Kalanos, ein brahmanischer Büßer, der dem Alexander an seinen Hof folgte und sich dort den Tod gab. Der Name erscheint bei Diodor als Karanos; da so ein Offizier Alexanders hieß, könnte ein Versehen Diodors vorliegen. Bei den Römern manchmal Callanus (Thes. L. L. Onomast. II 69). Plutarch behauptet, der wahre Name sei Σφίνης gewesen, was man im Sinne von tumens gedeutet hat; K. sei er deshalb genannt worden, weil er die Begegnenden nach indischer Sitte mit καλέ statt mit χαῖρε begrüßt habe. Das ist deshalb unwahrscheinlich, weil Sphines kein indischer Name ist, während K. = Kalyâna sein kann (Kurzname, über den Hilka Beitr. zur Kenntnis der indischen Namengebung, Breslau 1910, 60. 125). Das Ereignis hatte als greifbarster Beleg für Alexanders Berührung mit der indischen Kultur großes Aufsehen erregt und zahlreiche Darsteller gefunden (ἱκανοί Arrian. VII 3, 6); selbst ein nüchterner Berichterstatter wie Nearch (frg. 37) hatte es eingehend geschildert, vielleicht auch Ptolemaios, der den Auftrag erhielt, für den Scheiterhaufen zu sorgen (Arrian. VII 3, 2). Aristobul hatte mindestens über die Gymnosophisten eingehend berichtet (frg. 34). Auch Chares (frg. 15) schilderte K.s Tod mit vielen Einzelheiten, und Onesikritos (frg. 10. 33) schmückte namentlich sein erstes Zusammentreffen mit K. aus. Megasthenes (frg. 42f.) fußte bereits auf diesen Vorgängern, und dasselbe tat Kleitarch, wenn er – wie wahrscheinlich – diese Ereignisse erzählte, und wenn uns seine Darstellung bei Diodor (und Plutarch?) vorliegt. Die Hauptstellen der erhaltenen Autoren sind Arrian. VII 2f. Strab. XV 715ff. Diod. XVII 107. Philon Quod omn. prob. 14. Plut. Alex. 65. 69f. Athen. X 437 a. Aelian. var. hist. II 41. V 6. Lukian. Peregr. 25. Pallad. de Brahm. (Ps.-Kallisth. III 11ff.).
K. gehörte zu den Büßern vor der Stadt Taxila (20 Stadien entfernt nach Onesikritos); in radicibus Caucasi (d. h. des Paropanisos) natus Cic. Tusc. II 52. Nach Onesikritos’ Schilderung, die hier wahrheitsgetreu sein kann, kasteiten diese Büßer sich, indem sie nackt die Sonnenglut aushielten, K. indem er auf den glühend heißen Steinen lag. Nach Plut. 65 veranlaßte ihn der König Taxiles, dem Alexander zu folgen; Onesikritos behauptete, selbst mit K. verhandelt zu haben, und beklagte sich über seine Frechheit, die ihm von dem weisesten der Brahmanen, Dandamis oder Mandanis (s. d.), verwiesen wurde. E. Schwartz
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Fünf Vorträge 82. Nach Arrian. VII 2, 3 weigerte sich dieser als ἐλεύθερος ἀνήρ, dem König zu folgen, während K. ἀκόλαστος ἄνθρωπος καὶ ταῖς Ἀλεχάνδρου τραπέζαις δεδoυλωμένος (Strab. 718 aus Megasthenes, der, wie sich aus Arrian. VII 2, 4 ergibt, von den Urteilen der ihm bekannten Brahmanen abhängig ist), sich verlocken ließ (nach Plut. 69 fordert er die Soldaten auf, sich nach seinem Tode mit dem König zu betrinken); auch bei Palladios klagt Dandamis über K.s Mangel an καρτερία (Ps.-Kallisth. III 12). Nach Strab. 717 folgte er dem König als Lobredner gegen die Sitte der Brahmanen. Naeh Philon weigert er sich, dem Alexander zu folgen, und gibt ihm eine mutige Antwort. In Persien wurde K. krank (unterleibsleidend, Plut.); da er stets gesund gewesen war und nicht das Leben eines Kranken führen wollte, beschloß er zu sterben, ein Plan, von dem ihn der König vergeblich abzubringen suchte (Arrian. Diod. Strab. 717). Alexander sorgte selbst für die Aufrichtung des Scheiterhaufens und gestaltete nach einigen (οἱ δὲ λέγουσι Arrian. VII 3, 2) den Tod des K. zu einer Staatsaktion aus, an der das gesamte Heer teilnahm (πομπή Arrian. Strab.); er sollte ein Pferd aus dem königlichen Marstall benutzen, war aber zu schwach dazu und mußte in einer Sänfte getragen werden (Arrian., nach Plut. ritt er). Vor seinem Tode weissagte er dem König, daß er ihn bald in Babylon sehen werde (Plut. 69. Cic. de div. I 47 [weiter ausgeschmückt, nach Poseidonios], daraus Val. Max. I 8 ext. 10). Große Bewunderung erregte sein standhaftes Verhalten beim Feuertode: nach Onesikr. frg. 37 stand er erst neben dem Scheiterhaufen und ließ sich anrösten, bis er hinaufstieg und in ruhiger Haltung (ἀκίνητος Strab. 716), indische Hymnen singend (Arrian. VII 3, 3), verbrannte (vgl. Arrian. 3, 5 ἐπιβάντα τῇ πυρᾷ κατακλιθῆναι ἐν κόσμῳ οὐδέν τι παρακινήσαντα ἐν τῇ πυρᾷ τοῦ σώματος), nach Chares stürzte er sich in die Flammen (vgl. Strab. 717 E.), nach Nearch. frg. 37 (vgl. Strab. 716) wurde das Feuer erst angezündet, als er auf dem Holzstoß lag (so auch Diodor), während die Trompeten bliesen: dies ist die älteste und glaublichste Version (anders Schwartz o. Bd. III S. 2129). Diodor und Strabon geben des K. Alter auf 73 Jahre an; als Ort des Feuertodes ergibt sich aus Diodor das Gebiet von Susa, aber nicht Susa selbst (vgl. Plut. 70), während Strab. 717 Pasargadai angibt, Aelian. V 6 in einer arg aufgeputzten Schilderung die schönste Vorstadt von Babylon. Alexander feierte seinen Tod wie den eines Heros durch Abhaltung eines gymnischen und musischen Agons, dem er durch Aussetzung von Preisen für die tüchtigsten Zecher einen besonderen Reiz verlieh; die Unmäßigkeit kostete (infolge der Kälte!) 35 der Zecher sofort das Leben, während sechs nach einiger Zeit starben, unter ihnen auch der erste Preisträger Promachos (Chares). Einen Brief des K. an Alexander teilt Philon mit (vgl. Ambros. ep. 37, 34); er deckt sich ungefähr mit dem der Brahmanen Ps.-Kallisth. III 5. Metzer Epitome (O. Wagner Jahrb. f. Philol. Suppl. XXVI 107) 72 (Pridik De Alexandri epistularum commercio 159. 162).
Die Abweichung der Berichte im einzelnen hebt Strab. 717, die verschiedene Beurteilung des K.
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Diodor a. E. hervor. Zur Ausschmückung des Tatbestandes hat außer der Fabelsucht vieler Alexanderhistoriker namentlich die kynische Tendenz des Onesikritos beigetragen. So ist alles, was über die Lehren und Aussprüche des K. und seine Minderwertigkeit im Vergleich zu Dandamis, besonders auch seine ἀκρασία erzählt wird, für erlogen zu halten. Der Kern der Erzählung wird durch unser sonstiges Wissen von den indischen Büßern nur bestätigt (Lassen Ind. Altertumsk. II 711 und z. B. Hillebrandt Nord und Süd CXXII 298; S.-Ber. Akad. München 1917 Abhandl. 8). Wertvoll ist die Nachricht, daß K. das ihm von Alexander zur Verfügung gestellte Pferd seinem Schüler Lysimachos geschenkt habe (Arrian.); vielleicht hat der König von vornherein die Absicht gehabt, den K. eine philosophische Schule unter den Griechen auftun zu lassen.