Kanopos oder Kanobos (Κάνωπος, Κάνωβος), Stern α der Argo, der südlichste Stern erster
[1882]
Größe, der den Griechen bekannt geworden ist; die Schreibung schwankt wie bei dem Ortsnamen, doch scheint die mit b vorzuziehen, da der Stern nach dem so geschriebenen Steuermann des Menelaos (Stellen der griechischen Zeugen bei Maaß Aratea 359ff.; dazu Serv. Aen. XI 263) benannt ist (s. u.). Der erste, der den Stern K. erwähnt, Eudoxos bei Hipparch. in Arat. I 11, 6 p. 114. 17 M., kennt für ihn noch keinen Namen, ihm ist er ὁ ἐξ Αἰγύπτου ὁῥώμενος ἀστήρ. Er hatte den Stern in den antarktischen Kreis der Griechen (etwa 36° vom Pol) gesetzt; Hipparch a. a. O. p. 114, 23 stellt diese Angabe dahin richtig, daß der K. bei 38½° Polabstand sogar noch für Athen diesseits dieses Kreises stehe und auf Rhodos sichtbar sei; nach Poseidonios bei Strab. II 119 hat ihn denn auch schon Eudoxos selbst von Knidos aus beobachtet, was dem Zitat bei Hipparch, wenn man die Worte nicht preßt, nicht geradezu widerspricht. Dagegen ist bei Theo Smyrn. p. 121, 19 H. wohl statt Knidos Rhodos zu schreiben; denn daß der K. im südlichen Teil von Knidos sichtbar sein soll, im nördlichen nicht, wird man schwerlich gelten lassen können. Eben der Umstand, daß seine Sichtbarkeitsgrenze in den Mittelmeerbreiten liegt, hat ihm die häufige Beachtung verschafft (Vitr. IX 5, 4. Lucan. VIII 181. Plin. n. h. VI 87. Mart. Cap. VIII 808). Insbesondere heben die von Poseidonios abhängigen popularastronomischen Schriftsteller sein allmähliches Emporsteigen über den Horizont bei der Seefahrt von Rhodos nach Ägypten hervor, sowie meist auch, daß er in Alexandreia bereits um das Viertel eines Zeichens über dem Horizont steht (Procl. in Tim. p. 277 E = III p. 125, 11 D., der Poseidonios nennt, ebenso Cleom. I 10 p. 92, 26ff. Z. Ohne Namensnennung Gem. isag. III 15 p. 42, 3 M. Manil. I 216f. (ungenau). Plin. n. h. II 178. Schol. Ar. v. 351 p. 411 M. Eustath. in Dion. Perieg. v. 11, GGM II 219. Vgl. Manitius zu Gem. 257. Möller Studia Maniliana. Diss. Marburg 1901, 34); das Phänomen ist schon von Poseidonios selbst unter den Beweisen für die Kugelgestalt der Erde verwendet worden. Poseidonios hat aber auch eigene Beobachtungen über die Sichtbarkeit des K. in der Gegend von Gades zur Breitebestimmung dieser Stadt benützt (Strab. II 119). Hingegen ist K. begreiflicherweise für die Griechen kalendarisch ohne Bedeutung.
Name und Sage scheinen nach der wahrscheinlichen Vermutung von Maaß a. a. O. 359ff. zuerst bei Apollonios Rhodios aufzutauchen, mögen also seine Erfindung sein, wozu die Äußerung von Strabon I 3 gut stimmt, wonach K. zu den jüngst benannten Sternen zählt. Nach Apollonios ist K. der an den Himmel versetzte Steuermann, der das Schiff des Menelaos auf der Heimfahrt von Troia von Rhodos nach Ägypten gelenkt hat und auf einer Insel vor der Nilmündung durch den
Biß einer Schlange ums Leben gekommen ist. Zu seinem Gedächtnis gründet Menelaos die gleichnamige Stadt. Einleuchtend ist auch die Vermutung von Maaß, daß bei dieser Version der Stern K. zu dem als Nil gedeuteten Sternbild des Flusses (Eridanos) gestellt wurde (vgl. Catast. 37 p. 178 R. Ar. Lat. p. 259 M.), während er sonst seit Hipparch a. a. O. und so noch bei Ptol. Synt. VIII p. 152, 5 H. zur Argo, in das
[1883] Steuerruder, gehört. Die Catast. bezeichnen K. als unter dem Fluß und nahe dem Steuerruder der Argo stehend; im 3. Jhdt. war also in der Tat seine Astrothesie noch schwankend. Die Version des Apollonios ist vornehmlich aus den Schol. Ar. und Eustath. a. a. O. zu rekonstruieren; vorgetragen war sie in einem choliambischen Epyllion K., von dem wir drei Fragmente haben. — Auch als Stern der Argo hat K. eine Sage erhalten: bei Plut. de Is. et Osir. c. 22 p. 359 E ist die Argo das Schiff des Osiris, K. ihr Steuermann (vgl. auch Boll Sphaera 169. 174). Der Name K. hat sich bis heute behauptet; vereinzelt stehen daneben Περίγειος (Catast. 37 p. 178 R.) und Πτολεμαῖος (Mart. Cap. VIII 838). Über Erwähnungen in der mittelalterlichen Literatur vgl. Boll Sphaera 274. 468, 1.