RE:Χειριδωτὸς χιτών
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Gewand mit Ärmeln | |||
Band III,2 (1899) S. 2206–2217 | |||
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Χειριδωτὸς χιτών, Gewand mit Ärmeln; vgl. χειρίς von dem χ. abgeleitet ist. Über die verschiedenen besonderen Formen dieses Gewandes erfahren wir aus den litterarischen Zeugnissen nur, dass es entweder bis zum Knie reichte (Strab. XV 734. Heliodor. IX 15. Philostrat. mai. imag. 334, 4 K.) oder bis zu den Füssen (Herodian. V 3, 6. 5, 10). Selbstverständlich ist, dass ein derartiger Chiton κατὰ τοὺς ὤμους ἐναπτόμενος (Poll. VII 58) und ἀμφιμάσχαλος (Moiris 64) war. Auf einem Irrtum muss die Notiz bei Hesychios beruhen: ἄλλιξ · χιτὼν χειριδωτὸς παρὰ Εὐφορίωνι; ἄλλιξ ist ein thessalischer Ausdruck für Chlamys (Stephani Compte rendu 1875, 106 Anm.). Ein Ärmelgewand ist der national-griechischen Tracht fremd. Keine der Hauptformen hellenischer Frauen- und Männerkleidung hat Ärmel. Der ionische Frauenchiton wird häufig incorrect Ärmelchiton genannt, weil er den Arm zum Teil bedeckt; dies geschieht aber nicht durch einen besonders zugeschnittenen und genähten, der Form des Armes sich anpassenden Ärmel (s. unter Chiton). Auch bei Homer wird nie ein Ärmelgewand erwähnt; vielmehr scheint das häufige Beiwort der Frauen λευκώλενος der Verwendung von Ärmeln, wenigstens in weiblicher Tracht, zu widersprechen. Desto auffallender ist es, dass uns auf einem mykenischen Denkmal deutlich eine Frau mit χ. χ. begegnet, und zwar auf der bekannten Kriegervase (Furtwängler und Löschcke Myken. Vasen p. 61 Taf. XLII / XLIII; über die Ärmel der Krieger s. unter Χειρίς). Die Darstellungsfähigkeit des mykenischen Vasenmalers ist zu gering, um uns eine genaue Vorstellung von der Form und Ausstattung des Kleides im einzelnen zu geben; doch kann daran nicht gezweifelt werden, dass er ein Gewand mit enganschliessenden Ärmeln hat darstellen wollen. Auf dem Oberarm dicht an der Schulter ist ein heller Flecken; es ist unklar, ob er eine Decoration andeuten soll, oder ob gemeint ist, dass der Ärmel nicht in voller Rundung mit dem Rock verbunden sei (vgl. unter Χειρίς eine derartige Tracht auf zwei späten Monumenten). Auf einigen archaischen Bildwerken sind enge Ärmel angegeben, die den Oberarm ganz oder teilweise bedecken; so bei der ποτνία θηρῶν auf dem Bronzerelief aus Olympia (Bronzen Taf. XXXVIII), bei einer Darstellung derselben Göttin auf einem Elfenbeinrelief aus Nimrud (Roscher Myth. Lex. II 1753) und bei einer Mainade auf einer Vase aus dem aiolischen Kyme (Röm. Mitt. III Taf. VI). Zu beachten ist, dass alle drei Monumente aus dem ostgriechischen Kulturkreise stammen. Ähnliche Halbärmel sehen wir bei Männern in langen Chitonen auf korinthischen Thonpinakes angegeben (Ant. Denkm. II 24 nr. 2. 3. 8. 10. 21. Arch. Jahrb. XII 13. 17). Im griechischen Osten ist endlich das einzige archaisch-griechische Kunstwerk entstanden, das eine griechische Göttin mit reich verzierten Langärmeln darstellt; das Fragment einer archaischen Aphroditestatue aus der Zeit der ,Tanten von der Akropolis‘, gefunden in Marseille, jetzt im Museum von Lyon (Bazin L’Aphrodite Marseillaise, Paris 1886; er hebt mit Recht die stilistische Verwandtschaft des Stückes mit den Werken der archaïschen Kunst von [2207] Kypros, Milet und Samos hervor). Bei den weiblichen Figuren des sog. Harpyen-Denkmales (Brunn-Bruckmann Denkm. 146/147) kann man zweifeln, ob sie Chitone mit weiten Ärmeln oder die gewöhnlichen ionischen Chitone tragen.
Während diese wenigen charakteristischen Ausnahmen nur die Regel bestätigen, dass die Ärmel den Griechen ursprünglich fremd waren, finden wir sie nachweislich bei fast allen Barbarenvölkern. Bei den Juden trugen sie die Jungfrauen (Joseph. ant. Iud. VII 171). Auf den altchristlichen Sarkophagen werden die Juden z. B. in den Scenen der Gesetzesverlesung und Bedrängung Mosis nicht nur durch die eigenartigen Barette, sondern auch durch Ärmelgewänder ausgezeichnet (vgl. Kraus Real-Encyklopädie der christl. Altertümer, s. Juden). Wegen der Phönikier s. Herodian. V 5, 10. Zur allgemeinen Tracht gehörten sie bei den Persern; s. Herodot. VII 61. Xenoph. Cyrop. VIII 3, 13. 8, 17; hell. II 1, 8. Heliod. IX 15. Strab. XV 734. Poll. VII 58, wo wir auch κάνδυς und κάπυρις als besondere Namen persischer Ärmelchitone erfahren. Eine genaue Vorstellung können wir uns nur von dem κάνδυς machen. Nach Photios war er ein ἔφαμμα (Überkleid; zu der Erklärung τοῖς ναυτικοῖς στεγάστροις ἐοικός vgl. Herodot. I 194); von Hesych erfahren wir, dass ihn die Soldaten auf den Schultern befestigten (ἐμπορποῦνται). Bei Lucian (dial. mort. XIV 4) wirft Philipp dem Alexander vor, er habe die makedonische Chlamys mit dem persischen κάνδυς vertauscht. Dieser muss also einen ähnlichen Zweck wie die Chlamys gehabt haben. Nach Pollux war der κάνδυς, den König und Hofleute trugen, purpurn gefärbt, also aus Zeug, doch gab es auch solche aus Leder. All das passt nur auf ein Kleidungsstück, das wir häufig auf Darstellungen von Persern bemerken (z. B. auf dem sogen. Alexandersarkophag; Hamdi Bey et Th. Reinach Une necrop. roy. à Sidon Pl. XXVff.), ein Oberkleid in Form einer Jacke mit Ärmeln, das nur auf den Schultern befestigt ist und deshalb bei heftiger Bewegung im Winde flattert. Über die Ärmel des κάνδυς (κόραι) s. unter Χειρίς. Wenn man sich dem Könige näherte, musste man die Hände durch die κόραι stecken, also den κάνδυς anziehen (Xen. hell. II 1, 8; Cyrop. VIII 3, 10). Der κάνδυς des Königs war nach Pollux ἁλιπόρφυρος, der der andern πορφυροῦς (vgl. Xenoph. Cyrop. I 3, 2. VIII 3, 13. Böttiger Amalthea I 171. O. Müller Handbuch der Arch. § 246, 5). In der griechischen Kunst wurde der κάνδυς dann zu einem Charakteristikum barbarischer Tracht, z. B. bei Medea auf dem Relief im Lateran (Benndorf und Schoene Bildw. d. Lateran nr. 92), bei Anchises (Millingen Mon. ined. II 12. Baumeister Denkmäler Abb. 84) und bei Amazonen auf dem Wiener Sarkophag (R. v. Schneider Album auserl. Gegenst. der Antikens. Wien Taf. IX; über die Herkunft des Sarkophags aus Soloi auf Cypern vgl. Smirnoff Arch.-epigr. Mitt. aus Öst. 1896, 142). Dass im 4. Jhdt. der κάνδυς auch in Griechenland wenigstens als Luxusgewand bekannt war und zwar schon vor den Zügen Alexanders, bezeugen die Kleiderinventare der brauronischen Artemis; fünf Weihungen eines κάνδυς sind darin verzeichnet (CIA II 754, 19 = 755, 11. 758 B Col. II 5 = 759 Col. II 1. 758 B Col. [2208] II 27 = 759 Col. II 20. 758 B Col. II 29. 44). Der erste und letzte wird näher beschrieben als ποικίλος, der letzte ferner als λινοῦς und βατραχειοῦς, der zweite mit πασμάτια ἔχων χρυσᾶ. Auch scheint mit einer Ärmeljacke, die wir ganz selten auf griechischen Monumenten sehen, nichts anderes als der persische κάνδυς gemeint zu sein, wenn auch die Ärmel nur bis zur Handwurzel reichen, so an einer Terrakotte (Arch. Anz. 1893, 147 Fig. 30), auf einem Grabstein (Conze Att. Grabrel. CLVI 819) und zwei Vasen (Catalogue of Vases in Br. Mus. III F 90 Pl. 11 und De la Borde Vases grecs de M. le comte de Lamberg I Pl. LVI), auf denen je eine Mainade mit solch einer Jacke dargestellt ist. Über den Einfluss der Züge Alexanders auf das allgemeinere Bekanntwerden persischer Kleidung in griechischen Kreisen s. nachher.
Da wir neben dem κάνδυς auf den Abbildungen die Perser noch mit einem bis zu den Knieen reichenden Ärmelchiton bekleidet sehen, so liegt es nahe, auf diesen den zweiten von Pollux überlieferten Namen κάπυρις anzuwenden; doch bleibt dies hypothetisch, da wir in keiner anderen Quelle etwas über κάπυρις erfahren. Als für persische Tracht charakteristisch sind auch die Darstellungen des Mithras zu beachten (Cumont Textes et Monuments rel. aux myst. de Mithra).
Die Parther, Araber und Adiabener (Assyrien) sehen wir auf den Reliefs des Bogens des Septimius Severus in Ärmelgewändern dargestellt (Rossini Gli archi trionfali 55ff.).
Dass die Skythen Ärmel trugen, lehren uns ihre Darstellungen: Compte rendu 1861 Taf. VI 11. 1864 Taf. III. Antiquités du Bosph. cimm. (S. Reinach Bibl. des mon. fig. III) Taf. XX. XXXII. XXXIII u. p. 137. Bull. hell. 1888 Pl. I (Relief aus Mantinea). Aus Pollux VII 70 erfahren wir Namen und Stoff ihres Ärmelgewandes; es hiess συσείρα und war aus Fellen gearbeitet. Die Darstellungen zeigen uns, dass sie eine Art Überrock war, ähnlich dem κάνδυς; doch wurde sie immer angezogen und gegürtet getragen.
Über die Dacier und die übrigen Barbaren der Donauländer belehren uns Monumente, wie die Bildsäulen gefangener Dacier auf dem Traiansforum, die Reliefs der Säule daselbst (Cichorius Die Reliefs der Traianssäule) und das Monument von Adamklissi (Tocilesco D. Mon. v. Adamklissi). Über die Thraker und Makedonier s. nachher.
Auch bei den Barbaren der Marc-Aurelsäule (Petersen, Domaszewski und Calderini Die Marcussäule auf Piazza Colonna in Rom, Textband p. 47) herrscht die Ärmeltracht vor; wir finden sie auch bei den germanischen Frauen, trotzdem dies der Überlieferung des Tacitus (Germ. 17) widerspricht.
Über die Gallier s. Strab. IV 196; vgl. S. Reinach Les Gaulois dans l’art antique, Revue arch. 1889 I 337 (die Kinder auf dem Sarkophag von Amendola ebd. 1888 II Taf. XXΙΙ/XXΙΙΙ); Göttergestalten mit gallischer Kleidung bei S. Reinach Bronzes figurés de la Gaule romaine 137ff. Vgl. auch Plut. Otho 6.
Ausnahmen bilden in dieser Beziehung unter den Barbaren die Thraker. Sie werden häufig [2209] und charakteristisch dargestellt, aber immer ohne Ärmel (s. Litteratur und Monumente bei Furtwängler 50. Berl. Winckelm.-Progr. 158ff.; vgl. Compte rendu 1875, 95). Wenn Orpheus und Thamyris trotzdem bisweilen im orientalischen Ärmelgewande erscheinen, so sollen sie dadurch entweder als Kitharoeden bezeichnet werden, wie Orpheus in der Unterwelt (Wien. Vorlegebl. S. E), oder es ist auf sie fälschlich das allgemein barbarische Costüm übertragen (Röm. Mitt. 1888 Tf. IX). Aus dem letzteren Grunde trägt auch Boreas an einer figurierten Vase aus Tanagra (Athen. Mitt. 1882 Tf. XII) und, ebenso wie Skiron, an dem Turm der Winde (Brunn-Bruckmann Denkm. 30. Baumeister Denkmäler Abb. 2370) Ärmel. Die thrakische Göttin Bendis (P. Hartwig Bendis, Leipzig-Berlin 1897) ist auf verschiedenen griechischen Denkmälern dargestellt, aber nur zweimal sehen wir sie mit langen Ärmeln: auf einem griechischen Votivrelief (Hartwig Taf. II) und in einer Statuette aus Cypern (ebd. Fig. 4). Hätten die Ärmel zur thrakischen Tracht gehört, so würde man die Göttin in allen Fällen nicht ohne sie dargestellt haben. Ebensowenig haben augenscheinlich die Makedonier Ärmel getragen (vgl. Heuzey et Daumet Mission archéol. de Macédoine). Auch hätte die weiter unten zu behandelnde Überlieferung von Alexanders d. Gr. Trachtenwechsel keinen Sinn, wenn er von Hause aus den χ. χ. getragen hätte. Über die Tracht der Thessaler erfahren wir, sie wäre besonders reichlich gewesen, verwandt der der Barbaren, aber von Ärmeln ist nirgends die Rede (Strab. XI 530. Athen. XII 527 b. XIV 663 a. Monumente: Athen. Mitt. XII 73. XV 199 Taf. IV–VII).
Bekanntlich wurde in der Kunst nun die Ärmeltracht, speciell die der Orientalen, auch auf mythische Völker übertragen, die die Sage zu Nachbarn jener Barbaren machte. Genannt sind oben schon die Amazonen (vgl. o. Bd. I S. 1777ff. Daremberg-Saglio Dictionn. des ant. I 221ff.; charakteristisch ist, dass sich die Tracht bisher bei keiner statuarischen Darstellung der Amazonen und auf Reliefs nur ganz selten gefunden hat); dann Arimaspen (s. o. Bd. II S. 827) und Aithiopen (s. o. Bd. I S. 1102). Ebenso werden natürlich auch einzelne mythische Personen, die aus barbarischen Ländern stammen, wie Medea mit ihrer Familie (s. Seeliger in Roschers Myth. Lex. II 2500ff.) durch die Ärmeltracht charakterisiert (s. weiteres darüber unten).
Barbarentracht ist es auch, wenn wir Paedagogen und Dienerinnen in Scenen des Mythus oder der Wirklichkeit mit Ärmelchitonen dargestellt sehen. Beide werden dadurch als dem Sclavenstande angehörig charakterisiert. Das bekannteste Beispiel für den Paedagogen ist die betreffende Figur in der Niobidengruppe (Amelung Führer d. d. Ant. in Florenz nr. 183). Sonstige Beispiele auf Vasenbildern: Wiener Vorlegebl. Ser. I Taf. XII (Medea). Arch. Ztg. 1883 Taf. 6 (Hippolytos). Gerhard Trinksch. u. Gef. II Taf. XXII (Ganymed?); auf einer praenestinischen Ciste, Mon. d. Inst. VIII Taf. XXX (Chrysippos) und einem Wandgemälde, Helbig Camp. Wandg. 1151 (Dirke). Vgl. ferner die Zusammenstellungen von Stephani Compte rendu 1863, 177ff. Jahn Münch. Vasensamml. Einl. CCXXVII; Europa 3; [2210] dagegen Stephani a. a. O. 175, dem darin unbedingt Recht zu geben ist, dass die typische Kostümierung der Paedagogen nicht von der Bühne hergenommen zu sein braucht. Dienerinnen mit Ärmelchitonen sehen wir vor allen Dingen auf einer langen Reihe griechischer Grabreliefs: Conze Attische Grabrel. 66 XXVIII. 71 XXXIII. 78/79 XXXVI. 284 LXVI. 289 LXVII. 304 LXXII. 306 LXXIII. 337 LXXXV. 410 XCVII. 882 CLXXI. Ann. d. Inst. 1829 t. G. Arch. Ztg. 1871 Taf. 53. Dieselbe Kleidung sehen wir an den Statuen trauernder Dienerinnen in Berlin (Beschreibung d. ant. Sk. 498f.). Den Grabreliefs entsprechen inhaltlich einige Vasenbilder, wo wir auch Dienerinnen in dieser Kleidung sehen (Dumont et Chaplain Les céram. de la Grèce propre I 38f. Compte rendu 1861 Tf. I. Inghirami Pitture di vasi fittili II 192) und ein Wandbild (Zahn Pompei III 15 = Helbig Camp. Wandg. 1435). Bei einigen Vasenbildern kann man zweifeln, ob Dienerinnen oder Herrinnen in der betreffenden Tracht gemeint sind; Revue arch. 1849 Pl. 129, 2. Compte rendu 1860 Tf. I. Benndorf Griech. u. sicil. Vasenb. XLV. Zweifeln kann man, da es andern Monumenten und Zeugnissen zufolge sicher ist, dass der χ. χ. seit dem 5. Jhdt. auch in Griechenland bekannt war und im Privatleben, wenn auch selten, getragen wurde. Bei Frauen finden wir ihn auf folgenden Darstellungen: Dumont et Chaplain Les céram. de la Gr. pr. I 25f. (die Verstorbene am Grabe; Lekythos). Millin Peintures de vas. ant. I 11 (Abschiedsscene). 38 (Hetaere). II 42 (Flötenspielerin). Compte rendu 1881 Tf. III 1 (Toilettenscene). Mon. d. Inst. XII Tf. XXII 4 (Mädchen mit Harfe auf einem weissgrund. Bild des farnesinischen Hauses). Ferner ist hier die Figur der jüngeren Niobide in Florenz zu nennen (Amelung Führ. d. d. Ant. in Florenz nr. 184; die variierte Wiederholung im Museo Chiaramonti trägt den ärmellosen ionischen Chiton; es ist auch deshalb wahrscheinlich, dass die Florentiner Figur das Original genauer wiedergiebt; der Künstler der Niobidengruppe hat viel Mühe darauf verwandt, in Äusserlichkeiten Abwechslung zu schaffen). Endlich findet sich ein Ärmelchiton bei einer weiblichen Figur auf dem kleineren pergamenischen Fries, deren Bedeutung unbestimmt ist (Robert Arch. Jahrb. III 96). Der Fries wird uns noch weiter unten beschäftigen. Als Document für die Verwendung des χ. χ. in der Frauentoilette dient uns der schon citierte Catalogus vestium in Brauronio dedicatarum, CIA II 751ff. Darin sind fünf Weihungen von Ärmelchitonen verzeichnet, 754, 1. 758 B Col. II 7 = 759 Col. II 2 (χειρῖδας ἔχων = χειριδωτός). 758 B Col. II 21. 759 Col. II 15. 763 Col. I 10. Die Beiworte bezeugen uns, dass wir es hier durchweg mit Prachtgewändern zu thun haben: κατάστικτος, ξυστίδωτος, περιποίκιλος, περιήγητος.
Bei Männern sehen wir den Ärmelchiton zuerst am Parthenonfries, und zwar bei einigen Reitern des Zuges, bei denen man ja auch sonstige einzelne Bestandteile barbarischer Kleidung beobachtet: Michaelis Parthenon Taf. 13, XXXI 97. XXXII 99. XXXV 108. XXXIX 121 u. 122. XLII 133 (zu beachten ist, dass sich alle diese Beispiele an einer Stelle, und zwar in dem westlichen [2211] Teil des Nordfrieses finden). Wir sehen dieselbe Tracht an Hellenen erst wieder auf zwei Monumenten, die um ein volles Jahrhundert jünger sind als der Parthenonfries: auf dem vorauszusetzenden malerischen Vorbilde des Alexandermosaiks in Neapel (Overbeck Pompei 613ff. Baumeister Denkm. Taf. XXI) und dem sog. Alexandersarkophag in Constantinopel (Hamdy Bey et Th. Reinach a. a. O.). Auf dem Mosaik trägt Alexander unter dem Panzer einen Ärmelchiton, in der Schlachtdarstellung des Sarkophags trägt er und der jugendliche Reiter in der Mitte einen solchen ohne Panzer; der alte Reiter rechts trägt den Panzer darüber; in der Jagddarstellung hat ihn der griechische Teilnehmer zu Pferde (Alexander?). Die übrigen Griechen hier und in den andern Darstellungen des Sarkophages sind nackt oder in der üblichen griechischen Weise gerüstet. Wir sahen ausserdem oben, dass der Ärmel den Makedoniern augenscheinlich ursprünglich ebenso fremd war, wie den mit Barbaren nicht vermischten Griechen. Die beiden Monumente illustrieren indessen das in der schriftlichen Überlieferung mehrfach hervorgehobene Aufnehmen persischer Tracht im Heere und speciell im Freundeskreise Alexanders. Charakteristisch ist die bei Plutarch Alex. 31 erzählte Geschichte; ein ἀκόλουθος erhält als Belohnung δώδεκα κώμας καὶ στολῇ Περσικῇ χρῆσθαι. Alexander selbst soll nach Plut. a. a. Ο. 45 (vgl. Arrian. anab. IV 7, 3–5. 9, 9. VII 6, 2. 8, 2. Diod. XVII 77) allerdings erst nach dem Tode des Dareios persische Kleidung angelegt haben, während das Mosaik und die Hauptseite des Sarkophages ein Ereignis darstellen, das jener Entscheidung vorausliegt. Indes stimmt auch das, was die Überlieferung von den Teilen persischer Kleidung berichtet, die Alexander angenommen habe, überein mit den Darstellungen der Monumente. Plutarch Alex. 45 sagt ausdrücklich, Alexander habe weder ἀναξυρίδας, noch den κάνδυς, noch die τιάρα getragen (dagegen besagt die Notiz bei Lucian. dial. mort. XIV 4 in Betreff des κάνδυς nichts), und in der That sind das gerade die Teile, durch deren Fehlen sich die Kleidung der Griechen auf Mosaik und Sarkophag allein von der der Perser unterscheidet. Auch ist es sicher nicht zufällig, dass gerade von Hephaistion (Plut. Alex. 47) gesagt wird, er habe den Wechsel in Tracht und Sitten gutgeheissen und mitgemacht, und dass der Reiter in der Mitte der Schlachtdarstellung des Sarkophages von verschiedenen Seiten Hephaistion benannt worden ist (s. zuletzt Winter Arch. Anz. IX 17. Studniczka Arch. Jahrb. IX 243). Eine Gewandung, die der des Alexander auf dem Sarkophag genau entspricht, trägt eine in zwei Wiederholungen im Vatican erhaltene Figur, deren Original stilistisch in die gleiche Periode wie der Sarkophag gehört (Helbig Führer d. d. öff. Samml. in Rom nr. 2. 129). Durch die reichen Sendungen persischer Beute in die Heimat wird jedenfalls auch die orientalische Tracht in Hellas bekannter, als sie bis dahin war, geworden sein. Doch muss sie auch dann etwas Ungewöhnliches geblieben sein; sie findet sich z. B. bei keiner Terracotte (weder in Tanagra, noch in Myrina, noch in Sicilien), die Menschen in der Tracht des täglichen Lebens darstellt. [2212]
Eine grosse Rolle hat endlich der χ. χ. im öffentlichen Leben der Griechen gespielt und zwar in sacraler Bedeutung. Er gehörte zur typischen Tracht der griechischen Schauspieler; der tragische trug den langen, bis auf die Füsse reichenden, der komische den kürzeren, der bis zum Knie oder etwas darüber hinaus reichte. Über das Costüm der ersteren vgl. die Zusammenstellung von Litteratur und Monumenten bei Baumeister Denkm. III 1852ff., über das der letzteren ebd. II 825ff. Ferner Bethe Prolegomena zur Geschichte des Theaters 42ff. 48ff. 320ff.; Arch. Jahrb. XI 293ff. Über das Costüm speciell der alten attischen Komödie und der unteritalischen Posse vgl. A. Körte Arch. Jahrb. VIII 61ff. Das Ärmelgewand mit seiner orientalisch bunten Ausstattung gab der Figur etwas Ungewöhnliches, Festliches, und es ermöglichte die vollständige Verhüllung, die im Zusammenhang mit Maske und Kothurn notwendig war. Wahrscheinlich war es zudem ursprünglich das Gewand, in dem man sich den göttlichen Schirmer jener Spiele, Dionysos, selbst vorstellte (Crusius Philol. XLVIII 703; Bethe Prolegomena zur Geschichte des Theaters 42). Es ist von Bedeutung, dass dasselbe Costüm auch sonst im dionysischen Kult üblich war, und zwar bei den Chören der ἰθύφαλλοι, über die uns Athenaios (XIV 622 b) eine Notiz des Deliers Semos erhalten hat. Sie erschienen demnach mit Masken, trugen χιτῶνας μεσολεύκους, χειρῖδας ἀνθινάς und ein ταραντῖνον καλυπτόν (vgl. Suid. s. ἰθύφαλλοι). Wir werden uns von ihrem Aussehen eine Vorstellung nach einer merkwürdigen Silensgestalt auf einem Vasenbild machen können (Compte rendu 1861 Tf. II 4). Wir sind leider nicht im stande zu bestimmen, ob diese Ausstattung ebenso alt war, wie die Chöre selbst, und ob das Costüm der Schauspieler nach ihr gebildet wurde, oder ob das Verhältnis umgekehrt war, so dass die ἰθύφαλλοι erst nach dem Vorgang der Bühne eine so reiche Ausstattung erhalten hätten.
Nach Athen. I 21 e hätte ja Aischylos zuerst die στολή der Bühne so prächtig und würdig gestaltet, und er fährt fort, die Hierophanten und Daduchen, also die beiden obersten Priester von Eleusis, hätten das zum Vorbild genommen und gingen ebenso gekleidet. Die Wahrheit dieser letzten Behauptung wird wenigstens in Betreff des Hierophanten absolut durch die Monumente bewiesen. Wir erkennen ihn an dem langen χ. χ., der ganz nach Art des tragischen Gewandes hoch gegürtet ist, auf der Reliefvase von Cumae (sein Gewand ist hier weiss und vergoldet; Compte rendu 1862 Tf. III; vgl. Strube Studien üb. den eleus. Bilderkreis 44), auf einem Vasenbild (Mon. d. Inst. XII Tf. XXXV) und endlich auf einer ganzen Reihe von Reliefs, die in drei Scenen die Einweihung eines Mysten darstellen (E. Gaetani-Lovatelli Ant. Mon. Taf. II–IV); hier hat er auch die sonst erwähnte, reiche Haartracht (Plut. Alcib. 22. Arrian. diss. Epict. III 21, 16). In der mittleren Scene dieser Reliefs sehen wir meistens eine Priesterin mit dem Emporhalten der mystischen Schwinge beschäftigt; sie trägt die gleiche Kleidung wie der Priester und soll hierdurch jedenfalls als Oberpriesterin, als Hierophantin, charakterisiert werden; sie stammte, wie der Hierophant, aus dem Geschlecht der Eumolpiden. [2213] Den Daduchen sehen wir einmal (Compte rendu 1859 Tf. II) auch mit langen Ärmeln dargestellt. Er trägt immer einen kürzeren, etwas über die Kniee herab reichenden Chiton, der also eher dem der komischen Schauspieler entsprechen würde.
Strube (a. a. O. 28) meint, das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Eleusis und attischem Theater in dieser Beziehung wäre eher umgekehrt, und Aischylos hätte also aus seiner Heimat Eleusis die Tracht der Priester auf die Bühne verpflanzt. Indessen war, wie gesagt, für den antiken Schauspieler die Notwendigkeit möglichst vollkommener Verhüllung von vornherein gegeben, während es für den eleusinischen Priester nur auf eine möglichst glänzende Ausstattung ankam, die sich auch ohne die barbarische Zuthat der Ärmel erreichen liess; wir wissen ja vielmehr, dass der griechische Priester, bis ins 4. Jhdt. wenigstens, als Erbstück alter Mode den ärmellosen, langen, ionischen Männerchiton trug (s. unter Chiton). Man könnte geneigt sein, die barbarische Tracht mit der legendarischen Herkunft der Hierophanten von dem Thraker Eumolpos, dem Diener des Dionysos, des Gottes, dem ja auch die theatralischen Aufführungen galten, in Zusammenhang zu bringen (Töpffer Attische Geneal. 30ff.), aber wir sahen, dass gerade die Thraker wahrscheinlich keine Ärmel getragen haben, und dann trägt ja auch der Daduchos den Ärmelchiton. Ein Abhängigkeitsverhältnis muss existiert haben, denn wir sahen zwar, dass die Griechen seit dem 5. Jhdt. den Ärmelchiton auch ausserhalb der Bühne kannten, aber wir trafen Männer immer nur in dem kurzen, der bis zu den Knieen reicht. Am meisten Wahrscheinlichkeit hat das von Athenaios Constatierte für sich.
Hier sei noch erwähnt, dass auf den Stuckreliefs der Farnesina in Scenen, die deutliche Bezüge auf dionysische Mysterien haben, Frauen mit langen Ärmeln erscheinen, und zwar sind es gerade immer die, die mit Kulthandlungen beschäftigt sind, Mon. d. Inst. Suppl. XXXIV rechts oben, die Figur, die das Triptychon in die Höhe hält; ebd. links unten die Figur vor dem Altar, die die Guirlande in Empfang nimmt; XXXV links oben der Arm einer Figur, die ein Tuch aus einer Schwinge zieht.
Unter dem Einfluss des Bühnencostüms hat sich dann auch der lange Chiton der Kitharoeden, der ursprünglich ebenso wie der der Priester ärmellos war, zum χ. χ. entwickelt. Wir entnehmen die Beispiele den Darstellungen des Apollon Kitharoedus: Overbeck Kunstmythologie, Atlas: Vasenbilder XXI 17. XXIV 20. 23. 24. XXV 3. 6; Reliefs XXI 10. 13. 14; Statuen XXI 32 = Helbig Führer nr. 267 und (nicht bei Overbeck) Amelung Führer d. d. Ant. in Florenz nr. 172; Spiegelkapsel Bull. hell. 1884 Tf. XVI. Auch sind hier wiederum die Darstellungen des Orpheus in der Unterwelt zu erwähnen (Wien. Vorlegebl. S. E). Indes erscheinen Kitharoeden und Apollon auch anders gekleidet: die Kitharoeden des Parthenonfrieses (Michaelis Parth. Tf. 12 VΙΙΙ) tragen den ionischen Weiberchiton, ebenso Apoll (ausser in mehreren Abbildungen bei Overbeck a. a. O.) auf einem spartanischen Relief (Athen. Mitt. 1887 Tf. XII) und in einer Statue [2214] (Helbig a. a. O. nr. 187), sonst trägt Apoll auch ein Gewand mit Überschlag, vollkommen von der Form des dorischen Frauengewandes (z. B. Helbig a. a. O. nr. 262 und in einer unpublicierten Statue des Braccio nuovo). Deshalb hat man kein Recht, wie gewöhnlich geschieht, von dem Kitharoedengewand zu sprechen, als wäre der χ. χ. typisch für die Kitharoeden (vgl. Stephani Compte rendu 1875, 102ff).
Ähnlich ist es mit dem Gewand der Wagenlenker. Sie tragen in der Regel den alten ionischen Männerchiton gegürtet. Die in Delphi neuerdings gefundene Bronzestatue eines Wagenlenkers zeigt unter diesem Gewand noch eins vom Schnitt des ionischen Frauenchiton (Comptes Rend. de l’Acad. de inscr. 1896, 362ff. Archäol. Anz. 1896, 173ff.). Am Parthenonfries sind zwei mit Ärmeln dargestellt (Michaelis Parth. Tf. 12 XIV 52. XVIII 60); Ärmel hat der Lenker auf dem Votivgemälde eines Apobaten aus Herculanum (Robert XIX. Hallisches Winckelmannsprogr. 1895). Kaum hierher rechnen kann man zwei Darstellungen des Laios beim Raub des Chrysippos, wenngleich sich ja nach Euripides seine Leidenschaft für den Knaben bei dem Unterricht im Wagenlenken entzündet (Vasenbild: Wien. Vorlegebl. Ser. VI Taf. XI; Praenest. Ciste: Mon. d. Inst. VIII Taf. XXX). Da die Beispiele so gering an Zahl sind, ist es sehr zweifelhaft, ob die königliche Gestalt mit Ärmelchiton und hohem Diadem auf dem einen Stuckrelief der Farnesina wirklich Helios, gerüstet zur Fahrt, darstellen solle (Röm. Mitt. 1895, 68); jedenfalls darf man sich bei dieser Deutung nicht auf die Gewandung der Figur berufen wollen.
Nachdem alle Fälle aufgezählt sind, in denen der χ. χ. im Leben der alten Völker getragen wurde, erübrigt es noch, sein Vorkommen bei Göttern und Heroen in mythischen Darstellungen, soweit diese nicht schon herangezogen sind, zu untersuchen. Wenn Artemis auf einem Vasenbild, das Orest und Iphigenia bei den Tauriern darstellt, mit Ärmeln erscheint, so soll sie dadurch als Göttin der Barbaren charakterisiert werden (Ann. d. Inst. 1848 tav. d’agg. L); ihr nahes Verhältnis zu barbarischen Kulten erklärt es ferner, dass wir sie auch sonst mit Ärmeln dargestellt sehen (im Gigantenkampf Monuments grecs 1875 Tf. I = Wien. Vorlegebl. S. VIII Taf. IX; als Zuschauerin beim Amazonenkampf Millin Peintures de v. ant. II 25; auf einem Unterweltsbild Wien. Vorlegebl. S. E Taf. VI 2); man erinnere sich an die thrakische, der Artemis verwandte Bendis, die wir als Barbarin in zwei Fällen ebenfalls mit Ärmeln dargestellt sehen (Hartwig Bendis Taf. II und Fig. 4). Auch sei hier nochmals auf die Weihungen im Brauronion hingewiesen.
Dieser Bildung der Artemis schliesst sich die der Erinyen und der mit ihnen verwandten Wesen an; über Erinyen s. Roscher Myth. Lex. I 1335; Eris Compte rendu 1861 Tf. III = Wien. Vorlegebl. S. A Tf. XI 1; Lyssa Mon. d. Inst. XI Tf. XLII; Apate Wien. Vorlegebl. S. VII Taf. VI a; Poinai Wien. Vorlegebl. S. E Tf. II; Dike ebd. Tf. VI 2 (vgl. G. Körte Personif. psychol. Affekte i. d. sp. Vasenm.). Hier ist überall viel eher das Bestreben anzunehmen, die Gestalten barbarisch fremdartig erscheinen zu lassen, als, [2215] wie gewöhnlich geschieht, ein Einfluss des Bühnencostüms.
Bei Dionysos liegt die Sache etwas anders. Er erscheint zuweilen geradezu im Schauspielercostüm, wie z. B. an einer Dreifussbasis in Athen Ann. d. Inst. 1861 tav. d’agg. G; in den meisten andern Fällen, in denen er Ärmel trägt, ist aber auch hier ein Anlehnen an barbarische Tracht der Grund (Dionysos bärtig: auf dreiseitiger Candelaberbasis Ann. d. Inst. 1850 tav. d’agg. C; auf einem späten Sarkophag im Museo Chiaramonti, Beschr. d. Stadt Rom II 2 S. 51 nr. 178; zweifelhaft ist es, ob eine Figur von den Stuckreliefs der Latinergräber hierher gehört, Mon. d. Inst. VI/VII Tf. L A; sie wird von Petersen Ann. d. Inst. 1861, 239 Dionysos genannt; Dionysos jugendlich: auf Vasenbild als Zuschauer, Mon. d. Inst. Suppl. XXI; auf Vasenbild die Ankunft der Aphrodite auf dem Schwan erwartend, Arch. Jahrb. I Taf. 11; auf Vasenbild beim Wettstreit der Athena und des Poseidon, Wien. Vorlegebl. S. VII Taf. IX; auf Relief einen Schauspieler besuchend, Arch. Ztg. 1881 Taf. 14; als Iakchos auf Vasenbild, Mon. d. Inst. 1885 XXXV). So kommt auch eine Mainade oder jedenfalls ein Wesen seines Kreises (mit Tympanon) zum Ärmelgewand (Vasenb. mit Geburt d. Erichthonios, Compte rendu 1859 Tf. I; vgl. Strube a. a. O. 85ff.).
Wenn unter den Musen Melpomene im χ. χ. erscheint (z. B. Helbig Führer nr. 271), so ist damit natürlich das Gewand ihrer Schützlinge, der Schauspieler, gemeint. Anders ist es, wenn auf einem Vasenbild (Wien. Vorlegebl. S. VI Taf. XI) ausser Apollon auch vier Musen im Ärmelgewand erscheinen; dies erklärt sich lediglich aus dem Bestreben, Abwechslung zu schaffen; die Musen tragen dies Gewand, wie griechische Mädchen es mitunter trugen, wie es auch die eine Niobide trägt. Ebenso wird es zu erklären sein, wenn auf Wandbildern verschiedene Musen mit Ärmeln dargestellt werden (z. B. Helbig Wandgem. nr. 862); doch mag hier auch schon eine Übertragung von der einen Muse auf die übrigen stattgefunden haben, wie sie dann ganz gedankenlos auf späten Sarkophagen dazu führt, dass fast alle Musen den Ärmelchiton tragen (z. B. Beschr. d. Stadt Rom II 2 S. 123 nr. 2).
Als Barbar trägt Priap den χ. χ. (Furtwängler Samml. Sabouroff Tf. CXXVII), als Barbarin Isis (allerdings nur in zwei Fällen: Grabstein bei Le Bas Voyage arch. Mon. fig. LXXV und Statue im Capitol, Nuova descrizione p. 374 nr. 15). Über Boreas und Skiron am Turm der Winde s. o. S. 2209. Anlehnung an die barbarische Tracht ist es wieder, wenn Hypnos in dem späteren bärtigen Typus in langen Ärmeln erscheint (Roscher Myth. Lex. I 2851).
Befremdend wirkt zunächst die ornamental verwendete Flügelgestalt im χ. χ. auf dem beim Parthenon gefundenen Marmorsessel in Athen und seiner Wiederholung in Berlin (s. zuletzt Furtwängler Meisterwerke 206). Die Erscheinung erklärt sich aber, wenn wir die gleiche Figur auf Fundstücken des kimmerischen Bosporus wiederfinden (z. B. S. Reinach Biblioth. des mon. fig. III Pl. XX 8). Aus dem Osten stammt das ornamentale Motiv, dorther auch die Tracht der Figur. [2216]
Endlich finden wir den χ. χ. nun noch bei einzelnen Figuren auf einer ganzen Reihe von Monumenten, deren Darstellungen nicht zum wenigsten deshalb für abhängig von der Bühne und ihren Aufführungen erklärt worden sind; zunächst auf den unteritalischen Vasenbildern (Jahn Münch. Vasensamml. Einl. p. CCXXVII). Thatsächlich finden wir aber hier die genannte Tracht, wenn wir die Fälle ausnehmen, in denen Figuren durch sie als Barbaren charakterisiert werden sollen, nur bei Königen (so z. B. Kreon von Korinth, Wien. Vorlegebl. S. I Taf. XII; Kreon von Theben, Mon. d. Inst. X Tf. XXVII; Iobates, Inghirami Pitt. di v. f. I 57; Danaos und Pelasgos, Wien. Vorlegebl. S. B Tf. IV 1; Pelasgos, ebd. 2; Minos und Sisyphos im Hades, Wien. Vorlegebl. S. E Tf. I; Triptolemos, ebd. Tf. II; als König trägt auch Hades auf den Unterweltsbildern den χ. χ., Wien. Vorlegebl. S. E Tf. I. IV. VI 2. 4); einmal finden wir sie auf einem Bilde zweifelhafter Bedeutung (Inghirami a. a. O. I 60) bei einem König und einem Jüngling, einmal bei Teiresias (Inghirami a. a. O. III 248). Wenn Triptolemos auf einem merkwürdigen Bilde seiner Aussendung den χ. χ. trägt, so steht das im Zusammenhang mit der Verlegung der ganzen Scene an den Nil, d. h. in das Barbarenland (Compte rendu 1862 Tf. IV; vgl. Strube a. a. O. 18). Wenn wir also hiervon und von dem einen Jüngling absehen, der sehr wohl einen Barbaren darstellen kann, so haben wir nur Könige und einmal einen Seher in der betreffenden Tracht, also Personen, die sich vor den andern durch die Würde und Pracht ihrer Erscheinung auszeichnen sollten; dadurch allein erklärt sich vollkommen genügend, dass man ihnen jenes Costüm gab. Für die mythischen Könige speciell galt als Vorbild die Tracht des grössten historischen Königs der alten Welt, des Grosskönigs der Perser. Die Bühne hatte dabei keine andere Bedeutung, als dass sie jenes Costüm den Griechen immer von neuem lebendig vor Augen führte. Auf ihr trugen es indes alle Personen, nicht etwa die Könige oder gewisse Rollen allein. Thatsächlich ist es bisher auch noch nie gelungen, ein derartiges Vasenbild schlagend auf eine bestimmte Theaterscene zu deuten (Vogel Scenen euripid. Trag. in gr. Vaseng.; vgl. den letzten derartigen Versuch von Bethe Arch. Jahrb. XI 292ff., der auch nichts weiter beweist, als die wahrscheinliche Abhängigkeit des Vasenbildes Taf. 2 von der Andromeda des Euripides). Der Einfluss der dramatischen Poesie auf jene Bilder ist damit natürlich nicht ausgeschlossen.
Ganz dasselbe ist zu bemerken zu dem pergamenischen Telephosfries. Eine Frau im Ärmelgewand wurde schon oben erwähnt. Sonst erscheint auf ihm in dieser Tracht der König Aleos (Arch. Jahrb. II 244. III 59), ein anderer König, den Robert Korythos nennt, und neben ihm ein an Rang und Bedeutung ebenbürtiger Jüngling, den Robert nicht benennt (Arch. Jahrb. III 87). An dieser Stelle ist auch der Pelias auf den Stuckreliefs der Latinergräber zu nennen (Mon. d. Inst. VI/VII Tf. LII 3); durch den langen Ärmelchiton soll er jedenfalls als König und nicht als Thessalier charakterisiert werden.
Endlich ist hier die Rolle zu untersuchen, die der χ. χ. auf den Wandgemälden spielt. Einige [2217] Fälle, in denen ein Mädchen, eine Dienerin und ein Paedagog mit ihm dargestellt sind, wurden schon erwähnt. Sonst sehen wir in ihm (ausser Barbaren) Könige (Lykomedes, Helbig Wandg. nr. 1297; Pelias, Sogliano Le pitture murali campane nr. 1551), Priester oder Seher (Kalchas, Helbig a. a. O. 1304; Laokoon, Ann. d. Inst. 1875 tav. d’agg. O) und Opferdiener (Sogliano a. a. O.); also im wesentlichen dieselben Personen, wie auf den genannten Vasenbildern und dem Fries. Iphigenia trägt auf dem Bilde Mon. d. Inst. VIII Tf. XXII Ärmel als Priesterin der Taurier.
Noch bei den Römern galt das Ärmelgewand als Zeichen barbarischer Sitte und luxuriöser Verweichlichung (Verg. Aen. IX 616. Gell. VII 12. Plut. Otho 6. Cass. Dio LXXII 17. Herodian. V 3, 6. 5, 10). Unter den Kaisern sollen es Otho und Commodus getragen haben (Plut. und Cass. Dio a. a. O.). Auf den altchristlichen Sarkophagen ist es ganz selten vertreten, wenn es nicht, wie bei den Juden, den drei Königen oder dem guten Hirten, zur besonderen Charakterisierung dient. Erst durch den steigenden Wechselverkehr mit barbarischen Völkern und den Einfluss von Byzanz ist es schliesslich allgemeine Mode geworden.
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- S. 2206, 3 zum Art. Χειριδωτὸς χιτών:
Zu S. 2206, 32: Über die mykenische Kriegervase vgl. Tsuntas Ἐφημ. ἀρχ. 1887, 164 Anm.
Zu S. 2210, 37: Als Einzelfigur mit χ. χ. aus dem 5. Jhdt. v. Chr. (Zeit und Stil der Hera Borghese in Kopenhagen) ist eine weibliche Statuette im Museo Chiaramonti nr. 421 zu erwähnen (wahrscheinlich Göttin; jedenfalls keine Barbarin oder Sclavin).
Zu S. 2214, 14: Die bronzene Statue des Wagenlenkers aus Delphi trägt nur ein Gewand, das vom Schnitt des ionischen Frauenchitons ist; der sonst geknöpfte Teil auf Schultern und Armen ist hier durch Naht geschlossen (Homolle Monuments Piot IV 169ff. Taf. XV–XVI).
Zu S. 2215, 6: Die Dreifussbasis in Athen jetzt publiciert von Benndorf österr. Jahreshefte II 255ff. Taf. V–VII.
Zu S. 2216, 51: Über Abhängigkeit der unteritalischen Vasenbilder von Bühnenaufführungen vgl. jetzt auch v. Prott Schedae philol. H. Usener oblatae 57, der sich unter anderem auf die häufig wiederkehrenden Dreifüsse beruft; doch finden sich diese auch auf Darstellungen, die nicht das Geringste mit Bühnendichtung oder -bild zu thun haben. Vgl. ferner Huddilston Greek tragedy in the light of vase painting und die Recension des Buches von A. Körte Philol. Wochenschrift 1898 nr. 47, bes. S. 1459.
Zu S. 2217, 15: S. auch Val. Flacc. VI 701. Stat. Theb. VII 95.
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