7. Bandes abgeschlossen worden. – Für die 3. Abth., von welcher der 5. Band demnächst erscheinen wird, hat Prof. Dietr. Schäfer unter Beihilfe des Dr. Remus die reichen Actenbestände des Danziger Archivs aus dem Anfange des 16. Jhs. einer abschliessenden Durchsicht unterzogen.
Aus der Redaction des Hansischen Urkundenbuches, die unter Leitung des Prof. Höhlbaum steht, ist Dr. Bruns, der Bearbeiter des Abschnittes von 1361–1400, ausgeschieden. Die ganze Bearbeitung des Urkundenbuches für den Zeitraum von 1361–1450 ist damit auf Dr. Kunze übergegangen. Der Abschluss des sehr umfangreichen Manuscripts für den Abschnitt 1361–1400 wird erst nach längerer Zeit erfolgen können. – Für [341] den Abschnitt 1401–1450 hat Dr. Kunze eine grössere Zahl Norddeutscher Archive durchforscht, daneben auch die Durchsicht der Briefbücher des Kölner Stadtarchivs bis 1443 vollständig erledigt. Eine Archivreise nach Holland und Belgien ist zunächst in Aussicht genommen. – Für den 3. Abschnitt, 1451–1500, hat Dr. W. Stein bisher die Actenbestände des Kölner Stadtarchivs ausgebeutet und schon mehr als 500 Stücke, von Bedeutung namentlich für die Beziehungen der Hanse zu den Niederlanden und England, gewonnen. Für den Herbst ist eine Reise in die Westdeutschen, namentlich die Niederrheinischen Archive geplant.
Von den Hansischen Inventaren des 16. Jahrhunderts, ebenfalls unter Leitung Prof. Höhlbaum’s, hat Dr. Herm. Keussen die 1. Abth., die Hanseatica des Kölner Archivs, bis an das Ende des 16. Jhs. geführt; im Winter wird das Manuscript für den ersten Band dem Druck übergeben werden können. – Die Inventarisirung der Braunschweiger Hanseatica hat Dr. Heinrich Mack bis zum Jahre 1600, der Danziger Hanseatica Dr. Eugen Remus für die Zeit von 1531 bis 1579 beendet.
Ueber die Thätigkeit des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Alterthumskunde, über den wir im Jg. 1891, Nachrr. Nr. 116, berichteten, geben die den Jahrbüchern des Vereins angehängten Quartalberichte Auskunft, deren letzter zugleich stets den Schlussbericht über das ganze Vereinsjahr enthält. Die Generalversammlungen finden am 11. Juli jedes Jahres statt, und zwar in den Jahren mit ungerader Zahl stets in Schwerin; nur in diesen letzteren werden Wahlen und Beschlussfassungen in wichtigeren Angelegenheiten vorgenommen. Nach den in den 3 letzten Generalversammlungen (1891, 92 und 93) vom 1. Secretär, Archivrath Grotefend, bezw. dem 2. Secretär, Archivar von Meyenn, erstatteten Jahresberichten bewegte sich die Mitgliederzahl in aufsteigender Linie und ist jetzt auf 503 angewachsen. Das Vereinsvermögen beläuft sich auf 7270 M. und der Etat balancirte um 5000 M. Die Regierung stellte zur Unterstützung der Sammlung volksthümlicher Ueberlieferungen (s. unten) 3000 M. in Aussicht; da aber der Landtag mit dem bei derartigen Körperschaften nicht selten anzutreffenden feinen Verständniss für alles, was über polit. Machtfragen oder materielle Interessen hinausgeht, jede Beihülfe für „so unwissenschaftliche Dinge“ verweigerte, fällt einstweilen auch der Regierungsbeitrag fort.
Die Commission zur Herausgabe des „Mecklenburg. Urkundenbuches“ erhielt am 15. Februar 1891 ein neues Statut und hat seitdem ihre Arbeiten wesentlich gefördert; namentlich hat in einem mehrmonatlichen Aufenthalt in Rom der Redacteur des UB.s, Dr. Grotefend, das Vaticanische Archiv für das 14. Jh. ausgebeutet. Der 16. Bd., der die Jahre 1366–1370 umfasst, liegt, 83 Bogen stark, bis auf Titel und Vorwort gedruckt vor. Die noch ausstehenden Register zu Bd. 13–16 sind in Bearbeitung und sollen als Bd. 17 erscheinen. Von Bd. 18 (1371 ff.) sind 10 Bogen gedruckt. Daneben sind Regesten für das 15. Jh. gesammelt worden und zwar zunächst ausserhalb Mecklenburgs in verschiedenen, zumeist von Archivrath Grotefend besuchten Norddeutschen Archiven, dann auch [342] im Lande selbst durch mehrere Mitarbeiter, sowie aus der gedruckten Literatur.
Vom Jahrbuch wurden 1891–92 die Bände 56 u. 57 ausgegeben, s. Bibliogr. ’91, Nr. 3645 und ’92, Nr. 2110. Der demnächst erscheinende 58. Bd. wird ausser mehreren Aufsätzen von rein localgeschichtlichem Interesse auch solche von allgemeiner Bedeutung enthalten, z. B. von Wilh. Stieda, „Ueber Rostocker Tonnenausfuhr- und Einfuhrverbote“ und über „Versuche zur Einbürgerung der Seidenindustrie und des Seidenbaues in Mecklenburg“, ferner eine Arbeit von Fr. Stuhr über „die Bevölkerung Mecklenburgs am Ausgang des Mittelalters“.
Die Commission zur Sammlung volksthümlicher Ueberlieferungen (vgl. 1891 Nachrr. Nr. 116) hat günstige Resultate zu verzeichnen. Den 1. Bericht über das Ergebniss seiner Sammlungen hat Gymnasiallehrer Wossidlo in der Tagespresse veröffentlicht; namentlich der Eifer der Mecklenburger Lehrerschaft wird darin rühmend hervorgehoben. Im 1. Quartalheft 1892 p. 4 ff. ist ein von Wossidlo entworfener Fragebogen abgedruckt. Als 1. Bd. des Gesammtwerkes ist das „Räthselbuch“ in Aussicht genommen. Vom Verhalten der Regierung und des Landtags zu dem Unternehmen war oben die Rede. G. B.
Mit den beiden historischen Vereinen in Aachen und der von Dr. J. Lulvès an der Aachener Localforschung geübten Kritik haben wir uns im letzten Heft des vorigen Jahrgangs beschäftigt (s. Bd. 8 p. 351 ff. Nr. 370 u. 373). Dabei wurde die Meinung ausgesprochen, dass unter den Vorwürfen, die L. erhebt, der eine beachtenswerth und augenscheinlich berechtigt sei, dass nämlich im Verein für Kunde der Aachener Vorzeit sich seit einigen Jahren der Dilettantismus bedenklich breit mache, und es wurde die Haupterklärung dafür in dem ungesunden Nebeneinander der zwei Vereine gesucht. Andererseits schien es mir doch zweifelhaft, ob ein so heftiger Angriff sachlich gerechtfertigt, noch mehr, ob derselbe der Sache förderlich und der Kritiker persönlich zu seinem Vorgehen berufen war. Diese Skepsis ist auch in jenen Notizen zum Ausdruck gekommen, aber leider (in Folge eines Irrthums, der nicht hierher gehört) nicht so entschieden, wie es meinem ersten unmittelbaren Eindruck entsprach. Eine Veranlassung, auf die Angelegenheit noch zurückzukommen, ist zunächst durch zwei Recensionen der L.’schen Schrift gegeben. Die eine ist eine sehr anerkennende Anzeige aus der Feder eines verehrten Führers in histor. Dingen, des Geh.-R. Wattenbach (DLZ 14, 75); derselbe hat aber den „Aachener Geschichtsverein“ mit dem „Verein für Kunde Aachener Vorzeit“ verwechselt und irrt wohl auch darin, dass der Abdruck werthloser Quix’scher Arbeiten in der Zeitschrift des letzteren Vereins dem Aachener Urkundenbuch die Mittel fortnehme. Andererseits hat Jos. Hansen im KBlWZ 11, 228 die Schrift besprochen. Hansen, der den Verhältnissen, über die ich aus der Ferne nicht recht entschieden zu urtheilen wagte, sehr viel näher steht, hat dort über die Fehler der L.’schen Schrift Treffendes geäussert. – In diesem Augenblicke nun erscheint eine eigene Gegenschrift von C. Wacker, dem Vorsitzenden des Vereins für Kunde Aachener Vorzeit, [343] unter dem Titel: Die Aachener G.-Forschung; Entgegnung etc. (Aachen, Cremer, 1893). Was die beiden uns hier am meisten berührenden Fragen angeht, so gibt W. zu, dass beim Wiederabdruck einer Quix’schen Arbeit, der durch die Seltenheit des Originaldrucks begründet wird, die Redaction es sich zu leicht gemacht habe, und bezüglich der Existenz der beiden Vereine neben einander erhalten wir die Aufklärung, dass der „Geschichtsverein“ sich auf ein weiteres Gebiet, etwa den heutigen Regierungsbezirk Aachen erstreckt, während der jüngere Verein sich auf die Stadt beschränkt, ein Umstand, der von mir übersehen war, der mich aber doch meine Diagnose auf Hypertrophie des histor. Vereinswesens in Aachen nicht zurücknehmen lässt. Doch das sind in der Schrift selbst nur untergeordnete Punkte. Ihr Hauptinhalt ist die an L.’s ganzem Verfahren geübte Kritik, die sich z. Th. über L. hinweg auch gegen dessen einstigen Vorgesetzten, den städt. Archivar Pick, richtet. Es ist nicht unsere Sache, in den Einzelheiten Partei zu nehmen, aber jedenfalls sollte man beide Theile hören, denn manche Dinge treten hier doch noch in ein anderes Licht, als sie selbst einem kritischen, aber nicht informirten Leser der L.’schen Schrift erscheinen werden.
Einer unserer jüngsten historischen Vereine, die Gesellschaft für Lothringische Geschichte und Alterthumskunde, hat sich in den zwei Jahren, seitdem wir über ihn berichteten (vgl. ’91, Nachrr. 14), in überaus erfreulicher Weise entwickelt. Der bisherige Vorstand, mit Bez.-Präs. Frh. v. Hammerstein als Vorsitzendem und A.-Dir. Dr. Wolfram als Schriftführer, wurde am 28. October 1891 für die Zeit bis zum October 1894 durch Acclamation wiedergewählt. Die Mitgliederzahl ist von 134 im Jahre 1890 auf 154 im Jahre 1891 und auf 214 im Jahre 1892 gewachsen. Das Elsass-Lothringische Ministerium gewährt seit 1891 eine jährliche Subvention von 1000 M., die Stadt Metz eine solche von 500 M.
Auch sonst hatte sich der Verein des Entgegenkommens der Behörden zu erfreuen: so wurden die beim Kasernenbau in Saarburg gefundenen Römischen und mittelalterlichen Alterthümer, die bereits vom Kriegsministerium dem Preussischen Kultusministerium überwiesen waren, in Lothringen belassen und den Sammlungen der Gesellschaft einverleibt. Mit der Stadt Metz wurde ein Vertrag vereinbart, wonach diese Sammlungen der Stadt als Eigenthum überlassen werden, jedoch unter gewissen Vorbehalten, z. B. würdiger Unterbringung auf Kosten der Stadt, pecuniärer Beihilfe bei Ankäufen u. s. w. – Erwähnt sei hier gleich, dass vom 17.–24. Mai 1893 mit städtischer Unterstützung eine Ausstellung der auf Metz bezüglichen Karten und Pläne veranstaltet wurde, zu der auch auswärtige Bibliotheken, wie Berlin, Strassburg, Göttingen, sowie militärische Behörden in Berlin und Metz beigesteuert hatten. Eine wissenschaftliche Registrirung der Pläne wurde als Katalog ausgegeben und soll im Jahrbuch wieder abgedruckt werden.
Die Organisation der Gesellschaft wurde erweitert: auf Dr. Wolfram’s Vorschlag ist man zur Bildung von Ortsgruppen geschritten – eine erste ist zu Saargemünd ins Leben getreten – und hat Sectionssitzungen in [344] den grösseren Lothringischen Orten veranstaltet, für welche, wenn keine einheimischen Redner vorhanden sind, Metzer Herren die Vorträge übernehmen.
Die grösseren Mittel machten grössere Unternehmungen möglich. In der Vorstandssitzung vom 24. September 1892 wurde auf Vorschlag des Pfarrers Paulus die Herstellung einer archäologisch-historischen Karte im Masstab von 1 : 100,000 und mit Eintragung der Bodenerhebungen, vorläufig für die prähistorische und Römische Zeit beschlossen. Von grösseren Publicationen sind in Aussicht genommen: Ausgabe der Metzer Bisthumschronik (bis 1530), bearb. von Dr. Wolfram; Sammlung der Lothringischen Weisthümer, bearb. von Prof. Lempfried in Saargemünd; Aveux et dénombrements de la chambre royale de Metz (1681), bearb. von Archivdirector a. D. Sauer; Chronique des empereurs et rois de Bohème (ein Metzer Geschichtswerk aus der Zeit der Luxemb. Kaiser, das Lothringische Localgeschichte mit Reichsgeschichte vereinigt), bearb. von Dr. Wolfram. Die 1. und 3. Publication sollen noch im Jahre 1893 erscheinen.
Von dem „Jahrbuch“ der Gesellschaft sind die Jahrgänge 1891 und 1892 erschienen, von 1892 an aus praktischen Gründen in 2 Heften. Der Inhalt erhebt sich weit über das Niveau so mancher anderer localen Zeitschriften und darf auch von dem Forscher der Reichsgeschichte nicht übersehen werden. Wir erwähnen nur die Arbeiten von Heinr. Witte über Lothringen und Burgund (15. Jh. 2. Hälfte), Wichmann’s über Adelbero I. und G. Wolfram’s über die Reiterstatuette Karls des Grossen; der langjährige Streit zwischen Clemen und Wolfram über den Karolingischen oder Renaissance-Ursprung dürfte nun wohl endgültig zu Gunsten Wolfram’s, dem sich die meisten Fachleute angeschlossen haben, entschieden sein. Für die wissenschaftliche Unbefangenheit, deren sich der Verein unter doch immerhin ziemlich schwierigen Verhältnissen befleissigt, legen die aus seinem Kreise hervorgegangenen Arbeiten über die Deutsch-Französische Sprachgrenze und über Deutsche und Keltoromanen in Lothringen (von Hans Witte) rühmliches Zeugniss ab: während dieselben einerseits zeigen, dass die Sprachgrenze ehemals erheblich weiter westlich lag, als man auf Französischer Seite meist zuzugestehen geneigt ist, räumen sie zugleich mit der in Deutschland so sehr verbreiteten unwissenschaftlichen Vorstellung auf, als habe Metz und der benachbarte Landstrich des Metzer Bisthums jemals dem Deutschen Sprachgebiet angehört. – Die Beiträge im Jahrbuch sind je nach der Nationalität der Autoren in Deutscher oder in Französischer Sprache geschrieben, die angefügten Sitzungsberichte in beiden Sprachen. Hervorzuheben ist vielleicht auch noch, dass mit 3 Französischen Vereinen, zu Belfort, Nancy und Bar-le-Duc, ein Tauschverkehr angeknüpft ist.
Auf der 42. Versammlung Deutscher Philologen und Schulmänner, die vom 24. bis 27. Mai in Wien stattfand, hatte sich eine historisch-geographische Section unter Vorsitz des Prof. Oberhummer (München) gebildet; die vorbereitenden Arbeiten hatten die Proff. Penck und Mühlbacher (Wien) übernommen. Geographische Themata standen bei weiten im Vordergrunde der Verhandlungen; für uns sind nur erwähnenswerth die [345] Vorträge von Prof. O. Redlich (Wien) über „die Bedeutung der histor. Hilfswissenschaften für die wissenschaftliche Forschung“ und von Dr. Nagl (Wien) über „die Numismatik und ihre akademische Lehre“. Dr. N. vertrat hauptsächlich zwei Gedanken: erstens dass die Numismatik als eine Lehre vom Geldwesen behandelt werden müsse, mit der nur äusserlich, im Verhältniss von Hilfswissenschaften, jene Disciplinen in Verbindung zu treten haben, die zur Aufklärung des Technischen und der äusserlichen Erscheinung erforderlich sind, und zweitens dass aus methodischen Gründen zunächst der Nachdruck statt auf das Alterthum auf das Mittelalter mit seinem reichen Quellenmaterial gelegt werden sollte, wobei er zugleich anerkannte, dass die Arbeiten auf dem Gebiet der mittelalterl. Numismatik immer mehr geldgeschichtlichen Charakter angenommen hätten. Der Vortrag ist im Mt.-Bl. Num. Ges. Wien Nr. 120 gedruckt. – Für eine combinirte Sitzung der pädagog. u. der histor. Section war ein Vortrag von Dr. Tangl über den Gebrauch von Quellenbüchern im Unterricht angekündigt. Derselbe musste aus Mangel an Zeit ausfallen. – In der Section für alte Geschichte und Epigraphik unter Vorsitz des Prof. O. Hirschfeld (Berlin) wurden hauptsächlich Themata aus dem Gebiete der Epigraphik und der Papyruskunde besprochen. – Betr. die archäolog. Ausbildung der Gymnasiallehrer s. Nr. 293. – Die Festschrift Xenia austriaca wird für die Bibliogr. excerpirt werden; vgl. künftig in Gruppe VII, 1.
Versammlungen im September d. J. a) Der Gesammtverein der Deutschen Geschichts- u. Alterthumsvereine hält seine voriges mal ausgefallene Generalversammlung dieses Jahr vom 22. bis 24. Sept. in Stuttgart. – b) Ein erster allgemeiner Congress für christliche Archäologie soll vom 4. bis 8. Sept. zu Spalato in Dalmatien u. Salona tagen. Anmeldungen sind an Prof. W. A. Neumann in Wien, z. Zeit in Spalato, zu richten. – c) Ein kunsthistorischer Congress soll vom 25. bis 27. Sept. in Nürnberg stattfinden. Die Einladung geht aus von einem vorbereitenden Comité, das aus den Proff. H. Holtzinger (in Hannover), F. X. Kraus (in Freiburg), C. v. Lützow (in Wien) und v. Oechelhäuser (in Heidelberg) besteht und von dem Nürnberger Localcomité, unter Vorsitz von Dir. H. Bösch. Die Verhandlungen sollen im Germ. Museum stattfinden. Das Einladungsschreiben gibt für die Tagesordnung allerdings nur den einen bestimmten Hinweis, dass man über die periodische Wiederkehr der Congresse, Zeit und Ort der nächsten Vereinigung verhandeln wird. „Ausserdem sollen Fragen methodologischer und praktischer Natur zur Erörterung kommen, deren bestimmtere Fassung weiteren Ankündigungen vorbehalten bleibt.“ Vorträge sind, wie es heisst, schon zahlreich angemeldet; auch das Ausland wird vertreten sein.
In unserer Notiz über die Huguenot Society in London (’92, Nr. 388) haben wir fälschlich auch The Registers of the Dutch church Austin Friars London 1571–1874 unter den Publicationen der Ges. aufgeführt. Indem wir, veranlasst durch eine Londoner Zuschrift, diesen Irrthum berichtigen, tragen wir zugleich nach, dass der Jahresbeitrag 1 Guinee beträgt, wofür die Mitglieder die Publicationen geliefert erhalten. Erster Secretär der Ges., an [346] den man sich in ihren Angelegenheiten zu wenden hat, ist Herr Reginald S. Faber, London NW, 10 Primrose Hill Road.
Die Società Romana di storia patria hat mit den Diplomi imperiali e reali delle cancellarie d’Italia ein Unternehmen, ähnlich unseren Kaiserurkunden in Abbildungen, begonnen, das in Deutschland lebhaftes Interesse erwecken wird. Das ganze Werk soll 10 Lieferungen umfassen. Chronologische Reihenfolge soll in der Publication nicht beobachtet werden, das Ganze sich bis zur Stauferzeit erstrecken. Bemerkenswerth ist die Mitwirkung des ersten Deutschen Fachmannes. Das 1. Heft bringt 15 Urkk., zunächst 11, transcribirt von Th. v. Sickel, v. 769–853, dann 3 von C. Cipolla aus dem 11. und 12. Jh., schliesslich noch eine von Sickel vom Jahr 905. Gewidmet ist das Werk dem Andenken Amari’s, der sich um das Zustandekommen besonders bemühte. Die Nachbildungen sollen nach dem Urtheile von Kennern vorzüglich gelungen sein. Vgl. künftig Bibliogr. Gruppe VI, 1.
Wir benutzen den Anlass zu einigen weiteren Mittheilungen, die wir meist der Güte Hrn. Tommasini’s verdanken. Die Gesellschaft ist gegründet 1876 und zählt jetzt 59 Mitglieder. Wie schon hieraus hervorgeht, sucht sie nicht, wie die meisten Deutschen histor. Vereine, ihre Hauptstütze, auch in finanzieller Beziehung, beim grossen Publicum; sie ist vielmehr eine enger geschlossene, halbstaatliche, wissenschaftliche Gesellschaft, am meisten noch in der Art unserer Rheinischen Gesellschaft, nur dass sie sich im wesentlichen auf die Stadt Rom concentrirt. Ihre Mittel (jährlich c. 15,000 Lire) setzen sich zusammen aus einmaligen Beiträgen von Patronen (soci patroni) zu mindestens 500 Lire, aus Regierungsbeiträgen (im Ord. und Extraord. c. 3500 Lire), aus einem städtischen Beitrag (früher 2000, seit 2 Jahren aus Sparsamkeitsrücksichten auf 1000 Lire herabgesetzt) und aus dem Erlös der Publicationen. Die Mitglieder, abgesehen von den Patronen, zahlen keinen besonderen Beitrag, sondern nur den Preis der von ihnen etwa bezogenen Publicationen. Die Gesellschaft veröffentlicht schon seit 1877 eine Zeitschrift, die zu den angesehensten historischen Organen Italiens gehört, ihr „Archivio“, das jetzt beim 16. Bande angelangt ist (zu den ersten 10 Bänden ist ausserdem ein Indexband ausgegeben.) Separat hat sie erscheinen lassen: Das Regesto di Farfa, jenes gewaltige Kloster-Chartular, das Gregor von Catina um die Wende des 11. und 12. Jhs. zusammenstellte, hrsg., aus dem Cod. Vatic., von I. Giorgi und U. Balzani (in Bd. 2–5 liegt der Text fertig vor; es fehlt nur noch Bd. 1 mit den Indices); ferner das Regesto Sublacense, hrsg. von L. Allodi und G. Levi; die Diari di Msgr. Ant. Sala, hrsg. von G. Cugnoni in 4 Bdn.; und die Monumenti paleogr. di Roma, fasc. 1–3. Dazu kommen nun die Facsimili. In Vorbereitung sind Heft 4 der Monumenti paleogr. di Roma und der Liber hystoriarum Romanorum oder Storie di Troia et de Roma. – Die Gesellschaft hat ihren Sitz im ehemaligen Kloster dei Filippini, in der Biblioteca Vallicelliana, deren Verwaltung ihr zugleich von der Regierung übertragen ist. Vorsitzender der Gesellschaft ist seit dem Januar 1891 Graf Ugo Balzani. Vor ihm waltete Prof. O. Tommasini mehr als 7 Jahre lang dieses Amtes; seine Vorgänger waren Cost. Corvisieri und Gius. Cugnoni. [347] Secretär ist schon seit 1883, als Nachfolger von Ign. Giorgi und Enr. Stevenson, der Archivar am Römischen Staatsarchiv, Guido Levi.
Museen, Bibliotheken und Archive. Von der neuen Organisation der Denkmalspflege in Preussen haben wir bisher nur in den Personalnachrichten Notiz genommen, wo einige neu ernannte Provinzialconservatoren zu erwähnen waren. Die Bestellung derselben beruht auf einem kgl. Erlass vom 19. Nov. 1891, s. CBlUnterrVerw ’92, 390–1. Sie sind die sachverständigen Rathgeber der in jeder Provinz gebildeten „Commissionen zur Erforschung und Erhaltung der Denkmäler“. Nach einer neueren Verfügung haben diese Organe auch die Denkmalswache und Denkmalspflege über die Kirchen und sollen bezügliche Inventare führen, s. ebend. ’93, 304. Eine Zusammenstellung der Publicationen, welche bisher durch die Inventarisation der geschichtl. Kunstdenkmäler veranlasst sind, und zwar nicht nur für Preussen, sondern für das ganze Reich, findet man ebend. ’93, 382–8. – Erwähnt sei noch, dass über vorgeschichtl. Funde etc. jetzt nicht mehr an die Commission zur kartograph. Feststellung vorgeschichtl. Ansiedelungen, sondern nur noch an die Gen.-Dir. d. kgl. Museen berichtet werden soll, s. ebend. ’93, 302.
Der Verwaltungsausschuss des Germanischen Museums in Nürnberg hatte sich in seiner diesjährigen Zusammenkunft ausser mit den laufenden Geschäften hauptsächlich mit der organisatorischen Frage zu beschäftigen, die noch der verstorbene Dir. Essenwein angeregt hatte, um die Zukunft des Museums und seiner Beamten zu sichern. Die Baier. Staatsregierung, die Reichsregierung und die Stadt Nürnberg haben sich bereit erklärt, die Verwaltungskosten persönl. und sächl. Art aufzubringen, so dass alle freiwilligen Spenden und sonstigen Einnahmen ausschliesslich zur Ergänzung der Sammlungen etc. verwendet werden können. Dabei soll aber das Museum nicht in eine Reichs- oder Staatsanstalt verwandelt werden, sondern seinen bisherigen Charakter behalten. Die hierauf abzielenden Garantien noch zu verstärken, war die mit der Vorberathung der neuen Satzungen betraute Commission eifrigst bedacht. Ihre Anträge wurden einstimmig genehmigt; man hofft auch auf Zustimmung der betheiligten Behörden und wird dann im Herbst eine ausserord. Versammlung zur Wahl des 1. Directors halten, den nach den neuen Satzungen der Verwaltungsausschuss der Baier. Regierung vorzuschlagen hat. – Von den neueren Erwerbungen der Anstalt heben wir hervor, dass für das Archiv die Botschaftsprotokolle der Grafen Hans und Franz Chr. v. Khevenhüller, Oesterr. Botschafter am Span. Hofe, 1571–1605 und (mit Lücken) 1617–25, angekauft sind.
Für das Berliner Münzcabinet ist im letzten Winter die bedeutende Sammlung des bekannten Forschers Dannenberg angekauft worden. Die bisher vorhandenen etwa 100 000 mittelalterl. und neueren Münzen wurden dadurch nach Abrechnung der Doubletten um etwa 3000 vermehrt. Darunter sind zahlreiche Unica und Stücke prächtigster Erhaltung. Um die Deutsche Abth. des Münzcabinets der antiken nahe zu bringen, bedarf es aber noch mehrerer derartiger günstiger Ankäufe.
[348] Das in Lübeck neuerbaute Museum ist am 16. Mai eröffnet und an den Vorstand der „Gemeinnützigen Gesellschaft“ übergeben worden. Das Museum vereinigt in sich sehr verschiedenartige Bestandtheile, darunter auch eine Abtheilung für Lübeckische Kunst- und Culturgeschichte, die wesentlich nach dem Muster des German. Museums gegliedert ist, mit einer besonderen kirchlichen Halle. An der Spitze der Abtheilung steht als Conservator Dr. jur. Th. Hach.
Zur Gründung eines Finnländischen Nationalmuseums in Helsingfors hat, neben anderen Vermächtnissen für wissenschaftl. Zwecke, der am 6. April zu Paris verstorbene Dr. med. H. F. Antell seine besonders an Nordischen Münzen und Medaillen reichen Sammlungen und ein Kapital von 1 Million Finn. Mark dem „Finnländischen Volke“ vermacht.
Aus dem kürzlich erst erschienenen Rechenschaftsbericht der kaiserl. Bibliothek zu Petersburg für das Jahr 1889 (Petersb. 1893, 8°, 241 p.) heben wir hervor, dass die Bibl. neben anderen Mss. auch viele Papiere des bekannten, Deutscher Bildung so nahestehenden Militärhistorikers A. J. Michajlovskij Danilevskij erworben hat, darunter sein Reisetagebuch von 1808 und seine „Reisen im Harzgebirge“.
Von dem Unfug, der vielfach bei Verwerthung archivalischer Funde getrieben wird, war in einem der letzten Hefte dieser Zeitschrift die Rede. Es handelte sich dabei zunächst um Wiederabdruck längst bekannten Materials. Nicht ganz so schlimm, aber doch auch bedenklich genug sind Fälle, in denen wirklich ungedruckte Actenstücke, die als archivalische Findlinge dem Herausgeber in die Hände gefallen sind, ohne weitere Prüfung ihres geschichtlichen Werthes, ohne genügende Kenntniss des übrigen Quellenmaterials und der Literatur veröffentlicht werden, meist mit einigen erläuternden Worten, die ebenso leicht am Ziel vorbeitreffen, wie zufällig richtig sein können. Es ist ein gefährliches Ding und ein unwissenschaftliches Verfahren, solche Actenstücke, die den eigenen Forschungsgebieten fern liegen und die man desshalb ohne mühsame Vorarbeiten gar nicht richtig beurtheilen kann, der Oeffentlichkeit vorzulegen, und besonders unsere Fachgenossen, die vom Mittelalter her solche Streifzüge in die neuere Zeit unternehmen, sollten sich klar machen, dass durchaus nicht jedes unbekannte Actenstück des Druckes werth ist.
Anlass zu diesen Bemerkungen gibt uns ein Actenstück, das W. Altmann in den MIÖG Bd. 13 p. 619–25 mit Einleitung und Anmerkungen veröffentlicht hat: ein Actenstück zur Geschichte der Königswahl Maximilian’s II. (1562), das angeblich „höchst interessante Streiflichter auf dieses Ereigniss wirft“ und den Beweis liefern soll, „wie wenig die Geschichte Maximilian’s II. noch durchforscht ist“. Hätte der Einsender die Literatur sich genau angesehen, so hätte er sich überzeugen müssen, dass das Actenstück nichts Wesentliches enthält, was nicht schon bekannt gewesen wäre. (Man vergleiche die gleichzeitig erschienenen Dissertationen von W. Goetz und F. Walter, s. Bibliogr. ’92, 682 u. ’93, 692.) Der Leser wird also durch die einleitenden Bemerkungen nicht aufgeklärt, sondern irregeführt, und das Stück selbst ist des Druckes kaum werth. Interessiren könnte es noch einigermassen, wenn [349] Herkunft und Entstehungszeit bestimmt nachgewiesen wären. Aber auch das ist nicht geschehen und auch nicht ernsthaft versucht worden.
Es ist uns nicht um den Einzelfall zu thun (gewiss lassen sich auch erheblich schlimmere in der Miscellenliteratur nachweisen), sondern um die Kennzeichnung der allgemeinen schlechten Sitte, die vielfach bei Verwerthung solcher archivalischen Funde herrscht. Wenn Fachleute so mit Actenstücken verfahren, die dem eigenen Forschungsgebiete fern liegen, so nehmen sie die Methode der Dilettanten an, und diesem Dilettantismus sollten wir scharf auf die Finger sehen, wie die zu Anfang erwähnte Notiz dieser Zeitschrift in dankenswerther Weise angeregt hat. W. G.
Zur Schulreform in Baiern ist zu erwähnen, dass soeben das neue Verzeichniss der an den Gymnasien zugelassenen Lehrbücher für alle Fächer ausser für den Deutschen Unterricht erschienen ist, s. Minist.-Bl. für K.- u. Schulangel. in Baiern ’93, 159 ff. Dasselbe ist zu Anfang d. J. vom „Obersten Schulrath“ revidirt worden. Ein Historiker gehört seit Giesebrecht’s Tode dieser Behörde nicht an; bei dieser Gelegenheit aber wurden für die Prüfung der geschichtlichen Lehrbücher die beiden Vertreter des Fachs an der Münchener Hochschule, die Proff. K. Th. Heigel und H. Grauert, zugezogen. Nach allem, was über das Verfahren in die Oeffentlichkeit gedrungen ist, hat man aber die Betheiligung der Fachleute mehr zur Decoration als zur ernsthaften Prüfung der Fragen gewünscht; man hat ihnen nicht etwa vorher mitgetheilt, um welche Bücher es sich handle, sondern hat sie in der Sitzung nach ihrer zufällig erworbenen Kenntniss über z. Th. vielleicht kaum dem Namen nach bekannte Bücher urtheilen lassen. Der Vorgang steht nicht allein, weder in Baiern noch sonst im Reich: man beruft Commissionen von Fachmännern und benutzt sie nur als Coulissen gegenüber dem profanum vulgus, während die wirkliche Entscheidung ohne sie, wenn nicht gar gegen sie gefällt wird.
Das Verzeichniss selbst entzieht sich im einzelnen einstweilen unserem Urtheil; auffallend ist jedenfalls die Dürftigkeit der Liste, wenn man damit die grosse Lehrbücherliteratur vergleicht, die z. B. in unserer „Festgabe“ zusammengestellt war. Zu beachten ist für die Beurtheilung, dass, von Uebergangsverhältnissen abgesehen, überhaupt kein Buch ausser den genannten an irgend einer Anstalt gebraucht werden darf. Möglichste Gleichmässigkeit hat ja jedenfalls auch auf diesem Gebiete praktische, besonders ökonomische Vortheile; will man aber nicht Stagnation, sondern lebendige Fortschritte, so muss man dem Wettbewerb mehr freien Spielraum lassen. Das Verzeichniss enthält für den ersten Unterricht in der alten G. (d. i. auf der 3. Classe, der Norddeutschen Quarta) drei Bücher zur Auswahl: Jäger, Müller-Junge, Vogel, für den Unterricht auf den Mittelclassen in allgemeiner G. (Alth., MA., Neuzeit) und in Deutscher G. die Grundrisse von Pütz-Cremans, den Hechelmann’schen Auszug aus Welter und das Lehrbuch von Stöckel; für die Oberclassen kommt dazu lediglich der Pütz’sche Grundriss. Für Baier. G. sind fünf Bücher genannt. Von ihnen sind die kurzen Abrisse von Horchler und Preger für die Mittelclassen bestimmt. Das grössere Lehrbuch von Zitzlsperger-Riedel soll in den Mittelclassen zugleich für Deutsche [350] G. dienen und in den Oberclassen f. Baier. G. fortgebraucht werden. Für die Oberclassen bestimmt sind ein Abriss von Dittmar-Dreykorn und ein Lehrbuch von Preger. Die nicht sehr grosse Auswahl wird in manchen Fällen durch confessionelle Rücksichten noch etwas eingeengt sein.
Ueber die Reform des Geschichtsunterrichts auf Oesterreichischen Gymnasien haben wir im 3. Heft des vorigen Jahrgangs unter Nr. 285 eine kurze Notiz gebracht. Da es in der „Zeitschrift für das Realschulwesen“ hiess, dass diese Notiz „das Wesentliche nicht angebe und auch sonst ungenau sei“, haben wir uns bei der Redaction der Zeitschrift um eine Ergänzung und Richtigstellung bemüht. Ihrer Vermittlung verdanken wir nun folgende Bemerkungen eines Oesterreichischen Fachmannes, denen wir zum Verständniss für Norddeutsche Collegen nur vorausschicken, dass in Oesterreich, wie z. B. auch in Baiern, die Zählung der Classen von der untersten zur obersten vorschreitet und dass von den 8 Classen des Gymnasiums die vier unteren das Untergymnasium, die vier oberen das Obergymnasium bilden.
1. Die wesentlichste Aenderung, welche für den Geschichtsunterricht am Untergymnasium durch die Ministerialverordnung vom 24. Mai 1892 geschaffen wurde, liegt in der starken Hervorhebung des Unterschiedes im Unterrichte auf den beiden Stufen des Gymnasiums und in der dadurch bedingten Stoffauswahl. Auf der Unterstufe ist nunmehr der Geschichtsunterricht blosse Vorbildung. Deshalb darf die Geschichte nicht in systematischer Darstellung gelehrt werden, es hat vielmehr eine sorgfältige Auswahl des Stoffes stattzufinden, immerhin so, dass die entscheidenden Momente in der Entwicklung eines Volkes oder Staates in anschaulicher Weise vorgeführt werden. Dagegen ist nicht, wie man aus der Notiz entnehmen könnte, in der Erzählung der Sagen eine Art Vorcursus geschaffen worden, denn die Sagen sollen nicht bloss im Alterthume berücksichtigt werden; noch weniger ist an eine concentrische Anordnung des Unterrichts gedacht worden, was gleichfalls aus der Art, wie in der früheren Notiz die einzelnen Classenziele angegeben worden, herausgelesen werden könnte; es ist vielmehr im grossen, wie in der Aufeinanderfolge der einzelnen Abschnitte die chronologische Anordnung beibehalten worden. Es wird also künftighin in der 2. Cl. die alte, in der 3. die mittlere und in der 4. Cl. die neue Geschichte behandelt. In Bezug auf die Anordnung innerhalb der drei grossen Abschnitte sagt die Instruction: „Es empfiehlt sich, den Lehrstoff in chronologisch geordneten Abschnitten vorzuführen“. Auch auf die Herstellung eines Zusammenhangs zwischen den einzelnen Abschnitten soll nicht ganz verzichtet werden, denn es heisst in der Instruction: „Dass der Lehrer in wenigen, aber treffenden Worten von einer dieser Erzählungen zur andern hinüberleite“.
2. Folgende Ungenauigkeiten der früheren Notiz sind zu berichtigen:
a) Die Sagen des Alterthums sollen in der 2. Cl. ausführlicher erzählt werden als bisher; sie nehmen aber doch nur etwa ein Fünftel des Raumes in den seither approbirten Lehrbüchern ein, denn schon in der 2., nicht [351] erst in der 3. Cl. verlangt der Lehrplan „die wichtigsten Personen und Begebenheiten“.
b) Der Satz in der Notiz: „Doch darf daneben auch auf Hauptbegebenheiten der allgemeinen Geschichte und auf jene der Oesterreichischen Geschichte besondere Rücksicht genommen werden“, ist unrichtig und das „doch“ unbegründet; der Lehrplan will sagen, dass die wichtigsten Personen und Begebenheiten der allgemeinen, insbesondere der Oesterreichischen Geschichte behandelt werden.
c) Ungenau ist ferner die Angabe des Lehrplans für die 4. Cl. Es sind nicht je 2 Stunden der Vaterlandskunde (Geographie, Statistik, Geschichte) einerseits und 2 der Geschichte der Neuzeit andererseits zugewiesen, denn 1. ist die eigentliche Statistik aus der Vaterlandskunde geradezu ausgeschlossen; 2. soll in der Vaterlandskunde nicht auch die Oesterreichische Geschichte gelehrt werden, sondern die Geschichte der Neuzeit soll so unterrichtet werden, dass die Geschichte der Oesterreich-Ungarischen Monarchie den Hauptinhalt bildet.
d) In der Unterrealschule ist gar keine Veränderung eingetreten, die Verordnung gilt bloss für Gymnasien; allerdings wird die Rückwirkung auf die Realschulen nicht ausbleiben, da ja für Gymnasien und Realschulen dieselben Lehrbücher verwendet werden.
Der Herausgeber möchte dieser Berichtigung nur einige Worte zum Schutze der angegriffenen Notiz folgen lassen. So willkommen ihm auch diese genauere Darstellung ist, so findet er doch gerade das Wesentlichste, nämlich die veränderte Behandlung des histor. Stoffes auf der Unterstufe, schon in der früheren Notiz deutlich hervorgehoben. Die im einzelnen beanstandeten Punkte enthalten ja freilich z. Th. thatsächliche Ungenauigkeiten und Unrichtigkeiten, von denen einige erheblich, andere indessen auch ziemlich geringfügig sind; z. Th. dürfte es sich aber auch um Abweichungen in der Auffassung handeln, so z. B. unter 2 b. In eine Erörterung darüber einzutreten, scheint unserem Herrn Mitarbeiter, dem wir die ersten Mittheilungen verdankten, nicht angebracht; er kann aber den Wunsch nicht unterdrücken (den wir hier wiedergeben, da er uns immerhin einen schwachen Punkt der Reform zu berühren scheint), dass die Herren Fachgenossen, die zur Ausführung der Vorschriften berufen sind, die „wenigen aber treffenden Worte“ stets finden mögen, mit denen sie „von einer der chronologisch geordneten Erzählungen zur andern hinüber leiten“ sollen.
Archäologische Curse und Studienreisen. Von den neueren Bestrebungen, die Gymnasiallehrer mit der classischen Archäologie vertraut zu machen, ist in dieser Zeitschrift schon öfter die Rede gewesen, sowohl von den Feriencursen, die für Preussen in Berlin und Bonn, für Baiern in München abgehalten werden, wie von den Studienreisen, die das Archäologische Institut veranstaltet hat (s. ’91, 221–3 u. ’92, 57). Auf der letzten Philologenversammlung in Wien (s. oben Nr. 271) wurden die Fragen wieder von einer besonderen Delegirtenversammlung berathen, die unter Prof. Conze’s Vorsitz zwei Sitzungen hielt. Auch von der Verwerthung [352] im Gymnasialunterricht war dort die Rede. – Landes-Schulinspector Hümer berichtete über die in Oesterreich getroffenen Massregeln: die Regierung hat Reisestipendien im Betrag von 10 000 fl. ausgesetzt, und von Prof. Benndorf und anderen Vertretern des Faches sind in Wien und anderen Oesterr. Universitätsstädten Vorträge für Gymnasiallehrer veranstaltet worden. (Dass in Prag im letzten Winter solche Curse stattgefunden haben, entnehmen wir einer anderen Quelle.) Dir. Uhlig sprach über die Collectiv-Studienreisen Badischer Gymnasiallehrer nach Italien und Griechenland und erwähnte, dass eine neue solche Reise nach Sicilien und Karthago in Aussicht genommen sei. In Württemberg sind nach Mitth. des Hrn. Treuber Feriencurse, die in Stuttgart und Tübingen stattfinden sollen, angestrebt. Die von der Versammlung beschlossenen Resolutionen sprechen sich u. a. für mässige Zuschüsse zu den Kosten der Theilnahme an den Feriencursen aus.
Erwähnung verdient, dass beim Archäolog. Institut künftig eines der 4 Reisestipendien für class. Philologie an Gymnasiallehrer – namentlich ältere – vergeben werden soll, die an einem öffentlichen Gymnasium innerhalb Deutschlands fest angestellt sind, während bisher die Berechtigung zum Empfang des Stipendiums 3 Jahre nach Absolvirung des Staatsexamens erlosch. Das Stipendium kann in 2 halbjährige – je zu 1500 M. – zerlegt werden. Erforderlich für die Bewerbung ist ein Zeugniss der vorgesetzten Behörde über die bisherige Amtswirksamkeit und darüber, dass auf Ertheilung des erforderlichen Urlaubs gerechnet werden kann. Die Aenderung wird damit begründet, dass jüngere Leute durch die starken Eindrücke der Reise vielfach ihrem Beruf entfremdet werden, in die Journalistik und andere Stellungen übergehen, oder, wenn sie der Schule erhalten bleiben, doch in inneren Zwiespalt mit ihrer Lehrthätigkeit gerathen, während ältere, fest angestellte Lehrer von vornherein darauf ausgehen würden, die Reise für den Unterricht fruchtbar zu machen. – Es lässt sich ja gewiss manches für die Massregel sagen, aber aus der Begründung spricht auch stark die bureaukratische Besorgniss, es könnte der directe Nutzen der aufgewandten Mittel dem Staate verloren gehen und es möchten den jungen Leuten, die man über die Alpen schickt, die Schwingen zu frei und zu kräftig wachsen. Bei denen, die schon im Joche sind, werden Pegasus-Gelüste, so meint man, weniger zu besorgen sein.
Zeitschriften. Die Historische Zeitschrift erscheint nach dem Wechsel in der Redaction, von dem wir im vorigen Heft berichtet haben, vom 71. Bde. an wieder unter dem alleinigen Namen H. v. Sybel’s. Zugleich ist in ihr eine neue Abth. eingerichtet worden, die der „Notizen und Nachrichten“. Es überwiegen darin Literaturnotizen, eingetheilt nach Perioden, in denen über kleinere Arbeiten, Zeitschriftenaufsätze etc. berichtet wird, die bisher in der Histor. Zeitschrift in der Regel nicht erwähnt oder in den Recensionen des „Literaturberichtes“ ausführlicher besprochen wurden. Insofern als der Inhalt kurz angegeben ist, wird für die überhaupt erwähnten Arbeiten mehr geboten als in unserer Bibliographie, auch erstreckt sich die Zusammenstellung in dem einen Heft auf alle Perioden; [353] andererseits fehlen die Hinweise auf die anderwärts erschienenen Besprechungen, und von einer Vollständigkeit, die sich unseren bibliograph. Zusammenstellungen näherte, ist natürlich nicht die Rede. Diese wird überhaupt nicht angestrebt; die Absicht ist vielmehr, das Wichtigste herauszuheben. Sollte das wirklich gelingen, was freilich eine recht schwierige Aufgabe ist, so wird hier eine sehr willkommene Ergänzung zu den bisher vorhandenen Orientirungsmitteln geboten werden. – Eine Abtheilung „Allgemeines und Zeitschriften“ geht den chronologisch geordneten Literaturnotizen voran. Nachrichten über Vereine, Preisausschreiben, Nekrologe sollen folgen.
Das Correspondenzblatt des Gesammtvereins der Dt. G.-Vereine wird jetzt, nachdem Dr. Meinecke in die Redaction der HZ eingetreten ist, vom kgl. Hausarchivar Dr. Ernst Berner herausgegeben.
Unter dem Titel „Forschungen zur Cultur- und Literatur-G. Bayerns“, hrsg. von K. von Reinhardstöttner, beginnt bei Franz (Roth) in München eine neue Zeitschrift zu erscheinen. Dieselbe tritt an die Stelle der „Studien zur Cultur- und Lit.-G. Alt-Bayerns“ desselben Herausgebers, die vor Jahresfrist von Buchner in Bamberg angekündigt waren (s. Nachrr. ’92, 71), in Wirklichkeit aber nicht ins Leben getreten sind. In Vorwort und Signaturen verräth sich die ursprüngliche Bestimmung. Die Zeitschrift soll in zwanglosen Büchern zum Preise von 6 M. erscheinen; jährlich wird mindestens ein Buch zur Ausgabe gelangen. Sie soll der wissenschaftl. Erforschung Baierns dienen und die „heimathl. Cultur- und Lit.-G. auf Grund archival. Forschung vom wissenschaftl. Standpunkte aus pflegen und die Kenntniss derselben durch populäre Artikel, denen aber stets das Quellenmaterial beigedruckt wird, in weiteste Kreise verbreiten“. Diese Formulirung des Programms ist nicht gerade glücklich; sie klingt bedenklich nach der Art, wie Dilettanten „archival. Forschung“ betreiben; und bei den „populären Artikeln, denen stets das Quellenmaterial beigedruckt wird“, wandelt uns ein gelindes Grausen an. Die Ausführung ist zum Glück besser als die Ankündigung. Das 1. Heft bringt ausser den Beiträgen des Herausgebers zwei Aufsätze von angesehenen Autoren, dem Kirchenhistoriker J. Friedrich, der über Döllinger und Platen schreibt, und dem Geographen S. Günther. Ein centrales wissenschaftliches Organ zur Erforschung Baierischer Geschichte wäre, wie wir früher schon einmal ausgeführt haben, sehr zu wünschen. Dass es sich aus diesen zunächst auf Cultur- und Lit.-G. beschränkten „Forschungen“ entwickeln wird, scheint uns allerdings nicht sehr wahrscheinlich. Um so mehr wird es uns freuen, wenn wir uns getäuscht haben sollten.
Handbücher. Allgemein-historische Nachschlagswerke. Ueber zwei Französische Publicationen können wir nur aus dritter Hand berichten, da sie uns noch nicht zu Gesicht gekommen sind. Die Fortsetzung von Ulysse Chevalier’s grossem Repertoire des sources historiques du moyen-age, die unter dem Titel „Topo-bibliographie“ zu erscheinen beginnt (während der 1. Band den Titel „Bio-bibliographie“ führte), soll laut dem Prospect die Literatur nicht nur für alle Oertlichkeiten, [354] sondern für alle anderen Gegenstände verzeichnen, die (ausser den im 1. Bande behandelten Personennamen) als alphabet. geordnete Schlagworte der mittelalterlichen Geschichte dienen können. Als 3. Theil ist noch eine Bibliographie der Bücher und Autoren in Aussicht genommen. Der Band soll etwa 200 Bogen in 4° stark sein und bei P. Hoffmann in Montbéliard in 6 Lieferungen zum Subscriptionspreis von 7 fr. 50 erscheinen (nach Erscheinen der zweiten Lieferung resp. des ganzen Werkes Preiserhöhung auf 9 resp. 10 fr., complet bei Vorausbezahlung 35 fr.)
Das in 30. Auflage, bearbeitet von L. G. Gourraigne, erschienene Dictionnaire universel de géographie et d’histoire von N. Bouillet (Paris, Hachette. 1893. 2080 p. 21 fr.) wird in RH 51, 437 besonders wegen ungleichmässiger Durchführung der Neubearbeitung getadelt, und auch HZ 71, 77 heisst es, dass nach den gemachten Stichproben das Werk für Frankreich hinter dem Lexicon von Lalanne, das wir in dieser Zeitschr. früher empfohlen haben, zurückstehe; für die Slavischen Länder sei es zur ersten Orientirung zu brauchen.
Bibliographie de l’histoire de Belgique. Gand, Engelcke. 231 p. (vgl. künftig in Bibliogr. Gruppe V, 5). Professor H. Pirenne in Gent, dessen geistvolle und anregende Arbeiten wir in unseren Literaturberichten und in der Bibliographie wiederholt erwähnen konnten, hat ein umfassendes und wichtiges Werk unternommen. Was Dahlmann-Waitz für die Deutsche, Monod für die Französische Geschichte darbieten, will er für Belgien schaffen: ein bequemes Handbuch, das in möglichster Kürze über Quellen und Hauptwerke unterrichtet. Diese Aufgabe hat er vortrefflich gelöst. Machte die Gruppirung des Stoffes verhältnissmässig wenig Mühe, da sich Pirenne darin dem Vorbild, wie es in den genannten Werken vorliegt, anschliessen konnte, so galt es doch bei der Bearbeitung, nicht unerhebliche Schwierigkeiten zu überwinden. Es handelte sich vorerst darum, zu entscheiden, was eigentlich in eine Bibliographie zur Belgischen Geschichte aufzunehmen sei. Da die Geschichte der Niederlande vor der Vereinigung der verschiedenen Herrschaften unter den Herzögen von Burgund meist mit der Französischen und Deutschen Geschichte eng verknüpft ist, so war es auch unmöglich, sie ganz davon zu trennen. Hätte aber der Verfasser alle die Werke aufführen wollen, ohne deren Hilfe ein wissenschaftlich begründetes Eindringen in das Wesen Belgischer Geschichte nicht möglich ist, so wäre sein Buch eine Art Bibliographie zur Westeuropäischen Geschichte geworden. Um diese Klippe zu vermeiden, hat P. für das Mittelalter fast ausnahmslos alle Werke bei Seite gelassen, die sich nicht ausschliesslich mit dem heutigen Belgien oder Artois, Cambrai, Utrecht, Holland und Geldern beschäftigen. Andrerseits blieb seit dem Regierungsantritt des Erzherzogs Albrecht und der Erzherzogin Isabella (1598) die G. der nördlichen Provinzen unberücksichtigt.
Nicht leicht war die Abgrenzung nach Perioden für die Zeit vor der Vereinigung der Niederlande unter den Herzögen von Burgund. Pirenne behandelt in einem einzigen ganz kurzen Capitel die Zeit vor 843. Daran schliesst sich die Periode von 843 bis zum Beginn des 12. Jahrhunderts. Die dritte Periode umfasst das 12. und 13. Jahrhundert und endet für [355] Flandern mit der Thronbesteigung Philipp’s des Schönen, für Lothringen mit dem Ende des grossen Interregnums, d. i. jener Zeit, in der die letzten Bande, welche Lothringen an das Reich fesselten, gelöst wurden. Der Beginn der Herrschaft des Hauses Burgund bildet den natürlichen Abschluss der vierten Periode. Für die Geschichte der Neuzeit ist die übliche Eintheilung beibehalten. – Der Verfasser erklärt bescheiden, dass sein Werk weder vollständig noch tadellos sei, gleichwohl wird dasselbe schon in seiner jetzigen Gestalt von wesentlichem Nutzen sein. Besonders für Anfänger, die durch Unkenntniss der einschlägigen Literatur zu so zeitraubendem Herumsuchen genöthigt sind und Irrthümern verfallen, wird das Buch ein werthvolles Hilfsmittel sein. Hingewiesen sei zum Schluss noch darauf, dass Pirenne, erfüllt von Liebe zu seiner Wissenschaft und zu seinem Lehrberufe, hier einen beträchtlichen Theil seiner Zeit und Arbeitskraft auf ein Werk verwandt hat, das nicht sowohl ihm selbst oder seinem wissenschaftlichen Namen, sondern seinen Schülern Nutzen bringen soll. E. H.
Biographische Handbücher. Die Allgemeine Deutsche Biographie ist unter der trefflichen Leitung v. Liliencron’s und Wegele’s im 35. Bande bis „Steinmar“ vorgerückt und wird mit dem 36. wohl das S erledigen. Man wird rechnen dürfen, dass in etwa zwei Jahren das Werk abgeschlossen vorliegen wird, bis auf die Nachträge, die einen erheblichen Raum und noch manche Arbeit beanspruchen dürften, wenn die zahlreichen, ja ganz unvermeidlichen Lücken systematisch ausgefüllt werden sollen. In das Artikelverzeichniss des 35. Bandes sind wieder wie beim 27. alle im ganzen Werk ausserhalb der alphabet. Reihenfolge abgedruckten Artikel aufgenommen. Die wichtigeren Artikel excerpiren wir wie bisher in unserer Bibliographie.
Das Englische Dictionary of national biography, hrsg. von S. Lee (s. ’91, 295 b), ist im 35. Bande bis „Maltby“ gelangt, das Dansk biogr. Lexicon, hrsg. von Bricka (s. ebd. 295 c), in der 52. Liefg. bis „Helvig“; vom Svenskt biogr. Lexicon führten wir (s. ebd. 295 d) fälschlich den XI. statt des IX. Bandes auf. Von Bd. X liegen die beiden ersten Hefte vor. Das Werk steht im S und wird wohl Ende dieses Jahres oder im Laufe des nächsten abschliessen. – Für die neueste Englische Geschichte ist nach Ac. Nr. 1081 (’93, I) vielleicht ein brauchbares Hilfsmittel Fr. Boase, Modern Engl. biography mit Daten über alle möglichen bekannt gewordenen Engländer, die seit 1850 gestorben sind. – In die modernsten Verhältnisse führt uns auch ein Dictionary of Australian biography von F. Mennell (London 1892, 12 M. 50), über das wir Näheres nicht angeben können. – Die Belgische Biographie nationale ist im 3. Heft des 11. Bandes bis „Lermite“ vorgerückt.
Staatswissenschaften. Vom Conrad’schen Handwörterbuch der Staatswissenschaften (s. ’92, 295 a) liegen 27 Lieferungen vor. Es ist damit der 4. Band abgeschlossen und der 5. begonnen (bis p. 608). Das Werk ist bis „Schutzsystem“ vorgerückt und erweist sich immer mehr als ein vortreffliches Orientirungsmittel. – Das von Bruder herausgegebene Staatslexicon der Görresgesellschaft (s. zuletzt ’92, 295 b) ist [356] vor einiger Zeit mit dem 20. Heft zum Abschluss des 2. Bandes („Grossbritannien“) gelangt; seitdem ist auch Lfg. 20–21 ausgegeben (bis „Hörigkeit“). – Von einem Dictionary of political economy, das R. H. Inglis Palgrave bei Macmillan herausgiebt, ist soeben die 5. Lieferung erschienen, von „De Cardenas“ bis „Drawing“ reichend. 3 sh. 6 d. Das Werk wird uns von einem Fachmanne gerühmt.
Historische Hilfswissenschaften. Chronologie. Von Grotefend’s Zeitrechnung des Deutschen Mittelalters und der Neuzeit ist der 1. Theil des 2. Bandes, wie wir schon mitgetheilt haben, vor einigen Monaten erschienen. Derselbe enthält die Deutschen und Skandinavischen Diöcesankalender, d. h. für jede Diöcese die in Anniversarien, Breviarien etc. überlieferten Kalender, mit Angabe der Feste, die in der betr. Diöcese wirklich gefeiert wurden, von denen die wichtigeren im Druck hervor gehoben sind. Es sollen im 2. Theile des 2. Bandes noch die Kalender der Romanischen Diöcesen und Ordenskalender folgen, dann das alphabetische Heiligenverzeichniss und einige andere Tabellen. Ich hatte Gelegenheit, in einem Falle, wo die richtige Datirung mit den gewöhnlichen Hilfsmitteln entweder überhaupt nicht oder doch nicht mit voller Sicherheit möglich gewesen wäre, die Brauchbarkeit dieser Diöcesankalender zu erproben, bin also einigermassen zu ihren Gunsten eingenommen, aber ich kann doch die Frage nicht abweisen: gehören denn diese Kalender in ein derartiges Handbuch, hätten sie nicht in einem wissenschaftlichen Werke separat publicirt werden sollen, und konnte nicht für die Nachschlagezwecke des Handbuchs das alphabetische Heiligenverzeichniss allein dasselbe leisten? Das ist überhaupt, glaube ich, die Schwäche der neuen Auflage, dass sich die Angaben, die in der gewöhnlichen Praxis für den Deutschen Historiker wirklich nothwendig sind, auf den vierten Theil des Raumes oder auch noch weniger zusammendrängen liessen. Es scheint mir unvermeidlich, dass dieser „neue Grotefend“ sehr bald für einen „kleinen Grotefend“ geplündert wird. Vielleicht thut es der so eminent praktische Verfasser bald selbst?
Paläographie. Vor uns liegt ein Handbuch der Griech. und Latein. Paläographie von dem Oberbibliothekar des British Museum Edw. M. Thompson, dessen unsere Literaturberichte schon als trefflichen Editors Engl. Chroniken gedachten. Erschienen ist dasselbe unter dem Titel Handbook of Greek and Latin Paleography bei Kegan Paul, Trench, Trübner & Co., als ein Band der „International Scientific Series“ (343 p. 5 sh.). Man kann drei Haupttheile unterscheiden: einen allgemeinen (Cap. 1–7, p. 1–106) über die G. der Alphabete, Schreib- und Buchwesen, Schnell- und Geheimschrift, Abkürzungen etc., einen zweiten (Cap. 8–12, p. 107–182) über die Griechische, und den dritten (Cap. 13–19, p. 183–320) über die Latein. Paläographie. Addenda, Literaturverzeichniss und Index beschliessen den Band. Ueberall geht der Autor historisch vor; im 2. und 3. Theil verfolgt er nicht einzelne Buchstaben, sondern charakterisirt die Schriften der einzelnen Perioden mehr im ganzen, und zwar im nahen Anschluss an Facsimiles, die in den Text gedruckt sind. Uns liegt der 3. Haupttheil, die Behandlung der Latein. Paläographie, am nächsten. Das Werk von Thompson [357] hat darin für den Deutschen Historiker zwar bei weitem nicht die Bedeutung des früher besprochenen Französ. Handbuchs von Prou, das besds. seines Abbreviaturenverzeichnisses wegen (ein solches fehlt bei Thompson ganz) für den praktischen Gebrauch bei uns mit Deutschen Büchern concurriren kann. Th.’s Buch ist auf ein grösseres Publicum berechnet und wird dem Dt. Fachmann nur als eine Ergänzung der uns zugänglichen Handbücher, erstens durch den umfassenden Gesammtüberblick über die Griech. und Latein. Paläographie und dann besds. durch stärkere Berücksichtigung der Englischen Schrift, interessiren. Als ein übersichtliches, populäres und doch wissenschaftlich gediegenes Hilfsmittel verdient dieses bequem zugängliche wohlfeile Handbuch mit seinen zahlreichen Schriftproben, für die allerdings ein billiges Verfahren hat gewählt werden müssen, unsere Beachtung.
Der Artikel über Paläographie, den Thompson 1885 in die Encyclopaedia Britannica geschrieben hatte, ist 1891 von Fumagalli in’s Italienische übersetzt worden und als besondere Schrift in der Sammlung „Manuali Hoepli“ erschienen: Paleografia di E. M. Thompson, traduz. dall’ inglese con aggiunte e note di Gius. Fumagalli. Milano, Hoepli. 156 p. 1 L. 50. (Vgl. Bibliogr. ’90, 4297 u. ’91, 4080 g.) Der Artikel hat natürlich mit dem uns jetzt vorliegenden Buche, besds. dem ersten Hauptabschnitt desselben, manche Berührungspunkte. Fumagalli glaubte dem Ital. Publicum keinen besseren Abriss der Paläographie als diese Uebersetzung aus dem Englischen geben zu können. Was er selbst hinzugethan hat, beansprucht keine grosse Bedeutung, ist vielmehr im wesentlichen nur durch die Anpassung der Engl. Schrift an das Ital. Bedürfniss veranlasst, scheint aber brauchbar zu sein. Zu den Zinkotypien im Text sind vier Lichtdrucktafeln hinzugekommen.
Speciell mit den Lateinischen Abkürzungen beschäftigt sich die Schrift von Z. Volta, Delle abbreviature nella paleografia latina. (Milano, Kantorowiez. 332 p. 7 L.) Das Buch wird vom Verf. eine Studie genannt und ist in der That mehr der Versuch einer systematisirenden Betrachtung der Abkürzungen als ein Handbuch. Sein grosser Fehler ist, dass der Verf. zu viel systematisirt und zu wenig die historische Entwicklung beachtet. Einige Zusammenstellungen können gleichwohl einigen Nutzen haben (so die von mehrdeutigen und leicht zu verwechselnden Abkürzungen); im allgemeinen aber ist gewiss mit Wattenbach (DLZ 14, 206) davor zu warnen, sich in Zweifelsfällen dem Buche als Führer anzuvertrauen.
Geographie. Das Werk von J. J. Egli, Nomina geographica liegt in 2. Auflage fertig vor. Lpz., Brandstetter. 1035 p. Dasselbe soll die wichtigeren Ortsbezeichnungen auf der ganzen Erde sprachlich und sachlich, d. i. meist historisch erklären, soweit in der Literatur gesicherte Erklärungen vorliegen. Der Verf. beziffert die Zahl der erläuterten Namen auf reichlich 42 000; er hat sich in der neuen Auflage auch zum Ziel gesetzt, die Ergebnisse der neueren Namenforschung, gegen die er sich vor Jahren in der 1. Auflage ziemlich abweisend verhielt, zu verwerthen. Sehr annerkennend ist das Buch besprochen von A. Kirchhoff im „Ausland“ ’92, 574. Vgl. Bibliogr. ’92, 1945.
[358] Das in riesigen Dimensionen angelegte, besds. auch durch zahlreiche Lit.-Angaben ausgezeichnete Nouveau dictionnaire de géographie universelle, von Vivien de Saint-Martin, fortgesetzt von L. Rousselet, das wir früher schon erwähnt haben, nähert sich seinem Abschluss. Die 68. Lfg. reicht bis in’s T hinein, Bd. V (bis Lfg. 62) endete mit Sn.
Die 1. Lieferung des Topographischen Wörterbuchs von Baden, bearb. von A. Krieger, das die Badische Histor. Comm. herausgibt, ist erschienen und reicht bis „Ewattingen“. (Heidelberg, Winter. 160 p. 5 M.) Das Werk soll aus 5 Lieferungen bestehen.
Soeben beginnt eine neue Ausgabe von Spruner’s Historischem Handatlas zu erscheinen. Zunächst handelt es sich um den Atlas antiquus, der in völlig neuer Bearbeitung von Wilh. Sieglin in 8 Lieferungen à 2 M. 50 ausgegeben wird. Alle Umstände sprechen dafür, dass wir damit ein ganz vortreffliches Werk erhalten. Die Verlagshandlung Justus Perthes in Gotha spricht zugleich von einer neuen Ausgabe des ganzen Werkes, sie bezeichnet den Sieglin’schen Atlas Antiquus als 1. Abth. von „v. Spruner-Sieglin, Handatlas zur G. des Altherthums des MA. und der Neuzeit“, ohne dass man jedoch irgend etwas näheres über den Stand der Arbeiten für die mittelalterliche und die neuzeitliche Abtheilung erführe. Unklar bleibt, ob dafür trotz des Gesammttitels „v. Spruner-Sieglin“ andere Bearbeiter eintreten. Hoffentlich wird dann auch des trefflichen Menke nicht ganz vergessen; denn seine 3. Auflage der mittelalterlichen und neuzeitlichen Karten war grossentheils eine wahre Neuschöpfung.
Beachtenswerthe histor. Karten vom Frankreich des 18. Jahrhunderts findet man laut RH 50, 215 in den Lieferungen 11–14 des histor.-geogr. Atlas von Vidal de Lablache, der im übrigen zu den Schulatlanten zählt. (Atlas d’histoire et de géographie. Complet 137 Karten und 248 Nebenkarten. Paris, Colin. 30 fr. Vgl. auch RH 46, 386 f.)
Wörterbücher haben wir zuletzt ’92, 297 und vorher ’91, 309 ff. aufgeführt. Ueber das Fortschreiten der verschiedenen Werke und neu hinzugekommene ist Folgendes zu berichten. Deutschland: a) Von Grimm’s Deutschem Wörterbuch sind die 11. u. 12. Lieferung des 8. Bandes (S), bearb. von Heyne, erschienen; sie reichen bis „Schauergemälde“. Ebenso ist die 5. Lfg. des 12. Bandes (V) bearb. v. Wülcker, ausgegeben, bis „verpetschieren“. Zur Ausfüllung der Lücke im 4. Bande (G) ist eine weitere Lieferung im Druck. Im 11. Band hat Lexer’s letzte Lieferung mit dem ominösen „Todestag“ abgeschlossen; es ist noch nicht endgiltig bestimmt, wer die Arbeit fortsetzt, und es wird hier also eine Unterbrechung eintreten. – b) Das Schweizerische Idiotikon, bearb. v. F. Staub, L. Tobler u. R. Schoch ist mit dem 24. Heft bis zum Worte „Klee“ (Bd. III p. 608) vorgerückt.
Skandinavien und England: a) Die 2. Auflage von J. Fritzner’s Ordbog over det gamle norske sprog ist in Heft 22 (Bd. III p. 193 bis 288) bis „skapstórr“ vorgerückt. – b) Ein knapp gehaltenes Dansk etymologisk Ordbog von E. Jessen ist in zwei Theilen erschienen. (Kopenhagen, Gyldendal. 176 u. 120 p. à 2 Kr. 50.) Dasselbe ist nach Art [359] des Kluge’schen Wörterbuchs gearbeitet und wird gewiss ein auch für histor. Zwecke brauchbares Hilfsmittel sein, besonders, so lange c) Kalkar’s Ordbog til det ældre danske Sprog noch nicht vollendet ist. Dasselbe reicht vorläufig mit seinem 2. Bande bis zum Schlusse des L. – d) Von J. A. H. Murray’s New English Dictionary on hist. principles ist die 7. Lfg. (in Bd. II bis „Crouching“ reichend) erschienen; schon vor 2 Jahren ist auch beim E eingesetzt und eine von H. Bradley bearbeitete 1. Liefg. des 3. Bandes (bis „Every“) ausgegeben worden.
Frankreich. F. Godefroy’s Dictionnaire de l’anc. langue française ist um 8 Liefgn. bis fasc. 73 (Bd. 8 p. 161–240) vorgerückt und steht nun dem Abschluss ziemlich nahe (bei „Vilener“). – Das Dictionnaire gén. de la langue franç. du commenc. du 17. s. jusqu’à nos jours von A. Hatzfeld, A. Darmesteter u. A. Thomas ist bis fasc. 11 (p. 864) gelangt. Die ersten 6 Lfgn. sind zusammen zu binden und reichten bis „Collier“.
Osteuropa. a) Das Lexicon linguae hungaricae aevi antiquioris, hrsg. v. G. Szarvas und S. Simonyi ist in 3 Bänden zum Abschluss gelangt. (Bd. III Sz-Zs. Budap., Hornyánsky. 1316 Sp. 290 p.) – b) Von dem Serbo-Kroatischen Wörterbuch, das die Südslavische Akademie in Agram herausgibt (Rječnik hrvatskoga ibi srpskoga jezika etc.), ist das 13. Heft, das 1. des 4. Bandes erschienen. Dasselbe reicht bis „izmiješati“. Das Wörterbuch erscheint in Heften von 240 p., die Wörter sind nur z. Th. durch Lateinische Ausdrücke, im allgemeinen nur Kroatisch erklärt; das Werk ist mit Lateinischen Lettern gedruckt. – c) Das letzte akademische Russische Wörterbuch ist nicht, wie wir ’91, 319 angaben, 1847, sondern 1867 erschienen. Von der angekündigten neuen Ausgabe liegen 2 Liefgn. vor. Der Tod des Akademikers Grot (s. Todesfälle im nächsten Heft) unterbricht die Fortführung.
Preisaufgaben und Stiftungen. Das von der philos. Facultät der Univ. Strassburg alljährlich im Betrage von c. 2500 M. zu vergebende Stipendium der Julius Engelmann-Stiftung (für mittlere und neuere Geschichte und Geographie) ist für 1893 dem Priv.-Doc. der Geographie Dr. Hergesell in Strassburg verliehen worden.
In den Nachrr. der Göttinger Ges. der Wiss. ’93, Nr. 9 erinnert die Verwaltung der Wedekind’schen Preisstiftung an die am 14. März 1896 fälligen Preise von je 1000 Thlr. in Gold (3300 M.) für: 1. eine Ausgabe des Eberhard Windecke, 2. eine Geschichte des Herzogthums Schwaben vom 10.–13. Jh. Die Einsendungsfrist läuft am 14. März 1895 ab. (Vgl. Nachrr. ’89, Nr. 63.)
Es sei dabei auch an die Preisausschreiben der Rubenow-Stiftung in Greifswald erinnert, für die bis zum 1. März 1896 die Arbeiten einzusenden sind. Themata: Oeffentl. Meinung in Preussen, spec. in Berlin 1795–1806; Dt. Kirchenstaatsrecht im 16. Jh.; Geschichtswerke des Thomas Kantzow; Landwirthschaft in Preussen nach der Bauernbefreiung. Genaueres s. Nachrr. ’92, 86.
Die Gesellschaft für Rhein. G.-Kunde hat den Termin für Lösung der 2. Aufgabe der Mevissen-Stiftung (Entwicklung der communalen Verfassung [360] und Verwaltung Kölns von den Anfängen bis 1396) bis zum 31. Jan. 1896 verlängert.
Das Generalsecretariat der Industriellen Gesellschaft von Mülhausen hat das Verzeichniss der für das Jahr 1894 ausgeschriebenen Preisaufgaben erscheinen lassen: die historischen Themata sind dieselben wie im Vorjahre (u. a. Alsatia sacra – 2000 M., Geschichte eines der vorzüglichsten Industriezweige des Ober-Elsasses – 1000 M.) und sind von uns Nachrr. ’92, Nr. 323 erwähnt worden.
Die Académie française verlieh am 16. Mai den prix Guizot (3000 fr.) an Jos. Faber für „le Mois de Jeanne d’Arc“, den prix Halphen (1500 fr.) an L. Perey für „le duc de Nivernais à la fin du 18. siècle (s. ’89, Bibliogr. Nr. 1043), den prix Bordin z. Th. an Comte de Mouy für „l’ambassade du duc de Créquy 1662–5“, den prix Gobert an Albert Vandal für „Napoléon et Alexandre I.“ (s. Bibliogr. ’91, 1119 u. 2635). Vom prix Montyon erhielt einen Theil: Alfr. Rebelliau für „Bossuet, Historien du protestantisme“ (s. ’92, Bibliogr. Nr. 874 u. Nachrr. Nr. 315 f.). Die Académie des inscrr. et belles-lettres gab im concours des antiquités u. a. die 1. Medaille an Jacqueton für „la politique extérieure de Louise de Savoie“ (s. ’92, Bibliogr. Nr. 573 a).
Das Istituto Lombardo in Mailand setzte einen Preis von 5000 fr. aus für eine kritische Geschichte des Parlamentarischen Regiments. Die Arbeit darf nur in Italienischer Sprache verfasst werden; Ablieferungstermin ist der 31. Dezember 1895.
Personalien. Akademien etc. Die philos.-histor. Klasse der Akad. der Wiss. in Berlin hat Prof. Dr. A. Naudé in Marburg zum Mitgliede der akad. Commission für die Herausgabe der Werke Friedr.’s des Gr. ernannt. – Von der Akad. der Wiss. in Wien sind gewählt worden: zum Generalsecretär und Secretär der philos.-histor. Klasse Prof. Dr. A. Huber in Wien; zum wirkl. Mitgl. Prof. Dr. K. Th. v. Inama-Sternegg in Wien; zu corresp. Mitgliedern Gymn.-Prof. Dr. Jos. Egger in Innsbruck, Dr. Fr. Imhoof-Blumer in Winterthur.
Die Académie française hat an J. Lemoinne’s Stelle den Prof. an der École normale supérieure F. Brunetière zum Mitgliede gewählt. – Die Société nat. des antiquaires de France ernannte zu corresp. Mitgliedern Prof. Dr. O. Hirschfeld in Berlin, Wolfg. Helbig in Rom und Frank in London. – Von der Historisch Genootschap in Utrecht ist Prof. Dr. K. Höhlbaum in Giessen zum Ehrenmitgliede, von der Real Academia de la historia in Madrid Dr. J. Bernays, Mitarbeiter bei der neueren Serie der Deutschen Reichstagsacten, zum corresp. Mitgliede ernannt worden.
Universitäten etc. Prof. Max Lehmann, der soeben erst von Marburg nach Leipzig gegangen war, hat eine Berufung nach Göttingen an Stelle Kluckhohn’s angenommen. Prof. G. v. Wyss in Zürich hat seine Lehrthätigkeit eingestellt. Zu seinem Nachfolger ist der Prof. an der Polytechn. Schule in Zürich Dr. W. Oechsli ernannt worden. – Die Priv.-docc. Dr. E. Szanto in Wien und Dr. Ottokar Weber in Prag wurden zu ao. Professoren für Griech. bezw. neuere Gesch. befördert. – Habilitirt haben [361] sich in Greifswald der Custos an der Univ.-Bibl. Dr. W. Altmann für ma. G. und Bibliothekswissenschaft, in Halle Dr. T. Sommerlad für Wirthschafts-G., in Freiburg i. Br. Dr. K. Sutter für ma. G., an der Techn. Hochschule in Stuttgart der Directorialassistent am Germ. Nat.-Museum in Nürnberg Dr. L. Fränkel für Litt.- und Cultur-G., in Freiburg i. Schw. Dr. Ad. Gottlob für Cultur- und Wirthschafts-G. – Dr. V. Bayer in Strassburg hat auf die venia legendi verzichtet.
Der ao. Prof. C. J. Fuchs in Greifswald ist zum o. Prof. der Staatswissenschaften daselbst ernannt. – Der. Nat.-Oekonom Prof. Wilh. Stieda in Rostock hat einen Ruf nach Kiel abgelehnt.
Prof. Dr. Joh. Haussleiter in Dorpat hat einen Ruf als o. Prof. der Kirchen-G. an die Univ. Greifswald angenommen. – Die Zeitungsnotiz, dass Prof. Dr. M. Sdralek in Münster nach Breslau berufen sei, ist unrichtig. – In Göttingen habilitirte sich Dr. H. Achelis für Kirchen-G. und christl. Archäologie.
Der ord. Prof. d. class. Philol. Dr. Ed. Schwartz in Rostock hat einen Ruf an die Univ. Giessen, der ao. Prof. der Dt. Philol. Dr. Ph. Strauch in Tübingen einen solchen nach Halle angenommen. – Der ao. Prof. für Dt. Sprache u. Lit. Dr. J. Seemüller in Innsbruck ist zum Ord. ernannt. – Der ao. Prof. Dr. P. v. Bradke in Giessen hat eine o. Professur für Indische Philologie erhalten. – Der Dir.-Assistent am Aegyptolog. Museum in Berlin Priv.-Doc. Dr. G. Steindorff ist als ao. Prof. nach Leipzig berufen worden. – Habilitirt haben sich in Giessen Realgymn.-Lehrer Dr. Jos. Collin für neuere Lit.-G., in Breslau Dr. O. Jiriczek für German. Philol., in Wien Dr. Rud. Much für German. Sprach-G. und Alth.-kde., in Berlin Dr. Osc. Schultz für Roman. Philologie.
Als Nachfolger W. Lübke’s ist der ao. Prof. Dr. Ad. v. Oechelhäuser in Heidelberg zum o. Prof. für Kunst-G. an der Techn. Hochschule in Karlsruhe ernannt worden. – Der ao. Prof. an der Techn. Hochschule in Aachen Dr. R. Vischer ist unter Ernennung zum o. Prof. mit Vertretung der Professur f. Kunst-G. an der Univ. Göttingen beauftragt worden. – Priv.-Doc. u. Gymn.-Lehrer Dr. Ad. Matthaei in Giessen ist nun doch als ao. Prof. auf einen neu errichteten Lehrstuhl für Kunst-G. in Kiel berufen. – Der ao. Prof. f. Kunst-G. Aug. Schmarsow in Breslau hat seine Stelle niedergelegt. – Eine ao. Professur für neuere Kunst-G. an der Univ. Lemberg erhielt Dr. Joh. Boloz von Antoniewicz.
Institute. Am Preuss. Histor. Institute in Rom sind folgende Veränderungen eingetreten: Dr. R. Arnold, der bisher mit den Functionen des 1. Assistenten betraut war, ist von diesen entbunden worden, um sich ganz der Leitung und Herausgabe des Repertorium Germanicum widmen zu können. Zugleich ist als Hilfsarbeiter bei dem letzteren Unternehmen der bisherige Assistent am Stadt-A. in Aachen Dr. J. Lulvès angestellt worden. In die Stelle des 1. Assistenten rückte der bisherige 2. Assistent Dr. K. Schellhass auf, während dessen Stelle Dr. G. Kupke aus Posen erhielt. – Bei den Mon. Germ. ist Dr. J. Schwalm in Göttingen als ständiger Mitarbeiter f. die Abth. Leges eingetreten, Dr. B. Bretholz in Wien für die Concilien ausgeschieden und nach Brünn übergesiedelt.
[362] Archive. Der Archivar 2. Kl. Dr. F. Wachter in Düsseldorf ist an das Staats-A. in Breslau versetzt worden.
Bibliotheken. Der Prakticant an der Staatsbibliothek in München Dr. G. Keyssner ist zum Assistenten befördert worden. – An der neuorganisirten Stadtbibl. zu Frankfurt a. M. wurde der 1. wissenschaftl. Hilfsarb. Dr. H. v. Nathusius-Neinstedt zum 2. Bibliothekar ernannt. Dr. Herm. Traut trat als 2. wissenschaftl. Hilfsarb. neu ein. Die beiden Amanuensenstellen wurden aufgehoben; der bisherige 2. Amanuensis Dr. E. Kelchner erhielt die neugeschaffene Secretärstelle.
Museen. In der Ende Mai abgehaltenen Sitzung des Gesammtvorstandes des Röm.-Germ. Centralmuseums in Mainz wurde beschlossen, von der Ernennung eines Nachfolgers für den verstorbenen L. Lindenschmit vorläufig abzusehen und mit der einstweiligen Führung der Directorialgeschäfte den Geh. Medicinalrath Dr. K. Wenzel in Mainz und als dessen Stellvertreter Dr. L. Beck in Biebrich zu beauftragen. Lindenschmit’s Sohn Ludwig Lindenschmit wurde als Conservator bestätigt. – Am German. Mus. in Nürnberg ist Dr. Th. Hampe aus Bremen als Assistent der kunst- u. culturhist. Sammlungen eingetreten. – Finanzrath Dr. E. Paulus in Stuttgart wurde zum Vorstand d. Württemb. Staatssammlung vaterländischer Kunst- und Alterthumsdenkmale ernannt und erhielt zugleich den Titel Oberstudienrath. – Der Custosadjunct am kunsthistor. Hofmuseum in Wien, Priv.-Doc. Dr. J. v. Schlosser, ist zum Custos befördert, Dr. A. Dedekind daselbst zum Custosadjunct. Der Custosadjunct daselbst, Dr. Th. v. Frimmel, hat seine Stellung aufgegeben. – Zum Hilfsarbeiter im kgl. Münzkabinet in München ist Dr. G. Leidinger ernannt.
Schulen. Unter den laut Bestimmung vom 1. April in Preussen ernannten Professoren (vgl. letztes Heft Nachrr. 160 a–g) sind uns noch folgende Historiker bekannt geworden:
In der Provinz Westpreussen: O. Gortzitza in Graudenz, Aug. Hilger in Danzig, Dr. K. Krüger in Strasburg, E. Schmidt in Marienburg, A. Spalding in Neumark, Th. Steinwender in Danzig.
In der Provinz Brandenburg: A. Detto in Wittstock, Dr. P. Förster am Kgl. Realgymn. in Berlin, Dr. S. Herrlich am Humboldts-Gymn. in Berlin, L. Hörig in Prenzlau, Dr. P. Jörgensen am Friedr.-Realgymn. in Berlin, Dr. H. Kamieth am Luisenstädt. Gymn. in Berlin, J. Klohn in Guben, Dr. Herm. Müller in Prenzlau, Dr. W. Müller in Rathenow, Dr. W. Nottebohm am Friedr. Werder’schen Gymn. in Berlin, Dr. H. Paech in Kottbus, Dr. K. Peter in Perleberg, Dr. A. Petersen in Luckau, Dr. M. Rehmann in Friedeberg, Dr. Chr. Ritter in Luckenwalde, Dr. K. Seipoldy am Andreas-Realgymn. in Berlin, Dr. O. Stäckel am Kgl. Realgymn. in Berlin, Dr. G. Stöckert in Züllichau, E. Zabel in Guben.
In der Provinz Hannover: H. Behr in Celle, Dr. U. Hölscher in Goslar, F. Hornemann in Hannover, Dr. Jul. Jäger in Osnabrück, Friedr. Kluge in Hildesheim, J. Raydt in Hannover, A. Wittneben in Leer.
[363] Im Reg.-Bezirk Wiesbaden: Dr. Anselm Braun in Hadamar, Dr. H. Cuers in Frankfurt, Aug. Fritze in Wiesbaden, Dr. Jul. Fröling in Homburg v. d. Höhe, Dr. Chr. Gotthold und Ant. Guth in Frankfurt, Dr. F. W. Held in Diez a. d. Lahn, Dr. J. F. Lorey, Dr. Rud. Neumann, Dr. E. Reuss und Wilh. Schmitthenner in Frankfurt, J. P. Schmitz und Dr. Jos. Wahle in Montabaur.
Die Oberlehrer Jul. Meyer in Allenstein und Herm. Otto in Meseritz haben den Prof.-Titel erhalten. – Gymn.-Oberl. Dr. W. Strehl in Thorn ist an das Real-Gymn. zu St. Petri und Pauli in Danzig versetzt worden.
Jubiläen. Am 8. Nov. 1893 feiert Th. Mommsen sein 50j. Doctorjubiläum. Es soll ihm ein Capital überreicht werden, damit er nach eigenem Ermessen eine Stiftung zur Förderung wissenschaftlicher Zwecke in seinem Arbeitsgebiete darauf gründe. Die Berliner Akademie würde ersucht werden, die Verwaltung dieser Mommsen-Stiftung zu übernehmen. Der Aufruf trägt als Unterschriften zahlreiche angesehene Namen. – Karl v. Hegel beging am 7. Juni die Feier seines 80. Geburtstages. – Konr. v. Maurer sind zu seinem 70. Geburtstag am 29. April „Germanistische Abhandlungen“ von einer Anzahl Deutscher und Skandinavischer Gelehrter dargebracht worden. – Den 90. Geburtstag Hofraths Chr. d’Elvert’s am 11. April hat die hist.-statist. Section d. Mährischen Ges. in Brünn durch „Gedenkblätter“ gefeiert und auch die MVGDBöhmen haben 31, 299–305 einen Begrüssungsartikel gebracht.
Todesfälle. Deutschland. Aus der Reihe der Verluste, deren wir hier zu gedenken haben, ragen vor allem zwei Namen hervor, deren Dahinschwinden in empfindlicher Weise die Erforschung der Deutschen Reformationsgeschichte trifft. Beide Männer, H. Baumgarten und A. Kluckhohn, sind mitten aus gross angelegten Werken abgerufen worden, denen sie Jahre ihres Lebens gewidmet hatten und denen ihre Sorge noch bis zuletzt gegolten hat, aber während in dem einen Falle die gleichmässige Fortführung des Werkes, eines grossen Editionsunternehmens gesichert ist, muss das andere ein Torso bleiben, da es eine Schöpfung aus dem Geiste des Verstorbenen war, die so, wie sie begonnen ist, Niemand fortsetzen kann.
Hermann Baumgarten ist am 19. Juni in Strassburg, wo er mehr als 20 Jahre, seit seiner Berufung vom Karlsruher Polytechnicum an die neugegründete Universität, gewirkt hat, nach längerem Leiden gestorben. Seine Biographie Karl’s V. hat trotz weiser Beschränkung auf das nach menschlichem Ermessen Erreichbare das ihr gesteckte Ziel nicht erreicht, und die Deutsche Geschichtswissenschaft ist damit um den Abschluss eines Werkes gebracht, das zu unserem dauernden Besitz gehört und dessen Vollendung doch erst seinen Theilen den vollen Werth verliehen hätte. B.’s Hinscheiden ist nicht nur ein Verlust für die Fachwissenschaft, sondern für unser nationales Leben. Zwar ist sein Karl V. nicht in so weite Kreise gedrungen, wie B., als er das Werk begann, wohl gehofft hatte – es ist dafür noch zu sehr mit Forschung belastet –, aber trotzdem ist die Summe von B.’s wissenschaftlichem Wirken ein Element, das auf die allgemeine [364] Bildung seinen Einfluss geübt hat. B. stand mitfühlend und mithandelnd im Leben der Gegenwart. War er doch nach Abschluss seiner Studien zuerst 1850 in seiner Heimath Braunschweig, dann in Heidelberg als literarischer Anwalt von Gervinus in dessen Hochverrathsprocess, seit 1855 in München, schliesslich in Berlin journalistisch thätig, ist er doch auch später, als er seit 1861 in Karlsruhe Geschichte und Literatur docirte, mit histor.-politischen Gelegenheitsschriften hervorgetreten („Vaterland oder Partei“ 1866, „Der Liberalismus“ 1867, „Wie wir wieder ein Volk geworden sind“ 1870), spielen lebendige Interessen doch auch in sein abgeschlossenes grösseres Werk, die Gesch. Spaniens seit Ausbruch der Französ. Revol. (1865–71), hinein, und ist doch noch unvergessen, wie er später öffentlich Stellung nahm zu den beiden Deutschen Geschichtswerken unserer Tage, die an populärer Wirkung allen andern voranstehen: zu Janssen’s und zu Treitschke’s Deutschen Geschichten. Wichtige Seiten seines Wesens kommen dabei zur Geltung. Ein überzeugter, doch nicht fanatischer Anhänger der Reformation und ein der Orthodoxie abholder gläubiger Protestant, bekämpfte er die ultramontane Tendenz mit einer seltenen Unermüdlichkeit und einer ebenso seltenen positiv-protestantischen Wärme. Einst ein Vorkämpfer der Preussischen Hegemonie in Süddeutschland, trat er der Preussischen Tendenz in der neueren Geschichtsschreibung unerschrocken entgegen. Diese Wandlung seiner Stellungnahme ist überhaupt charakteristisch. Nicht die Grundrichtung seiner Ansichten hatte sich geändert, sondern die Situation um ihn herum. Mit einer gewissen Hinneigung zum Pessimismus sah er schwarz in die Zukunft, aber wenn er früher, wie ein Nachruf berichtet, in den Süddeutschen Demokraten seine entschiedensten Gegner sah, so erblickte er in den letzten Jahren die Gefahr in ganz anderen Elementen, die ihm das liberale Bürgerthum seiner Jugendzeit zu zersetzen schienen. Doch es ist nicht meine Absicht, ihm hier einen Nachruf zu schreiben – sonst wäre viel ausführlicher auf seine wissenschaftlichen Leistungen einzugehen (ich erinnere nur an „Sleidan“ und an die „Bartholomäusnacht“) –; sein Lebensbild wird in einem der nächsten Hefte hoffentlich eine berufenere Feder zeichnen. Es geziemt mir hier nur noch dankbar dessen zu gedenken, was diese Zeitschrift ihm schuldet. Von Anfang an hat er sie mit seiner warmen und thätigen Theilnahme helfend, ermunternd und warnend begleitet, und bis zuletzt hat er ihr dieses Interesse bewahrt. Die Historikerversammlung von diesem Frühjahr gab ihm dazu den letzten Anlass. Wir danken ihm am besten, wenn wir uns der Verpflichtung bewusst bleiben, wenigstens auf dem kleinen Gebiete dieses Unternehmens, wo wissenschaftliche Interessen sich mit denen des allgemeinen öffentlichen Lebens berühren, in seinem Sinne zu wirken. – Vgl. Nekrologe von G. Kaufmann im Dt. Wochenblatt ’93, 331–4 und von A. Stern in d. Nation 10, 634–6.
Am 20. Febr. in Halle a. S., 82 J. alt, der ao. Prof. der Staatsw. Dr. Hugo Eisenhart, Verf. einer G. d. Nationalökonomik (Jena 1881), die auf einen allgemeinen Ueberblick angelegt ist.
Am 7. Juni in Heidelberg, 45 J. alt, Gymn.-Prof. Dr. Karl Hartfelder, ao. Mitglied d. Bad. Hist. Commission. Von Hause aus class. Philologe, hatte er sich seit 1880 mit grossem Eifer der G. d. Dt. Humanismus [365] und der Reformation zugewandt und sich auf diesem Gebiete durch eine Reihe von wichtigen Arbeiten einen Namen gemacht. Genannt seien seine Ausgabe der 5 Bücher Epigramme des Conr. Celtes (1881, vgl. einen Aufsatz in der HZ 1882), sein Buch „Zur G. d. Bauernkrieges in Südwestdeutschland“[WS 2] (1884), die Publication des Briefwechsels des Beatus Rhenanus (zusammen mit Horawitz, 1886) und aus den letzten Jahren mehrere Publicationen über Melanchthon, zuerst „Ph. Melanchthon als praeceptor Germaniae“ (s. Bibliogr. ’89, 4843 u. ’92, 621 f.), dann eine Auswahl aus M.’s Declamationes (s. Bibl. ’92, 612) und endlich die Melanchthoniana paedagogica (s. Bibl. ’92, 611 u. ’93, 612). Auch zahlreiche kleine Aufsätze von ihm aus den letzten Jahren nennt unsere Bibliographie. In der HZ waltete er für sein Gebiet des Recensentenamtes.
Am 5. Juni in Rottenburg, 84 J. alt, der bekannte Kirchenhistoriker Dr. Karl Jos. v. Hefele, Bischof von Rottenburg, früher (1840–69) Professor in Tübingen. Sein Hauptwerk ist die grosse allbekannte Conciliengeschichte, die er in 7 Bänden bis zur Mitte d. 15. Jh. geführt hat (1855–74, 2. Aufl. 1873 ff., Forts. durch Card. Hergenröther). Dieselbe gehört nicht zu den Werken, die durch tief dringende Kritik oder weite Auffassung an erster Stelle stehen, aber als ein Werk emsigen Fleisses und als erste Verarbeitung eines gewaltigen Stoffes sichert sie dem Verfasser den dauernden Dank der Fachgenossen. Auch wegen ihres im ganzen unbefangenen und massvollen Urtheils hat die 1. Auflage bei der protestant.-wissenschaftl. Kritik Anerkennung gefunden, während die 2. Auflage des 1. Bandes von Schulte sehr scharf kritisirt ist. Zu erwähnen sind noch seine Schrift über Einführung des Christenthums im südwestl. Deutschland (1837), seine Ausgabe der Patrum apost. opera (1839, 4. Aufl. 1855), das Buch über Card. Ximenes u. die kirchl. Zustände Spaniens 15.–16. Jh. (1844, 2. Aufl. 1855) und die von ihm als Gegner der Unfehlbarkeitserklärung 1870 geschriebenen Schriften über Honorius u. d. 6. allgem. Concil u. die Honoriusfrage.
Am 21. Juni in Leipzig, 46 J. alt, der erst im vorigen Jahre als Nachfolger Springer’s von Strassburg dorthin berufene Kunsthistoriker Prof. Dr. Hubert Janitschek. Seine zahlreichen werthvollen Arbeiten, wissenschaftliche Untersuchungen und abgerundete Künstlerbiographien (in Dohme’s Kunst und Künstler) behandeln meist das Gebiet der Italienischen Renaissance. Am nächsten liegt unserem Interesse seine G. der Deutschen Malerei in dem bekannten Grote’schen Sammelwerke „Geschichte der Deutschen Kunst“ (abgeschlossen im J. 1890; vgl. Bibliogr. ’90, 2061 u. ’91, 3250). J. war auch Herausgeber des Repert. f. Kunstwissenschaft, der bedeutendsten Deutschen Zeitschrift für Kunstgeschichte.
Am 1. Mai in Wertheim, fast 76 J. alt, Archivrath Dr. Alex. Kaufmann, Dichter, Literar- u. Kunsthistoriker, in Fachkreisen bekannt besonders durch sein anziehendes und noch heute nicht überholtes Buch über Cäsarius von Heisterbach (zuerst 1850, dann in 2., erweiterter Aufl. 1862). In den letzten Jahren (1888–91) hat er noch eine Uebersetzung ausgewählter Geschichten aus d. Werke des Cäsarius gegeben, s. Bibliogr. ’89, 313 u. 4689 und ’92, 281. Zu nennen sind ausserdem seine Quellenangaben und [366] Bemerkungen zu Simrock’s Rheinsagen und zu den von ihm selbst (1853) gesammelten Mainsagen (1862), seine neue Ausgabe von Simrock’s geschichtlichen Deutschen Sagen (1886) und von zahlreichen kleineren Aufsätzen eine Biographie von Rehfues (vgl. dazu die Mittheilung in dieser Zeitschr. Bd. II S. 449–458) und eine Schrift über die Gesch. des Gartenbaues (1892; s. Bibliogr. ’91, 3410). – Vgl. den Nekrolog H. Hüffer’s in Köln. Ztg. ’93, Nr. 398.
Am 19. Mai in München, 60 J. alt, August v. Kluckhohn, ord. Prof. an der Universität Göttingen. Kluckhohn’s Lebensweg war kein leichter gewesen, hatte aber den rastlos thätigen Mann stetig aufwärts geführt zu einem an wissenschaftlichen Erfolgen reichen Wirkungskreis. Ein Bauernsohn aus dem Lippeschen, hatte er es erreicht zu studiren, in Heidelberg sich an Häusser, in Göttingen an Waitz angeschlossen, hatte 1857 promovirt mit der noch oft benutzten Abhandlung über den Gottesfrieden, sich 1858 in Heidelberg habilitirt, war 1860 durch Sybel nach München gezogen und trat dort für einige Zeit in die Redaction der Histor. Zeitschrift ein. Für die Histor. Commission übernahm er als einen Theil der Wittelsbacher Correspondenzen die Publication der Briefe Friedrichs v. d. Pfalz. Noch ehe der erste Band dieses Werkes 1868 erschien, hatte er die sehr beachtenswerthe Abhandlung über Hzg. Wilhelm als Protector des Basler Concils (Forschungen z. Dt. G. 1862) und ein preisgekröntes Buch über Hzg. Ludwig d. Reichen (1865) publicirt, war auch ao. Mitgl. d. Ak. und ao. Prof. an der Universität geworden. Im J. 1869 folgte die Ernennung zum ord. Prof. an d. Techn. Hochschule und die Wahl zum ord. Mitgl. der Akademie. Das nächste Jahrzehnt brachte den Abschluss der Briefe Pfalzgraf Friedrichs (1871–72), eine Biographie Friedrichs des Frommen (1876–79), eine Reihe von Abhandlungen in den Publl. d. Münchener Akademie, u. a. zur G. d. Baier. Bildungswesens, und daneben eine ausserordentlich rege Betheiligung am öffentlichen Leben Münchens zur Förderung liberaler und gemeinnütziger Interessen. Einen Ruf nach Dresden lehnte er 1878 ab, einem solchen nach Göttingen auf Pauli’s Lehrstuhl aber leistete er 1883 Folge. Einige Jahre später (1886) liess er sich bereit finden, die Leitung der Arbeiten für die 2. Serie der Deutschen Reichstagsacten zu übernehmen, und diese Editionsarbeit hat ihn seitdem neben der akademischen Thätigkeit fast völlig in Anspruch genommen. Von grösseren Arbeiten ist aus diesen Jahren wohl nur noch eine Biographie Westenrieders (1890) zu erwähnen. Von den Reichstagsacten aber, die ihn mit Beschlag belegten, ist bei seinen Lebzeiten zwar noch nichts erschienen, doch war es ihm wenigstens vergönnt, den 1. Bd., der die Wahl Karl’s V. bringt, ganz abzuschliessen. Den fertig gedruckten Band mit dem halbfertigen Manuscript zur Vorrede hatte er mit nach München zur Commissionssitzung gebracht, als ihn plötzlich der Tod ereilte. Wenn es ihm nicht vergönnt war, den früher gehegten Plan zu einem grösseren darstellenden Werke aus der Reformationsgeschichte auszuführen, so steht sein Name doch wenigstens an der Spitze des grossen Unternehmens, das die polit. G. der Deutschen Reformation aufs neue tiefer und sicherer als bisher fundamentiren soll. – Vgl. den Nekrolog F. Stieve’s in der AZtg ’93, Nr. 189.
[367] Mitte Mai in Nordhausen Stadtarchivar Paul Osswald, Vorsitzender des Nordhäuser Geschichtsvereins. Einige Arbeiten von ihm sind in unserer Bibliogr. aufgeführt: ’90, 2296 b. ’91, 4096 c. ’92, 1526 e.
Am 22. Mai in Danzig, 72 J. alt, der Direktor des Realgymn. zu St. Johann daselbst Dr. E. Panten. Ein Gutachten von ihm über den Unterr. in der Gesch. auf den höheren Lehranstalten etc. erwähnten wir Bibliogr, ’91, 2014.
Am 5. Juni in Augsburg, 69 J. alt, der Musikhistoriker Dr. H. M. Schletterer. Seine Forschungen bezogen sich besds. auf die G. der kirchlichen Dichtung und geistl. Musik, deren Entwicklung er in einer „übersichtl. Darstellung“ (1866) und dann in einer grösseren „Geschichte“ behandelte, von der nur 1 Bd. bis Anf. 11. Jh. erschienen ist (1869). Ausserdem sind noch zu nennen ein Buch über d. Dt. Singspiel (1863), eine Biogr. Joh. Fr. Reichardts (1865), eine Schrift über Entstehung d. Oper (1873), Studien zur G. d. Französ. Musik (1884). Die ADB verliert in ihm einen eifrigen Mitarbeiter.
Am 10. Juni in München, 48 J. alt, Prof. Dr. Rudolf Schöll, der an der dortigen Univ. seit 1885 als Bursian’s Nachfolger zugleich class. Philologie und alte Geschichte vertrat. Seine Studien gehörten meist dem Grenzgebiet beider Wissenschaften an; viele behandelten Fragen der Staatsalterthümer oder, besser gesagt, der Rechts- und Verfassungsentwicklung, und zwar sowohl aus der Römischen wie aus der Griechischen Geschichte. Seine ersten Arbeiten galten den Zwölftafelgesetzen (1865 u. 1866), später beschäftigte er sich vielfach mit dem Griechischen, besonders Athenischen Rechts- und Verfassungsleben, zu dessen besten Kennern er anerkanntermassen gehörte. (Verschiedene Abhandlungen s. in den SB d. Münch. Ak.). Von den rein philolog. Arbeiten sehen wir ab; nur seines Antheils an der Ausgabe des Corpus juris (Novellae 80–134) sei noch gedacht. Von der feingebildeten wissenschaftlichen Persönlichkeit Schöll’s gibt weiteren Kreisen vielleicht am leichtesten ein Bild sein schöner Festvortrag über die Anfänge der polit. Literatur bei den Griechen (München 1890).
Am 16. Mai in Berlin, 51 J. alt, Geh.-R. Prof. Dr. Konr. Schottmüller, bis 1888 Lehrer an der Cadettenanstalt Gr.-Lichterfelde, dann 2 ½ Jahre lang Secretär des neu errichteten Preussischen Historischen Instituts in Rom, dessen Gründung man z. Th. seiner Anregung verdankt; endlich seit dem Herbst 1890 zuerst Hilfsarbeiter, dann vortragender Rath im Cultusministerium. In Göttingen hatte er an den Waitz’schen Uebungen theilgenommen und 1868 mit einer Abhandlung über die Entstehung des Stammesherzogthums Baiern promovirt. Nach einigen kleineren Schriften war dann seine am meisten hervortretende literar. Leistung eine G. des Untergangs des Templerordens, ein Werk, das auf umfangreichen Quellenstudien ruhte und erhebliche Verdienste um die Klärung der Schuldfrage hat. Bei der Kritik hat es getheilte Aufnahme gefunden. Von den Einen ist es ausserordentlich gelobt, von den Andern ziemlich scharf mitgenommen. Die Gabe der Phantasie, gepaart mit regem Unternehmungsgeist, war jedenfalls in Sch. stärker entwickelt als die Neigung zu nüchterner Kritik. Das schädigte seine Thätigkeit auf der einen Seite, gereichte ihr aber auch [368] wieder zum Vortheil. Sch., der alte Beziehungen zum Herrscherhaus besass, war bekanntlich in den letzten Jahren auch für Angelegenheiten von öffentlichem u. wissenschaftlichem Interesse nicht ohne Einfluss beim Kaiser.
Am 3. Juni in Magdeburg, 91 J. alt, Geh. Reg.-Rath Dr. Albert Schulz, einst unter dem Schriftstellernamen San Marte als populärer Schriftsteller eifrig thätig auf dem Gebiete d. German. und auch Poln. Sagenforschung.
Am 2. Juli in Hermannstadt, 75 J. alt, der Bischof der Siebenbürg. evang. Landeskirche Dr. G. D. Teutsch, der sich um geschichtliche Forschung unter den Siebenbürger Sachsen hoch verdient gemacht hat. Von seinen Arbeiten seien genannt: Abriss der G. Siebenbürgens (1844, 2. Aufl. 1865); G. des Schässburger Gymn. (1852); G. der Siebenb. Sachsen (Kronstadt 1852–58; 2. Aufl. Lpz. 1874); Urkk.-Buch zur G. Siebenbürgens (1857); Das Zehntrecht der evang. Landeskirche in Siebenbürgen (1858); Urkk.-Buch der evang. Landeskirche in Siebenbürgen (2 Theile. Kronstadt 1862 u. 1883). Ausserdem hat er noch viele kleinere Artikel, besonders im A. f. Siebenb. G. u. Landeskde. und in der ADB, veröffentlicht.
Am 27. Juni in Giessen[WS 3], 81 J. alt, Geh.-Rath Prof. Dr. F. W. Herm. Wasserschleben, früher Univ.-Prof., dann bis 1883 Kanzler der Univ. Giessen. Seine Arbeiten gehören z. Th. der G. d. Kirchenrechts, z. Th. d. Dt. Rechts-G. an. So seine Editionen: die Ausgabe d. Schrift des Regino v. Prüm De synodalibus causis (1840), die Sammlung Deutscher Rechtsquellen, besonders Rechtsaufzeichnungen d. späteren MA., deren 1. Bande (1860) er erst nach einem Menschenalter vor kurzem den 2. Band folgen liess (s. Bibliogr. ’92, 1514), und die Irische Kanonensammlung (1874, 2. Aufl. 1885). Von Untersuchungen sind einige Schriften über die Erbfolge nach Dt. Recht (1860, 1864 u. 1870) hervorzuheben.
Am 30. April in Göttingen, 71 J. alt, Prof. hon. Dr. Th. Wüstenfeld, bekannt als Kenner der mittelalterl. Geschichte Italiens und als Besitzer einer vor Jahren zusammengebrachten grossen Sammlung von Abschriften u. Regesten aus Ital. Archiven, aus der er gelegentlich fremde Arbeiten unterstützt hat. Dieselbe befindet sich jetzt auf d. Göttinger Univ.-Bibl. Seine eigenen Publicationen beschränken sich auf eine Dissertation über älteste Venez. G. (1846), einen Aufsatz über die Hzge. von Spoleto in den Forschgn. z. Dt. G. (1863) u. kleinere Beiträge zu den GGA und zu Pflugk-Harttung’s Iter Italicum.
Dänemark. Am 9. Mai in Kopenhagen, 90 J. alt, der Dänische Historiograph u. ehemalige Geh. Archivar K. Fr. Wegener. Seine Publicationen zur Dänischen Geschichte, besds. im 15. u. 16. Jh. (mehrere Monographien, vornehmlich biographischen Charakters, und ein Diplomatarium Christian’s I.) sind in den 1840–50er Jahren erschienen, 7 Bände Jahresberichte des Staatsarchivs von 1852–1883. Mit einigen deutsch geschriebenen Schriften griff er 1848–52 in die Erörterung der Schleswig-Holsteinischen Frage ein. Waitz hat sich damals mit ihm (in den GGA 1850) auseinandergesetzt. Vgl. den Nekrolog RH ’52, 464.
England. Am 21. April in Rom, 53 J. alt, der Englische Kunsthistoriker John Addington Symonds. Er schrieb u. a. ein 7bändiges [369] Werk über die Renaissance in Italien (1875–86). Nekrologe: Ath. Nr. 3417; Ac. Nr. 1095; Polyb. 67, 464. – Am 8. April in Bristol, der Stadtbibliothekar John Taylor, Begründer der archäolog. Gesellsch. für Bristol und Gloucester[WS 4] und Verf. mehrerer Arbeiten zur Local-G. von Bristol und Umgebung. Vgl. DZG VII, E192.
Frankreich. Am 24. April in Paris, 33 J. alt, der Hilfsarbeiter bei der Ac. des sciences mor. et polit. Michel Perret. In den Lit.-Berichten und in der Bibliogr. dieser Zeitschrift ist seiner öfter gedacht. Eine biogr. Arbeit aus der Zeit Ludwigs XI. wurde Bd. 3, p. 158 gerühmt, eine kleinere Publication aus Ital. Archiven zur G. Franz’ I. s. Bibliogr. ’89, 573; 2261. Ueber Französ.-Venet. Beziehungen im 15. Jh. hat er eine Reihe von Artikeln geringen Umfangs, meist in der BECh veröffentlicht.
Italien. Am 23. Mai in Mantua, 57 J. alt, der Direktor des Staats-A. daselbst und frühere Priv.-Doc. an der Univ. Rom Ant. Bertolotti. Er gab mit F. Gori zusammen das A. storico archeologico heraus und hat sich in zahlreichen Schriften besds. mit Ital. Künstlergeschichte, auch mit Local-G. beschäftigt. Vgl. den Nekrolog in der R. stor. ital. 10, 383. – Im Mai in Pavia, 50 J. alt, Iginio Gentile, seit 1879 Prof. für alte G. an dortiger Univ. Seine Abhandlungen zur Röm. G. beschäftigen sich besds. mit dem Jh. von etwa 60 vor bis 40 nach Chr. Vgl. den Nekrolog in R. storica ital. 10, 383. – Am 11. April in Rom, 60 J. alt, der Bibliothekar der Alessandrina Enrico Narducci, langjähriger Redacteur des Buonarotti. Eine Bibliographie seiner Arbeiten (Catalogo dei lavori di E. N.) hat der Fürst Boncompagni drucken lassen.
Nekrologe (soweit nicht sogleich bei der Todesnachricht erwähnt). A. Breusing: C. Schilling, A. Br., ein Lebensbild. Bremen, Silomon. 19 p.; W. Wolkenhauer in Ausland 65, 721–23. – A. Du Casse: G. Monod in RH 52, 124. – A. O. v. Essenwein: H. Bösch in AnzGermNatMus ’92, 69–76. – A. Flegler: HPBll 111, 873–5. – Ad. Franck: Polyb. 67, 458. – F. Gregorovius: K. Th. Heigel in JBClassAlthWiss 74 (Biogr. Jb. 15), 106–13. Vgl. auch die Recensionen von G.’s Röm. Tagebüchern in Bibliogr. ’93, 1492.
Th. Ackermann, München. Kat. 347: Gesch. d. Musik. 862 Nrr.
Antiquariat f. Literatur u. Kunst, Karlsruhe. Nr. 3: Americana. 221 Nrr.
Auer, Donauwörth. Kat. 125 u. 128: Theologie, darunter 1427 Nrr. Histor.Theol. – 129: Bavarica. 422 Nrr.
J. Baer, Frankfurt a. M. Kat. 305: Allg. Sprachwissenschaft, Dt. Gramm. u. Lexikographie. 837 Nrr. – 311: German. Sprachdenkmäler. 1231 Nrr. – 312: Dt. Lit. 1500–1750. 2093 Nrr. (305. 311. 312: Bibl. W. Lexer Abth. 1–3.) – 315: Bibliogr., Bibliothekswesen, Buchdruck, Miniaturen etc. 1653 Nrr. – Antiquar. Anz. 427: Werke üb. Africa in alter u. neuer Zeit. 357 Nrr. – 428 u. 429: Miscellanea. 274; 280 Nrr.
L. Bamberg, Greifswald. Kat. 101: Dt. Sprache u. Lit.; Kunst-G. 1521 Nrr.
C.H. Beck, Nördlingen. Kat. 210: Kunst u. Architektur, Kunstgewerbe, Archäologie etc. 1683 Nrr. – 211: Allgem. Welt-G. mit ihren Hilfswissenschaften. 1230 Nrr.
[370] A. Bock, Rudolstadt. Kat. 6: Numismatik, Heraldik, Genealogie, Sphragistik etc. 1514 Nrr.
F. A. Brockhaus, Leipzig. Kat. 130: Geschichte u. Hilfswissenschaften. 5157 Nrr.
Friedr. Cohen, Bonn. Kat. 80: Auswahl hervorragender Werke, darunter 347 Nrr. G.
G. Fritzsche, Hamburg. Kat. 22: Auswahl werthvoller Werke, darunter 155 Nrr. G.
A. Geering, Basel. Kat. 235: Bibliotheca geographica IV: Die Staaten Europas. I. 2244 Nrr.
O. Harrassowitz, Leipzig. Kat. 190: Literär-G. des MA.; Renaissance u. Humanismus (z. Th. aus d. Bibl. G. Voigt). 747 Nrr.
R. Heinrich, Berlin. Kat. 36: Auswahl werthvoller und grösserer Werke aus allen Wissenschaften. 2508 Nrr.
U. Höpli, Milano. Cat. 87: Archéologie, mythologie, inscriptions. 2041 Nrr. – 88: Numismatique. 391 Nrr.
Jacobsohn, Breslau. Kat. 117: Kathol. Theol., Philos., Gesch., Belletristik. 46 p.
Jürgensen & B., Hamburg, Hamburgensien. 1115 Nrr.
S. Kende, Wien. Wiener antiquar. Büchermarkt Nr. 3: Histor. Blätter, Urkunden etc. 826 Nrr.
Kirchoff & Wigand, Leipzig. Kat. 918: Staatswissenschaften. 1379 Nr.
Wilh. Köbner, Breslau. Kat. 218: Geschichte und Hilfswissenschaften. 3172 Nrr.
A. Lehmann, Frankfurt a. M. Kat. 84: Dt. Lit. u. Lit.-G. 2442 Nrr.
P. Lehmann, Berlin. Kat. 76: Staatsrecht und Nationalökonomie. 3119 Nrr.
Liepmannssohn, Berlin. Kat. 100: Werke zur G. u. Theorie der Musik. 1877 Nrr.
List & Francke, Leipzig. Kat. 246: Geogr., Topographie, Reisen. 2088 Nrr.
Lübcke & Hartmann, Lübeck. Kat. 8: Lübeck, die Hansa, Hamburg, Bremen. 1040 Nrr. u. 10: Rechts- und Staatswissenschaft, Volkswirthschaft etc. 1367 Nrr.
P. Neubner, Köln. Kat. 46: Gesch. u. Lit. der Reformationszeit. 1600 Nrr. – 48: Gesch. u. Ethnogr. Amerikas. Americana. 1100 Nrr. – Mitthlgn. Nr. 13–16: Vermischtes. 1234 Nrr.
M. Nijhoff, Haag. Cat. 239: Genealogie, Heraldik etc. 1032 Nrr.
L. S. Olschki, Venedig. Cat. 29: Letteratura Dantesca. 438 Nrr. – Bull. mensuel 8 u. 9: 248; 169 Nrr.
Otto, Erfurt. Verz. 476: Gesch. 1146 Nrr. – 477: Erdbeschreibung, Reisen, Atlanten u. Karten. 991 Nrr.
R. L. Prager, Berlin. Kat. 126: Recht- u. Staatswissenschaften. IV: Kirchen-R., Staats- u. Völker-R., Straf- R. u. Strafprocess. 3348 Nrr.
Rosenstein, Berlin, Kat. 11: Numismatik, Heraldik, Kunst. 393 Nrr.
L. Rosenthal, München. Kat. 86: Bibliotheca u. Iconographia Mariana. 2131 Nrr. – 89: Bibliotheca Catholico-Theologica. XVIII. 1782 Nrr.
R. Siebert, Berlin. Kat. 221: Staats- und Volkswirthschaft. 1664 Nrr.
M. Spirgatis, Leipzig. Kat. 15: Das Heilige Land, Byzanz, Türkei und Neugriechenland. 854 Nrr.
J. A. Stargardt, Berlin. Kat. 187: Autographen u. Urkunden. 364 Nrr. – Verzeichniss einer Schloss-Bibliothek. Literatur des 15.–18. Jh. 844 Nrr.
Trübner, Strassburg. Kat. 57: Sprache u. Lit. der German. Völker.
K. Th. Völcker, Frankfurt a. M. Kat. 192: Gesch. von Dtld. u. Oesterr.-Ungarn: (Z. Th. Bibl. d. Al. Hegler u. K. E. H. Krause.) 2215 Nrr. – Anz. 34: Verschiedenes. 779 Nrr.
W. Weber, Berlin. Verz. 168: Staatswissenschaft, Nationalökonomie, Statistik. 55 p.
M. Weg, Leipzig. Kat. 27: Bibliogr. u. Lit.-G. 1853 Nrr.
Ad. Weigel, Leipzig. Kat. 10: Werke zur Cultur- u. Sitten-G. Geheime Wissenschaften. 1881 Nrr. – 11: Sprachwissenschaft. 439 Nrr. – 12: Volksthüml. Lit. 739 Nrr.
J. Windprecht, Augsburg. Bücher-Anz. 477: Griech. u. Röm. Classiker; Färberei, Druckerei etc. 209 Nrr. – 478: Austriaca etc. 205 Nrr. – 479: Varia. 405 Nrr.
Zipperers Antiquariat M. Thoma, München. Anz. Nr. 895 u. 896: Geschichte, Biogr., Heraldik, Numismatik etc. III u. IV. 466; 465 Nrr.