Rosen-Monate heiliger Frauen/Afra

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XXXIX.
7. August.
Afra,
Büßerin.


 An diesem Tage gedenkt man zu Augsburg und an manch anderem Orte der Märtyrin Afra, und das ohne allen Zweifel mit Recht, da sie, wenn irgend wer in deutschen Landen, ein mächtiges Denkmal der Gnade Gottes in Christo Jesu ist, vielen armen Sündern den Weg zu Christo zeigen und durch ihr Beispiel der Verzweiflung derjenigen wehren kann, denen der Geist Gottes die Augen über ihr Leben aufthut, der Geist der Anfechtung aber aus dem geschenkten Blick ins grauenvolle eigene Innere und Leben den Trugschluß in die Ohren ruft, daß solche Menschen gewis verloren seien. Afra’s Leben war eitel Aergernis; zwischen ihrem Leben und ihrem Tode aber schenkte ihr Gott einige Tage, die hinreichten, den Tod der großen Sünderin zu einem erbaulichen Exempel für| ihre Zeitgenoßen und die Nachkommen zu machen. Während ihr Leben zeigt, wie man nicht leben müße, läßt uns ihr Tod im hellsten Lichte schauen, wie ein Sünder selig sterben solle und könne.
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 Als die diocletianische Verfolgung über das römische Reich hin wüthete, floh ein spanischer Bischof, Narcissus, mit seinem Diakonus und kam auf seiner Flucht herüber nach Deutschland und nach Augsburg; und wie der HErr alle Dinge wunderbar fügt, so führte er den heiligen Mann und seinen Gefährten zur Herberge ins Haus einer öffentlichen Buhlerin. Das war Afra, zu Augsburg geboren, und von ihrer Mutter Hilaria, die aus Cypern stammte, für den Dienst der unreinen Venus erzogen. Afra bereitete ihren Gästen das Mahl. Als es aufgetragen war, segnete es der Bischof und betete mit seinem Gefährten zu hoher Verwunderung der Buhlerin, die nun deutlich merkte, daß die beiden Männer unter die Zahl ihrer gewöhnlichen Besucher nicht zu rechnen waren. Afra fragte nach Stand und Geschäft derselben und war nun nicht bloß verwundert, Christen bei sich zu sehen, sondern es durchdrang sie die Gnade wie ein Blitz; sie stürzte dem Bischof zu Füßen und bekannte ihm unter vielen| Thränen, daß in der ganzen Stadt kein schändlicheres Weib zu finden sei, als sie. Als der Bischof merkte, was der HErr für Wunder wirke, fuhr er schnell mit Troste zu und that weislich daran, denn der HErr hatte sich aufgemacht, die Buhlerin zu retten und sie zu einem leuchtenden Denkmale seiner Gnade zu setzen. Hocherfreut eilte Afra zu ihren drei Mägden, Digna, Eunomia und Eutropia, und erzählte ihnen von dem Besuch und wie es ihr ergangen. Da drang die Gnade auch in die Herzen der Mägde, daß sie ihr einmüthig entgegen riefen: „Du bist unsere Herrin: waren wir die Genoßinnen deiner Missethaten, warum sollten wir dir nicht auch zur Verzeihung der Schuld folgen?“ Da war nun auf einmal das Buhlhaus zum Gotteshaus verwandelt. Die frommen Diener Jesu sangen tief in die Nacht hinein ihre Lieder und Psalmen, der Morgen kam unter Gesang und Gebet, und gelehrig gieng Afra mit ihren Mägden in die Lust der Heiligen ein und lernte in Einer Nacht nicht blos glauben, sondern auch beten und singen zum HErrn. – Am andern Tage merkte Afra, daß ihre Gäste Tags vorher bereits am Kreuzeszeichen in der Stadt erkannt seien, und daß die Häscher sie suchten. Da verbarg| sie dieselben, wie einst Rahab die Boten Josuas, den Tag über unter Flachsbüscheln und brachte sie am Abend zu ihrer Mutter Hilaria, wo sie sicherer waren. Auch diese wurde von Sehnsucht nach der Botschaft ergriffen, die ihre Tochter umgewandelt hatte, und warf sich reumüthig den Dienern Jesu zu Füßen. Es folgten sieben Tage des Fastens und des Unterrichts, nach welchen Mutter und Tochter und Mägde mit einander aus dem Waßer der Taufe neugeboren, ja umgewandelt hervorgiengen. Kaum aber verlautete es, daß die Buhlerin ausgebuhlt habe und Christum bekenne, so wendete nun Gajus, der Richter, in Kraft der diocletianischen Befehle die Schärfe der Gesetze gegen Afra an. Die Acten ihres Verhörs sind noch vorhanden, und wenn man auch nicht jedes Wort der jungen Christin nach dem Richtscheit des reinen Bekenntnisses billigen kann, so muß man sich doch über das Licht, die Liebe und Treue einer so jungen Schülerin Jesu wundern. Da half kein Schmeicheln, kein Drängen zum Götzendienst: „Ich habe genug an meinen Sünden, sagte Afra, die ich in der Finsternis meiner Unwißenheit begangen habe; nimmermehr thue ich, was du mich heißest.“ Es half auch nichts, daß der Richter sagte: „Du bist, wie ich| höre, eine Hure; opfere, denn du bist weit entfernt vom Gott der Christen.“ Afra hatte antworten lernen: „Mein Herr Jesus hat gesagt, er sei für Sünder vom Himmel herabgestiegen; auch bezeugen die Evangelien, daß eine Hure Seine Füße mit ihren Thränen benetzte und Seine Verzeihung empfieng, daß er die Zöllner und Huren niemals verachtet hat, sondern sie mit sich eßen ließ.“ „Opfere, sagte der Richter, dann wirst du wieder gesucht werden von den Männern, wie bisher, und Geld genug verdienen.“ „Das verdammte Geld, antwortete Afra, nehme ich niemals wieder. Was ich bisher auf diese Weise gewonnen, habe ich weggeworfen, weil ich kein gutes Gewißen dabei hatte, und weil meine armen Brüder, die ich flehentlich gebeten habe, es anzunehmen, sich weigerten und auch in ihrer Armuth keinen Hurenlohn nehmen mochten. Habe ich weggeworfen, was ich hatte, wie könnte ich wieder suchen, zu gewinnen, was ich als Unrath von mir warf?“ „Eine Hure, sagte der Richter, kann keine Christin genannt werden.“ Antwort Afra’s: „Ich verdiene es auch nicht, so zu heißen, aber der HErr hat mir nicht aus Verdienst, sondern aus Gnaden diesen Namen geschenkt.“ „Woher weißt du’s,“| versetzte Gajus. Afra’s Gegenrede war: „Ich merk es daran, daß er mich zu dem herrlichen Bekenntnis Seines Namens herbeiläßt.“ „Fabeln das, sagte der Richter; opfere, so erlangst du das Heil.“ Afra: „Mein Heil ist Christus, der am Kreuze hangend dem reumüthigen Schächer die Freuden des Paradieses versprach.“ „Opfere, sage ich dir, sprach Gajus weiter, oder ich laße dich Angesichts deiner Buhler mit Ruthen hauen.“ Antwort: „Mich wird nichts mehr beschämen als meine Sünde.“ „Opfere: für was rede ich so lange mit dir, willst du nicht, so laß ich dich töden.“ Afra: „Nichts anderes möchte ich, möge nur der HErr mich würdigen, auf diesem Wege seine Ruhe zu finden.“ „Opfere, sonst laß ich dich peinigen und lebendig verbrennen.“ Afra: „Der Leib, in dem ich sündigte, verdient nichts anderes, als Pein: meine Seele aber werde ich nicht mehr mit Opfer der Dämonen besudeln.“
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 Bei so standhafter Verweigerung ferneren Götzendienstes und offen eingestandener großer Anhänglichkeit an das vom Kaiser verbotene Christenthum blieb dem Richter nichts übrig, als das Urtheil zu sprechen, welches dahin lautete: „Die öffentliche Hure Afra, die sich als Christin bekannt, und geweigert hat am Opfer| der Götter theilzunehmen, haben wir befohlen, lebendig zu verbrennen.“ Sogleich wurde sie von den Schergen ergriffen, auf eine Insel des Lech gebracht, und an den Pfahl gebunden. Da betete sie mit Thränen und sprach: „Allmächtiger Herr Gott, Jesu Christe, der du nicht gekommen bist, die Gerechten, sondern die Sünder zur Buße zu rufen, deßen Verheißung wahr und gewis ist! Da du in deiner Gnade dem Sünder zusagtest, du wollest seiner Sünden nicht mehr gedenken, zur Stunde, wo er sich zu dir bekehren würde: nimm an in dieser Stunde meines Leidens meine Buße, und befreie mich durch dies zeitliche Feuer, das meinem Leibe bereitet ist, von jenem ewigen Feuer, das Leib und Seele mit einander verzehrt.“
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 Der Leser merkt, daß die Leidende ihrem zeitlichen Leiden einen größeren Werth zuschrieb, als sie gesollt hätte; aber hat sie auch ein wenig gedämmert in der Erkenntnis, die Christin von sieben Tagen, im vierten Jahrhundert berufen, so ist doch ihr Fehl und Mangel erklärlich, ihre Buße aber und ihr Verlangen nach Jesu Christo leuchtend und klar. Nachdem sie ihr Gebet gesprochen hatte, umgab man sie mit dem nöthigen Material, sie zu verbrennen, und legte das Feuer an. Da| hörte man sie beten: „Dank sage ich dir, Herr Jesu Christe, der du mich gewürdigt hast, daß ich darf aufgeopfert werden zur Ehre deines Namens, der du selbst am Kreuze das einzige Opfer für die ganze Welt geworden, und geschlachtet bist, der Gerechte für die Ungerechten, der Gute für die Bösen, der Gebenedeite für die Verfluchten, der Sündenreine für die Sünden der ganzen Welt. Dir bring ich mein Opfer, der du mit dem Vater und dem heiligen Geiste lebst und herrschest, wahrer Gott von Ewigkeit. Amen.“

 Mit diesen Worten gab sie ihren Geist auf.

 Während so die selige Blutzeugin zu den himmlischen Freuden mit Siegespalmen eingieng, standen jenseits der Insel am Ufer Digna, Eunomia und Eutropia, ihre Mägde. Sie erbaten sich Erlaubnis, überzusetzen und fanden den Leichnam ihrer Herrin von den Flammen unverletzt; ein Knabe aber, der bei ihnen war, schwamm hinüber und brachte der Mutter der Seligen, Hilaria, die Botschaft. Diese hatte sich bereits in der Umgebung von Augsburg ein prächtiges Grab gebaut, kam nun des Nachts mit Priestern und bestattete den Leichnam ihrer Tochter in dem Grabe. Gajus aber ward davon benachrichtigt, und schickte seine| Soldaten zum Grabmal mit dem Auftrag, Hilaria und die drei Mägde, die bei ihr waren, für’s erste mit guten Worten zum Götzenopfer zu bewegen; im Falle sie sich bewegen ließen, sollte ihnen von Gajus Lohn und Ehre werden. „Weigern sie sich aber hartnäckig, sagte er, so füllt das Monument mit Brennmaterial, und schließet es hinter der Mutter und den Mägden zu. Dann leget Feuer an und verbrennet sie mit einander.“ So geschah es auch, und an demselben Tage, an welchem Afra begraben wurde, erlangten nun auch Hilaria, ihre Mutter, und ihre drei Mägde, sämmtlich Genoßinnen ihres Glaubens, die Krone der Blutzeugen. Im Himmel aber war Freude vor Gott und seinen Engeln über fünf verlorne Schafe, welche der gute Hirte mit Preiß und Ehre durch Tod und Feuersqual zu der Heerde heimbrachte, die nicht mehr sündigt, nicht mehr leidet, und in die Heimath, wo alle Thränen abgewischt werden, und alle Klage in Freude und Jubel verwandelt wird.




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