RE:Löffel

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Eßgerät
Band XIII,1 (1926) S. 965968
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Löffel. Außer der hohlen Hand gebrauchten die Menschen in primitiven Verhältnissen Muscheln als L. oder ähnliche Dinge, wie die Natur sie bot Diese Formen wurden in Holz und Ton nachgebildet. Schon in der europäischen Steinzeit war der L. als Eßgerät bekannt. Die L. dieser Zeit sind aus Eberzahn (Ztschr. f. Ethnol. Verh. XX 450), Eibenholz oder Ton. Über L. aus Holz oder Ton in der jüngeren skandinavischen Steinzeit vgl. Müller Nord. Altertumskunde I 152. [966] Auch die Pfahlbauten der Schweiz und Österreichs haben L. aus Horn, Eberzahn und Ton mit längeren oder kürzeren Handgriffen ergeben. Die Form der Schalen ist rund oder oval, wie in späteren Zeiten. In den Gräbern der Bronzezeit sind Ton-L. von einfacher Form sehr gewöhnlich, Metall-L. erst in der Eisenperiode.

Bei den zivilisierten Völkern war der L. allgemein im Gebrauch. In Ägypten fand man zahlreiche L. aus der Steinzeit mit ovalen Schalen in Holz, Stein, Elfenbein, deren Konturen die Formen von Fischen haben. Über einen ägyptischen L. aus Elfenbein mit Schlangengriff vgl. Arch. Anz. XXVIII 191, 3. Es gibt auch solche mit geradem Stiel, der vor der Schale einen Querbalken hat, so daß Kreuzesform entsteht. Später wird der Griff ornamentiert und endigt mit Vorliebe in einen Isiskopf, in eine sitzende Gottheit oder in ein Tier. Die Lotusform findet sich bei einem hölzernen L. in Theben. Daremberg-Saglio III 1254. Zwei ägyptische Salben-L. haben als Griff eine kunstreiche weibliche Figur (Perrot-Chipiez Hist de l’art I 844ff.), der eine ein Mädchen, das einen Lotus ausreißt (Fig. 585), der andere eine Lautenspielerin. Die Schale des ersteren ist oval, die des letzteren vierkantig.

Unter den troianischen Funden verzeichnet Schliemann Troia 126 Fig. 43 einen elfenbeinernen L. sowie Terrakotta-L. ebd. 170; Ilios 457 nr. 474f. aus der zweiten Stadt, wie solche gleicher Art in der Terramare der Emilia und in den Pfahlbauten der Station Hauterive zum Vorschein kamen. Gross Les Protohelvètes Taf. XXXII Fig. 1. In der klassischen Zeit bediente man sich beim Essen von Brühen und Brei eines ausgehöhlten Brotes, μυστίλη oder μύστρον Arist. eq. 1164. Schol. Plut. 627; daher komisch eq. 824 ἀμφοῖν χεροῖν μυστιλᾶται τῶν δμνοσίων. Später bedeuten beide Namen L. (Athen. III 126 a), deren man sich im 2. Jhdt. v. Chr. zum Essen von breiartigen Speisen bediente. Daneben kommt auch λίστρος vor (Poll. X 98) und κοχλιάριον. Der L.-Verkäufer heißt μυστριοπώλης (Athen. ebd. e). Daß der Luxus sich auch auf die L. erstreckte, zeigen die von Athen. ebd. und 129 c erwähnten goldenen L. Über ein goldenes, 7,3 cm langes Löffelchen mit schraubenartig gedrehtem Stiel aus einem Hügelgrab von Tzevovo vgl. Arch. Anz. XXIX 421 Fig. 2 c. Die gefundenen L. zeigen ähnliche Grifformen wie die ägyptischen, z. B. Delphine, Tierfüße u. a. Daremberg-Saglio Fig. 4485. Reiche Ornamentierung zeigt ein L. von Vulci ebd. Fig. 4486.

Als Küchengerät zum Umrühren der kochenden Speisen diente die Rührkelle τορύνη, Arist eq. 984; av. 78 und Schol. Plat. Hipp. mai. 290 b. Anth. Pal. VI 305, 6. 306, 2. Suid. s. v. Poll. VI 88. Über den κύαθος s. o. Bd. XI S. 2242ff.

Die Römer haben je nach Art und Bestimmung des L. verschiedene Bezeichnungen. Der größere, unseren modernen ähnliche L. hieß ligula (vgl. griech. λείχω, ahd. leffil, laffan, nhd. lecken), durch Vermengung mit lingula auch für Zunge am Schuh gebraucht (Walde s. v.; vgl. Corp. gloss. lat. VI 648), die sonst in der Regel lingula, heißt. Fest. 116, 12. Nach Martial. XIV 120 wurde die Nebenform lingula nur von den [967] indocti grammatici angewendet, was Charis. 104 K. bestätigt: Usus ligulam sine n frequentat. Mit der ligula aß man Suppe, Speisen in Brühen und Mehlspeisen. Zu Eiern, Schnecken und Austern bediente man sich des kleinen cochlear; s. o. Bd. IV S. 156. Medizinen werden bald mit dem cochlear, bald mit der ligula gereicht. Scribon. Larg. 230. Apic. VII 10. VIII 6. Colum. XII 21, 2. Große und kleine L. dienten auch zum Aufschütten von Räucherwerk und zum Ausheben von Salben. Ihr Stiel war dünn und unverziert, statt der Schale hatten sie oft eine runde oder palmblattförmige Platte. Forrer Reallex. 455 Taf. 63 Fig. 126. Da den Toten nebst anderen Gegenständen auch L. mit ins Grab gegeben wurden, wurden L. oft in den Gräbern gefunden. Mém. de l’Acad. XIII 682. Arch. Anz. XXIX 421.

Der Rühr-L. oder die Kelle hieß trua, griech. τορύνη) (Pompon. com. 96. Titin. com. 128. Fest. IX 12. Varro d. l. l. V 118), oder trulla (s. d.), womit man Wasser und Öl schöpfte und besonders Wein aus dem Mischgeschirr in die Trinkbecher goß, auch cyathus genannt. Der Seih-L., colum (o. Bd. IV S. 591), zum Sieben des Weines gebraucht, war von mannigfacher Form und oft reich verziert.

Bezüglich des Materials gab es L. von Horn, Knochen, Bronze, Eisen und Silber (vgl. Jacoby Saalburg Taf. LXII), sogar aus Gold (s. o.), und aus dem sog. Weißmetall, einer Legierung von 69,1  % Kupfer, 23,53  % Zinn und 7,45  % Blei. Exemplare letzterer Art wurden in Balcik (Dionysopolis) in einer Grabanlage gefunden, aus der mittleren Kaiserzeit stammend (Arch. Anz. XXVIII 357), sowie auf der Saalburg, Jacobi 440. Auf dem Lande waren die L. wahrscheinlich aus Holz. Leichte silberne L. waren als Saturnaliengeschenke beliebt, Mart. V 19, 11. VIII 33, 23. VI, 9. Es wurden auch auf L. eingravierte Wunschformeln wie ουαλε oder utere felix gefunden. Kraus Realenzykl. II 342. Funde von silbernen L. verschiedener Größe wurden an mehreren Orten gemacht, so in Pompeii (Overbeck Pomp.⁴ 331. 444 Fig. 241), Boscoreale (Héron de Villefosse Trésor de Boscor. Taf. 38, 2f.), zu Canterbury Daremberg-Saglio III 1254 Fig. 4487). in der Saalburg (Jacobi 440 Taf. LXII 3). Von geringerem Stoffe waren die Küchen-L. oder solche, die bei der Wachsbereitung, beim Schmelzen von Metallen, namentlich von Blei verwendet wurden. Vgl. Jacobi 440 Taf. XXXVI 14 Fig. 68, 5. Was die Form der römischen L. betrifft, so bestehen sie aus einer runden oder länglich runden Schale, die geradlinig oder durch eine Biegung an den Stiel angeschlossen ist. Manchmal gleichen die Schalen menschlichen Zungen. Jacobi Taf. LXII 3. In der Zeit der Völkerwanderung und in der fränkischen Periode tritt eine Form auf, bei der die längliche Schale nicht als Fortsetzung des L. erscheint, sondern darunter liegt. Hoops Reallex. d. germ. Altertumsk. III 161. Kraus Fig. 190. Der Stiel des L. ist oft reich ornamentiert, endigt manchmal in einen Tierfuß, bei Overbeck 444 in einen Schwanenkopf. Die Küchen-L. haben meistens eine runde Schale und einen langen, geraden Stil, Mau Pompeji 397 Fig. 222. Jacobi Saalb. Taf. XXXVI 14. Besonders sind die Schöpf-L. [968] langgestielt. Der Stiel der Weinschöpf-L. ist oben umgebogen, sei es zum leichteren Anfassen oder zum Aufhängen. Bei anderen ist der Stiel gerade und das Schöpfgefäß breit wie ein Napf, Mau a. a. O.

Beim Gottesdienst der morgenländischen Christen wurde mit einem L. den Laien das Abendmahl gereicht, Kraus Realenzykl. II 340f. Fig. 186. 188. In den Schatzverzeichnissen der abendländischen Kirchen werden oft silberne L. erwähnt, die zum Gebrauch der Kleriker geschenkt worden waren oder bei der Speisung der Armen in den Triklinien verwendet wurden, vgl. de Rossi Bull. d’arch. christ. 1868, 82f. Auf letzteres scheinen nach Kraus die häufig eingravierten Apostelnamen hinzuweisen; vgl. Fig. 190 einen L. aus Sasbach, der aus der römisch-fränkischen Übergangszeit stammt (s. o.), mit dem Monogramm Christi an der Verbindung des Stiels und der Schale und mit dem Namen Andreas auf der andern Seite. L. aus christlicher Zeit tragen sehr häufig nebst den Privatnamen auch das Kreuz oder das Monogramm Christi eingraviert. Auch zieren bisweilen religiöse Darstellungen das Innere der Schale, wie das Opfer Abrahams, die Anbetung der Magier, eine Taufszene. Diese Bilder sind von Gold und Email, Kraus 342f.

[Hug. ]