RE:Iunianus 4
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Iustinus, M. Epitomator des Trogus Pompeius | |||
Band X,1 (1918) S. 956–958 | |||
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4) M. Iunianus Iustinus (der volle Name nur im cod. C und zwar im Genitiv, so daß das Gentile auch Iunianius lauten kann [wie es normalerweise lauten muß], die späteren Benutzer nennen den Autor Iustinus), der Epitomator des Trogus Pompeius. Über seine Person wissen wir nichts; der Name findet sich sehr selten, nach Mitteilung Dessaus anscheinend nur in CIL XIII: 3695. 3490. 6687 I 9. 7638. 8807 (Voorburg) = Dessau 7065 (in einigen dieser Fälle auch Iunianus möglich), während die Cognomina Iunianus (öfters Iunius Iunianus) und Iustinus gewöhnlich sind. Der Ti. Iulius Iustus Iunianus, der in Ankyra eine ziemliche Rolle gespielt hat (Arch.-epigr. Mitt. IX 117), hat schwerlich etwas mit ihm zu tun. In der Zeit, als die Africitas grassierte, hat man natürlich auch ihn zu einem Afrikaner gestempelt (Sorn 3). Alle das Originalwerk des Trogus angehenden Fragen sind im Art. Trogus zu besprechen: hier soll nur I. selbst behandelt werden. Über sein Verfahren bei der Herstellung der Epitoma historiarum Philippicarum Pompei Trogi äußert er sich in der Praefatio, mit der er seine Arbeit einem unbekannten Adressaten übersendet (v. Gutschmid Einfall, in § 6 ad te . . Magi herzustellen, so daß ein Magius der Empfänger wäre, ist abzuweisen). Es heißt hier § 4: horum voluminum ... per otium, quo in urbe versabamur, cognitione quaeque dignissima excerpsi et omissis his, quae nec cognoscendi voluptate iucunda nec exemplo erant necessaria, breve veluti florum corpusculum feci, ut haberent et qui Graece didicissent quo admonerentur, et qui non didicissent quo instruerentur. Diese Worte werden durch das Werk vollauf bestätigt: I. hat sein Augenmerk darauf gerichtet, dem Leser durch Heraushebung der anekdotisch-legendarischen Partien delectatio zu bereiten und ihm (was damit oft zusammenfällt) die üblichen Exempla zu bieten. Was diesen beiden Zwecken nicht diente, hat er möglichst kurz abgehandelt (am besten darüber noch Borchardt Quaest. Iustinianae, Greifswald 1875). So findet er in der Geschichte Alexanders d. Gr., auf die er knapp zwei Bücher verwendet, Zeit, ausführlich vom gordischen Knoten zu erzählen (XI 7, 5–16); über Brennus’ Anschlag auf Delphi und die Epiphanie Apollons berichtet er XXIV 6, 5-8, 11 und gibt dabei eine Ekphrasis der Lage des Heiligtums; die Listen des Themistokles dürfen natürlich nicht fehlen (II 12. 15). Er erzählt die Fabeln von Kyros (I 4–6) und den Amazonen (II 4, 4ff.), von Hieron (XXIII 4, 3–11) und Habis (XXXIV 4), auch Orakel und Vorzeichen erwähnt er mit Vorliebe. Billige moralische Bemerkungen, z. B. Ausfälle gegen aviditas und luxuria sind häufig, umgekehrt wird Epameinondas’ Tugend eingehend geschildert (VI 8). [957] Ein verhältnismäßig breiter Raum ist auch den Reden eingeräumt und namentlich die des Mithradates ungekürzt übernommen (XXXVIII 4-7), vgl. II 12, 3. XI 3f. 9. XIX 3. XXII 5. XXVIII 2. XXX 4. Die zahlreichen Pointen wird man auf Trogus’ Rechnung setzen müssen, die starke Vorliebe für antithetischen und gedrängten Ausdruck sowie manche rhetorische Mittel teilweise ihm zuschreiben dürfen (einiges bei Seck 1882, 23). Über die weniger reizvollen Partien 1 des Trogus ist er rasch hinweggeglitten, wie wir an der Hand der Prologi noch feststellen können, und hat namentlich für das Geographische nur geringes Interesse gehabt (s. auch v. Gutschmid Kl. Schr. V 19. 73). I. hat also bei der Verkürzung von Trogus’ Riesenwerk an die Bedürfnisse der allgemeinen Bildung gedacht, die gerade auch Berücksichtigung des Rhetorischen forderte. Zieht man das in Betracht, so wird man sagen dürfen, daß er seine Aufgabe nicht übel gelöst hat. Von den Versehen mögen manche schon bei Trogus gestanden haben (v. Gutschmid 199); Rühls Verfahren, sie durch Textesänderung zu beseitigen, ist natürlich verfehlt.
Wie sich über die Heimat des I. nichts Bestimmtes sagen läßt (s. o.), so auch nicht über die Zeit. Die Verflachung der Bildung, von der seine Arbeit Zeugnis ablegt, gestattet an sich nicht eine späte Datierung: in mancher Hinsicht kann man seine Epitoma mit Valerius Maximus vergleichen, der bald nach Trogus schreibt, und die darin zu Tage tretenden Tendenzen traten z. T. auch schon bei Trogus hervor (E. Schneider De Pomp. Trogi hist. Phil, consilio et arte, Leipzig 1913). Eher läßt sich verwerten, daß er praef. 1 den Trogus vir priscae eloquentiae nennt: das ist erst geraume Zeit nach dessen Epoche möglich und nach meinem Empfinden schwerlich vor dem 3. Jhdt. gesagt. Die Bemerkung XLIII 3, 3 per ea tempora adhuc reges hastas pro diademate habebant, quas Graeci sceptra dixere scheint in eine Zeit zu weisen, in der die Kenntnis des Griechischen unter den Gebildeten abnahm. Die Sprache des I. hat wenig Charakteristisches, und man hat meist die Vorstellung, daß sie sich von der des Trogus nicht weit entfernt (Fischer 65. Paucker 76). Sie ist etwa die der silbernen Latinität, Livius mit Sallust verbrämt: aus jenem z. B. die dreimal vorkommende Wendung ad commune extinguendum incendium (I 7, 9, vgl. Liv. XXVIII 42, 10), aus diesem vieles (zu viel zählt Sellge Symbolae ad hist. libr. Sallust., Breslau 1882 auf) – aber beide Autoren sind schon für Trogus Vorbilder, wie sich gerade aus seiner Polemik (XXXVIII 3, 11) ergibt. Die Tatsachen stehen am besten bei F. Fischer De elocutione Iustini, Halle 1868, der freilich kaum einen Versuch zu ihrer Deutung macht; besser Paucker Vorarb. zur lat. Sprachgesch. (Berlin 1884) II 67, der aus den nicht eben zahlreichen jungen Elementen von I.s Sprache auf den Anfang des 3. Jhdts. schließt, was richtig sein kann (vgl. Norden Kunstpr. 300). Auf das 4. Jhdt. weist nichts, und die Sprache würde dann einen anderen Charakter tragen. Klotz Herm. XLVIII 546 will das Werk aus buchtechnischen Gründen, die mir nicht stichhaltig erscheinen, frühestens in die Zeit um 300 setzen. Vgl. über [958] die Sprache etwa noch Seck Progr. Konstanz 1881. 1882. Sorn Progr. Laibach 1894.
Der Erfolg, den sich I. prophezeite (pr. 6 sufficit mihi in tempore iudicium tuum, apud posteros, cum obtrectationis invidia decesserit, industriae testimonium habituro), ist nicht ausgeblieben. Hieron. V 621 V. nennt ihn unter den empfehlenswerten Geschichtswerken, Augustin benutzt ihn gelegentlich und Orosius sehr ausgiebig, ferner Cassiodor und Isidorus. Im Mittelalter finden sich nur vereinzelte Spuren der Benutzung, abgesehen etwa von Johannes von Salisbury und Vincenz von Beauvais (Rühl Die Verbreitung des I. im M.-A., Leipzig 1871). Doch ist die Zahl der Hss. groß: Rühl Jahrb. f. Philol. Suppl. VI 1, der 82 aufzählt, hat noch nicht alle genannt. Die beste Überlieferung bietet der unvollständige Laurent. 66, 21 saec. XI aus Montecassino (C), die übrigen mit dem 9. Jhdt. beginnenden Hss. bilden eine in drei Klassen gespaltene Familie. Ausgaben waren lange häufig, da I. bis ins 19. Jhdt. ein beliebter Schulautor war. Ich nenne Bongarsius Paris 1581, der Hss. benutzte, und die Ausgaben cum notis variorum von Graevius (zuerst Utrecht 1668) und A. Gronov (Leiden 1719. 1760. Nachdruck London 1822, Erneuerung mit allerlei Beilagen von Frotscher, Leipzig 1827ff.) mit dem guten Sach-und Wortindex Freinsheims (vollständiger Wortindex bei Cantel, Paris 1677). Ferner etwa Dübner (Leipzig 1831 und Paris 1838) und J. Jeep (Leipzig 1859 mit unübersichtlichem Apparat). Allein benutzbar Rühl, Leipzig 1886 mit knappem Apparat in der Praefatio, leider ist das kritische Verfahren (s. o.) und die Einschätzung der Hss. nicht ganz richtig (Brüning De Iust. codicibus, Münster 1890). Vgl. Teuffel-Kroll § 258. Schanz § 330.