Eleuthernai (der Name bedeutet wohl ,freie Stadt‘), bedeutende Stadt auf Kreta, am Nordwestabhang eines westlichen Ausläufers des Idagebirges (Psiloritis). Namensformen: Ἐλευθέρα Stad. m. m. 346. Cass. Dio XXXVI 1. Steph. Byz; Ἐλευθεραί Ptolem. III 15, 7 M. (= III 17, 10 N.); Ἐλευθήρα Steph. Byz. s. Ἐλευθεραί und s. Ἄωρος; Ἐλεύθερνα Hierocl. 650, 9 (Ἐλευθέρνα). Steph. Byz. s. v. und s. Ὄαξος. Tab. Peut.; Ἐλεύθερναι Scyl. 47. Pol. IV 53, 2. 55, 4. Plin. n. h. IV 59. Steph. Byz.; so auch die Münzen Head-Svoronos Ἱστορ. Νομισμ. I 586f.; Ἐλευθερναῖος CIG 2873; Eletherna Geogr. Rav. 397, 9. Literatur (Auswahl): O. Dapper Nawkeurige Beschryving der Eilanden in de Archipel, Amsterd. 1688, 203. 232. C. Hoeck Kreta I 18. R. Pashley Trav. in Creta, Lond. 1837 I 145. T. A. B. Spratt Trav. and researches in Creta, Lond. 1865, 89ff. L. Thenon Fragm. d’une descr. de l’île de Crète, Rev. arch. N. S. XVII 1868, 293ff. G. Perrot L’île de Crète, Par. 1867. K. Bursian Geogr. II 554. W. Psilákis Ἱστ. τ. Κρήτης, Ἀφ. 1899, 141ff. Die Ruinen, deren Benennung durch einen Inschriftfund (Spratt II 96) gesichert ist, liegen 10 km südlich vom jetzigen Kap Chóndros, auf einer schmalen Hochfläche, die von drei Seiten von den Betten zweier Nebenbäche des Oaxes (jetzt Mylopótamos) eingefaßt, nur nach Osten ungedeckt ist (Situationsplan Spratt II 93). Dicht östlich liegt an den Ruinen, von Steineichen, Ölbäumen und Platanen umgeben, ein Dorf (das östlichere der beiden gleichnamigen im Westteil von Kreta) Prinés (= Steineichen). Die Ruinenstätte soll nach Pashley noch heutzutage τὰ Λεύτερνα heißen. Von den Bauten der Akropolis auf der länglich-schmalen Hochfläche sind noch Reste von alten Ringmauern (deren Vorhandensein Thenon fast bezweifelt hätte), Reste eines Turmes im Osten (s. u.), Fundamente von Gebäuden und zwei große Zisternen (25 m lang, 12 m breit) erhalten. Die Wasserbehälter waren aus Tuff herausgehauen und innen mit Zement bekleidet. Die Decken der Wasserreservoire [2352] werden von zwei Reihen Pfeiler getragen. Die Anlage erinnert an die Wasserbehälter von Aptera oder an eine byzantinische dreischiffige Kirche. Die Unterstadt breitete sich in Terrassen an den Abhängen aus. Stützmauerreste sind noch vorhanden. Am Ostabhang Reste eines Tempels, vielleicht des Apollon, der πολιοῦχος von E. war (Head-Svoronos II 586f.). Ein Nebenname der Stadt soll Apollonia gewesen sein, Steph. Byz. s. Ἀπολλωνία. Andere Namen: Aoros, Steph. Byz. s. Ἄωρος, und Satra Steph. Byz. s. Σάτρα (vgl. hiezu Meineke: Σαώρα ?). Unterhalb des Tempels Reste einer großen Brücke über den nördlichen der beiden Bäche (Spratt II 95). Statue, Altar. In der Nekropole fand man ein Goldblech mit orphischen Inschriften, Bull. hell. 1891, 452. 1893, 121. 629. Die Nähe des hohen Idagebirges bewirkt im Frühjahr und Spätherbst einigermaßen kühles Klima. R. Pashley gab die Reise nach den Ruinen von E. den 25. Februar 1834 auf, weil er erfuhr, daß der Aufstieg nach E. wegen Schnees unzugänglich sei. Das ziemlich fruchtbare Gebiet der Stadt, an der Oberfläche neogen mariner Ablagerungen, wurde im Altertum im Westen von der Rhithymnia, im Osten von der Oaxis (Steph. Byz. s. Ὄαξος), im Süden vom Gebiet der Stadt Sybrita begrenzt. Ob Osmidas zum Gebiet von E. oder zu dem von Sybrita gehört hat (vgl. Thenon 57), ist zweifelhaft. Die Tabula Peuting. zeigt eine Straßenverbindung durch das Binnenland: Cydogonia (= Kydonia) VII [mil. pass.] Cisamon VIII Lappa XXXII Eleuterna VIII Subrita. Im Gebiet von E. lag an der Küste das Seehafenstädtchen Pantomatrion (s. d.), jetzt Ῥουμελί (venezianisch Rumeli Castello), von E. 50 Stadien (= 9¼ km) entfernt. Die Sage schreibt die Gründung der Stadt einem Kureten (Eleuther) zu. Die ältesten (Silber-)Münzen von E. (Head-Svoronos II 586 und J. N. Svoronos Numism. de la Crète Ancienne I 128ff.) von 480–400 v. Chr. zeigen archaistische und rohe Ausführung. Κόσμοι als Beamte in E. (Museo Ital. II 166. Bull. hell. XIII 1889, 49). Um 220 (Polyb. IV 53, 2f.) belagern die Einwohner von Polyrrhenia auf Kreta und ihr Anhang E., Kydonia und Aptera und zwingen diese, das Bündnis mit den Knosiern aufzugeben. Kampf der Eleuthernaeer mit den rhodischen Schiffen, die von Knosos zu Hülfe gerufen waren. 194 Vertrag mit Teos (CIG 3047 = Le Bas Voyage Archéol. III 1 nr. 71). Antiochos III. von Syrien sucht Frieden unter den griechischen Städten zu vermitteln. Sein Gesandter wird von dem Gesandten Perdikkas des Königs Philippos von Makedonien begleitet. 67 v. Chr. von dem Römer Metellus belagert und durch Verrat eingenommen und gebrandschatzt. Der besonders feste Verteidigungsturm aus Backsteinen war von Verrätern durch häufiges Benetzen mit Säure bröckelig gemacht worden (Cass. Dio XXXVI 18, 2). Die Glaubwürdigkeit des Berichts erhärtet an der Bresche in der 6–9 m hohen Turmruine im Osten der Akropolisanlage, Spratt II 92. Letzte Münzprägung unter dem Kaiser Tiberius. Bischofsitz Notit. episc. VIII 226. IX 135. Als E. verodet war, wurde Aulopotamos (Bd. II S. 2414. 2415; Suppl. I S. 229) Sitz des Bischofs. Aus E. stammten: der Dichter Ametor, der nach Athenaios [2353] XIV 638 b zuerst zur Kithara erotische Lieder gesungen haben soll, und Diogenes der Physiker, Zeitgenosse des Anaxagoras, der Bildhauer Theochares (CIG 2491 b). Kurz vor 1420 besuchte Christof. Buondelmonti (Descr. ins. Cand. 120 Legr. u. ö.; Descr. Cretae 146 L.) die Ruinenstätte von E., die er Pandomatrion nennt. Er sah auch nicht mehr als L. Thenon. In der Aufzählung der Städte S. 103 jedoch ist unter Leftine wohl E. zu verstehen (s. die Art. Kreta und Pantomatrion).