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RE:Epameinondas 1

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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boiotischer Feldherr und Staatsmann
Band V,2 (1905) S. 26742707
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Epameinondas, ein in Boiotien öfter vorkommender Name. 1) Sohn des Polymnis (Corn. Nep. Ep. 1, 1. Plut. de gen. Socr. 8 p. 579 D. 16 p. 585 D. Paus. IX 12, 6. Aelian. v. h. II 43. III 17. XI 90 — bei Paus. IV 31, 10 steht fehlerhaft Κλέομμις), bedeutender boiotischer Feldherr und Staatsmann. Der Name seiner Mutter ist unbekannt (Dikaiarch bei Plut. Ages. 19); als sein Bruder wird Kapheisias genannt (Plut. de gen. Socr. 3 p. 576 D). Das Geschlecht, dem er angehörte, leitete seinen Ursprung von den mythischen Sparten ab (Paus. VIII 11, 8. Suidas); er [2675] stammte aus einer angesehenen Familie (Corn. Nep. 2, 1. Plut. Pelop. 3. Paus. IX 13, 1; Aelians v. h. XII 43 Angabe, sein Vater sei ἀφανής gewesen, ist durch den Zusammenhang bedingt, in dem diese Notiz auftritt und daher zu verwerfen). Das Jahr seiner Geburt ist nicht zu ermitteln. Die dafür zunächst in Betracht kommende Angabe Plutarchs (de lat. viv. 3 p. 1129 C), daß E. bis zu seinem vierzigsten Jahre in Zurückgezogenheit gelebt und erst von da ab seinem Vaterland genützt habe, ließe als Gelegenheit seines Hervortretens sowohl an die Befreiung der Kadmeia 379 (wie Bauch 5, 3 und Zeller Philos. der Griechen I⁴ 306, 2 meinen) als an die Schlacht von Leuktra denken; sie ist aber sicherlich nichts anderes als die von den Alten beliebte Verknüpfung der ἀκμή mit einem bedeutenden Ereignis des Lebens (die gerade, wie Diels Rh. Mus. XXXI 1876, 13 hervorhebt, von den Pythagoreern ausging, deren Kreis E. angehörte). Auch die Bemerkung, E.s Eltern hätten noch die Schlacht von Leuktra erlebt (Plut. Coriol. 4; apopth. Ep. 10; an seni 6 p. 786 D), trägt für unsere Frage nichts bei. Die Neueren versuchten daher andere Momente dafür heranzuziehen, zunächst die angebliche Beteiligung des E. an der Belagerung von Mantineia durch die Spartaner (385); darnach setzt Pomtow 23. 31 seine Gehurt in das J. 418 v. Chr. Allein diese Nachricht ist durchaus ungeschichtlich (vgl. u.). Nicht minder gilt dies von der Angabe des Pausanias IX 13, 2 über die Rolle, welche E. als thebanischer Gesandter bei den Verhandlungen vor der Ratifikation des Antalkidasfriedens gespielt haben soll (von Unger S.-Ber. Akad. Münch. 1883, 167 benützt, um E.s Geburt auf das J. 430 oder 427 zu fixieren, vgl. dagegen Busolt Griech. Gesch. II² 771, 3). So bleibt nur die Tatsache, daß Lysis, welcher in vorgerücktem Alter Lehrer des E. wurde und – soweit werden wir Plut. de gen. Socr. 8 p. 579 Dff. 13 p. 583 B trauen dürfen – nicht lange vor 379 gestorben war, vor der Verfolgung der Pythagoreer in Unteritalien sich nach Theben geflüchtet hatte. Allein dieses Faktum, welches von Zeller a. a. O. und Busolt a. a. O. beigebracht wird, um E.s Geburt nicht vor 420 anzusetzen, ist ebenfalls nicht unmittelbar nutzbar zu machen, da der Ansatz für die Verfolgung der Pythagoreer schwankt; am wahrscheinlichsten «rscheint dafür das J. 440 (Rohde Rh. Mus. XXVI 1871, 565. 566), wogegen die höheren Ansätze (Zeller a. a. O., dem Busolt a. a. O. folgt, um 450, besonders aber Unger a. a. O. 168ff., zwischen 472 und 461, Gomperz Griech. Denker I 83 ,kurz vor 500‘) ganz unmöglich sind. Am besten ist es daher, die Frage nach dem Geburtsjahr des E. in der Schwebe zu lassen.

Mit der Kunde von der Jugend des E. und seinem ganzen Leben bis zur Leuktraschlacht ist es recht übel bestellt. Unsere Hauptquelle, die ( Biographie des Plutarch ist verloren gegangen, wenn auch, wie v. Wilamowitz nachwies (Herm. VIII 439 und Commentariolum grammaticum 11), bei Paus. IX 13–15 und VIII 11, 4-9 ein knapper Auszug daraus erhalten ist. So sind wir auf einzelne Angaben, besonders in Plutarchs Gespräch de genio Socratis und auf die Biographie des Cornelius Nepos angewiesen (über den litterarischen [2676] Charakter der letzteren als Enkomion vgl. F. Leo Griech.-röm. Biographie 207ff. 212. 227ff.). Dazu kommt, daß diese gesamte Überlieferung, Plutarchs Biographie eingeschlossen, ersichtlich von dem Bestreben beeinflußt ist, die Lebensgeschichte des E. zu verherrlichen und auszuschmücken, wobei öfter eine Herübernahme von Zügen aus der früheren griechischen Geschichte zu konstatieren ist; sie entstammt sicherlich in letzter Linie der die Zeit des thebanischen Aufschwungs verherrlichenden boiotischen Geschichtsüberlieferung, deren Existenz E. v. Stern Geschichte der spartan. und thebanischen Hegemonie vom Königsfrieden bis zur Schlacht bei Mantinea 47ff. und ,Xenophons Hellenika und die boiotische Geschichtsüberlieferung‘ (Dorpat 1887) mir mit Sicherheit erwiesen zu haben scheint, wenn ich mich auch dessen weiteren Folgerungen nicht anschließen kann. Für die frühere Zeit von E.s Leben bleiben demnach nur wenige sichere Tatsachen übrig. In Frage zu stellen ist die häufig betonte Armut seiner Familie (Plut. Pel. 3. 5; de gen. Socr. 8 p. 579 E. 13 p. 583 C. 14 p. 583 D–F. 584 A. B. 15 p. 585 D. Paus. IX 13, 1. Corn. Nep. 2, 1; zu deren Kritik bereits Bauch 7. Pomtow 117); diese Ansicht scheint sich aus der freiwilligen Armut des E. und aus dem Gegensatz, in den er in dieser Beziehung zu seinem reichen Freunde Pelopidas gestellt ward, entwickelt zu haben. Zu ihr stimmt nicht die vorzügliche Bildung, welche Polymnis seinem Sohne zu teil werden ließ, und die sich auf alle Zweige der körperlichen und geistigen Erziehung erstreckte. Als Lehrer des E. im Flötenspiel werden Olympiodor und Orthagoras (Aristoxenos bei Athen. IV 184 d. e. Corn. Nep. 2, 1, dazu Cic. Tusc. I 2), als solcher im Citherspiel und Gesang Dionysios (Corn. Nep. 2, 1), als Lehrer im Tanze Kalliphron (Corn. Nep. 2, 2) genannt. Daneben wird seine Übung in der Palaistra, in welcher die Thebaner von alters her Ruhm besaßen, hervorgehoben (Corn. Nep. 2, 4. 5). Am wichtigsten war der philosophische Unterricht, der E.s ganzem Wesen die Grundlage und bestimmende Richtung gab (Plut. Pel. 4. 5; Ages. 27; de gen. Socr. 3 p. 576 D. E. 16 p. 585 D. Aelian. v. h. III 17. VII 14. Iustin. VI 8, 9). Es war für ihn ein glücklicher Zufall, daß sich der Pythagoreer Lysis von Tarent, der der Verfolgung seiner Gesinnungsgenossen in Unteritalien entronnen war, zuletzt nach Theben wandte und dort in dem gastfreundlichen Hause des Polymnis Aufnahme fand, in dem er bis zu seinem Tode lebte – ein Umstand, der ebenfalls gegen die angebliche Armut des Polymnis spricht. Er wurde, wie es scheint in vorgeschrittenem Alter, E.s Lehrer in der Philosophie und übte auf ihn einen tiefgreifenden Einfluß aus: E. wird geradezu als Pythagoreer bezeichnet (Diod. XV 39, 2). Über Lysis als Lehrer des E. vgl. Diod. X 11, 2. Plut. de gen. Socr. 13 p. 583 C. 16 p. 585 E (und die oben über Lysis zitierten Stellen). Paus. IX 13, 1. Corn. Nep. 2, 2. Cic. de orat. III 139; de off. I 155. Aelian v. h. III 17. Iambl. de vita Pyth. 35, 250. Diog. Laert. VIII 7. Porphyr. de vita Pyth. 55. Dio Chrys. 49, 5. In Plutarchs de genio Socratis (8 p. 579 D. E. 14 p. 584 B. 16 p. 585 E) erscheint E. als derjenige, welcher für Lysis Grab besondere Sorge trug. [2677] Die Nachricht, daß Philipp von Makedonien während seines Aufenthalts in Theben im Hause von E.s Vater lebte und ebenfalls Lysis Unterricht genoß (Diod. XVI 2, 2, ähnlich Iustin VII 5, 3), ist chronologisch unmöglich (vgl. auch R. Schubert Untersuchungen über die Quellen zur Gesch. Philipps H. von Makedonien 1) und nur dem Bestreben entsprungen, Philipp mit E. in Verbindung zu bringen.

Gewiß haben sich bereits in der Jugend und unter Lysis Einwirkung die dem E. eigentümlichen Charakterzüge scharf herausgebildet. Die verherrlichende Überlieferung des Altertums rühmte an E. alle möglichen Tugenden (vgl. die allgemeine Charakteristik bei Diod. XV 39. 88. Plut. Pelop. 26. Corn. Nep. 3, 1ff. Iustin VI 8) und unter den neueren Gelehrten sind ebenfalls solche Panegyriker aufgetreten (Meissner 488ff. Pomtow 34. 35. 119ff. Curtius Gr. Gesch. III² 379ff.). Auch wenn man von diesen Übertreibungen absieht, ist zuzugeben, daß E. rein menschlich Züge aufweist, die ihm die volle Achtung der Nachwelt sichern. Von glühender Vaterlandsliebe beseelt, war er dabei ganz uneigennützig und für sich bescheiden (Plut. apophth. 11); nur auf das Wohl des Gemeinwesens bedacht, ließ er sich durch die Opposition nicht entmutigen, welche seine Bestrebungen fanden. Seine völlige Unbestechlichkeit, eine bei Griechen seltene Tugend (Polyb. XXXII 8, 6 stellt ihn in dieser Beziehung mit Aristeides zusammen), wird einstimmig berichtet, und mannigfache mehr oder weniger beglaubigte Äusserungen derselben sind überliefert (Plut. de gen. Socr. 14 p. 583 F; apophth. 13. 14. 21; Arist. et Cat. comp. 4. Corn. Nep. 4. Aelian. v. h. V 5. XI 9). Um sich Unabhängigkeit nach allen Seiten zu sichern, lebte E. in freiwilliger Armut (Plut. Pelop. 3. Aelian. v. h. II 43. XI 9), die ihm durch seine seltene Bedürfnislosigkeit erleichtert wurde (vgl. seine Aussprüche Plut. apophth. 4. 5; er soll sich, wohl in Nachahmung des Pythagoras, von dem das gleiche erzählt wird, manchmal nur von Honig genährt haben, Athen. X 419 a), die sich bisweilen in ganz sonderbarer Form äußerte; ein solcher Zug ist, daß er nur einen einzigen Mantel besaß und, wenn er ihn zum Walker schickte, zu Hause blieb (Aelian v. h. V 5, etwas ähnliches (Frontin. IV 3, 6). Die Geschichte von seiner geringen Hinterlassenschaft (Frontin a. O.) sieht allerdings nach einer scherzhaften Bemerkung aus (Pomtow 117); und seine Beerdigung auf Staatskosten (Plut. Fab. Max. 27) ist ganz begreiflich, weil sie auf dem Schlachtfelde stattfand. Seine zum Sonderling neigende und von der üppigen Art der Boioter scharf kontrastierende Natur (vgl. auch Plut. apophth. 6. 11) mag durch seine philosophische Erziehung voll entwickelt worden sein (vgl. Bauch 8. Vischer 284. 285 ,philosophisch-asketische Richtung‘). Zu ihr stimmt, daß E. zeitlebens ehelos blieb (Plut. Pelop. 3. Corn. Nep. 5, 5. 10, 1; die Geschichte bei Polyaen II 3, 1 von E.s Frau, welche Phoibidas geliebt habe, ist eine alberne Konfusion, wie schon Meissner 110ff., 2 erkannte, vgl. Melber Jahrb. Philol. Suppl. XIV 545). Einen Ersatz dafür fand er in der Freundschaft, welche er nach pythagoreischer Art auf das eifrigste pflegte (vgl. auch Aelian v. h. XIV 38); besonders mit Pelopidas verband ihn ein inniger [2678] und bis zu dessen Tod ungetrübt bestehender Bund (Plut. Pelop. 4). Als seine Geliebten werden Asopichos, Kaphisodoros und Mikythos genannt (Theopomp. bei Athen. XIII 605 a. Plut. amator. 17 p. 761 D. Corn. Nep. 4, 1); auch Pammenes wurde von ihm gefördert (Plut. praec. ger. r. p. 11 p. 805F). Er wirkte dahin, daß ohne Berücksichtigung seiner eigenen Person unter seinen Freunden der pythagoreische Spruch κοινὰ τὰ τῶν φίλων praktisch wurde (Corn. Nep. 3, 4ff.). Neben seiner militärischen Befähigung heben die Alten besonders seine Beredsamkeit hervor (Diod. XV 88. Corn. Nep. 5. Plut. praec. ger. r. p. 26 p. 819 C); allein die historischen Vorgänge, welche ihm zu deren Betätigung Anlaß gegeben haben sollen (Diod. XV 38. Plut. Ages. 27; apophth. 15; praec. ger. r. p. 14 p. 810 F. Corn. Nep. 6), sind recht zweifelhafter Natur. E. scheint eher schweigsam gewesen zu sein (Plut. de gen. Socr. 23 p. 592F). Die in Plutarchs Apophthegmen erhaltenen Ansprüche (dazu praec. ger. r. p. 13, 808 C. 809 A) lassen treffenden Witz und einen gewissen derbsoldatischen Humor erkennen.

Mit dem Angeführten ist das wenige Sichere in E.s Leben bis zur Leuktraschlacht erschöpft; natürlich bemühte man sich in alter und neuerer Zeit, diese Lücke mit Kombinationen oder erfundenen Nachrichten auszufüllen. Pomtows Annahme (17), E. habe in der Schlacht bei Koroneia 394 als Hoplit mitgefochten, hängt ganz in der Luft. Daß auch Pausanias (IX 13, 2) Meldung über sein Auftreten bei der Ratification des Antalkidasfriedens nur auf einer Verwechslung mit den Ereignissen von 371 beruht, wurde bereits bemerkt. Mehr Glauben fand die Nachricht des Paus. IX 13,1 und Plut. Pelop. 4 (dieselbe Quelle), daß E. an der Belagerung von Mantineia durch die Spartaner 385 auf selten eines von den Thebanern gesandten Hülfskontingents teilgenommen und den schwer verwundeten Pelopidas beschirmt habe, was der Anfang ihrer vielgerühmten Freundschaft gewesen sei (angenommen von Meissner 535ff. Clinton Fast. Hell, ad a. 385. Sievers Gesch. Griechenlands vom Ende des peloponnes. Krieges bis zur Schlacht bei Mantinea 157. Pomtow 22. 23. Curtius III² 263). Zur Kritik dieser neuerdings wieder von v. Scala (Staatsverträge des Altertums I 118ff. nr. 123) und Ed. Meyer Gesch. d. Altert. V 297 verteidigten Erzählung (Zweifel daran bereits bei Bauch 5. 6) vgl. Krüger zu Clinton a. O. Grote Hist. of Greece IX² 247, 3. 337, 2. v. Stern Gesch. der spart. und theb. Hegemonie 36, 8; sie wurde zu dem Zweck erfunden, um die Entstehung der Freundschaft zwischen E. und Pelopidas aus einer ähnlichen Ursache herzuleiten, wie das gleiche Verhältnis zwischen Sokrates und Alkibiades. Auch die Rolle, welche E. während der spartanischen Herrschaft über Theben in der Überlieferung spielt, ist ganz problematisch und noch mehr die moderne Fortbildung, welche sie fand. Man hat E. zum Führer einer jungboiotischen Partei gestempelt und ihm jahrelange Arbeit an der sittlichen und politischen Hebung der Bürgerschaft zugeschrieben (Pomtow 28ff. 36ff. Curtius III² 257ff., dem entschieden der deutsche Tugendbund vorschwebt). Für diese Anschauung bietet die Überlieferung, abgesehen von der flüchtigen Äusserung bei Plut. [2679] de gen. Socr. 24 p. 593 B, zunächst keinen anderen Anhalt als die merkwürdige Geschichte, E. habe die Jünglinge angeeifert, in der Palaistra mit den Spartanern zu ringen, und ihnen, wenn sie siegten, vorgeworfen, daß sie die Herrschaft solcher Leute ertrügen (Plut. Pelop. 7. Polyaen II 3, 6); auf ihre Absurdität wies Rohrmoser (Ztschr. f. österr. Gymn. XLI 1890, 585) treffend hin. Es steht im Einklang mit unserer Auffassung, wenn es heißt, daß E. unbehelligt in Theben bleiben konnte, da ihn die Gewalthaber seiner philosophischen Neigungen wegen als unschädlich ansahen (Plut. Pelop. 5). Es wird allerdings E. die Stiftung der sog. ,heiligen Schar‘ zugeschrieben (Athen. XIII 602 a); allein abgesehen davon, daß man es hier wohl mit der Wiederbelebung einer älteren Einrichtung zu tun hat (H. Droysen Heerwesen d. Griechen 34, 2) und auch Gorgidas als deren Urheber genannt wird (Plut. Pelop. 18. Polyaen II 5, 1), ist deren Gründung mit Wahrscheinlichkeit erst in die Zeit nach der Befreiung Thebens zu setzen (so schon Meissner 127ff. Grote IX² 336). Auch was über die Haltung, die E. bei der Befreiung Thebens zu Ende 379 einnahm, berichtet wird, verdient keinen Glauben, da es nur auf der romanhaft ausgeschmückten Erzählung Plutarchs ,de genio Socratis‘ beruht, deren Unzuverlässigkeit Unger a. a. O. 185. 186, v. Stern (vgl. o.), Rohrmoser a. a. O. 581ff. und Christ S.-Ber. Akad. Münch. 1901, I 59ff. erwiesen. Ihr zufolge lehnte E. es ab, sich an dem Überfall auf die Machthaber zu beteiligen, weil er seine Hände nicht mit Bürgerblut besudeln wollte (3 p. 576 E. F. 25 p. 594 B. C; ebenso Corn. Nep. 10, 3); als aber der Anschlag gelungen war, seien er und Gorgidas mit ihrer Schar erschienen, um an der Befreiung teilzunehmen (Plut. de gen. Socr. 34 p. 598 C. D; Pelop. 12). Zu den theatralisch aufgeputzten Einzelheiten gehört auch, daß E. und Gorgidas den Pelopidas und die übrigen Verschworenen in die Volksversammlung geleiteten, um deren Sühnung für das vergossene Blut zu erlangen (Plut. Pelop. 12).

Auch in den nächsten Jahren tritt E. nicht mehr hervor wie bisher (vgl. Bauch 21). Wenn Meissner (131. 136) behauptet, daß E. und Pelopidas Sphodrias anreizten, den Handstreich auf Athen zu versuchen, so ist – ganz abgesehen davon, wie man den Ursprung dieses Ereignisses auffaßt, – dem gegenüber zu bemerken, daß Plutarch (Pelop. 14) Pelopidas und Gorgidas (Ages. 24 Pelopidas und Melon) als Anstifter nennt; und Pomtows Behauptung (52, auch Curtius III² 278), daß E. es veranlaßt habe, daß Theben in ein verschanztes Lager verwandelt ward, entspringt nur dem Bestreben, alle möglichen Verdienste auf das Haupt seines Helden zu häufen. Dann gibt Diod. XV 38 zum J. 375 eine ausführliche Erzählung, nach welcher es bei den Verhandlungen über den Abschluß eines allgemeinen Friedens (es ist der Frieden des J. 374 gemeint) wegen des Anspruchs der Thebaner, den Vertrag für ganz Boiotien zu unterzeichnen, zu einer heftigen Controverse zwischen dem Athener Kallistratos und E., der Vertreter Thebens war, gekommen sei und die Thebaner schließlich von dem Frieden ausgeschlossen wurden. Von da ab datiert Diodor den politischen Aufschwung Thebens. Dieser Bericht, [2680] welchen schon Meissner 181, 1 als fehlerhaft erkannte, den aber Rehdantz Vitae Iphicratis Chabriae Timothei 72ff. A. Schäfer Demosth. I² 53ff. und Curtius III² 286ff. 764, 13 mit der Abänderung annahmen, daß der Streit zwischen E. und Kallistratos stattfand, als der Vertrag dem Synedrion der attischen Bundesgenossen zur Bestätigung vorgelegt wurde, ist, wie Wesseling. Grote IX² 381, 2 und v. Stern a. a. O. 93ff. erkannten (vgl. auch Busolt Philol. Anz. XVI 329) nichts anderes, als eine Dublette der Verhandlungen von 371. Daß von E. in diesen Jahren die leitenden Ideen der thebanischen Politik ausgingen (Curtius III² 273. 284), ist nicht beglaubigt (dagegen auch v. Stern a. O. 64, 1). Wohl aber ist in die Zeit von 379–371 zwar nicht ein Hervortreten des E. bei besonderen Gelegenheiten, doch eine intensive Tätigkeit desselben nach anderer Richtung hin zu setzen. In diesen Jahren verfolgten und erreichten die Thebaner das Ziel, Boiotien zu einem festen, unter ihrer Leitung stehenden Bundesstaat zu einigen (s. Bd. III S. 651ff); Plataiai und Thespiai wurden zerstört und ihre Bewohner ausgetrieben. Parallel mit diesen politischen Erfolgen muß die militärische Ausbildung der Thebaner, die taktische Reform und die damit verknüpfte gymnastische Durchbildung gegangen sein (Grote IX² 403); an dieser Vorbereitung hat E. den hervorragendsten Anteil genommen, nur dadurch erklärt es sich, daß er später zum Boiotarchen gewählt ward und daß es ihm gelang, das vorbereitete Instrument des Heeres so sicher zu handhaben und die Spartaner zu Boden zu schmettern.

Für das J. 371 wurde E. zum erstenmal zum Boiotarchen gewählt (Plut. Ages. 27. Pomtow 56), schwerlich gegen seinen Willen (so Plut. apophth. 18). Als solcher wurde er zu einem der Delegierten Thebens bestimmt (nicht als einziger Gesandter, wie Pomtow 57 sagt), welche an dem Kongreß in Sparta über den allgemeinen Frieden teilnahmen. Bei diesen Verhandlungen (Sommer, etwa Juni 371, vgl. das Datum des Friedens bei Plut. Ages. 28) kam der latente Konflikt zwischen Theben und Sparta zum Ausbruch. Auch da ist die Überlieferung über E.s Verhalten (Plut. Ages. 27. 28 – gewiß aus der Vita des E. selbst, vgl. dafür Paus. IX 13, 2 – Diod. XV 50, 4, zu ergänzen aus 38, und Corn. Nep. 6, 4) in verherrlichendem Sinn ausgeschmückt, um ihn als Vorkämpfer für die Freiheit des gesamten Griechentums gegenüber dem unersättlichen Herrschaftsstreben Spartas erscheinen zu lassen. Darnach hätte E. eine Rede gehalten, in welcher er mit einer deutlichen Spitze gegen Sparta (das durch eine Fortsetzung des Krieges im Trüben fischen wolle) riet, den Frieden nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit zu vollziehen; diese Rede machte großen Eindruck auf die anwesenden Gesandten. Agesilaos, dadurch gereizt, stellte an E. die Frage, ob er die Autonomie der boiotischen Städte nicht für gerecht halte, worauf E. antwortete, ebenso gerecht als die Freigebung der lakonischen Perioekenstädte. Nach wiederholtem Wortwechsel habe Agesilaos den Namen der Thebaner aus der Friedensurkunde getilgt und ihnen Krieg angesagt. Xenophons Erzählung (hell. VI 3, 18–20) ist viel einfacher; der Friedensvertrag wurde von den [2681] Spartanern in ihrem eigenen Namen und demjenigen der Bundesgenossen unterzeichnet, wogegen die Mitglieder des attischen Seehundes sich einzeln unterzeichneten. Die thebanischen Gesandten, welche den Namen ihrer Stadt ehenfalls eingetragen hatten, erschienen am nächsten Tage und stellten die Forderung, daß anstatt ‚Thebaner‘ als Unterschrift ,Boioter‘ gesetzt werde. Agesilaos schlug dieses Ersuchen ab und stellte den Thebanern frei, an dem allgemeinen Frieden überhaupt nicht teilzunehmen. Von den früheren Gelehrten (Meissner 184ff. Bauch 26. Pomtow 57ff.) wurde Plutarchs Erzählung ohne weiteres angenommen und zur Charakteristik des E. verwertet; Sievers a. O. 237. Grote IX² 384ff. Curtius III² 297ff. Schäfer a. O. I² 74ff. versuchten eine Vermittlung zwischen den Berichten Xenophons und Plutarchs (so wieder Ed. Meyer a. O. V 406ff.), schloßen sich aber im wesentlichen letzterem an. Erst Busolt (Jahrb. f. Philol. Suppl. VII 788) legte allein Xenophon zu Grunde, und v. Stern (a. O. 123ff.), dem Beloch (Gr. Gesch. II 250) folgte, zeigte in entscheidender Weise, daß dieser Schriftsteller vorzuziehen ist. Doch ist das Verhalten der thebanischen Gesandten und mit ihnen des E. nicht völlig aufgeklärt. Busolts Ansicht (a. O.), daß sie anfangs dem Druck der Verhältnisse nachgaben und über Nacht anderen Sinnes wurden, ist nicht gerade wahrscheinlich, aber auch v. Sterns Annahme (a. O. 121ff.), daß die Thebaner am ersten Tage als Mitglied des attischen Bundes den Schwur auf den Vertrag ablegten, am folgenden Tage aber eine Erweiterung ihrer Unterschrift forderten, um auch als Vertreter Böiotiens den Vertrag zu unterfertigen, setzt einen Irrtum Xenophons voraus. Es scheint, daß E. irgend einen Fehler bei den Verhandlungen beging, der von Agesilaos geschickt ausgenützt wurde (vgl. Beloch a. O.); nur so erklärt sich, daß die Thebaner auf dem Kongreß völlig isoliert blieben und dessen Ausgang von ihnen selbst als schwere Niederlage angesehen wurde (Xen. hell. VI 3, 20). Zu behaupten, daß E. den Streitfall bei den Verhandlungen absichtlich herbeigeführt habe (Pomtow 58), steht in vollem Widerspruch damit, daß, wie die gesamte Überlieferung berichtet, die Stimmung der Thebaner dem raschen Bruch mit Sparta gegenüber völlig unvorbereitet war.

Die allgemeine Ansicht ging dahin, daß Theben in dem unmittelbar bevorstehenden Kampfe mit Sparta unterliegen werde (Diod. XV 51, 2); die Thebaner selbst sahen der Entscheidung nicht mit großer Zuversicht entgegen, sie mussten im Fall einer Niederlage die Zerstörung ihrer Stadt gewärtigen (Xen. hell. VI 3, 20). Doch ist die Meldung Diodors XV 52, 1, daß sie aus Furcht vor dem feindlichen Einfall ihre Weiber und Kinder nach Athen geschafft hätten (bei Paus. IX 13, 6 als Vorschlag erwähnt), nichts als eine ungeschickte Nachahmung der Situation, in welcher sich Athen vor der Salamisschlacht befand, und wird durch die damalige nichts weniger als freundliche Haltung widerlegt, die Athen gegen Theben einnahm (vgl. auch v. Stern a. O. 147). Die spartanische Regierung hatte an König Kleombrotos, der mit vier Moren und bundesgenössischen Truppen (seit 374?) in Phokis zum Schutz stationiert [2682] war, gleich nach dem Ausgang des Congresses den Befehl ergehen lassen, gegen Theben vorzurücken. E., der erwartete, Kleombrotos werde auf dem gewöhnlichen Wege vorgehen, marschierte mit dem boiotischen Heere, auf dessen Leitung er entscheidenden Einfluss hatte, aus und besetzte den Paß von Koroneia. Die gedrückte Stimmung, mit der man in Theben der kommenden Entscheidung entgegensah, fand ihren Ausdruck in den üblen Vorbedeutungen, von denen man das Ausrücken des Heeres begleitet glaubte (Diod. XV 52, 3–7. Frontin I 12, 5). Zudem waren die ersten Operationen des Kleombrotos ebenso geschickt als glücklich (dazu Grundy 74ff.); anstatt bei Koroneia einzufallen, umging er die Stellung der Thebaner und schlug den Weg von Chaeronea über Ambryssos und Thisbe nach Kreusis (vgl. über denselben Kromayer Antike Schlachtfelder in Griechenland I 147, 4) ein, das er unmittelbar nahm, worauf er in die Ebene von Leuktra hinabstieg, wo er Halt machte und seine Truppen von dem anstrengenden Marsche ausruhen ließ (Xen. hell. VI 4, 3. 4. Diod. XV 51, 4. 53, 1. Paus. IX 13, 3). Daß er dabei Verstärkungen aus der Peloponnes an sich zog (wie Pomtow 59 und Curtius III² 302 annehmen), ist nicht bezeugt. Damit hatte sich Kleombrotos zwischen dem boiotischen Heere und dessen Operationsbasis Theben eingeschoben, und letzteres mußte schleunig umkehren, um seinen Vormarsch aufzuhalten und sich nach der bedrohten Hauptstadt durchzuschlagen (dies ist von Pomtow 60 völlig verkannt, der annimmt, daß E. noch einmal nach Theben zurückging). In dieser üblen Lage kam es darauf an, den Mut des boiotischen Heeres zu heben; E. griff zu ähnlichen Mitteln wie Themistokles, als die Athener vor der Salamisschlacht die Stadt räumten, und ließ Nachrichten über Wunderzeichen, die sich in Theben und Lebadeia ereignet hatten, verbreiten und an den Orakelspruch erinnern, demgemäß die Spartaner in Leuktra eine Niederlage erleiden sollten (Xen. hell. VI 4, 7. Diod. XV 53, 4. 54, 1–4. Paus. IV 32, 5. 6. IX 6, 6. 13, 5. Plut. Pelop. 21. 22. Polyaen II 3, 8. 12. Frontin I 11, 6. 12, 5. Kallisthenes bei Cic. de div. I 75). Auch ein wunderbarer Traum, welcher Pelopidas zu teil wurde (Plut. Pelop. 20. 21; amator. narr. I 1, 773 Cff.), verfolgte den gleichen Zweck; interessant ist, wie schon Meissner 202ff. 214ff. über diese Dinge urteilt. Es wird berichtet, daß in dem Rate der das Heer kommandierenden Boiotarchen (außer E. noch sechs) ein Zwiespalt darüber ausbrach, ob die Boioter dem Feinde eine Schlacht liefern oder sich auf die befestigte Hauptstadt zurückziehen sollten, und daß die Meinungen unter ihnen anfangs gleich geteilt waren; erst der Zutritt des siebenten Boiotarchen, der von einer auswärtigen Wachtstellung heimkehrte, habe der Ansicht des E. Übergewicht verschafft, daß man an Ort und Stelle die Entscheidung suchen müsse (Diod. XV 53, 3. Paus. IX 13, 6. 7. Plut. Pelop. 20). Diese Überlieferung scheint auf den ersten Blick glaubhaft, da sie Namen bringt, welche wie Xenokrates und Malekidas (so wird für Μάλγις bei Paus. a. O. zu lesen sein) gut historisch sind (IG VII 2408. 2462). Allein die ganze Geschichte erinnert sehr an die Erzählung [2683] von dem Kriegsrate der Athener vor der Marathonschlacht (Herod. VI 109ff.) und scheint deren Nachahmung zu sein, natürlich zu Ehren des B. (dagegen verfolgt die Variante bei Plut. Pelop. 20 von dem Eintreten des Pelopidas den Zweck, diesem das Verdienst zuzuschieben). Wie in dieser Episode, so erscheint auch in einer zweiten die Vorgeschichte der Leuktraschlacht mit Zügen bereichert zu sein, die den Perserkriegen entnommen wurden. E. stellte es denjenigen Boiotern, auf deren Treue er nicht rechnen konnte, frei, nach Hause zu gehen; davon machten die Thespier und noch andere Gebrauch (Paus. IX 13, 8. Polyaen. 113, 3). Diese bereits von Meissner 226 b bezweifelte Erzählung ist nichts anderes als eine Wiederholung des von Leonidas vor dem letzten entscheidenden Treffen bei den Thermopylen Berichteten (Herod. VII 219. 220). So kam es am 5. Hippodromios (entspricht dem attischen Hekatombaion) des Jahres Ol. 102, 2, unter dem attischen Archon Phrasikleides (im Juli 371) zur Schlacht von Leuktra (Datierung bei Plut. Ages. 28; Camill. 19. Paus. VIII 27, 8. Marm. Par. ep. 72, auch Diod. XV 51; vgl. Clinton-Krüger 120). Wir sind über dieselbe recht ungenügend unterrichtet, da sowohl Xen. hell. VI 4, 7–15 als Paus. IX 13, 9. 10 nur einzelne Züge bringen (eine wertvolle Ergänzung bei Plut. Pelop. 23) und Diod. XV 55. 56 (aus Ephoros vgl. Busolt Philol. Anz. XVI 329ff. Holm Gr. Gesch. III 116) eine ganz konventionelle Darstellung bietet (vgl. auch Ed. Meyer a. O. V 414). Von den Neueren vgl. außer den allgemeinen Darstellungen Lachmann Gesch. Griechenlands von dem Ende des pelop. Krieges I 452ff. Bauch 37ff. Pomtow 59ff. Rüstow-Köchly Gesch. des griech. Kriegswesens 171ff. H. Droysen a. a. O. 9Sff. Bauer in Iw. Müllers Handb. IV² 1, 2, 410ff. Lammert Ilbergs Neue Jahrb. II 27ff. G. B. Grundy The battle of Plataea (London 1894) 73ff. Delbrück Gesch. der Kriegskunst I 132ff. Über die gegenseitigen Streitkräfte mangelt es an ausreichenden Angaben (was zu eruieren ist, bei Kromayer Beitr. z. alten Gesch. III 59ff. 173); jedesfalls war das boiotische Heer von geringerer Zahl. Die Boioter lagerten auf den nördlichen Hügeln, welche die Ebene begrenzten (Xen. hell. VI 4, 4), während die Spartaner auf den Höhen des südlichen Randes ihr Lager, durch einen Graben geschützt, aufgeschlagen hatten (Xen. hell. VI 4, 14); die Schlacht wurde durch einen Angriff der spartanischen Leichtbewaffneten und Reiter auf die boiotischen Leute eröffnet, die zum Einbringen von Lebensmitteln ausgesandt waren; diese wurden mit leichter Mühe zu ihrem Heere zurückgetrieben. Die spartanische Reiterei wandte sich hierauf gegen diejenige der Boioter, gegen welche sie schon dadurch in Nachteil war, daß sie damals aus zufällig zusammengerafften und ganz ungeschulten Leuten bestand, während die Boioter immer Wert auf diese Waffe gelegt und sie in den letzten Jahren in dem mit geschlossener Masse ausgeführten Stoß ausgebildet hatten (Lammert a. O. 22ff.). So wurde die spartanische Reiterei leicht geworfen und geriet im Zurückweichen auf die eigenen Fußtruppen. Währenddem rückte das boiotische Fußvolk vor; jetzt kam die geniale Erfindung, welche E. gemacht [2684] hatte und die ihm in der Kriegsgeschichte einen unsterblichen Namen sichert, die ,schiefe (schräge) Schlachtordnung‘ (λοξὴ φάλανξ, Diod. XV 55, 2) zum erstenmal zur Anwendung. In Anlehnung an die schon früher von den Thebanern festgehaltene Übung, sich in einem tiefen Haufen zu formieren, um die feindliche Schlachtordnung zu durchstossen, gab E. dem boiotischen Heere eine Tiefe von 50 Mann (Xen. hell. VI 4, 12); die Thebaner wurden, abweichend von der bisherigen Gewohnheit der Griechen, auf dem linken Flügel aufgestellt, so daß sie der feindlichen Haupttruppe, den Spartanern, gegenüber zu stehen kamen und dieser linke Flügel wie ein Keil zum Angriff gegen den Feind vorgeschoben, während der rechte Flügel, der zum hinhaltenden Gefecht, bestimmt war, zurückgehalten ward (vgl. H. Droysen a. O. 97ff. Bauer a. O. 409ff. Lammert a. O. 25ff. Delbrück a. O. 130ff. Roloff Probleme aus d. griech. Kriegsg. 42ff.). Kleombrotos wollte dem feindlichen Stoß dadurch zuvorkommen, daß er mit seinem weit überragenden rechten Flügel die Thebaner zu umzingeln suchte; allein Pelopidas brach mit der heiligen Schar, welche hinter dem linken Flügel postiert war, hervor und vereitelte das Manöver der Spartaner (Plut. Pelop. 23. Diod. XV 55, 3 wenigstens im allgemeinen, dazu XV 81, 2, vgl. auch Deinarch I 73). Der Kampf war hart und dauerte längere Zeit; als Kleombrotos und die bedeutendsten spartanischen Führer gefallen waren, traten die Spartaner den Rückzug in das Lager an; der linke bundesgenössische Flügel hatte sich, vielleicht verhindert durch die boiotische Kavallerie, an dem Kampfe kaum beteiligt, vgl. auch Paus. IX 13, 9 (die Worte Xenophons VI 4, 15 spiegeln die Mißstimmung darüber wieder). Die Verluste der Spartaner waren beträchtlich; unter den 1000 Gefallenen waren nicht weniger als 400 Vollbürger (von 700, welche ausgezogen waren), vgl. Xen. hell. VI 4, 15. Plut. Ages. 28. Paus. IX 13, 12. Bei Dionys. ant. rom. II 17 sind 1700 Gefallene gezählt – zu den 1000 die 700 Vollbürger dazugezählt –, bei Diod. XV 56, 4 die Summe auf 4000 erhöht (dazu Beloch Griech. Gesch. II 337, 2). Dagegen sollen (jedesfalls eine Übertreibung) nur 47 Boioter geblieben sein (Paus. IX 13, 12); nach Diod. a. O. waren es 400. Obwohl einige Heißsporne unter den Spartanern darauf drangen, nicht um Auslieferung der Toten zu bitten, sondern einen Kampf um die Leichname zu bestehen, siegte doch im Kriegsrat die ruhige Erwägung, zumal da man der Bereitwilligkeit der Bundesgenossen nicht sicher war, und die Spartaner bequemten sich dazu, mit dieser Bitte ihre Niederlage einzugestehen (Xen. hell. VI 4, 15|. E. soll dabei, um die Zahl der Gefallenen auf seiten des Feindes zu erfahren und eine Geheimhaltung des Verlustes durch die Spartaner zu verhüten, zuerst nur deren Bundesgenossen, erst dann den Spartanern die Auslieferung zugestanden haben, wobei sich herausstellte, daß von den Bundesgenossen niemand gefallen war (Paus. IX 13, 11. 12. Plut. apophth. 12), welche Erzählung deutlich die Mache der berühmten Feldherren angedichteten Kriegslisten an sich trägt. Trotz des entscheidenden Sieges war die Lage der Thebaner dem in fester Stellung verbliebenen [2685] Feinde gegenüber nicht ohne Gefahr und sie sahen sie selbst in diesem Lichte. Allerdings, wenn E. am Tage nach der Schlacht betrübt herumging und dies seinen Freunden gegenüber damit motivierte, daß er am Vortag sich zu unmäßig gefreut habe (Plut. apophth, 11), so paßt dies ganz zu dem Bilde des zum Sonderling neigenden Philosophen (Bauch 8). Allein die Thebaner konnten voraussehen, daß Sparta alles aufbieten werde, um die erlittene Scharte auszuwetzen. Dem zu gewärtigenden Angriff gegenüber sandten sie zunächst um Hülfe nach Athen, allein ihr Herold wurde mit offenem Verdruß aufgenommen und schlecht behandelt (Xen. VI 4, 19. 20). Dagegen rückte Iason, der Tagos von Thessalien, der eine bedeutende Macht repräsentierte und mit dem die Boioter schon vor einigen Jahren in ein festes Bundesverhältnis getreten waren (Xen. hell. VI 1, 10), mit seinem Söldnerheer und seiner Reiterei in Eilmärschen herbei, Xen. hell. VI 4, 20ff. (nach Pomtow 74 wohl gegen E.s Rat!). Er fand die geschlagenen Spartaner noch immer in ihrem befestigtem Lager (Pausanias Bemerkung IX 14, 1, daß E. den peloponnesischen Bundesgenossen gleich nach der Schlacht freien Abzug gestattet hätte, ist zu verwerfen); es gelang ihm, die thebanischen Feldherren von ihrem Vorschlag, die feindliche Stellung mit Sturm zu nehmen, abzubringen, wohl mit Recht, da dieses Unternehmen, auch wenn es gelang, sicherlich bedeutende Opfer an Menschenleben gekostet hätte (v. Stern a.D. 189 gegen Sievers 247). Iason war es freilich darum zu tun, als Vermittler zwischen beiden Parteien aufzutreten; er bewog die Boioter, den Spartanern freien Abzug zuzugestehen (Xen. hell. VI 4, 24ff. Paus. IX 14, \), den letztere mit äußerster Vorsicht bewerkstelligten. Über Diodors abweichende Erzählung XV 54 vgl. v. Stern a. O. 142ff. Busolt Philol. Anz. XVI 329.

Die Schlacht von Leuktra macht zunächst Epoche in der allgemeinen Kriegsgeschichte, da sie den Anfang einer neuen Taktik bezeichnet, welche sich der bisherigen Frontaltaktik überlegen zeigte. Sie ist zugleich eines der wichtigsten Ereignisse der griechischen Geschichte; indem die bis jetzt nicht erschütterte militärische Überlegenheit Spartas gebrochen ward, wurde seinen Bestrebungen, Griechenland seiner Hegemonie zu unterwerfen, ein Ende für immer bereitet. Das Verdienst des Sieges wurde von den Zeitgenossen E. zugeschrieben; dafür beweisend ist nicht so sehr die Aussage Diodors (XV 56, 3), als das Epigramm des Xenokrates (IG VII 2462). Der Sieg Boiotiens bedeutet auch für E.s Leben eine wichtige Wendung. Von da ab sind er und Pelopidas als die leitenden Staatsmänner Thebens zu betrachten, und man wird die entscheidenden Schritte hauptsächlich ihrer Initiative zuschreiben dürfen; zunächst verwandten sie ihren Einfluß dazu, um die militärische Rüstung und Übung noch mehr zu vervollkommnen (Xen. hell. VI 5, 23). Sie übten diese Leitung durch das Amt der Boiotarchie aus, zu welchem E. zwar nicht jedes Jahr, aber den größten Teil der Zeit bis zu seinem Tode wiedergewählt ward. Für die Beurteilung seiner politischen Stellung muß man sich die Grenzen gegenwärtig halten, welche ihm [2686] durch die demokratische Staatsordnung gezogen waren; es ist gut bezeugt, daß er mit einer Opposition zu kämpfen hatte, deren Führer Menekleidas war (Plut. Pelop. 25; praec. ger, r. p. 10 p. 805 C. Corn. Nep. 5).

Die Aufgabe, welche die Thebaner nach der Leuktraschlacht unmittelbar angriffen, war die völlige Unterwerfung Boiotiens und die Bezwingung derjenigen, welche sich bisher von der landschaftlichen Einheit ferne gehalten hatten. Nach Paus. IX 14, 2. 4 wandte sich E. gegen Thespiai, vertrieb die Bewohner dieser Stadt, welche sich nach Keressos flüchteten, und nahm dann diese Feste ein. Dagegen erwähnt Xenophon hell. VI 3, 1. 5 (vgl. VI 4, 10), daß die Thespier schon vor der Schlacht von Leuktra ἀπόλιδες gewesen seien (ähnlich Diod. XV 46, 6). Die Neueren (Sievers 212. Grote Hist. of Gr. IX² 379, 1. v. Stern 119. 152) vermitteln zwischen beiden Nachrichten dahin, daß vor der Leuktraschlacht die Mauern von Thespiai zerstört wurden, die endgültige Vertreibung der Thespier aber erst jetzt erfolgte. Allein Pausanias Nachricht hängt auf das engste mit seiner anderen Angabe zusammen, daß die Thespier ein Contingent zu dem boiotischen Bundesheere gesandt hatten und dasselbe vor der Leuktraschlacht nach Hause ging, deren Unzuverlässigkeit wir früher erkannten. E.s angeblicher Zug gegen Thespiai ist daher dahin einzuschränken, daß er die nach Keressos geflüchteten Thespier von dort vertrieb (vgl. auch Meissner 279). Dann wurde gegen Orchomenos vorgegangen, das bis dahin auf seiten der Spartaner gestanden hatte; die Thebaner wollten die Stadt zerstören und die Einwohner in die Sklaverei verkaufen. Doch trat E., an dessen Ratschlag politische Klugheit nicht minderen Anteil gehabt haben wird als die ihm zugeschriebene Humanität, für die Schonung ein und Orchomenos ward in den boiotischen Bund aufgenommen (Diod. XV 57, 1). Die Thebaner benützten die günstige Lage der Dinge, welche durch die Zurückziehung der spartanischen Streitkräfte aus Mittelgriechenland geschaffen war, um auch die übrigen Landschaften: Phokis, die beiden Lokris, Aitolien und die Ainianen zum Anschluß und in ein festes Bundesverhältnis zu Boiotien zu bringen (Diod. XV 57, 1. Xen. hell. VI 5, 23; Ages. 2, 24). Vgl. Sievers a. O. 249. Grote-Meissner V 462. Schäfer a. O. I² 81. v. Stern a. O. 152ff. Oberhummer Akarnanien im Altert. 127. Swoboda Rh. Mus. XLIX 328ff. Beloch a. O. II 257. 258. v. Scala Staatsverträge des Altert. I 145 nr. 149. Ed. Meyer a. O. V 417ff. Auch die Städte von Euboia, die sich von dem attischen Seebund trennten, Herakleia in Trachis und die Landschaft Malis traten bei. Die Zeit dieser Erwerbungen ist in den Rest des J. 371 und in das J. 370 zu setzen; E. war für 371/0 zum Boiotarchen wiedergewählt worden. Dabei wurde Theben dadurch vom Schicksal begünstigt, daß Iason von Pherai vor den Pythien von 370 ermordet ward. Der Anschluß von Heraklea und Malis kann erst nach seinem Tode erfolgt sein (Beloch a. a. O.); das Bündnis Thebens mit Thessalien dauerte fort, da E. bei seinem ersten Zug in die Peloponnes thessalische Truppen mit sich führte (Xen. hell. VI 5, 23). In dieselbe Zeit gehört wohl eine andere Tatsache [2687] (GroteMeissner V 469), die zeigt, daß Theben jetzt auch maßgebenden Einfluß in der delphischen Amphiktionie gewonnen hatte und ihn zur Stärkung seiner Macht verwandte; auf seinen Antrag beschlossen die Amphiktionen, den Spartanern wegen Besetzung der Kadmeia eine bedeutende Geldbuße aufzuerlegen (Diod. XVI 23. Iustin VIII 1, 5ff.). Damals wurde wahrscheinlich auch den Thebanern die Promantie in Delphi verliehen (Bull. hell. XXIII 1899, 517ff.). Das freundliche Verhältnis Thebens zu Delphi zeigt sich auch darin, daß die Thebaner nach der Leuktraschlacht dort ein Schatzhaus errichteten (Paus. X 11, 5).

Während Theben seine Macht in Mittelgriechenland ausbreitete, hatte Athen die Situation nach der Leuktraschlacht zu einem ephemeren Versuch benutzt, seinen Seebund zu erweitem und umzubilden (Swoboda Rh. Mus. XLIX 321ff.), und war es in der Peloponnes zu blutigen Zwistigkeiten zwischen den Parteien in den einzelnen bisher mit Sparta verbündeten Staaten gekommen (Diod. XV 40. 58, nach ihm im J. 375, dagegen v. Stern a. O. 94ff. 155ff. Ed. Meyer a. O. V 419ff.). Anderseits führte der in Arkadien neu erwachte Drang nach Einigung der Landschaft zum Wiederaufbau von Mantineia und zur Bildung eines arkadischen Bundesstaates, s. Bd. II S. 1128. Die Angabe des Paus. VIII 8, 10 (ähnlich IX 14, 4), daß die Zusammensiedlung von Mantineia durch E. bewirkt wurde (noch aufrecht gehalten von Fougères Mantinée et l’Arcadie Orientale 431), ist mit den Zeitverhältnissen nicht zu vereinbaren (v. Stern a. O. 156, 3. Pomtow a. O.) und hat nur den Zweck, ihm den Ruhm auch dieser Gründung zuzuschreiben. Für die Beurteilung der Nachricht desselben Schriftstellers (VIII 27, 2), daß E. ein Corps von 1000 Mann unter Pammenes geschickt habe, um den Aufbau von Megalopolis gegen die Spartaner zu schützen, kommt Nieses Nachweis (Herm. XXXIV 527ff.) in Betracht, daß die Gründung dieser Stadt in das J. 368 oder 367 gehört. Da die Spartaner unter Agesilaos die Einigungsbestrebungen der Landschaft mit Waffengewalt zu stören trachteten und besonders Mantineia bedrohten, wandten sich die Arkader um Hülfe zunächst an ihren Verbündeten Athen (Diod. XV 62, 3), und als sie eine abschlägige Antwort erfuhren, von dort nach Theben, wo sie williges Gehör fanden. Es ward ein fester Bund zwischen Boiotien einerseits, Arkadien, Elis, Argos anderseits geschlossen (Diod. a. O.). So trat E. im Spätherbste 370 (er wird etwa Ende November ausmarschiert sein, vgl. Xen. hell. VI 5, 20) seinen ersten Zug in die Peloponnes an. Hauptquellen: Xen. hell. VI 5, 23ff. (läßt wichtige Punkte unberücksichtigt, ist aber im ganzen zu Grunde zu legen). Diodor. XV 62ff. Plut. Ages. 31ff.; Pelop. 24. 25; eine vollständige Zusammenstellung und kritische Erörterung derselben bei Bauer Hist. Ztschr. N. F. XXIX 1890, 240ff., vgl. auch Ed. Meyer a. O. V 425. Der nächste Zweck der Expedition war nichts weiter als den bedrängten Arkadern Luft zu verschaffen; darauf deutet die ganz ungenügende finanzielle Vorbereitung Thebens hin, das für diesen Zug bei den Eleern eine Anleihe von zehn Talenten aufnehmen mußte [2688] (Xen. hell. VI 5, 19). Zu den Boiotern waren bundesgenössische Truppen aus den eben gewonnenen mittelgriechischen Landschaften und Thessalien gestoßen; von den kommandierenden Boiotarchen waren die bedeutendsten E. und Pelopidas (die Frage, wie viele Collegen sie an der Seite hatten nach v. Stern 170, 1 nur noch einen – ist meines Erachtens nicht zu entscheiden). Als das boiotische Heer vor Mantineia anlangte, wo es sich mit den Arkadern und den ihnen zu Hülfe gezogenen Argivern und Eleern vereinigte, hatte Agesilaos auf die Kunde von seinem Herannahen bereits den Rückzug nach Sparta angetreten, und seine Aufgabe schien erledigt. Die eindringlichen Vorstellungen, welche die Arkader und ihre Verbündeten an die boiotischen Heerführer richteten, gingen dahin, nicht umzukehren, sondern die Gunst des Augenblicks zu einem Einfall in Lakonien zu benützen. E. und seine Genossen waren anfangs mit Rücksicht auf die Jahreszeit und die zu erwartende Verteidigung der Pässe wenig geneigt, diesen Vorschlägen zu folgen (Curtius III² 328 behauptet allerdings, daß E. den Angriff auf Sparta von Anfang an sicherlich im Auge hatte); nach längerer Überlegung (ihr Zögern und später ihr ängstliches und vorsichtiges Vorgehen ist aber bei Xen. a. O. 24ff. gewiß übertrieben, wie anderseits der von Plut. Pel. 24. Appian. Syr. 41. Corn. Nep. 7, 4 geschilderte Widerstand der übrigen Boiotarchen gegen E. und Pelopidas Plan wieder zur Verherrlichung der beiden dient) entschlossen sie sich dazu, besonders da Nachrichten eintrafen, daß die Perioeken zum Abfall bereit seien (in der Tat schlossen sich auch viele den Thebanern an, Xen. hell. VI 5, 32. Plut. Ages. 32, doch ist Xen. hell. VII 2, 2 eine rhetorische Übertreibung, vgl. Grote IX² 438, 2). Das vereinigte Heer der antispartanischen Koalition soll nach Diod. XV 62, 5 nicht weniger als 50 000, nach Plut. Pel. 24; Ages. 31; de gloria Ath. 2 p. 346 B 70 000 Mann, davon 40 000 Schwerbewaffnete, gezählt haben (damit stimmt Diod. XV 81, 2 überein), dazu Kromayer Beitr. z. alten Gesch. III 60. In vier getrennten Abteilungen brach das Heer in Lakonien ein (Diod. XV 63, 4ff.), von welchen nur die Arkader einen hartnäckigen Widerstand zu erfahren hatten; bei Sellasia vereinigten sie sich wieder und rückten von da, das Land verheerend, den Eurotas hinab. Die Forcierung der nach Sparta führenden Brücke, welche verteidigt war, gaben sie auf und marschierten unter steter Verwüstung der Landschaft weiter bis Amyklai, wo sie den vom Winterschnee stark angeschwollenen Fluß (Diod. XV 65, 2. Plut. Ages. 321 überschritten: daß sich dabei ein Kampf abgespielt habe, wie Diod. XV 65, 3. Polyaen II 1. 27. Frontin I 10, 3 angeben, scheint durch Xen. VI 5, 30 ausgeschlossen zu sein. In Sparta war auf das Herannahen des Feindes hin eine Panik ausgebrochen, und auch verräterische Anschläge drohten (Plut. Ages. 32. Corn. Nep. Ages. 6. Polyaen II 1, 14. 15. Aelian v. h. XIV 27j. Agesilaos griff mit fester Hand ein und organisierte die Verteidigung; den Heloten, welche sich an derselben beteiligen wollten, wurde die Freiheit versprochen, worauf sich nicht weniger als 6000 meldeten. Auf dem Seewege [2689] wurden bundesgenössische Truppen aus Korinth, Epidauros, Pellene und anderen Orten herangezogen (Xen. hell. VII 2, 2, die Angaben Diodors XV 65, 6 sind problematisch). Während sich die Arkader zur Plünderung in die umliegenden Ortschaften zerstreuten, rückte E. gegen Sparta vor; die Reiterei der Boioter und ihrer Bundesgenossen machte einen Vorstoß bis zum Hippodrom, fiel aber bei dem Tempel der Tyndariden in einen Hinterhalt und mußte sich mit Verlusten auf das Hauptheer zurückziehen. Agesilaos hatte die höheren Teile der Stadt besetzt und leistete den Herausforderungen des E. zu einem Treffen keine Folge (Diod. XV 65, 4ff., bei dem nur ein effektvoller Sturm auf die Stadt eingelegt ist. Plut. Ages. 31. 32. Paus. IX 14, 5). Da ein Angriff auf die Stadt zu gefahrvoll war, die Bundesgenossen auch anfingen, sich zu verlaufen, und Mangel an Lebensmitteln eintrat (Xen. hell. VI 5, 50), so zog E. ab (die törichte Geschichte Theopomps bei Plut. Ages. 32 von einer Bestechung der Boiotarchen richtet sich von selbst) und wandte sich gegen Süden, um Lakoniens Verheerung zu vollenden ; die unbefestigten Ortschaften wurden verbrannt und das Seearsenal Gytheion vergeblich berannt (bei Polyaen II 9 zu einer Eroberung, der später wieder ein Verlust folgt, gesteigert). Hierauf trat E. den Rückmarsch nach Arkadien an (Diod. XV 65, 5. Grote IX² 441. v. Stern a. O. 176, 3). Den Hauptzweck seines Einfalls, die Einnahme Spartas, hatte er zwar nicht erreicht (die Spekulation, welche ihm Polyaen II 3, 5 und etwas verändert Aelian v. h. XV 8 untergelegt wird, ist höchst problematisch, vgl. Sievers a. O. 271. Grote IX² 441, 2. Vischer a. O. 299, 1; dafür v. Stern a. O. 173, 1); allein der moralische Erfolg muß ungeheuer gewesen sein, der ererbte Ruf von der Unverletzlichkeit des spartanischen Gebiets wurde gebrochen und das Ansehen, welches das boiotische Heer durch den Sieg von Leuktra errungen hatte, auf das höchste gesteigert.

Von Arkadien aus begab sich E. nach Messenien, das sich bei seinem Einfall in Lakonien erhoben hatte, um diese Landschaft zu einem eigenen Staat zu konstituieren und damit der Macht Spartas den empfindlichsten Schlag zu versetzen, welcher sie treffen konnte. Nach Paus. IV 26, 5 sollen die Thebaner gleich nach dem Siege von Leuktra Boten nach Italien, Sicilien und Africa gesandt haben, um die im Ausland zerstreut lebenden Messenier zur Rückkehr in die Heimat aufzufordern; allein diese lang geglaubte Nachricht (bezweifelt von Bauch 46, angenommen von Pomtow 76ff. Grote IX² 433. Curtius III² 313ff.) ist nichts anderes als eine der zahlreichen Erfindungen, mit welchen später die Geschichte Boiotiens ausgeschmückt ward (v. Stern a. O. 167ff.). Die wesentlich auf ihr beruhende Ansicht der Neueren, die Herstellung Messeniens sei die wichtigste Absicht des E. gewesen, als er den Zug in die Peloponnes antrat (Meissner 337. Curtius III² 328. 330. Vater in Seebodes Neuen Jahrb. f. Phil. Suppl. VIII 361. Grote IX² 442). kann nicht aufrecht erhalten werden. Erst die Erschütterung des spartanischen Staatsgefüges, der Abfall der Perioeken und Messenier bei dem Einfall legte E. den Gedanken an Messeniens [2690] Wiedererweckung nahe. Von Arkadien aus ließ er den Aufruf zur Besiedelung ergehen (Diod. XV 66, 1); den zurückkehrenden Messeniern schloß sich eine bunt gemischte Masse von Heloten und Perioeken an (Diod. a. O. Isocr. VI 28), so daß das neue Staatswesen gleich von Anfang an einen hybriden Charakter trug (s. Messenia). E. nahm dessen Organisation in die Hand; seine Hauptsorge war die Gründung einer neuen Hauptstadt, die an dem Abhange des Ithomeberges angelegt und zu einer starken Festung ausgestaltet ward (s. Messene). Die Leitung des Baues führte der argivische Strateg Epiteles. Die Stadt wurde an einem Punkte gegründet, für den die Göttersprüche günstig lauteten (Paus. IV 27, 5), die Anregung dazu soll E. in einem wunderbaren Traum erhalten haben (Paus. IV 26, 6); auf einen anderen Traum hin, der Epiteles zu Teil wurde, stellte man Nachgrabungen an und fand auf Ithome in einer ehernen Hydria die Gesetze der Demeter und Kora auf zinnernen Tafeln geschrieben, ein Vermächtnis des Aristomenes (Paus. IV 26, 6ff. 33, 4; vgl. Dittenberger Syll.² 653, Note 9; Ähnliches Inschriften von Olympia nr. 46). E. selbst wurde als Oikist verehrt (Paus. IX 14, 5. 15, 6. Inschriften von Olympia nr. 447). E. gebrauchte ähnliche Mittel, um dem neuen Staat den Nimbus göttlicher Weihe zu geben, wie er es vor der Schlacht von Leuktra zur Ermutigung seiner Mitbürger gethan hatte. Für Messenien mußten nicht bloß Städte (nach Paus. IV 27, 4. 7 wurden außer Messene noch andere Städte gegründet) und Staatseinrichtungen, sondern auch Kulte geschaffen werden (Niese Herm. XXVI 1891, 12ff.); die Erdichtung einer sagenhaften Vergangenheit Messeniens nahm von der Neugründung ihren Ausgangspunkt (Niese a. O. 1ff. Schwartz Herm. XXXIV 1899, 428ff.). Während E. in Messenien tätig war, erlangten die Spartaner durch Unterhandlungen mit Athen dessen Bundesgenossenschaft (Xen. hell. VI 5, 33ff.); Iphikrates übernahm den Oberbefehl eines Heeres und rückte zuerst bis Korinth, von da nach Arkadien vor. Auf die Kunde davon trat E. den Heimmarsch nach Boiotien an (Xen. hell. VI 5, 50ff. Diod. XV 67): der bleibende Erfolg seines Zugs war die Herstellung von Messenien (wenn auch in beschränktem Umfang, Beloch Gr. Gesch. II 214, 2. Schwartz a. a. O. Ed. Meyer a. O. V 427), aber auch ein Teil der Perioekenstädte war von Sparta abgefallen und wurde erst, und da nicht alle, in den nächsten Jahren zurückgewonnen (Xen. hell. VII 1. 28. 4,12. 21, vgl. Sievers a. O. 267, 22. Grote IX² 451). Iphikrates kehrte hierauf um und besetzte das Oneiongebirge, ließ jedoch den Weg von Kenchreai frei. Eine Schlacht den Boiotern zu liefern, lag nicht in seinen Plänen; so konnte E., ohne daß es zu mehr als einem Reitergefecht kam, ungefährdet seinen Marsch über den Isthmos bewerkstelligen (bei Plut. Pel. 24 ist das Reitergefecht zu einem Sieg über die Athener gesteigert, ähnlich meldet Paus. IX 14, 6. 7 von einem Siege des E. über Iphikrates bei Lechaion). Nach Paus. a. O. wäre er sogar bis Athen vorgerückt, was entschieden ein Irrtum, wenn nicht eine absichtliche Erdichtung des Schriftstellers oder seiner Quelle ist (Grote IX² 456 3. v. Stern a. O. 180).

[2691] E. und seine Amtsgenossen hatten sich nach ihrer Rückkehr vor Gericht zu verantworten. Über diesen Prozeß: Plut. Pelop. 24. 25. Paus. IX 14, 7. Corn. Nep. 7. 8. Appian. Syr. 41. Aelian. v. h. XIII 42. Als Ursache des Prozesses wird die Tatsache bezeichnet, daß sie die Boiotarchie über die gesetzliche Frist des Amtswechsels, d. h. die Wintersonnenwende hinaus geführt hatten, nach Appian. a. O. sechs Monate länger, nach den übrigen Quellen vier Monate länger (nach Diod. XV 67, 1 hatte der Feldzug im ganzen 85 Tage in Anspruch genommen, nach Plut. Ages. 32 war E. drei Monate in Lakonien geblieben, vgl. Bauch 51, 108. Grote IX² 451, 8. v. Stern a. O. 181, 1); auf die eigenmächtige Fortführung des Amtes war Todesstrafe gesetzt. Doch ist diese Auffassung der Überlieferung über die Ursache der Anklage unzulässig, da E. und Pelopides für das J. 370/69 zu Boiotarchen wiedergewählt waren (Grote IX² 460. Curtius III² 766, 31. v. Stern a. O. 182 gegen Bauch 53. Sievers a. O. 277 und Niese Herm. XXXIX 1904, 84ff.); Beloch (a. O. II 266, 1), dem Ed. Meyer a. O. V 437 beistimmt, hat daher diesen Prozeß ganz aus der Geschichte gestrichen und alle sich auf ihn beziehenden Nachrichten auf die Absetzung des E. im Herbste 369 (vgl. u.) bezogen. Doch geht er hier entschieden zu weit; an der Tatsache des Prozesses ist festzuhalten, doch vermute ich, daß E. und seine Kollegen wegen Überschreitung der ihnen erteilten Instruktion angeklagt wurden, vgl. meine Auseinandersetzung Rh. Mus. LV 1900, 460ff. Der Prozeß ist in der Überlieferung in sentimentaler Weise ausgemalt: daß an der Erhebung der Anklage der Neid von E.s politischen Gegnern und die Wankelmütigkeit des Volkes den Hauptanteil hatten (dagegen Grote IX² 458ff. v. Stern a. O. 181ff.), daß E. die Schuld seiner Mitfeldherren auf sich nimmt (was rechtlich unzulässig war) er hält bei dieser Gelegenheit eine große Rechtfertigungsrede, daß er aber zum Schluß ohne förmliche Abstimmung freigesprochen ward. Von einer wirklichen Todesgefahr von E. kann nicht die Rede sein (v. Stern a. O. 181); der Prozeß endete mit seinem Freispruch durch Akklamation.

Das nächste Streben der boiotischen Staatsmänner mußte nach der einen Seite hin darauf gerichtet sein, den Einfluß Thebens in Thessalien aufrechtzuhalten; Pelopidas unternahm im Sommer 369 seinen ersten Zug dahin. Anderseits mußten die Thebaner darnach streben, feste Stützpunkte in der nördlichen Peloponnes zu erwerben, um sich die Verbindung mit den peloponnesischen Bundesgenossen zu sichern. Dies war wohl der Hauptzweck des zweiten Zuges, welchen E. auf Ansuchen der Bundesgenossen (Diod. XV 68, 1) noch im Sommer 369 in die Peloponnes unternahm (ich folge der von Sievers a. O.6 392ff. begründeten Chronologie, gegen Reuss Jahrb. f. Philol. CLI 542ff. und Niese Herm. XXXIX 84ff., dessen Argumentation mich nicht überzeugt hat). Dort war unterdes der Kampf der Arkader und Argiver gegen die Spartaner und deren Bundesgenossen weiter gegangen. Über den zweiten Zug vgl. im allgemeinen Xen. hell. VII 1, 1522. Diod. XV 68. 69. Das Heer, welches [2692] E. mit sich führte, scheint nicht sehr groß gewesen zu sein (nach Diod. XV 68, 1 waren es 7000 Fußsoldaten und 600 Reiter, dazu Kromayer Beitr. z. alten Gesch. III 62); die Spartaner und ihre Bündner erhielten Zuzug von den Athenern, mit welchen sie im Frühjahr 369 ein förmliches Kriegsbündnis abgeschlossen hatten» Das Kommando des attischen Korps führte diesmal Chabrias. Die vereinigten feindlichen Truppen (nach Diod. XV 68, 2 in der Stärke von 20 000 Mann, zweifellos waren sie den Boiotern an Zahl überlegen) besetzten das Oneiongebirge und sicherten die Durchgänge durch die Anlage von Verschanzungen (Diod. XV 68, 3). So musste E. zu dem Mittel der Überrumpelung greifen, um den Durchgang zu erreichen; gewiß forderte er nicht vorher den Feind zum Kampfe heraus (wie Diod. XV 68, 4 in konventioneller Ausmalung erzählt) , seine Absicht mußte sein, möglichst unbemerkt die Annäherung an die feindlichen Linien zu bewirken. Dies geschah unter dem Schutz der Nacht; bei Morgengrauen warf sich E. auf den schwächsten Punkt der feindlichen Stellung, welcher von Spartanern und Pellenaeern besetzt war, und erzwang, da auch die Verteidigung seitens des spartanischen Polemarchen, welcher den Posten kommandierte, ungenügend war, den Durchzug (Xen. a. O. 1517. Polyaen II 3, 9. Frontin II 5, 26). Zu dem harten Kampfe, von dem Diod. IXV 68, 5 erzählt (ein Nachklang davon bei Paus. IX 15, 4) ist es kaum gekommen. Hierauf vereinigte er sich mit den Arkadern, Argivern und Eleern und ging zunächst gegen Sikyon vor, welche Stadt, nachdem Pammenes den Hafen genommen hatte (Polyaen V 16, 3. Frontin III 2, 10, vgl. Schäfer a. O. I² 89, 1) durch freiwillige Abstimmung auf die Seite der Thebaner trat (vgl. Xen. hell. VII 1, 18. 22. 3, 2); auch Pellene wurde gewonnen (Xen. a. a. O. 18, dazu v. Stern a. O. 186, 1. v. Scala I 150 nr. 155. Ed. Meyer a. O. V 429; bei Diod. XV 69, 1 ist Pellene mit Phlius verwechselt). Bei der Einnahme eines Städtchens im Gebiet von Sikyon wurden boiotische Flüchtlinge gefangen (Paus. IX 14,4). Dagegen scheiterte der Angriff auf Troizen und Epidauros (E. begnügte sich mit der Verwüstung der Feldmark, vgl. auch Diod. XV 69, 1), auch ein verwegener Überfall auf Kormth mißlang und führte zu einer Schlappe der Boioter (dazu Plut. apophth. Ep. 19); für dieses Ereignis ist Xenophons einfachere Erzählung (hell. VII 1, 18. 19) vorzuziehen, während bei Diod. XV 69 eine große Schlacht daraus geworden ist, in welcher Chabrias den Sieg über die Thebaner davonträgt. Die Lage der Boioter wurde dadurch verschlechtert, daß eine Truppenmacht eintraf, welche Dionys von Syrakus den Spartanern zu Hülfe gesandt hatte; nachdem E. die korinthische Ebene verwüstet und den Reitern des Dionys einige kleinere Gefechte geliefert hatte, trat er den Heimmarsch an. Grotes Vermutung (X 2 16.17), dass Xenophons Erzählung über diesen Feldzug unvollständig sei und E. viel mehr ausgeführt habe, u. a. sich auch nach Arkadien begab, um den Fortschritt an dem Bau von Megalopolis und Messene zu beaufsichtigen, läßt sich nicht begründen. Der wichtigste Erfolg seines Zuges war der Anschluß von Sikyon, da Boiotien damit einen wertvollen Landungsplatz für den [2693] Transport seiner Truppen in die Peloponnes gewann; die Stadt wurde durch eine thebanische Besatzung gesichert. In Theben war man mit diesen Ergebnissen nicht zufrieden, vgl. Diod. XV 72, 1 2, dessen problematische Angabe, daß man E. den Vorwurf machte, vor Korinth zu wenig Spartaner getötet zu haben, wohl auf den Durchbruch der Stellung am Oneion gehen soll. Sicher ist, daß E. für das J. 369/8 nicht zum Boiotarchen wiedergewählt ward, möglich, daß man ihm dieses Amt für den Rest des J. 369 abnahm. Grote X² 27. 28 (ähnlich R. Weil Ztschr. f. Numism. VII 374, 3) setzt dieses Faktum erst in das J. 367 nach dem dritten Zuge des E. in die Peloponnes (dagegen v. Stern a. O. 206, 3); Beloch Griech. Gesch. II 266 und Ed. Meyer a. O. V 436ff. nehmen diesen einzigen Prozeß an. Ich kann mich keiner dieser Ansichten anschliessen. Die Neueren glauben, wenigstens zum Teil (Meissner 378 a. Kraft in Paulys Real–Encyklop. Sievers a. O. 194 und Bauch 57 zweifeln, Pomtow 100 setzt das Faktum in die Zeit nach dem dritten Zug), daß in diese Zeit die Bekleidung des E. mit dem Amte des τελέαρχος fällt, d. h. des Vorstehers der Straßenreinigung und Kanalisation (Plut. praec. ger. r. p. 5 p. 811 B. Val. Max. III 7 ext. 5), und fassen dies in Übereinstimmung mit den Quellen als eine ihm angetane Beschimpfung auf. Es ist auch nicht zu zweifeln, daß E. diese Beamtung einmal führte, freilich ungewiß, ob damals; die angegebene Tendenz ist nur aus der üblichen Ansicht von der Undankbarkeit des Volkes abgeleitet. Daß dieses Amt aller Wahrscheinlichkeit nach sehr wichtig war, bemerkte bereits Vischer 285, 1.

Die Thebaner irrten sehr, wenn sie glaubten, einen Mann wie E. lange entbehren zu können. Im J. 368 waren Pelopidas und Ismenias ohne Heer nach Thessalien gegangen, um durch ihr Auftreten die thessalischen Städte von den Übergriffen Alexanders von Pherai zu befreien. Allein der Tyrann nahm sie gefangen. Ein boiotisches Heer unter Kleomenes und Hypatas wurde ausgesandt, um die beiden zu befreien und den Tyrannen zu züchtigen (Diod. XV 71. Paus. IX 15, 1. 2); indessen konnten die Feldherren bei der numerischen Überlegenheit des Feindes – zudem zogen die boioterfreundlichen Thessaler ab – und dem Mangel an Lebensmitteln keine Schlacht wagen und mußten den Rückzug antreten. Auf demselben gerieten die Boioter, auch durch die ungeschickte Leitung, in eine schlimme Lage, so daß das von allen Seiten eingeschlossene Heer dem Untergang nahe war. E. machte, da er nicht zum Boiotarchen wiedergewählt war, den Feldzug als einfacher Hoplit mit; den Bitten des Heeres entsprechend übernahm er den Oberbefehl und es gelang ihm, hauptsächlich durch geschickte Verwendung der Reiterei, welche den Rückzug deckte, die Boioter, welche vom Feinde bis zum Spercheios verfolgt wurden, ungefährdet nach Hause zu bringen (außer den angeführten Stellen noch Plut. Pelop. 29; an seni 27 p. 797 A. B. Corn. Nep. 7, 1. 2. Polyaen II 3, 13). Grote X² 42ff. 45, 1 setzt die Gefangennahme des Pelopidas und den Feldzug der Thebaner in das J. 367, hauptsächlich deswegen, weil er annimmt, [2694] daß E. erst nach seinem dritten Zug in die Peloponnes 367 nicht zum Boiotarchen wiedergewählt ward; allein sein Ansatz ist nicht stichhältig, vgl. auch Schäfer a. O. I² 92, 3 und v. Stern a. O. 206, 3. Die Folge des Zuges war, daß die schuldtragenden Boiotarchen mit einer Geldstrafe belegt, E. für das nächste J. 368/7 zum Boiotarchen gewählt ward (Plut. Pelop. 29. Diod. XV 71, 7). Sobald es möglich war, wohl im Frühjahr 367, rückte E. mit einem neuen Heere aus, um Pelopidas zu befreien. Entgegen der allgemeinen Erwartung trat er dem Tyrannen nicht in offener Feldschlacht entgegen, da er befürchtete, daß jener, zum äußersten gebracht, sich an Pelopidas vergreifen könnte, brachte ihn aber durch geschickte Manöver so in die Enge, daß er beide Gefangene herausgab und einen alle 30 Tage erneuerten Stillstand abschloß (Plut. Pelop. 29); auch auf die Herrschaft über Pharsalos scheint Alexander verzichtet zu haben (Beloch a. O. II 268, 3).

Währenddem hatte in Delphi ein von Persien und Dionys von Syrakus veranlaßter Kongreß zur Beilegung des Krieges stattgefunden (Sommer 368), der resultatlos blieb. Die Kämpfe der Arkader und Argiver mit Sparta gingen weiter, s. Bd. II S. 1129; da aber auch das Verhältnis zwischen Theben und seinen peloponnesischen Bundesgenossen sich lockerte und die besonders von Lykomedes vertretene Absicht Arkadiens, sich auch gegen Theben selbständig zu stellen, immer deutlicher hervortrat, so versuchte letzteres durch die Sendung des Pelopidas nach Susa (wahrscheinlich 367), Persien auf seine Seite zu ziehen und durch dessen Intervention einen seinen Ansprüchen günstigen Frieden herbeizuführen. Die neueren Panegyriker des E. haben die Frage aufgeworfen, ob E. mit diesem Schritt seiner Vaterstadt, der Persien wieder zum Schiedsrichter über die Streitigkeiten der Griechen machte, einverstanden gewesen sei (Pomtow 95. Curtius III² 352ff. Vischer 302); obwohl die Quellen über diesen Punkt vollständig schweigen, liegt nicht der geringste Grund vor, daran zu zweifeln, da dieses diplomatische Vorgehen nicht nur der traditionellen perserfreundlichen Haltung Thebens, sondern auch seinen damaligen Interessen entsprach. Allein die Durchführung der Friedensbedingungen Persiens scheiterte an dem einmütigen Widerstand der griechischen Staaten, vor allem der Arkader. Unter diesen Umständen hielt Theben es für eine Notwendigkeit, seine Stellung in der Peloponnes auch seinen widerspenstigen Bundesgenossen gegenüber zu befestigen, und E. unternahm einen dritten Zug in die Halbinsel (wahrscheinlich 367, nach Sievers 397). Darüber Xen. hell. VII 1, 41–43. Diod. XV 75, 2. Das Oneiongebirge war auch diesmal gesperrt; die Spartaner und die Athener unterhielten seit den letzten Jahren einen permanenten Kordondienst daselbst, der im Lauf der Zeit nachlässiger geworden war. Auf die Aufforderung des E. hin besetzte der argivische Strateg Peisias den über Kenchreai führenden Pfad, und so konnte E. seinen Einmarsch ungestört bewerkstelligen. Der Zauber seines Namens verfehlte auch diesmal seine Wirkung nicht; die bundesgenössischen Kontingente vereinigten sich bereitwillig mit ihm, und das gesamte [2695] Heer rückte gegen Achaia vor, das seit E.s erstem Zug eine neutrale Stellung eingenommen hatte. Die achaeischen Städte unterwarfen sich ohne Schwertstreich und verpflichteten sich durch Verträge den Boiotern zur Heeresfolge; Dyme (nach v. Scala a. O. 157 ein Mißverständnis) und die an der gegenüberliegenden Küste liegenden, von den Achaeern schon längere Zeit besetzten Städte Naupaktos und Kalydon wurden den Boiotern abgetreten. Dafür machte E. die Konzession, daß an den bestehenden oligarchischen Gemeindeverfassungen nichts geändert und die herrschenden Familien in ihrer Macht belassen wurden. Der Erfolg dieses Zuges wäre, wenn bleibend, höchst bedeutend gewesen, denn Theben hätte damit nicht nur seine Hand auf die Peloponnes gelegt, sondern auch den korinthischen Meerbusen in einen boiotischen Binnensee verwandelt. Doch wurde er durch politische Parteileidenschaft vereitelt; auf die wohl mala fide vorgebrachten Beschwerden der im demokratischen Fahrwasser segelnden Arkader und der demokratischen Parteien in Achaia selbst wurden die Anordnungen des E. von den Thebanern widerrufen, Besatzungen in die achaeischen Städte gelegt, die Oligarchien verjagt und überall demokratische Stadtverfassungen eingerichtet. Die Folge war, daß die Vertriebenen sich sammelten und nach und nach wieder der achaeischen Städte bemächtigten; sobald dies geschehen war, traten sie entschieden auf die Seite der Spartaner. Der Verlust von Achaia war für Theben umso empfindlicher, als auch Pellene abfiel (Ed. Meyer a. O. V 446. 447) und Sikyon nicht mehr als zuverlässiger Verbündeter betrachtet werden konnte (s. Euphron). Pomtow 100 nimmt nach diesem Feldzug ebenfalls eine Nichtwiederwahl des E. zum Boiotarchen an.

Bald darauf kam es zwischen Athen und seinen peloponnesischen Bundesgenossen infolge des Verlustes von Oropos zu einer Entfremdung (Schäfer a. O. I² 104ff.); eine Gelegenheit, welche Lykomedes von Mantineia geschickt benützte, um ein Bündnis des arkadischen κοινόν mit Athen zu stande zu bringen (Xen. hell. VII 4, 1ff.), doch blieb das vertragsmäßige Verhältnis zu Theben dadurch formell unberührt. Auf Grund der von Plutarch apophth. Ep. 15; praec. g. r. p. 14 p. 810 F und Corn. Nep. 6 erhaltenen Überlieferung, daß es vor den arkadischen Zehntausend einmal zu einem gewaltigen Redekampf zwischen Kallistratos und E. gekommen sei, nehmen Bauch 66, Grote X² 48, Pomtow 98 und Ed. Meyer a. O. V 448ff. an, daß E. um diese Zeit als Gesandter zu den Arkadern geschickt ward, um sie von der Ratifikation des Bündnisses mit Athen abzubringen (dagegen bezieht Schäfer a. O. I² 127 diese Erzählung auf das J. 362, Sievers a. O. 296. 305 schwankt in dem Ansatz); es wird besser sein, diese unwahrscheinliche Geschichte ganz zu streichen, welche gleich jener Diodors XV 38 nur den Zweck hat, den bedeutendsten attischen Redner, der zugleich Führer der boioterfeindlichen Partei war, und den ersten Staatsmann Thebens in persönlichen Gegensatz zu bringen (vgl. auch v. Stern a. O. 210, 2. v. Scala a. O. 158). Die Erschöpfung der peloponnesischen Staaten führte endlich dazu, daß im J. 366/5 ein Frieden geschlossen [2696] wurde, von dem sich aber Sparta fern hielt, da er die Anerkennung Messeniens als selbständigen Staates enthielt.

Infolge dieses Friedens überließ Theben seine peloponnesischen Bundesgenossen zunächst sich selbst, und E., der bisher die Peloponnes als die eigentliche Domäne seiner Tätigkeit betrachtet hatte, wandte seine Aufmerksamkeit jetzt anderen Dingen zu. Thebens gefährlichster Feind war nicht so sehr Sparta, das seit Messeniens Wiederherstellung von einer Kette feindlicher Staaten umgeben und dem Theben in militärischer Hinsicht entschieden überlegen war, sondern Athen, das die See beherrschte und dessen Macht gerade in der letzten Zeit durch Timotheos Verdienst wieder einen großen Aufschwung genommen hatte. Dieser Umstand mag in E. den wohl schon lange schlummernden Gedanken gezeitigt haben, daß es für Thebens Machtstellung notwendig sei, eine Flotte zu schaffen und Athen die Herrschaft zur See streitig zu machen; letzteres hatten die Thebaner bereits durch die Gesandtschaftsreise des Pelopidas nach Susa erreichen wollen, da unter den Anordnungen des königlichen Reskripts auch den Athenern befohlen war, ihre Flotte außer Dienst zu stellen. Der einzige ausführliche Bericht darüber steht bei Diod. XV 78, 4. 79, 1. 2. Den Neueren kam diese Unternehmung so von der Sinnesart des E., wie sie sich dieselbe vorstellten, abweichend vor, daß sie entweder wie Meissner 567ff. in merkwürdiger Hyperkritik annahmen, daß die ganze Erzählung eine Erdichtung sei, oder doch daß die maritime Entfaltung Thebens gegen E.s ursprüngliche Absichten geschehen sei und er dazu gedrängt wurde (Bauch 70ff. Curtius III² 365ff.). Die Anspielungen der antiken Schriftsteller, welche dies rechtfertigen sollen (Plut. Philop. 14. Paus. VIII 11, 10), sind dafür eine schwache Stütze, und es ist nicht zu zweifeln (Grote X² 66, 1. v. Stern a. O. 217), daß es sich hier um wohlüberlegte Gedanken handelt, die der eigensten Initiative des E. entsprangen; man erinnere sich an seinen gut bezeugten Ausspruch Aisch. II 105, der bei Curtius III² 382 eine merkwürdige Umdeutung erfährt. Auf seinen Antrag wurden 100 Trieren (und ebensoviele Schiffshäuser) gebaut mit welchen E. im J. 364 seine erste Ausfahrt in das aegaeische Meer unternahm (daß die Expedition in dieses Jahr, nicht 363, gehört, nachgewiesen von Köhler Herm. XXIV 638). Ihr Zweck war, die Bundesgenossen Athens, die mit der Politik des Vororts schon seit längerer Zeit unzufrieden waren, zum Abfall zu bringen und das Gefüge des Seebundes zu sprengen. Zunächst fuhr E. gegen Keos, dessen Städte sich auf sein Herannahen erhoben (aus IG II 5, 54 b von Köhler Athen. Mitt. II 147ff. gezeigt, vgl. auch A. Pridik De Cei insulae rebus 36ff.); wahrscheinlich brachte E. schon hier ein attisches Geschwader, welches sich ihm entgegenstellte, zum Weichen. Es mögen noch andere Abfälle von Inseln stattgefunden haben; E. nahm seinen Kurs, wohl über Chios, zum Hellespont, in der richtigen Erkenntnis dessen, was die Meerengen für Athen bedeuteten, und gelangte bis Byzanz (Isocr. V 53). Es sollen sogar die hadernden Parteien von Heraklea am Pontus seine Intervention angerufen haben, die er [2697] aber versagte (Iustin. XVI 4, 3). Was die Erfolge dieses Seezugs anlangt, so wurde Keos bald darauf wieder von den Athenern zurückgewonnen (Köhler a. O.); dagegen scheinen Byzanz, Rhodos und Chios, mit welchen E. schon vor seiner Ausfahrt Unterhandlungen angeknüpft hatte, in engere Beziehungen zu Theben getreten zu sein (Busolt Jahrb. f. Philol. Suppl. VII 803). Zu deren bleibender Ausgestaltung und überhaupt zu einer umfassenden Durchführung von E.s Absicht hätte es noch wiederholter Flottenexpeditionen bedurft, zu welchen E. nicht mehr kam. Während E.s Abwesenheit wurde eine Verschwörung in Theben entdeckt, welche auf den Umsturz der Verfassung abzielte und an der sich die Ritterschaft von Orchomenos beteiligt hatte. Die Folge war ein Kriegszug gegen Orchomenos: die Stadt wurde zerstört, die männliche Einwohnerschaft getötet, die Weiber und Kinder in die Sklaverei verkauft (Diod XV 79. 3ff.). Pausanias (IX 15, 3) setzt dieses Ereignis unrichtigerweise in das J. 368, da E. auf dem Feldzug in Thessalien abwesend war (dazu v. Stern a. O. 224, 2 und Ed. Meyer a. O. V 461); nach ihm soll E. das harte Vorgehen Thebens auf das höchste beklagt und versichert haben, daß, falls er zu Hause geblieben wäre, eine solche Frevelthat nicht hätte stattfinden können. Obwohl v. Stern a. O. 224ff. dies für eine sentimentale Ausschmückung hält, so ist es doch ganz glaublich, daß E. mit der übertriebenen und unnötigen Grausamkeit nicht einverstanden war, welche Theben in den Augen der Griechen brandmarkte (vgl. Demosth. XX 109).

Im nächsten J. 364/3 war E. nicht Boiotarch, ungewiß aus welchem Grunde; das boiotische Heer, welches nach Thessalien ging, um den Tod des Pelopidas zu rächen, wurde nicht von ihm, sondern von Malekidas und Diogeiton befehligt (Plut. Pelop. 35, dazu Köhler Herm. XXIV 638). Dagegen wurde E. wieder für 363/2 zum Boiotarchen gewählt. Seit dem Frieden von 366/5 hatten in der Peloponnes blutige Zwistigkeiten zwischen Elis und Arkadien stattgefunden, wobei Elis von Sparta unterstützt wurde; damit war die bisherige mit Theben verbündete Coalition der peloponnesischen Mittelstaaten zerfallen. Auch innerhalb des arkadischen Bundes selbst kam es zu einer tiefgehenden Spaltung zwischen dem partikularistischen Mantineia und dem demokratischen Theben zugeneigten Tegea (s. Bd. II S. 1130); als die Zehntausend den Beschluß gefaßt hatten, von der Verwendung des olympischen Tempelschatzes zur Besoldung der Epariten abzusehen, und dieses Corps damit eine Umwandlung erfuhr, sandte die Centralbehörde eine Bitte nach Theben um Intervention, da sonst ganz Arkadien zu Sparta übertreten würde. Allein dieser Gesandtschaft folgte eine zweite von Seiten der Zehntausend, welche sich einen bewaffneten Eingriff verbat (Xen. hell. VII 4, 34. 35). Nicht lange darauf nahm bei dem Versöhnungsfest in Tegea der Kommandant der dortigen thebanischen Besatzung an dem Anschlag gegen die Mantineer teil, ging aber dabei sehr ungeschickt und wenig energisch vor. Eine Gesandtschaft der Arkader forderte in Theben seine Bestrafung mit dem Tode, erhielt aber von E. die schroffe Antwort, daß er das anfängliche Verhalten des Kommandanten vollständig billige [2698] und die Thebaner mit den Waffen in der Hand die Verhältnisse in Arkadien zu ihren Gunsten ordnen würden (Xen. hell. VII 4, 40). In der Tat mußte Theben in entscheidender Weise eingreifen, wenn es nicht den Rest seines ohnehin stark erschütterten Einflusses in der Peloponnes einbüßen wollte.

Damit befand sich Theben in Kriegszustand mit den partikularistisch gesinnten Arkadern; diese säumten nicht, zum Schutz vor der bevorstehenden Invasion sich nach Helfern umzusehen, und so kam es zu Verhandlungen über ein Bündnis zwischen Mantineia und seinen arkadischen Parteigängern mit Athen, Achaia, Elis und Phlius (Xen. hell. VII 5, 1ff. Diod. XV 82, 4), dem sich später Sparta anschloß, vgl. IG II 1, 57. 112 = Dittenberger Syll.² 105; die Datierung dieser Urkunde durch Köhler Athen. Mitt. I 197ff. scheint mir durch die Erörterungen von Unger Philol. N. F. III 121ff. und Foucart Rev. arch. 3ème sér. XXXIII 1898, 313ff. nicht erschüttert zu sein (vgl jetzt Kromayer Antike Schlachtfelder I 100ff. 109ff.). Ende April oder Anfang Mai des J. 362 (bezüglich der Zeit vgl. unten über das Datum der Schlacht von Mantineia) trat E. seinen vierten und letzten Kriegszug in die Peloponnes an. Darüber die vortreffliche, wenn auch nicht erschöpfende Darstellung Xenophons hell. VII 5; zur Ergänzung bes. Diodor XV 82ff. Polyb. IX 8. Plut. Ages. 34. Iustin. VI 7. Aelian. v. h. VI 3. Aen. Pol. 2, 2, vgl. die kritische Erörterung der Quellen bei Bauer Hist. Ztschr. N. F. XXIX 253ff.; neben den allgemeinen Darstellungen noch Schäfer Demosth. III¹ 2, 1ff. Fougères a. O. 457ff. und besonders Kromayer a. O. I 29ff. E. führte außer den boiotischen Truppen auch das Aufgebot des mittelgriechischen Bundes mit sich (Xen. hell. VII 5, 4 nennt bloß die Euboier, vgl. aber Diod. XV 85, 2), nur die Phoker verweigerten die Heeresfolge (Xen. a. a. O.); dazu kamen thessalische Hülfsvölker sowohl von Alexander von Pherai als den freien Thessalern. E. rückte, ohne diesmal Widerstand zu finden, über den Isthmos und machte in Nemea Halt (wahrscheinlich zog er dort das Kontingent von Sikyon heran); er verzichtete freiwillig auf die Gelegenheit, seine peloponnesischen Gegner an der Vereinigung zu hindern, da ihm daran lag, das attische Corps auf seinem Marsch nach Arkadien abzufangen (Xen. a. a. O. 6. 7). Da ihm aber die, wie sich später herausstellte, falsche Nachricht zukam, daß die Athener ihre Truppe zur See nach Lakonien befördern würden, gab er seine Absicht auf und marschierte nach Arkadien, wo er in Tegea Halt machte und innerhalb der Stadt lagerte (Xen. a. a. O. 7. 8); dort stießen die Truppen der zu Theben stehenden arkadischen Städte: Tegea, Megalopolis, Asea, Pallantion, sowie der Messenier und Argiver zu ihm (Xen. a. a. O. 5). Die andern Arkader, die Achaier, Eleer und ein Teil der Spartaner hatten sich währenddem in Mantineia konzentriert und sandten nach Sparta die Bitte um Zuzug, worauf sich Agesilaos mit dem größten Teil des spartanischen Heeres auf den Weg machte. Als E. davon Kunde erhielt und daß Agesilaos bereits in Pellana angelangt sei, beschloß er durch einen Gewaltmarsch die unbeschützte Stadt Sparta zu überfallen. Über diesen [2699] Zug vgl. Bauer a. a. O. und Kromayer a. O. I 37ff. Angeblich mit einem Heere von 15 000 Mann (Iustin. VI 7, 4, dazu Enmann Untersuchungen über die Quellen des Pompeius Trogus 109; nach Kromayer a. O. I 38 hatte er mindestens 20 000 Mann) brach er des Abends auf (auch Polyb. IX 8, 3, in dessen Bericht ein Fehler steckt, vgl. Roloff a. O. 7ff.) und marschierte die Nacht hindurch (Polyaens II 3, 10 Angabe, daß der Angriff bei Nacht geschah, ist eine spätere Ausgestaltung). Sein Anschlag wäre sicherlich geglückt, wenn nicht Agesilaos durch Verrat davon Kenntnis erlangt hätte (nach Xen. a. a. O. 10 durch einen Kreter, nach Kallisthenes bei Plut. Ages. 34 durch einen thespischen Überläufer; die Version bei Diod. XV 82, 6 ist ganz abgeschmackt, dazu Schäfer a. O. III¹ 2, 5). So sandte Agesilaos schnell Botschaft nach Hause und kehrte selbst auf dem Wege um. Es gelang ihm, Sparta, noch bevor E. eintraf, zu erreichen (die von Polyb. IX 8, 6. Diod. XV 83, 4 und Iustin. VI 7, 9 vertretene Version, daß Agesilaos erst später ankam, ist gegenüber Xenophon, Plut. Ages. 34 und Polyaen a. O. zu verwerfen). Trotzdem war die Übermacht des E., der des Morgens zwischen 8 und 9 Uhr vor Sparta war, groß; er ging über den Eurotas und drang bis zum Markte vor (Plut. a. a. O. Polyb. IX 8, 5); allein Agesilaos hatte die Straßen verrammeln lassen (Aen. Pol. 2, 2), und die Spartaner kämpften mit der größten Tapferkeit (Plut, a. a. O. Ael. v. h. VI 3), so daß die von verschiedenen Seiten erfolgenden Angriffe der Thebaner, welche das Terrain geschickt benützten, nicht zum mindesten durch das Verdienst des Archidamos abgeschlagen wurden (vgl. Xenophons Schilderung a. a. O. 11ff. Diod. XV 85, 3ff.). Da E. erwarten mußte, daß die Verbündeten Spartas nachrückten (nach Diod. XV 84, 1 erfuhr er dies von einigen Kriegsgefangenen), so gab er seinen Plan auf und vertauschte ihn mit einem anderen: während er Wachtfeuer anzünden ließ, um den Feind zu täuschen (Diod. a. a. O. Polyaen a. a. O. Frontin III 11, 5), marschierte er abends rasch nach Tegea zurück und sandte seine Reiterei voraus, um das von Verteidigern entblößte Mantineia zu nehmen, dessen Bewohner mit dem Einsammeln der Ernte auf den Feldern beschäftigt waren. Auch dieser Anschlag wurde durch einen unvorhergesehenen Zwischenfall vereitelt; unmittelbar vor der boiotischen und thessalischen Cavallerie war die die Vorhut des attischen Corps, das nun doch den Landweg eingeschlagen hatte, bildende Reiterei in Mantineia angelangt, die sogleich zur Abwehr ausrückte und die Thebaner nach einem heftigen Gefechte zurückschlug (Xen. hell. VII 5, 14ff. Plut, de gloria Ath. 2 p. 346 Bff.; ungenau Diod. XV 84, 2. Polyb. IX 8. 8ff.: vgl. Schäfer a. O.¹ III 2, 10ff. v. Stern a. O. 237, 1). So waren die Anschläge des E., welche, wie Xenophon (hell. VII 5, 8) und Polybios (IX 8, 6 13) hervorheben, vom militärischen Standpunkt volles Lob verdienen, durch Zufälle zunichte gemacht, die vorauszusehen nicht in seiner Macht war; es blieb ihm nichts anderes übrig, als eine Entscheidungsschlacht in der zuletzt eingenommenen Position zu liefern, bei welchem Entschluß die Momente kleinlichen, persönlichen Ehrgeizes, welche Xenophon (hell. VII 5, 18) ihm unterlegt, [2700] sicherlich nicht den Ausschlag gaben (vgl. auch die richtigen Bemerkungen Grotes X² 96ff). So kam es zur Schlacht bei Mantineia (am 27. Juni 362, nach Kromayers Beweisführung a. O. I 100ff., gegen Köhler Athen. Mitt. I 200ff.; ganz unmöglich ist Ungers a. a. O. Ansatz auf den August 363). Beschreibung der Schlacht bei Xenophon hell. VII 5, 20ff. Diod. XV 84ff. (enthält trotz Polyb. XII 25f., 3 einige brauchbare Elemente, vgl. Kromayer a. O. I 90ff), dazu Polyaen II 3, 14. Frontin II 2, 12; von neueren außer den allgemeinen Darstellungen (davon Ed. Meyer a. O. V 469ff.) bes. Schäfer a. O.¹ III 2, 1ff. Rüstow–Köchly a. O. 175ff. H.Droysen a. O. 97, 3. 99ff. Bauer in Iw. Müllers Handbuch IV² 1, 2, 410ff. (dazu Taf. IX). Lammert a. O. 27. 28. Delbrück a. O. I 135. Kromayer a. O. I 47ff. (mit Karte) [ganz abweichend von letzterem jetzt Lammert Ilbergs Neue Jahrb. VII 1904, 114ff.]. Was die Zahl der einander gegenüberstehenden Streitkräfte anlangt, so waren nach Diod. XV 84, 4 die Thebaner und ihre Bundesgenossen 30 000 Mann Infanterie und 3000 Reiter stark (nach Plut. de gloria Athen. 346 B gar 70 000), die Feinde mehr als 20 000 Mann Infanterie und ca. 2000 Reiter (dazu Kromayer a. O. I 114ff.). E. marschierte von Tegea aus nicht geradewegs auf den Feind los, sondern wandte sich nach Nordwesten und machte unter den Anhöhen daselbst (Merkovuni) Halt, um sich in Angriffsformation zu entwickeln; seine Bewegungen wurden durch die Reiterei maskiert, welche sich als Schleier vor dem Fußvolk hin und her bewegte (Polyaen a. a. O. Frontin a. a. O.). Die in der Enge zwischen den Bergen Mytika und Kapnistra aufgestellten Feinde, welche nach seinem Vorgehen glaubten, E. werde ein Lager beziehen und an diesem Tage keine Schlacht mehr liefern, lösten die strenge Ordnung. Auf das hin führte E. seine Armee wieder in der schiefen Schlachtordnung gegen Nordosten zum Angriff; den Keil bildeten die Boioter und die Arkader, im Zentrum standen die mittel- und nordgriechischen Truppen, dazu die Messenier, während auf dem rechten zurückgehaltenen Flügel die Argiver aufgestellt waren (Diod. XV 85, 2). Auf der Gegenseite standen die Spartaner und die Mantineer auf dem rechten Flügel, im Zentrum die Eleer und die Achaier, während der linke Flügel von den Athenern eingenommen ward (Diod. a. a. O.). Ihnen gegenüber, um ihr Eingreifen in das Gefecht zu verhüten, sandte E. ein kombiniertes Detachement von Infanterie und Reiterei nach den im Nordosten gelegenen Ausläufern der Kapnistra. Die Schlacht wurde auch diesmal durch einen Angriff der auf dem linken Flügel in Masse formierten boiotischen Reiter eröffnet, die, begleitet von ἅμιπποι πεζοί, die feindliche Kavallerie über den Haufen warfen. Darauf folgte der Stoß des boiotischen Angriffsflügels, wobei sich E. persönlich an die Spitze setzte. Er erreichte seinen Zweck, und der Feind war bereits im Weichen, als E. von einem feindlichen Speer tödlich getroffen niedersank (Plut. Ages. 35). Die Angabe Diodors XV 86, 4, er habe den spartanischen Anführer getötet, ist ebenso eine Übertreibung wie die darauf folgende, eher komisch wirkende Schilderung, wie die Feinde ihre Geschoße auf E. richten [2701] und er sie zu Anfang geschickt vermeidet (Meissner 474ff. Holm Griech. Gesch. III 144). In diesen Kreis von Erfindungen gehört auch die Nachricht Plutarchs apophth. Lac. Ages. 75 (ähnlich Corn. Nep. 9), Agesilaos habe den Spartanern den Befehl erteilt, nach E. allein zu zielen. Wer E. die tödliche Wunde beibrachte, darüber herrschte im Altertum Streit, vgl. Schäfer a. O.¹ III 2, 14ff., der zeigte, daß Pausanias Behauptung, Gryllos habe E. getötet (VIII 11, 6. IX 15, 5), ganz absurd und nur ein Mißverständnis des Schriftstellers ist; am wahrscheinlichsten ist es, daß ein Spartaner Antikrates mit dem Beinamen Machairion es war (Dioskurides bei Plut. Ages. 35. Paus. VIII 11, 5), da ihm und seinen Nachkommen besondere Ehren und Vorrechte verliehen wurden. E.s Verwundung übte auf seine Truppen eine lähmende Wirkung aus (Xen. a. a. O. 25), sowohl die Fußgänger als die Reiterei stellten die Verfolgung des zurückweichenden Feindes ein. Die Reiterei des gegen die Kapnistra gesandten boiotischen Detachements hatte die gegenüberstehende attische Kavallerie geworfen, ihr Fortschreiten war aber dann von den elischen Reitern zum Stehen gebracht worden; dagegen wurden die diesem Detachement beigegebenen Fußtruppen von den Athenern aufgerieben (Diod. XV 87, 4ff.). Auch die thebanischen Leichtbewaffneten des linken Flügels, welche ihnen in den Rücken gefallen waren, wurden, da die Hülfe des boiotischen Fußvolks ausblieb, zum größten Teil vernichtet (Xen. a. a. O. 25, vgl. Lammert Ilbergs Neue Jahrb. II 28). So konnten die Athener die Schlacht als unentschieden ansehen und ein Tropaion errichten (Diod. XV 87, 2. 3).

Über die letzten Augenblicke des E. besitzen wir einige Angaben, welche als paradigmatisch für das Ende eines Helden in unsere Schulbücher übergegangen sind. Als beglaubigt ist zu betrachten , daß er nach seiner Verwundung auf eine nahe gelegene Anhöhe Σκοπή getragen wurde (Paus. VIII 97, 7, vgl. Fougères a. O. 111. Kromayer a. O. I 51, 2, nicht in das Lager, Diod. XV 87, 5), und daß er den abgebrochenen Speer aus der Wunde erst dann zog was nach dem Ausspruch der Ärzte sein Ende bedeutete, als er den Sieg der Boioter erfahren hatte. Alle übrigen Züge (von den meisten Neueren angenommen): daß er den Schildträger befragte, ob sein Schild gerettet sei (Diod., auch Iustin. VI 8, 11ff.), daß er auf die Nachricht von dem Tode der boiotischen Kommandanten Diophantos und Iolaidas den Rat gab, seine Vaterstadt möge Frieden schließen (Plut. apophth. 24. Aelian v. h. XII 3), die lange Rede bei Val. Max. II 2 extr. 5, endlich seine Antwort auf die Klagen der Freunde, daß er kinderlos sterbe, er hinterlasse zwei Töchter, Leuktra und und Mantineia (Diod. XV 87, 7, bei Corn. Nep. 10, 2 ihm zu anderer Zeit in den Mund gelegt), kennzeichnen sich als geschäftige Erfindungen derselben Tradition, welche das Leben des E. mit einer Fülle erfundener Einzelheiten ausschmückte (anders Schäfer a. O.¹ III 2, 18). E. wurde auf dem Schlachtfelde selbst bestattet, die Grabstele trug seinen Schild mit dem Wappen des Drachen als Zeichen der Herkunft von den Sparten; eine Inschrift in boiotischem Dialekt war an ihr angebracht. [2702] Eine zweite Stele errichtete Hadrian mit einem von ihm selbst verfaßten Epigramm (Paus. VIII 11, 8), vgl.Fougères a. O. 111ff. In Theben wurde ihm auf der Kadmeia eine Statue errichtet mit einem Epigramm, welches seine wichtigsten Taten hervorhob (Paus. IX 15, 6, dazu Th. Preger Inscriptiones graecae metricae 127 nr. 161). Auch im Asklepiosheiligtum zu Messene und im Hierothysion daselbst standen Bildsäulen des E. (Paus. IV 31, 10. 32, 1); sein Andenken lebte daselbst im 2. Jhdt. n. Chr. noch fort (Inschr. von Olympia nr. 447). Ein Bildnis des E. rührte von Aristolaos, Schüler des Pausias, her (Plin. n. h. XXXV 137).

Das Urteil über die historische Bedeutung des E. hat zu verschiedenen Zeiten sehr geschwankt. Unbestritten ist seine hervorragende Stellung als Taktiker, die schon das Altertum klar erkannte (z. B. Diod. XV 39, 2); sie hat den schöpferischen Zug echter Genialität und bedeutet durch die Einführung der Flügelschlacht nicht bloß der früheren Gefechtsweise gegenüber einen epochemachenden Fortschritt, sondern gab auch den Anstoß zur Ausbildung der Taktik Alexanders d. Gr. (bes Lammert a. O. 21ff. 29. Delbrück a. O. I 130ff. 139. 145. Roloff Probleme aus d. griech. Kriegsgesch. 42ff.). Ebenso groß wie als Taktiker war E. als Organisator der Heere; er übte die strengste Mannszucht (vgl. z. B. Frontin III 12, 3) und wußte den ihm unterstehenden Körper mit seinem Geiste zu erfüllen und zu den höchsten Leistungen zu befähigen (die bewundernden Worte Xenophons hell. VII 5, 19 sind bekannt). Die Gewaltmärsche seiner Truppen in dem letzten Feldzug, von Tegea nach Sparta und zurück, zählen zu den glänzendsten Leistungen der Kriegsgeschichte (vgl. Kromayer a. O. I 45. 77). Ob E. als Stratege den gleichen Rang einnahm wie als Taktiker, ist eine andere Frage; sie ist in letzter Zeit von Bauer (Hist. Ztschr. N. F. XXIX 270ff. und Iw. Müllers Handbuch IV² 1, 2, 411ff.) und Kromayer a. O. I 6. 7. 28. 40. 76ff. bejahend beantwortet worden, da E. zum erstenmal bewußt die ,Niederwerfungsstrategie' angewandt habe und er auch in dieser Hinsicht ein Vorläufer von Philipp und Alexander d. Gr. gewesen sei. Allerdings ist zu sagen, daß ein wichtiges Argument für diese Auffassung der zweimalige Angriff des E. auf Sparta nicht volle Geltung hat, da der Zug gegen Sparta im Winter 370/69 nicht ursprünglich im Plane des E. lag und er auch den Entschluß zum Überfall auf Sparta im J. 362 erst später faßte, als er erfuhr, daß die Stadt durch Agesilaos Abmarsch von Streitkräften entblößt sei. Dennoch ist zuzugeben, daß die von E. eingeschlagene energische Offensive in der griechischen Kriegführung etwas ganz Neues bedeutet und er darin vorbildlich für die beiden makedonischen Könige geworden ist; Roloffs Leugnung dieser Tatsache (a. O. 12ff.) ist nach meiner Ansicht unbegründet und von E. v. Stern (Lit. Zentralbl. LV 1904, 776ff.) und Kromayer (Berl. Phil. Wochenschr. XXIV 1904, 983ff.) widerlegt worden.

Weniger Einmütigkeit als bezüglich der militärischen Bedeutung des E. herrscht in Rücksicht auf seine staatsmännischen Leistungen. Im Altertum allerdings ist das Urteil über ihn einstimmig günstig, und man trifft auf die Auffassung, daß [2703] E.s Wirken nicht bloß seiner Vaterstadt, sondern ganz Hellas von Nutzen gewesen sei, so in der Inschrift auf seiner Statue in Theben (Paus. IX 15, 6: Ἡμετέραις βουλαῖς . . . . αὐτόνομος δ’ Ἑλλὰς πᾶς’ ἐν ἐλευθερίῃ)) und in der ihm in den Mund gelegten Verteidigungsrede bei dem Prozeß des Frühjahrs 369 (Plut. apophth. 23 ἀποδοῦναι δὲ τοῖς Ἕλλησι τὴν αὐτονομίαν, ebenso Aelian v. h. XIII 42. Corn. Nep. 8, 4). Es ist unverkennbar, daß diese Anschauung von Theben aus propagiert wurde; sie tritt in scharfen Gegensatz zu Xenophons Auffassung, hell. VII 1, 33 (συνεχῶς δὲ βουλευόμενοι Θηβαῖοι, ὅπως ἂν τὴν ἡγεμονίαν λάβοιεν τῆς Ἑλλάδος κτλ.). Das Urteil des Altertums über E.s historische Bedeutung hat durch die stete Beimischung des sittlichen Maßstabs und die Bewunderung für seine Charaktereigenschaften etwas Schiefes erhalten. Bekannt ist die große Vorliebe des Ephoros für E. (Plut. de garrul. 22, 514 C). Sein Urteil liegt bei Diod. XV 39. 88. Strab. IX 401. Iustin. VI 8 (darüber Enmann a. O. 110) vor: E. habe nicht bloß die hervorragendsten Männer seiner, sondern auch der vorhergehenden Zeit durch Vereinigung aller Tugenden in sich übertroffen; nur durch ihn sei Boiotien zu der Höhe erhoben worden, nach seinem Tode wieder von ihr herabgesunken, weil es (wie der echte Stubengelehrte hinzufügt) an Erziehung und Redegewandtheit fehlte und man einseitig auf die militärische Ausbildung Gewicht: legte. Die Auffassung, daß E. der erste der Hellenen gewesen sei, findet sich wieder bei Cic. Tusc. I 2; de orat. III 139 und Aelian v. h. VII 14; daß die Thebaner nur ihm und Pelopidas ihre Glanzzeit verdankten, betonen auch Deinarch I 73 und Polyb. VI 43, 4ff. Die verherrlichende Überlieferung über E., welche auf die uns erhaltenen Schilderungen seines Lebens (Plutarch bei Pausanias, Cornelius Nepos, dann in Plutarchs Moralia, Aelian, Polyaen u. s. w.) eine so starke Einwirkung äußerte, und der Umstand, daß wir außer Xenophon keinen Vertreter der gegenteiligen Ansicht kennen, läßt daher auch Bauers Ansicht (Hist. Ztschr. N. F. XXIX 268ff.) als unwahrscheinlich erscheinen, daß das Lob des E. bei Ephoros und Polybios eine vorübergehende Erscheinung sei und sonst die antithebanische Auffassung in der Tradition vorherrschte; dagegen spricht auch der Umstand, daß Timoleon und Philopoimen ihn sich zum Vorbild erwählten (Plut. Timol. 36; Philop. 3), was besonders bei dem ersten, der einer Theben feindlichen Stadt entstammte, Bedeutung hat. Auch Ciceros Urteil geht gewiß auf griechische Quellen zurück.

Das Urteil der Neueren über E. litt ebenfalls vielfach an demselben Fehler wie dasjenige der Alten, daß für E. nicht dasjenige, was er geschaffen, sondern sein Charakter und seine sittlichen Eigenschaften zu Grunde gelegt wurden; bezeichnend ist dafür, daß Grote die Frage nach der historischen Leistung des E. gar nicht aufwarf und nur in eine kritische Erörterung von dessen Seepolitik eintrat. Dazu war durch lange Zeit eine ideale Auffassung von dem Befreiungskampf und der Hegemonie Thebens allein herrschend. Meissner ist in dieser Hinsicht noch gemäßigter (wenn er 488 E. als den ersten der damals lebenden Griechen bezeichnet) als der sonst so besonnene [2704] Sievers, nach dem (195) E. alle Talente des Feldherrn und Staatsmannes besaß, der durch die Wiederherstellung Messenes sich eine Stelle unter den Wohltätern der Hellenen erwarb (273). Selbst ein so nüchterner Forscher wie Wilh. Vischer, der die Schwächen der thebanischen Politik klar erkannte, kommt zu dem mit seinen Vordersätzen schwerlich in Einklang stehenden Schluß (307), daß Griechenland einen größeren Mann nicht gehabt habe, und daß E. nicht nur Thebaner, sondern vor allem Hellene war. Noch Holm (a. O. III 111) sieht in E. den reinsten Vertreter des Griechentums im 4. Jhdt. Die panegyrische Richtung im Urteil über E.s staatsmännisches Wirken ist vertreten durch Du Mesnil, obwohl dieser einige Einschränkungen macht, L. Pomtow und E. Curtius (Griech. Gesch. III), die sich alle drei darin berühren, daß sie in E. das Ideal eines ,sittlichen‘ Staatsmannes sehen (,seine ganze Natur hat etwas Überirdisches‘, Pomtow 119) und seinem Handeln nicht speziell boiotisch patriotische Ziele, sondern panhellenische Beweggründe unterlegen: die Befreiung der Griechen von der spartanischen Herrschaft, die Bildung von unabhängigen und widerstandskräftigen Landschaften und deren Vereinigung zu einer friedlichen Föderation unter der Vorstandschaft Thebens, die Herstellung des Landfriedens. In diesem Sinne erscheint E. als der erste humane Staatsmann des Altertums, der das Wohl des gesamten Griechenlands erstrebte (Pomtow 35. 120), der zuerst Hellene, dann Thebaner war (Curtius III² 383); unter ihm war Theben ein Sitz nationaler und freiheitlicher Politik und führte den Unabhängigkeitskampf für alle Hellenen (ebd. III² 326), er machte die Autonomie der Hellenen zur Wahrheit (III² 378). Bezeichnend für die Vertreter dieser Anschauung ist, daß sie in ganz unkritischer Weise die E. verherrlichende Tradition annehmen und speziell mit der Tatsache operieren, daß die Einigung Arkadiens und die Gründung von Megalopolis von E. ausgingen und er, als er den ersten Zug in die Peloponnes antrat, als Hauptaufgabe die Wiederherstellung Messeniens ins Auge gefaßt hatte. Die Art, wie besonders Curtius seine Anschauung durchführt und wie er hinter jedem Schritt des E. panhellenische Tendenzen wittert, überschreitet die Grenze des wissenschaftlich Zuläßigen, so wenn z. B. E. damit, daß er bei Leuktra seinen Angriffsstoß gegen die Spartaner richtete, deutlich genug gezeigt haben soll, daß er nicht gegen die Bundesgenossen kämpfte (III² 305). Gegen diese übermächtige Strömung in der Wissenschaft kam eine abweichende Auffassung nicht zur Geltung, obschon bereits im 18. Jhdt. Meiners (Gesch. des Ursprungs, Fortgangs und Verfalls der Wissenschaften in Griechenland und Rom II 1782, 556ff. 560ff.) in einer interessanten, wenn auch vielleicht übertriebenen Argumentation, gegen welche Meissner 578ff. lebhaft polemisiert, über die staatsmännischen Leistungen des E. und des Pelopidas ein absprechendes Urteil gefällt hatte, und obwohl selbst begeisterte Verehrer des E., wie Bauch (84), Vischer (305ff.) und Du Mesnil (323. 338. 340) sich genötigt sahen, ihre günstige Anschauung öfters einzuschränken. Der einzige Gelehrte, welcher, ohne Nachfolger zu finden, die Zeit der [2705] thebanischen Hegemonie ungünstig beurteilte, war Kortüm Gesch. Griechenlands von der Urzeit bis zum Untergang des achaeischen Bundes II 1854, 128ff. 140. 143. Erst die letzte Zeit hat zu einem Umschwung und zu einem richtigeren Urteil über die geschichtliche Stellung und Leistung des E. geführt; es ist dies in erster Linie das Verdienst von E. v. Stern, der vor allem (a. O. bes. 160ff. 241ff.) in endgültiger Weise die Ansicht von dem panhellenischen Charakter von E.s Streben zerstörte. Ihm schloßen sich in allen wesentlichen Punkten Busolt (Philol. Anzeig. XVI 1886, 337ff.), Holm (Griech. Gesch. III 141. 142), Beloch (Griech. Gesch. II 290ff.) und Kaerst (Gesch. des hellenist. Zeitalters I 34. 134) an; auch Ed. Meyer a. O. V 474ff. vertritt eine ähnliche Anschauung. Natürlich ist bei einem zusammenfassenden Abschluß über E.s Wirken von dessen Charakter und den lobenswerten menschlichen Eigenschaften abzusehen. Zuzugeben ist, daß E. in seinem politischen Vorgehen Maß und kluge Besonnenheit zeigte (Schäfer a. O. I² 129) und sich nicht von der Rachsucht hinreißen ließ, Eigenschaften, die von der gewöhnlichen Brutalität der Boioter erfreulich abstechen. Dies beweist sein Verhalten gegenüber Orchomenos und bei dem Gewinn der achaeischen Städte. In letzterem Fall erscheint er auch als erhaben über die Befangenheit in dem Credo einer politischen Partei. Klugheit anderer Art zeigt sich nach einer Seite hin, die uns allerdings merkwürdig anmutet, zumal bei einem philosophisch gebildeten und gesinnten Mann wie E. Wenn Curtius (III² 377) behauptet, daß E. die Boioter lehrte, abergläubische Vorurteile zu überwinden, so wird man richtiger sagen dürfen, daß er die herkömmlichen Mittel des Aberglaubens für seine Zwecke benützte; dies lehrt die Vorgeschichte der Schlacht von Leuktra und sein Vorgehen bei der Gründung von Messene. Auch das delphische Orakel nützte er für die Politik aus, womit er ein unheilvolles Beispiel gab. Für die Beurteilung von E.s staatsmännischem Wirken kommen in erster Linie die Ziele in Betracht. Man kann ruhig behaupten, daß E., der auf militärischem Gebiet wesentlich Neues schuf, im Gegensatz dazu als Politiker keine originellen und schöpferischen Ideen entwickelte (Busolt a. O. 338. Beloch a. O. II 290). Was ihm von seinen Verehrern, besonders Pomtow als großes geschichtliches Verdienst angerechnet wird, die Bildung von unabhängigen Landschaften, erscheint eher als eine Schwäche seiner staatsmännischen Begabung; abgesehen davon, daß die Bildung des arkadischen Bundes nicht auf seine Anregung zurückging, sondern nur von ihm geschützt und gefördert wurde, zeigte sich bald, daß die Schaffung von zwitterhaften Mittelstaaten keinen Fortschritt in der geschichtlichen Entwicklung Griechenlands bedeutete; weder Arkadien noch Messenien wurden lebensfähige Glieder der hellenischen Welt. Zudem war die Bildung von solchen Landschaften nicht das eigentliche Programm des E., sondern für ihn nur das Mittel zum Zweck, Sparta dauernd zu schwächen und zu isolieren; es ist mir daher auch zweifelhaft, ob für E. die Bezeichnung eines ,grossen Romantikers der Politik (Schwartz Herm. XXXIV 447, ebd. 438 allerdings ,realistischer‘ Romantiker; ähnlich derselbe, [2706] Demosthenes erste Philippika 15) richtig ist, gerade so wenig wie eine Herstellung Polens zu unserer Zeit romantischen Beweggründen entspringen würde. Das eigentliche Ziel des E., wie es sich allmählich in seinem Geiste entwickelte (darin stimme ich Du Mesnil 325ff. gegen v. Stern a. O. 244 zu, welch letzterer annimmt, daß es E. vom ersten Zug in die Peloponnes schon feststand), war die Hegemonie Boiotiens über Griechenland; am deutlichsten zeigt dies die Verbindung mit Persien. Die Mittel, welche E. dazu anwandte, sind durchaus die herkömmlichen; der mittelgriechische Bund ist in seinen Institutionen ein getreues Abbild des attischen Seebundes, die Bündnisse mit den peloponnesischen Staaten beruhen auf dem Grundsatz der Epimachie (vgl. Rh. Mus. LV 1900, 466ff.); allein die wichtigsten Plätze erhielten thebanische Besatzungen (von Du Mesnil 328ff. mit Unrecht geleugnet) und Achaia wie Thessalien sollten endlich untertänige Landschaften der Thebaner werden; dazu wird die Intervention Persiens angerufen in der Hoffnung, mit diesem Schwergewicht jeglichem Widerstand in Griechenland die Spitze abzubrechen. In keinem dieser Punkte bezeichnet die Politik der Thebaner einen wesentlichen Unterschied oder Portschritt gegen früher. Daß aber mit dieser hegemonischen Politik die materielle und geistige Leistungsfähigkeit der Boioter überschätzt und überspannt wurde, mußten selbst E. verherrlichende Schriftsteller, wie Vischer (306ff.) und Du Mesnil (323. 340) zugestehen. In der That war Boiotien durch seine Lage höchstens zur Vorstandschaft eines mittelgriechischen Bundes geeignet, obwohl auch da die gewaltsamen Mittel, welche es anwenden mußte, um nur die Einheit Boiotiens zu erreichen (sein Vorgehen gegen Plataiai, Orchomenos, Thespiai) und die Feindseligkeit von Phokis zeigen, welche Kraftanstrengung zur konsequenten Durchführung seines Zieles notwendig war. Die Leitung der Peloponnes war ihm durch die Reaktion der Halbinsel gegen die spartanische Herrschaft nach der Schlacht von Leuktra zugefallen; allein die Bewegung, welche es gefördert hatte, da es galt, Sparta niederzuzwingen, kehrte sich allmählich und vom Standpunkt der lokalen Autonomie mit Recht gegen Theben, so daß sein Einfluß seit dem J. 368 konsequent zurückging (vgl. Busolt a. O. 340ff.) ) und es sich zum Schluß einer Koalition gegenübersah, die nur mit dem äußersten Aufgebot an Waffengewalt abzuwehren war. Dazu kam die Gegnerschaft Athens, das einen Stachel an Boiotiens Seite bildete und das gerade in der Zeit der thebanischen Hegemonie seinen Einfluß zur See weiter ausdehnte. Dies zeitigte in E. den Entschluß, Boiotien eine Flotte zu schaffen und Athen die Herrschaft zur See zu entreißen. Wie gewagt diese neue Phase der thebanischen Politik war, welche die bisherige Entwicklung des Landes auf den Kopf stellte, erkannten Du Mesnil 338ff. und Grote X² 65ff. 117ff. (auch Pomtow 102, von den Neueren ist nur Beloch a. O. II 280ff., wenigstens zum Teil, zu einem günstigen Urteil gelangt). Es ist sehr wahrscheinlich , daß es E. gelungen wäre, bei der Wiederholung seiner Flottenexpeditionen den attischen Seebund zum Auseinanderfallen zu bringen; einen [2707] dauernden Anschluß der bisherigen Bundesgenossen Athens hätte er ebensowenig erreicht, als ihm dies mit den Peloponnesiern gelang. So war das Endergebnis der thebanischen Hegemonie für Griechenland kein erfreuliches. Bleibende neue Bildungen wurden nicht erzielt, Theben selbst trat wieder in seinen früheren Rang einer zweiten Macht zurück; dafür wurden aber die bisher leitenden Staaten, Athen und Sparta, dauernd geschwächt, der lakedaimonische Bund gesprengt, der attische Seebund erschüttert. Es war ,das Verhängnis des E., nach welchem er nur zerstören, nichts für die Dauer begründen sollte‘ (Sievers a. O. 320). Ohne es zu wissen und zu wollen, hat E. damit die Wehrfähigkeit Griechenlands herabgemindert und dem späteren Herrschaftsstreben Makedoniens den Weg geebnet (zuerst ausgesprochen von Bauch 84 und Vischer 307).

Literatur: Ausser den allgemeinen Darstellungen (von welchen besonders das zitierte Buch von E. v. Stern hervorzuheben ist) A. G. Meissner Epaminondas Biographie (2 Teile, Prag 1798–1801, eine für ihre Zeit sehr achtbare Leistung). E. Bauch Epaminondas und Thebens Kampf um die Hegemonie. Breslau 1834. Krafft in Paulys Real–Encykl. III (1844) 147ff. W.Vischer Epameinondas (Vortrag. Kleine Schriften I 272ff.). Ad. du Mesnil Über den Wert der Politik des Epaminondas für Griechenland, Sybels Hist. Ztschr. IX 1863, 289ff. L. Pomtow Das Leben des Epaminondas, sein Charakter und seine Politik. Berlin 1870.