RE:a commentariis
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Protokollführer | |||
Band IV,1 (1900) S. 759–768 | |||
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a commentariis. Als Terminus für den Protocollführer erscheint a c. zuerst in Inschriften der Kaiserzeit (das älteste Beispiel CIL VI 10089, unten nr. 24 unter Claudius). Etwa seit der Mitte des 2. Jhdts. begegnet daneben die Bildung commentariensis, welche zunächst für die (früher gleichfalls als a c. – vgl. CIL XI 6343 u. S. 761 – bezeichneten) soldatischen Officialen ausschliesslich gebräuchlich wird und sehr bald die Titulatur a c. fast überall verdrängt. Über die Differenzierung der ritterlichen Beamten a commentariis praefecti praetorio und der militärischen commentarienses vgl. u. S. 761. Eine vereinzelte hybride Form ist der ἀκομενταρήσιος der Inschrift Le Bas-Foucart VI 2225.
Dem ursprünglich privaten Charakter der amtlichen Aufzeichnugen entsprechend waren die Organe a c. anfänglich wohl Sclaven des Beamten (bei den Priestercollegien servi publici; vgl. o. S. 730). Die a c. der kaiserlichen Hofämter und Verwaltungsbehörden sind zumeist Freigelassene des Kaisers, zuweilen auch Sclaven. In den militärischen Officien der Provinzverwaltung sind auch die commentarienses Legionssoldaten, also – [760] wirklich oder fictiv – ingenui. Im ritterlichen Range stehen der a commentariis praefecti praetorio und der προσοδοποιὸς des Praefectus Aegypti.
I. Protocollbeamte der Kaiserzeit vor Diocletian.
Der ungewöhnliche Umfang der Geschäfte, deren Erledigung dem Princeps zustand, erheischte es, dass die Agenden der Protocollierung, welche in den untergeordneten Ämtern samt und sonders von einem oder mehreren a c. besorgt werden konnten, seit jeher unter mehrere Departements (ab epistulis, a libellis, a cognitionibus, später a memoria) aufgeteilt waren. Die Hülfsbeamten dieser Hofkanzleien waren es, welche unter Controlle der Bureauvorstände die verschiedenen commentarii principis (o. S. 735ff.) führten. Daher kommt die Bezeichnung a c. nur bei zwei ausserhalb der genannten Departements stehenden Kategorien von Hülfsbeamten vor, nämlich bei den kaiserlichen Freigelassenen, welche das Hoftagebuch aufzeichneten (später Procuratur ab ephemeride; o. S. 735), und bei den a commentariis beneficiorum, die nur unter Traian und Hadrian bezeugt sind, und aus welchen vielleicht später ein neues Hofamt a memoria (s. d.) hervorgieng.
1. a commentar(is) Aug(usti) CIL VI 8623 (Freigelassener eines Kaisers aus dem flavischen Hause); Aug(usti) ver(na) a comment(aris) CIL VI 8624. 8625; [Au]g(usti) n(ostri) com[me]ntar(iensis) CIL V 475; Aug(usti) n(ostri servus) adiutor a comm(entaris) Cagnat Année épigr. 1891 nr. 19. Die hier als commentarii κατ’ ἐξοχὴν bezeichneten Aufschreibungen sind wahrscheinlich die kaiserlichen Ephemeriden (o. S. 735f.).
2. a commentariis beneficiorum (vgl. dazu o. S. 741f.) werden in Inschriften der Epoche Traians und Hadrians genannt. CIL VI 1884 = Dessau 1792 M. Ulpio Aug. lib. Phaedimo divi Traiani Aug. a potione, item a laguna et tricliniarch(ae), lictori proximo et a comment(aris) beneficiorum (gest. 117; dazu Friedländer S.-G. I⁶ 193. H. Dessau Beiträge zur alten Gesch. u. Geogr., Festschr. f. H. Kiepert 88f. E. Groag Röm. Mitt. XIV 271ff.). CIL VI 8627 (Freigelassener Traians) qui fuit custos a commentarii beneficiorum. Not. d. scavi 1893, 195 (Freigelassener Hadrians) adiut(or) a comm(entaris) beneficiorum. Vgl. im allgemeinen Ed. Cuq Mémoires a. a. O. (o. S. 745) 417f. Mommsen Beiträge a. a. O. 104. 2. Peter Gesch. Litt. I 231. Ruggiero Diz. epigr. I 996. II 543. Vielleicht sind damit identisch die bei Plin. ad Trai. 6. 2 erwähnten kaiserlichen Freigelassenen (vgl. o. S. 742).
3. a commentariis custodiarum. Über die Strafvollstreckung wurden für die richterlichen Beamten in Rom und in den Provinzen gesonderte commentarii custodiarum geführt. Den Inhalt des für Verres als Statthalter von Sicilien angelegten Gefängnisjournals deutet Cic. Verr. V 57 an: cedo rationem carceris, quae diligentissime conficitur, quo quisque die datus in custodiam, quo mortuus, quo necatus sit (Hirschfeld S.-Ber. Akad. Berlin 1891, 877, 155. G. Humbert Dict. des ant. I 918). CIL XI 6343 (= Dessau [761] 2073) nennt einen beneficiarius Getae (wahrscheinlich des Praef. praet. Lusius Geta unter Claudius; vgl. Bormann Ephem. epigr. IV p. 400 nr. 423) ab comentaris (sic) custodiaru(m), CIL XI 19 einen evoc(atus) a comment(aris) cust(odiarum); vgl. auch Ephem. epigr. IV 963 (aus Rom). Diesen lag in Rom beim Kaiser, bezw. seinem Stellvertreter, dem Gardecommandanten, die Führung des Gefängnisjournals ob, welche in den Bureaux der Provinzstatthalter zu den Functionen des commentariensis gehörte (Hirschfeld a. a. O. 859, 62. Cauer Ephem. epigr. IV p. 423 nr. 20. 21. Ruggiero Diz. epigr. II 541. Mommsen Ephem. epigr. V p. 148, 2. 149, 2; Strafr. 317, 1). Zu Cod. Theod. IX 3, 6 vom J. 380 vgl. S. 767.
4. a commentariis praefecti praetorio. Nach Mommsens Vermutung (St.-R. II³ 1122, 1; ebenso Ruggiero Diz. epigr. II 540) hätten sich die Praefecti praetorio zur Führung des Amtsbuches ursprünglich – ähnlich wie die Provinzstatthalter und vielleicht auch die Praefecti vigilum (u. S. 762) – im Range unter den Centurionen stehender abcommandierter Soldaten bedient. Mit dem wachsenden Umfange und Ansehen der Praefectur wurden ihnen dann Männer ritterlichen Standes als Kanzleigehülfen zugewiesen, die auch in der Titulatur a c. von den subalternen commentarienses der Militärordnung sich differenzierten (vgl. auch Mommsen Ztschr. d. Savigny-Stiftung XVI Rom. Abt. 189, 5). Auch die Fassung von Vatic. frg. 222, wonach is qui commentarios habet praefecti, quamdiu hic commentarios habet praefecti, nach einem Rescripte des divus Marcus cum filio von der Tutel excusiert sein sollte, lässt erkennen, dass diese Stellung damals nicht mehr den eigentlichen officia militaria zugezählt wurde. Von den bei Cauer und Ruggiero a. a. O. gesammelten inschriftlichen Erwähnungen (CIL VI 1564. 8400. VIII 8328. 9368. 11341. X 7585; unsicher XII 671. XIV 185) ist die älteste (CIL VI 1564 = Dessau 1452 ab commentariis Corneli Re[pentini pr(aefecti) pr(aetorio)]) nicht vor Antoninus Pius, vielleicht sogar erst unter Marc Aurel anzusetzen (Hirschfeld Verw.-Gesch. I 216, 2. Klebs Prosopogr. I 461f. nr. 1168). Obgleich die Titulatur häufig a commentaris praefectorum praetorio lautet (CIL VI 8400. VIII 9368. 11341), hatte doch jeder Praefect, wie sein eigenes Officium, so auch seinen besonderen a c. (vgl. CIL VI 1564. Vatic. frg. 222, dazu Hirschfeld a. a. O.; vgl. auch Mommsen Strafr. 515 mit A. 2). Nach Hirschfeld (anders Mommsen St.-R. II³ 1122. 1; vgl. Cauer a. a. O. 478) rangieren diese Beamten mit den niederen Procuraturen; zu hohen Würden gelangten später die in CIL VI 1564. X 7585 genannten Männer.
Wie die vorangehende oder nachfolgende Bekleidung der Ämter ab epistulis (CIL VI 1564; dazu Hirschfeld a. a. O. 34, 1 nr. 1), a studiis (CIL VI 8400) zeigt, bevorzugte man juristisch und litterarisch gebildete Männer auf diesem Posten. Die Agenden desselben müssen jenen des ritterlichen a cognitionibus (s. d.) beim Kaisergerichte und des gleichgestellten προσοδοποιὸς des Praefecten von Ägypten im wesentlichen analog gewesen sein (u. S. 764). Hierher gehört auch Dio LXXV 15 (über den a c. des Praef. praet. Plautianus): ὅ τε τὰς δίκας ἐπ’ αὐτοῦ λεγομένας διατάττων, κελευσθείς ποτε ὑπὸ τοῦ Σεβήρου [762] ἀργοῦντος δίκην τινὰ εἰσαγαγεῖν, οὐκ ἠθέλησεν (vgl. Mommsen Ztschr. a. a. O.). Ein in den commentarii (ὑπομνήματα) des Praefecten enthaltener Ausweisungsbefehl wird in der Entscheidung Hadrians bei Dositheus § 78 (Corpus iur. anteiust. I, ed. Böcking col. 205) erwähnt. Neben der Vorbereitung und der Protocollierung der vor dem Praefecten in und ausserhalb des Consiliums geführten Gerichtsverhandlungen war sein a c., da der Praefect zugleich oberste Instanz für das hauptstädtische Gefängniswesen war (Mommsen Strafr. 317 mit A. 1), wahrscheinlich schon damals, wie später im 4. Jhdt., mit der Überwachung der Inhaftierten und der Führung der Gefangenenlisten (o. S. 760f.) betraut.
Litteratur: Hirschfeld Verw.-Gesch. I 216f., 2. P. Cauer Ephem. epigr. IV p. 424f. 478. E. Cuq Mémoires présentés par divers savants à l’acad. des inscr. I. série IX 2 (1884) 358, 3. Mommsen. St.-R. II³ 1122, 1; Ephem. epigr. V p. 128. H. Thédenat Dict. des ant. I 1403f. Ruggiero Diz. epigr. II 539f.
5. a c(ommentariis) pr(aefecti vigilum). So hat Kellermann (Vigil. Rom. laterc. 15) die Abkürzung ACPR gedeutet, die in CIL VI 1057, II 62. 1058 III 3 vor den Namen zweier gewöhnlicher Soldaten steht. P. Cauer Ephem. epigr. IV p. 425 (vgl. Ruggiero Diz. epigr. II 540) bestreitet dies – kaum mit Recht – unter Hinweis auf den ritterlichen Rang der mit ungleich wichtigeren Agenden betrauten a commentariis praefectorum praetorio, der übrigens auch nicht vor der 2. Hälfte des 2. Jhdts. nachweisbar ist.
6. comm(entariensis) praef(ecti) urbis, CIL VI 8402. Cuq Mémoires a. a. O. 358, 3.
7. Im 2. und 3. Jhdt. der Kaiserzeit ist der commentariensis ein in das Officium des praeses provinciae abcommandierter privilegierter Legionssoldat (principalis), der mit der Führung des Amtsbuches des Statthalters beauftragt ist. In den von Cauer p. 424 und Ruggiero 540f. zusammengestellten Inschriften kommt einmal (CIL V 6867) ein a com(mentariis) co(n)s(ularis), sonst zumeist die Benennung commentariensis legati pro praetore oder consularis vor. In Inschriften wie CIL II 4122. 4156. III 4452 (dazu v. Domaszewski Rh. Mus. XLV 204. 209) sind die commentarienses, obgleich hier der Charge der Legionsname im Genetiv beigefügt ist, nicht etwa, wie Cauer a. a. O. 424 und Ruggiero annehmen, als den einzelnen Legionslegaten zugewiesen anzusehen; sicher gehörten auch sie dem Officium des Statthalters an. Vgl. die Inschrift Mitt. der Centralcomm. N. F. XXIII (1897) 77 nr. 21 mit co[mment(ariensi)] co(n)s(ularis) leg(ionis) VII Cl(audiae) provinc(iae) Moesi[ae s]up(erioris). Dasselbe gilt auch wohl dort, wo Soldaten als commentariensis ohne weiteren Beisatz bezeichnet werden (Cauer a. a. O. 425. Ruggiero a. a. O. 541). Ausnahmsweise erscheint in CIL VIII 2586 neben einem comm(entariensis) leg(ati) (des Legaten von Numidien) ein comm(entariensis) trib(uni) sexmenstris, der dem letzteren wohl bei Rechtsprechungen ex delegatione legati als Protocollführer beigegeben sein mochte (vgl. o. S. 734). Zweifelhaft ist der a comment(ariis) [prae]f(ecti?) der legio XXII primig(enia) in CIL V 7004. [763]
Gleich den übrigen Officialen des Praeses, wurden die c. in gleicher Anzahl wie die cornicularii, d. h. zwei oder drei (vgl. CIL II 4122. III 4452. VIII 2586) von den in der Provinz liegenden Legionen beigestellt; in Provinzen, wo keine Legionen standen, wurden sie den Legionen der Nachbarprovinzen entnommen (so in Dalmatien, CIL III 2015, dazu Mommsen CIL III p. 283. v. Domaszewski a. a. O. 211. Ballif-Patsch Röm. Strassen in Bosnien I 57). In den gemeinsamen Dedicationen von principales (CIL II 4122. III 4452; Suppl. 7794, dazu J. Jung Fasten der Provinz Dacien 177. 180), die selbstverständlich alle unter den Centurionen rangierten (Mommsen St.-R. II³ 1122, 1), stehen die c. im Range hinter den cornicularii und vor den speculatores. Man rückte zumeist vom speculator (zu diesen v. Domaszewski 209ff. CIL II 4145, vgl. 4179. III 2015. Boissieu Inscr. de Lyon p. 64), mitunter vom frumentarius, centenarius oder quaestionarius (CIL II 4156; vgl. CIL VIII 2586. 2751) zum commentariensis, zuweilen aber auch mit Überspringung dieser Stufe zum cornicularius vor (vgl. Cauer a. a. O. 478).
Mit den militärischen Functionen des Statthalters scheint der c. nichts zu thun gehabt zu haben (o. S. 734); das Kanzleiorgan für die militärischen Dienststücke, Befehle und Rechnungen war der actarius (vgl. Kubitschek o. Bd. I S. 286. Seeck ebd. S. 301f.). Dagegen oblag den c. jedenfalls die Protocollführung über die nicht militärischen Verwaltungsacte der Statthalter (über deren commentarii oben S. 733f.); Vegetius II 19 (vgl. Kubitschek o. Bd. I S. 286) berichtet, dass neben der Aufzeichnung der militärischen Acta auch res ... civilis polyptychis adnotatur. Daneben hatten sie vielleicht auch ähnliche Functionen wie der προσοδοποιὸς des Praefectus Aegypti (u. S. 764). Von den zwei commentarienses, die nach CIL II 4122 im Officium des Legaten von Hispania citerior dienten, nennt CIL II 4179 (dazu Ruggiero a. a. O. 541) einen com(mentariensis) ab actis civilib(us) (vgl. dazu CIL II 4145). Da die commentarienses mit den acta militaria nichts zu schaffen haben, soll der Beisatz ab actis civilibus vermutlich den Protocollführer im Civilprocesse von jenem commentariensis unterscheiden, der das Amtsbuch über die Strafverhandlungen vor dem Statthalter führte. Vielleicht ist damit die spätere Differenzierung des civilprocessualen ab actis von dem auf das Strafverfahren beschränkten commentariensis (u. S. 766) vorgebildet. Als Gehülfe im Strafverfahren begegnet ein commentariensis in den Acta S. Pionii c. 21 (Acta SS. 1. Febr. I p. 40ff.; unter Decius), wo der hl. Pionius von Smyrna von ihm zur Hinrichtung geführt wird (Hirschfeld S.-Ber. Akad. Berl. 1891, 33, 155).
Litteratur: E. Kuhn Städt. Verw. des röm. Reichs I 152f. Mommsen zu CIL III 4452. P. Cauer Eph. epigr. IV p. 424. 478. E. Cuq Mémoires présentés par divers savants à l’acad. des inscr. I. série IX 2 (1884) 471. Marquardt-Domaszewski St.-V. II² 547. A. v. Domaszewski Rhein. Mus. N. F. XLV 209ff.; Westd. Ztschr. XIV 81–83. H. Thédenat Dict. des ant. I 1402f. R. Cagnat L’armée romaine d’Afrique 126ff. 131, 1. 133f. Kubitschek o. B. I S. 287, [764] Ruggiero Diz. epigr. II 540f. (vgl. I 53ff.). H. Peter Gesch. Litt. I 231.
8. (a commentariis praefecti Aegypti). Im nämlichen Range wie die dem Ritterstande angehörigen a commentariis praefectorum praetorio steht der Kanzleibeamte, der den Praefectus Aegypti bei seinen richterlichen Functionen unterstützt und die Processprotocolle führt. Philon in Flacc. 16 schildert die Thätigkeit eines gewissen Lampon: προσεστὼς τοῖς ἡγεμόσιν, ὁπότε δικάζοιντο, ὑπεμνηματίζετο τὰς δίκας εἰσάγων ὡς ἔχων τάξιν, und bemerkt, die Statthalter hätten bei der Masse der Geschäfte einen solchen γραμματοκύφων nicht entbehren können. Lukian bekleidete selbst dieses Amt (apol. 12): δημοσίᾳ τῆς μεγίστης ἀρχῆς κοινωνοῦμεν καὶ τὸ μέρος συνδιαπράττομεν. ἔγωγ’ οὖν, εἰ σκέψαιο, δόξαιμ’ ἄν σοι οὐ τὸ σμικρότατον τῆς Αἰγυπτίας ταύτης ἀρχῆς ἐγκεχειρίσθαι, τὰς δίκας εἰσάγειν καὶ τάξιν αὐταῖς τὴν προσήκουσαν ἐπιτιθέναι καὶ τῶν πραττομένων καὶ λεγομένων ἁπαξαπάντων ὑπομνήματα γράφεσθαι καὶ τάς τε ῥητορείας τῶν δικαιολογούντων ῥυθμίζειν καὶ τὰς τοῦ ἄρχοντος γνώσεις πρὸς τὸ σαφέστατον ἅμα καὶ ἀκριβέστατον σὺν πίστει τῇ μεγίστῃ διαφυλάττειν καὶ παραδιδόναι δημοσίᾳ πρὸς τὸν ἀεὶ χρόνον ἀποκεισομένας. Dafür beziehe er – fügt Lukian hinzu – öffentliches hohes Gehalt und habe Aussicht auf die procuratorische Laufbahn (ἔθνος ἐπιτραπῆναι ἤ τινας ἄλλας πράξεις βασιλικάς); vgl. auch Hirschfeld Verw.-Gesch. I 209, 3. Prosopogr. II 301f. nr. 276. H. Peter Gesch. Litt. I 226, 3. 235, 1. Den griechischen Titel dieser Stellung hat Mommsen Ztschr. d. Savigny-Stiftg. XVI Rom. Abt. 181ff. erkannt in dem προσοδοποιός, der in dem von ihm neu edierten Protocoll eines vor dem Praefectus Aegypti stattgefundenen Strafprocesses aus dem Ende des 2. Jhdts. (UBM II 388) als instruierender Beamter und eigentlicher Leiter der Untersuchung erscheint (vgl. Mommsen a. a. O. 188f.). Seine bisher noch nicht nachgewiesene lateinische Bezeichnung könnte a commentariis praefecti Aegypti gelautet haben. Unverkennbar ist die Ähnlichkeit mit dem im 2. Jhdt. gleichfalls ritterlichen Beamten a cognitionibus, der nach Philostr. vit. soph. II 30 (vgl. 32) im Kaisergericht ,die Processe aufruft‘ und die Protocollierung besorgt (o. S. 221). Die Überlieferung über den προσοδοποιὸς gestattet einen Rückschluss auf die Agenden der gleichgestellten Beamten a commentariis praefectorum praetorio, sowie – wenigstens bis zu einem gewissen Grade – der im Range allerdings weit zurückstehenden commentarienses in den Officien anderer Provinzen (o. S. 762f.).
Litteratur: E. Cuq Études d’épigraphie juridique (Biblioth. des écoles franç. XXI) 95f. Mommsen Ztschr. der Savigny-Stift. XVI Rom. Abt. 181ff.
9. comm(entariensis) rat(ionis) kastr(ensis) CIL VI 8519 (unter Marc Aurel und Verus); adiutor offici commentari kas(trensis) (unter Pius) CIL VI 8518.
10. a commentaris rationis patrimoni CIL VI 8502 (unter Traian). 8503 vgl. VI 8509. XI 3860 (unter Traian). Hirschfeld V.-G. I 42. 1. 80. 1. M. Rostowzew Röm. Mitt. XIII 110. 1. [765]
11. a[g]ens pro comm(entariensi) summ(ae) privatae CIL VI 29682 = Röm. Mitt. VI 340; vielleicht der Stellvertreter des ordentlichen Beamten a comm[entariis s. rei p., vgl. Hirschfeld S.-Ber. Akad. Berlin 1893. 423, 2.
12. a comment(aris) rat(ionis) hereditat(ium) CIL VI 8933 (unter Claudius); commentaresis [ad] stationem her[editatium] CIL VI 8437 (unter Pius); libr(arius) comm(entariorum) st(ationis) her(editatium) t(abularii) k(astrensis) CIL X 3878. Hirschfeld I 55, 3.
13. Neben den militärischen commentarienses werden in den Inschriften mitunter kaiserliche Freigelassene als a c. oder commentarienses einer bestimmten Provinz bezeichnet; vgl. CIL II 6085 (Baetica, dann Alpes Cottiae). III 258 (Galatia). X 6092 = Dessau 1500 (Belgica; unter den Flaviern). V 7882 (Alpes maritimae). Bull. hell. XVI 174 (= Glasnik zemaljskog muzeja u Bosni XI 1899, 786) Aug. lib. ab commentaris Epiri et Achaiae (vgl. Ruggiero II 540). Da unter diesen Provinzen auch senatorische (Baetica, Achaia), daneben besonders procuratorische vertreten sind, dürften diese kaiserlichen Freigelassenen den Bureaux der procuratores Augusti, also der Finanzverwaltung zugeteilt gewesen sein; vgl. bes. CIL X 6092 proxim(o) rationali et a commentariis provinc(iae) Belgicae. Ein collegium Faustinianum commentaresium bezeugt CIL III 6077 (Grabschrift eines arcarius provinciae Asiae).
Hieher gehört das Bureaupersonal des procurator Augusti tractus Karthaginiensis in dessen tabularium zu Karthago, durchaus kaiserliche Sclaven: adiutor a commentariis CIL VIII 12610–12612. 12893-12897. 16561; adiutor ad instrumentu(m) commentariorum CIL VIII 12898; vgl. Mommsen Ephem. epigr. V p. 111; CIL VIII p. 1335ff. A. Schulten Die röm. Grundherrschaften 74f.
14. a commentariis fisci Asiatici CIL VI 8572 = Dessau 1516. Hirschfeld I 14, 1.
15. conmentariesis aurariarum Delmatarum CIL III 1997 = Dessau 1595. Hirschfeld I 84f., 5.
16. commentar[i]ensis (quadragesimae) Galliarum CIL II 6085 = Dessau 1560 (unter Marcus und Verus).
17. a comment(aris vicesimae) her(editatium) H(ispaniae) c(iterioris) CIL II 4184 = Dessau 1556. Hirschfeld I 66, 1. 68, 1.
18. a commentariis vehiculorum CIL VI 8542 = Wilmanns 1375 (Freigelassener des Traian). Hirschfeld I 100, 2. Marquardt-Mau Privatleben I² 150, 5.
19. commentar[i]ensis urbis al[v]ei Tiberis CIL II 6085 (unter Marcus und Verus).
20. a commentariis operum publicorum CIL XI 3860 = Dessau 1603 (unter Traian). Hirschfeld I 42, 1. 4. 156, 3. 158.
21. prox(imus) comm(entariensis) ann(onae) CIL X 1727. Rostowzew Röm. Mitt. XIII 120. 122 A. 3.
22. a commentaris aquarum CIL VI 8487 [766] = Dessau 1609 (flavische Epoche). Hirschfeld I 173, 2; o. S. 742.
23. comm(entariensis) ludi matutini CIL VI 352. Hirschfeld I 179f. 3.
24. a comment(aris) rat(ionis) vestium scaenic(arum) et gladiat(oriarum) CIL VI 10089 (Freigelassener des Claudius). Hirschfeld I 184, 1.
25. a commentaris ornamentorum CIL VI 8951 = Dessau 1783. Hirschfeld I 184, 1.
26. comme(ntariensis) villae Tiburtis CIL XIV 3636 = Dessau 1584 (nicht vor Hadrian). Rostowzew Röm. Mitt. XIII 111.
27. publicus a commentaris (quindecim)virum s(acris) f(aciundis) CIL VI 2312; o. S. 731.
28. publi(us) a commentariis [fratrum Arvalium] CIL VI 2103 a 4; comm(entariensis) CIL VI 2067 II 5; vgl. o. S. 731.
29. comm(entariensis) rei p(ublicae) Benev(entanae) CIL IX 1663 (römischer Ritter); vgl. o. S. 746.
Litteratur: Marquardt-Mau Privatleben I² 151, 1ff. Ruggiero Diz. epigr. II 539. Thédenat Dict. des ant. I 1403. Mommsen Strafr. 515f.
II. Protocollbeamte seit Diocletian.
In der diocletianisch-constantinischen Ämterordnung, welche die Trennung der civilen und militärischen Verwaltung durchführte, waren die commentarienses nur in den militärischen Officien nach wie vor abcommandierte Soldaten, in den übrigen Bureaux dagegen Civilbeamte, deren Titulatur (bei Lydus de mag. III 4. 8 mit ὑπομνηματογράφος erklärt) allerdings nach Ps.-Ascon. zu Cic. Verr. p. 169 Orelli de legionaria militia hergenommen war. Die geläufige Annahme, dass der c. damals ausschliesslich mit der Criminalrechtspflege zu thun hatte, trifft wenigstens für den Anfang dieser Periode nicht zu. Nach dem ordo salutationis sportularumque sub imp. Iuliano (J. 361–363) in provincia Numidia CIL VIII Suppl. 17896 (vgl. Mommsen Eph. epigr. V p. 629ff. Bruns Fontes I⁶ 257f. n. 87; dazu O. Karlowa Neue Heidelb. Jahrb. I 164ff.) waren in Civilprocessen an mehrere Oberbeamte (primates officii), darunter den princeps, den cornicularius und den commentariensis (Z. 23f.), gewisse Sporteln zu zahlen (vgl. Lydus de mag. III 24. Schiller Gesch. d. röm. Kaiserzeit II 114), nicht etwa blos wegen ihrer Stellung im Officium (Karlowa Rechtsgesch. I 880, 7. 884), sondern als Honorar für bestimmte Dienstleistungen. Erst seit dem Ausgange des 4. Jhdts. erscheint der c. in den Rechtsquellen ausschliesslich als Hülfsorgan der Strafrechtspflege; als Gehülfe des Magistrates bei civilgerichtlichen Verhandlungen hat sich von ihm der ab actis (o. Bd. I S. 325f.) differenziert. Den Übergang zeigt der com(mentariensis) ab actis civilib(us) einer älteren Inschrift CIL II 4179 (dazu o. S. 763). Demgemäss nennt die Notitia dignitatum, wie schon Bethmann-Hollweg III 449 bemerkt hat, bei allen iudices civiles sowohl den c. als auch den ab actis, während sie den iudices militares, die anfänglich [767] nur Criminalgerichtsbarkeit hatten, blos den c. zuweist; vgl. die Zusammenstellung nach Behörden bei Thédenat 1403, 11 und Ruggiero 544f. Index zu Seecks Ausgahe p. 303.
Der c. nimmt die förmliche Anklage (inscriptio) zu Protocoll (vgl. Hesych. s. κομμενταρίσιος τὰς ἐγγραφὰς τῶν ἐγκλημάτων δεχόμενος); er sorgt für die Ausführung des Haftbefehles des Beamten (Edict. Iust. 13 c. 12. 17. 29. Lyd. de mag. III 18) und hat den Angeschuldigten dem Richter vorzuführen, ihn in Gewahrsam zu halten (C. Th. IX 3, 5. Mommsen Eph. epigr. V p. 149 n. 2), die Acten über die Verhandlung zu führen, den Angeklagten foltern und schliesslich das Urteil an ihm vollstrecken zu lassen (Acta martyrum bei Panciroli Not. dign. or. c. 13). Dementsprechend hat er die Aufsicht über das Gefängnis (Cod. Theod. IX 3, 5. 6 = Cod. Iust. IX 4, 4. 5. Cod. Theod. VIII 15, 5 § 1. Firm. Mat. III 6), dessen Schliesser und Kerkermeister (applicitarii und clavicularii) ihm unterstehen (Lyd. III 8. 16. Etymol. magn. s. κομενταρήσιοι. Gothofredus zu Cod. Theod. IX 3, 5. Kuhn I 166 mit A. 1304. Bethmann-Hollweg III 148). Er ist persönlich für die Häftlinge verantwortlich, nimmt die Taggelder für die Verpflegung unbemittelter Gefangener in Empfang (Cod. Theod. IX 3, 7 = Cod. Iust. I 4, 9. Mommsen Strafr. 304, 6, vgl. 303, 6) und hat nach einer Verordnung vom J. 380 (Cod. Theod. IX 3, 6) allmonatlich dem Beamten ein Verzeichnis der Inhaftierten vorzulegen (Mommsen a. a. O. 310, 4; vgl. o. S. 760f.).
Im Range kommt der c. im Officium des praeses provinciae (vgl. Mommsen Eph. epigr. V p. 636 mit A. 1), ähnlich wie schon im 2. und 3. Jhdt., erst nach den Spitzen des Bureaus, dem princeps und dem cornicularius. Während die beiden letzteren nach dem numidischen ordo salutationis (o. S. 766) in der zweiten Gruppe zur salutatio des Statthalters zugelassen werden, dürften die c. erst in der vierten Gruppe unter den [offi]ciales ex ordine (Z. 14) Zutritt gehabt haben; über ihre Zulassung zur Adoration des Kaisers vgl. Karlowa Jahrb. a. a. O. I 173. In der Regel hatte jedes Officium einen c. Bei seinen Agenden wurde der c. durch ein mehr oder minder zahlreiches Bureaupersonal (scrinium) unterstützt, bestehend aus einer Anzahl von adiutores, welche der Schola der Exceptoren entnommen waren (Cod. Iust. I 27, 25. Cod. Theod. IX 3, 5 = Cod. Iust. IX 4, 4. Lyd. III 16), und andern exceptores untergeordneten Ranges (Lyd. III 17. 18). Vom adiutor rückte man nach Massgabe des Dienstalters zum commentariensis vor (Cod. Theod. VIII 1. 2. Lyd. III 16. 20; vgl. Kuhn I 159 mit A. 1256. Bethmann-Hollweg III 147f.).
Den Praefecti praetorio war in dieser Epoche gleichfalls je ein c. als Kanzleibeamter für die Criminalgerichtsbarkeit zugewiesen; vgl. Not. dign. occ. II 47 (Italien). III 12 (Gallien); cr. II 63 (Orient). III 24 (Illyricum); dazu Cod. Iust. I 27, 25 (Africa). Unter den sehr angesehenen Officialen der Praefecten (praefectiani, vgl. Bethmann-Hollweg III 137) nimmt der c. eine bevorzugte Stellung ein; er rangiert gleich hinter dem cornicularius und dessen adiutor. Ausführliche Nachrichten über die zwei κομμενταρίσιοι des praefectus praetorio Orientis und ihr Bureaupersonal [768] im 6. Jhdt. giebt Lyd. de mag. III 4. 8. 9. 16. 17. Nach ihm (III 17) waren sie damals die höchsten Criminalbeamten des Reiches, das Werkzeug kaiserlicher Ungnade, nicht blos des Unwillens des Praefecten, von den Beamten ihres eigenen Officium unterwürfig verehrt und gefürchtet (Kuhn I 165). Ausser sechs adiutores (III 9. 16) unterstand ihnen die ganze Schar der applicitarii und clavicularii (III 8. 16).
Litteratur: Gothofredus zu Cod. Theod. IX 3, 5. Dirksen Manuale latinatis 164. Kuhn Städt. Verw. I 159. 165. Bethmann-Hollweg Civilprocess III 147ff. Puchta Institutionen I⁹ 351. Krüger Kritik d. Iust. Cod. 167f. Karlowa Rechtsgesch. I 883f. 880, 7. Thédenat Dict. des ant. I 1402f. P. E. Vigneaux Praefectura urbis 102f. Ruggiero Diz. epigr. II 544f.