RE:Duracinus
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Art hartschaliger Beeren | |||
Band V,2 (1905) S. 1847–1851 | |||
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Duracinus = hartbeerig, bezw. hartschalig. Wir finden das Wort zuerst bei Cato (7, 2. Varro r. r. I 58. Plin. XIV 46). Derselbe sagt, dass auf einem in der Nähe einer Stadt gelegenen Landgute die grösseren hartschaligen aminaeischen (oder nach Varro die hartschaligen und die aminaeischen?) Trauben gezogen werden müssten, welche man aufhänge (zum Trocknen als Speisetrauben) oder beim Schmiede als Rosinen aufbewahre (d. h. hier durch Rauch zu Rosinen dörre; vgl. H. Blümner Maximaltarif des Diocletian 1893, 103; auch Varro r. r. I 54, 2. Horaz sat. II 4, 72). Noch heute macht man in Italien aus hartschaligen Beeren Rosinenwein oder bewahrt sie für den Winter als Tafelobst auf (O. Ottavi Viticoltura 1885, 113). In der Provinz Catanzaro hat sich für eine spätreifende Traube, welche im Winter aufbewahrt wird, der Name duracina erhalten (Atti della Giunta per [1848] la inchiesta agraria, vol. IX, fasc. I 1883, 139); überhaupt wird in Süditalien eine Traube unter dem Namen uva tosta bianca oder duracina mit harten Beeren cultiviert, welche sich gut für die Tafel eignet, aber nicht lange aufbewahren lässt (V. Molinari Trattato completo di agricoltura pratica 1880, II 222), während man von der duraga oder doraca dort die besten Rosinen macht (ebd. 223). Der Kaiser Augustus, welcher sich mit einfacher Kost zu begnügen pflegte, erzählt von sich (bei Suet. Aug. 76), dass er bei einer Rückkehr aus der Regia eine Unze Brot mit wenigen Beeren uvae duracinae verzehrt habe. Während die Alten, sagt Columella, unter anderen die grösseren aminaeischen Trauben und alle, welche grössere, harte und wenige Beeren hätten, für den Winter zum Essen in Töpfen aufbewahrten (XII 45, 1), konnte man zu seiner Zeit dazu zwar auch ausser andern die duracinae verwenden (ebd. 44, 1. 5. III 2, 1), doch waren damals schon wieder andere von schönerem Aussehen aufgekommen (III 2, 2. XII 45, 1; vgl. Isid. XVII 5, 15). Von Plinius werden zu den uvae duracinae mehrere zum Essen bestimmte Sorten gerechnet, u. a. die ambrosia, welche sich an der Rebe selbst bei jedem Wetter erhielt (XIV 40), die im Innern Africas gedeihenden Trauben, welche den schlechtesten Wein lieferten, aber sich vor allen andern durch ihre Grösse und die schöne Färbung der Beeren auszeichneten, wovon sie den Namen durus acinus erhalten haben konnten (XIV 14), endlich auch die von Columella (III 2, 1f.) nur unter den essbaren Trauben aufgeführten bumasti (eigentlich = grossbrüstig; vgl. Blümner a. a. O. 101) und unciariae, welche an Geländern gezogen wurden (XIV 42). Dann sagt auch Martialis (XIII 22), dass die uvae duracinae nicht gekeltert, sondern genossen würden. In dem Maximaltarif des Diocletian sind, abgesehen von den Rosinen (6, 92f.) als essbare Trauben nur die uvae duracinae und bumastae angeführt, von denen 4 römische Pfund = 1,31 kg. nur 4 Denare = 7,31 Pfennig kosten sollten (6, 80). Dass Palladius die uvae duracinae nicht nennt, wenn er auch wie Columella (III 1, 7) lehrt, dass in kalten und nebeligen Gegenden Reben duris acinis anzupflanzen seien (III 9, 2), kann nur auf einem Zufall beruhen. Vielmehr mögen sie noch dem Macrobius (Sat. III 20, 7) bekannt gewesen sein. Freilich wurde die Bezeichnung d. mit der Zeit mehr und mehr auch für andere Früchte, namentlich eine Art Pfirsiche, offenbar die pelzschaligen mit Einschluss der Härtlinge, gebräuchlich. Plinius nennt diejenigen Pfirsiche duracina, deren Fleisch sich vom Steine nicht ablösen lässt (XV 113, vgl. Marc. Emp. 1. 97), also die Härtlinge; sie seien sehr saftreich (ebd. 109) und die beste Sorte (ebd. 39). Doch giebt er auch der besten Sorte Kirschen, welche in Campanien Pliniana genannt würden, das Beiwort duracina (XV 103], also wohl den sog. Knorpelkirschen, die festes Fleisch und harte Haut haben. Im Maximaltarif des Diocletian (6, 59f.) sind als Pfirsiche angeführt duracina maxima, aequentia, persica maxima, sequentia. Palladius (III 25, 32. XII 7,8) giebt den Früchten der persicus, des Pfirsichbaumes, den Namen duraeina. Isidorus (XVII 7, 7) unterscheidet drei Arten des malum persicum: [1849] duracinum, armeniacum (Aprikose) und persicum; das duracinum werde so genannt, weil seine Frucht in gustu aquorem (fragorem?) referat (beim Anbiss Krachen? hervorbringe). Die Bezeichnung δωράκινον oder δωρακινόν für das περσικόν, den Baum wie die Frucht, ist denn auch von den Griechen gebraucht (Greg. Nyss. Migne Gr. 44, 1084 a. Geop. III 1, 4. X 3, 3. 13, 1. 4. 14, 1. 15, 1. 17. 74, 1. Paul. Aeg. I 81. III 6 med. Corp. gloss. lat. II 282, 42). Ferner werden die nach der Stadt Trustumium benannten Birnen als duracina bezeichnet (Cael. Aurel. chron. III 34).
Alexander Trallianus nennt die Früchte mit festem Fleisch unter den Pfirsichen (περσικῶν), Kirschen, Äpfeln und Granatäpfeln δοράκινα (I 523 Puschm.). Ausserdem tritt bei ihm neben περσικὸν das Wort ῥοδάκινον (II 511 u. öfters; vgl. Puschmann zu Ι 304) auf und bezeichnet wohl ebenso wie jenes die Pfirsichfrucht überhaupt, obwohl Puschmann das letztere immer mit Nektarine übersetzt, worunter die Pfirsiche mit glatter Haut und ablösbarem Fleisch verstanden werden. Simeon Seth bezeichnet die ῥοδάκινα (p. 28, 2 Langk.) als identisch mit den περεσικά genannten Früchten (p. 89, 13). In der Schrift E libro de medicina ad Constantinum Pogonatum ed. Ermerius = Anon. de alimentis in Idelers Phys. et med. gr. min. sind ῥοδάκινα (c. 22 = Ideler II 267, 4) und neben κεράσια ἁπαλά auch ῥοδάκινα ἁπαλά (c. 12 = Id. II 262, 29) genannt, mit letzteren also wohl die Nektarinen gemeint. Endlich ist auch der Pfirsich von Theodoros Prodromos (in Corays Atacta I 209) ῥοδάκινον, von Suidas der Baum ῥοδακινέα genannt. Dass das Wort nur eine Umstellung des früheren δωρακινόν oder δοράκινον ist, was nach Salmasius Vorgang V. Hehn (Kulturpflanzen⁶ 417) für wahrscheinlich hielt, liegt wohl auf der Hand, und Hehn meint, dass wohl der Anklang an ῥόδον, Rose, dazu verführt habe. Während περσικόν zwar häufig im Talmudischen sich findet, aber nicht ins Syrische aufgenommen ist, war in diesem δωράκινον um 900 n. Chr. üblich geworden (J. Löw Aram. Pflanzennamen 1881, 147f.). Auch heute heisst im Syrischen der Pfirsich durâk, durâkǐna und durâkin (Wetzstein bei K. Koch D. Bäume u. Sträucher des alt. Griechenl. 1879, XVII). Im Corp. gloss. lat. ist μηλοδορακινον mit duracinum (III 316, 21. 530. 31) und μηλοπερσικον mit persicum (III 316, 20) geglichen. Neugriechisch heisst nach Th. v. Heldreich (D. Nutzpflanzen Griechenlands 1862, 67) der Pfirsichbaum ἡ ῥοδακινηά (oder ῥοδακινέα, die Frucht τὸ ῥοδάκινο), albanes. piēske; es giebt nach ihm sehr viele Spielarten, unter denen sich fünf, namentlich die sog. Brüste der Venus besonders auszeichnen: der Pfirsich mit glatter Fruchthaut, ἡ μηλοδορακινηά, werde auch cultiviert. In Italien wird das Epitheton duracina den Früchten mit festem Fleisch beigelegt, wie der pesca duracina, der ciriegia duracina u. s. w.
Gegen die offenbar schon den Alten ausnahmslos geläufige Etymologie des Wortes als eines Compositum aus dūrus und ǎcǐnus hat sich zuerst Wetzstein (bei Koch a. a. O.) erklärt. Er will es von dem Namen der ehemals bedeutenden Stadt Durâk in Susiana herleiten, da diese Gegend durch [1850] die Köstlichkeit der Baumfrüchte und Trauben heute hochberühmt und die uva duracina der Alten ohne Zweifel identisch sei mit der durch ihre Grösse und die Härte der Beeren merkwürdigen Hilwânitraube, welche im Spätherbst in Damascus heute das Dessert der Mahlzeiten bilde; denn die Stadt Hilwân, von welcher sie benannt sei, liege ebenso wie Durâk (wovon sie also nicht benannt ist) in Susiana. Doch erfahren wir nichts von der Existenz der Stadt Durâk oder einer Traube jener Gegend im Altertum, und der Name, bezw. das Appellativ d. findet sich zuerst bei den Römern, ja muss von ihnen schon vor 154 v. Chr., als Cato seine Schrift de agricultura verfasste, in dem Sinne von ,hartbeerig‘ gebraucht sein. Dass nämlich Cato diesen Sinn damit verband, geht nicht nur aus der bezeichneten Verwendung der Traube hervor, sondern auch daraus, dass er die Herkunft der Traube durch das Adjectiv ,aminaeisch‘ kennzeichnet. Der Unwahrscheinlichkeit, dass die Römer schon in so früher Zeit eine Traube ohne Vermittlung aus Susiana erhalten hätten, wird durch die Annahme von O. Keller (Lat. Volksetymologie 1891, 233f.) begegnet, dass d. von Duracium, der altlateinischen Form des Stadtnamens Dyrrachium, herzuleiten sei und diese Stadt ursprünglich den semitischen Namen Durâk gehabt habe, weil sie von den Phoinikern gegründet sei. Also, das ist wohl die Meinung Kellers, nicht nur der Stadtname Durâk, sondern auch die Hilwânitraube sei von Susiana nach Illyrien übertragen. Sonst nimmt man aber bekanntlich an, dass Dyrrachium ursprünglich Epidamnos geheissen, eine Colonie der Kerkyraier gewesen sei (Thuc. I 24) und erst von den Römern wegen seines ominösen Namens (frühestens wohl 229 v. Chr.) Dyrrachium genannt worden sei. Zur Begründung seiner Hypothese beruft sich Keller darauf, dass die epirotisch-illyrischen Küstengebirge, also wohl auch die Gegend von Dyrrachium, äusserst beliebte Tafeltrauben hervorgebracht habe, wie die keraunischen (Col. III 2, 1. Isid. XVII 5, 15), ambrakischen (Apollodoros bei Plin. XIV 76), leukadischen (ebd.), pucinischen (Plin. XVII 31) und istrischen (Diosc. V 10). Aber dies wird in Wahrheit nur von den keraunischen berichtet, nämlich dass sie zum Essen dienten; von Dyrrachium erfahren wir dagegen, dass seine Bewohner die basilica priesen (Plin. XIV 30), welche unter andern guten Eigenschaften auch die besass, sich gut keltern zu lassen (Col. III 2, 19; vgl. 9, 1. Isid. XVII 5, 22). Die gewöhnliche Etymologie würde Keller für möglich halten, wenn auch andere Composita mit durus sich in der älteren Latinität nachweisen liessen und wenn dem ,hartbeerig‘ ein ,weichbeerig‘, also molliacinus entspräche. Aber das ist doch in der That bei der Armut der lateinischen Sprache an Compositionen der Substantiva und Adjectiva mit einander zu viel verlangt. Freilich will Keller gerade diese Armut für seine Ansicht verwerten. Aber abgesehen von dem wunderlichen Suovetaurilia giebt es doch noch gerade genug Analoga auch selbst in der älteren Latinität für eine Zusammensetzung von durus und ǎcǐnus, wie Aenobarbus, albicapillus, grandaevus, magnanimus, mediterreus, mediterraneus, multigeneris, multigenus, omnimodus, quadriiugus, sollemnis, [1851] sollers, tardipes u. s. w. Nebensächlich ist, dass das Adjeetiv von Duraciura eigentlich durācīnus heissen müsste, nicht durǎcǐnus, wie selbst nach Keller der angeblich falschen Etymologie zufolge thatsächlich gesprochen sein muss. Wenigstens von den Schriftstellern der classischen Zeit, wenn auch nicht ausdrücklich von Cato, meint auch Keller, dass sie der ursprünglichen Form zuwider sich das Wort aus durus und ǎcǐnus entstanden gedacht und durǎcǐnus gesprochen' haben müssen, aber man habe eben durch Volksetymologie aus durācīnus ein Wort gebildet, welches der Beschaffenheit der Traube, nicht ihrer Herkunft entsprochen habe, was aber nach dem vorigen unbegründet erscheint. Wenn er endlich sagt, dass diese Umdeutung des d. nicht ohne Beispiel dastehe, sofern die in der Nähe von Dyrrachium, an den keraunischen Bergen wachsende uva ceraunia gleichfalls im Altertum appellativ ausgedeutet und als ,blitzfarbige Traube‘ interpretiert worden sei, so findet sich diese Interpretation nur bei modernen Interpreten. Übrigens wie Keller will auch Th. Reinach (Revue des étud. gr. 1899, 51f.) d. vom altlat. Duracium = Δυρράχιον herleiten, indem er glaubt, dass diese Stadt ein Importplatz für verschiedene Früchte gewesen sei. So kommt er aber zu dem an sich unwahrscheinlichen Schluss, dass schon spätestens im 2. Jhdt. v. Chr., als jener altlateinische Name noch gebräuchlich gewesen, der Pfirsich den Römern bekannt gewesen, wenn auch nicht von ihnen cultiviert worden sei. Wenn er (S. 49) es für unmöglich hält, dass mit acinus die Pfirsichfrucht habe bezeichnet werden können, so wird doch damit nicht nur die Beere der Weintrauben, sondern auch die verschiedener andern Pflanzen bezeichnet, besonders aber, wenn auch nur ausnahmsweise , sogar der Apfel des Granatbaums (Plin. XV 100. XXIII 106). Der Sprachgebrauch kann ja bei diesem Wort ebenso unpräcise gewesen sein, wie bei baca und pomum und, wenn weniger bei acinus. doch bei einem Compositum duracinus.