Die Lautenspielerin – 2 (Gemälde der Dresdener Gallerie)

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Autor: Adolph Görling
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Titel: Die Lautenspielerin
Untertitel: Von Eglon van der Neer (korrigiert F. van Mieris)
aus: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie
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Erscheinungsdatum: 1848–1851
Verlag: Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne
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Erscheinungsort: Leipzig und Dresden
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The Lute Player.     Die Lautenspielerin.

[89]
Die Lautenspielerin.
Von Eglon van der Neer.[WS 1]

Seit 1691 theilte Maria Anna Luisa von Medici, die Tochter Cosmo’s III. von Florenz, mit Johann Wilhelm den kurfürstlichen Thron von der Pfalz-Neuburg. Kaum ein Jahr weilte die reizende Tochter Italiens in Düsseldorf und bereits erkannte man hier in lebhaftester Weise das Walten einer milden, freisinnigen, kunstliebenden Herrscherin.

So lange die erste Gemahlin des damaligen Prinzen Johann Wilhelm, Anna von Oesterreich, Kaiser Ferdinands III. Tochter, am Hofe ihren mächtigen Einfluß geltend machte und ihrem edlen Gemahle ihren düstern Katholicismus, ihre fast ascetische Strenge der Lebensordnung mitzutheilen wußte, lag es wie eine Art von Alp auf dem heitern Düsseldorf und den herrlichen pfälzischen Gauen am Rhein. Als aber Maria die Stelle der Verstorbenen einnahm, regte es sich aller Orten, wie der Hauch von einem milderen Himmel und einer lachenderen Sonne. Der Kurfürst liebte seine Gemahlin leidenschaftlich. Er, welcher Italien so genau kannte, ahnte nur zu wohl, was das Herz der Fürstin bewegte, wenn sie in unbewachten Augenblicken still, [90] träumerisch, in sich gekehrt, da saß. Die „bella Italia“ stand vor ihren inneren Blicken. Rastlos begann darauf der Kurfürst, durch seine Schöpfungen zu versuchen, ob er die Geliebte das Heimathland und ihr classisches „Fiorenze“ , diese Vaterstadt der majestätischen und reizenden Kunstschönheit, vergessen machen könne. Auf Johann Wilhelms mächtigen Wink fing Düsseldorf an, sich gleich dem der dunklen Verpuppung entschlüpfenden Schmetterlinge zu verschönern. Die finstern Gassen der Altstadt verschwanden allmälig; luftige, freie, dem großartigen Rhein entsprechendere Straßen wurden geschaffen und in der entstehenden Neustadt reihte sich bald ein Palast an den andern. Maria lächelte wohl, wenn sie diese Thaten der Liebe musterte; aber noch immer war Düsseldorf, wie auch heute noch nicht, ein Florenz. Der Geist namentlich, welcher hier herrschte, war ein so dumpfer und starrer, daß er die Italienerin, welche gleich ihren Landsleuten die heitere Seite der Religion vorzugsweise auffaßte, erschreckte. Ein bleierner Druck des Clerus ruhte auf Düsseldorf und dem Lande. Längst hatten sich die Jesuiten angesiedelt und ihre herrliche Kirche, ihr mächtiges Collegium bezeugte die Macht, welche die „Schlangenklugen“ bereits errungen hatten. Johann Wilhelm war, ungeachtet er auf seine Selbstständigkeit, auf seinen festen Charakter im Stillen stolz war, bisher dennoch nicht mehr und nicht weniger, als das mit überlegener Kunst geleitete Werkzeug der Väter Jesu gewesen. Der geistliche Despotismus hatte sich Bahn gebrochen; ja weit auf weltliches Gebiet konnten die Jesuiten ihre Banner tragen, und was sie gewirkt, zeigten die aufs Neue zerworfenen Verhältnisse der Jülichschen Erbfolge zwischen Pfalz-Neuburg, Sachsen, Kur-Brandenburg und Salzburg, welche schon mehrfach ihrer Lösung nicht fern gewesen waren. 1666 waren die Wirren geschlichtet, so daß Sachsen vom Herzogthum Jülich den Titel, Pfalz-Neuburg den seit 1614 inne gehabten Besitz, Kur-Brandenburg Cleve, die Mark und Ravensberg erhalten hatte. Die Jesuiten aber hatten listig die weitere Erbfolge, die Verlassenschaftsangelegenheit im Falle des Aussterbens der pfalzneuburgischen Linie anzuregen und die ganzen alten Verhandlungen als vorgeblich unerledigt, in die Wirren wieder hereinzuziehen gewußt, um demzufolge Kur-Brandenburg nicht allein, wie bereits stillschweigend feststand, definitiv später auszuschließen, sondern ihm den Besitz der genannten Länderstrecken zu bestreiten, und diese, eine neue Domaine für die Jesuiten, dem protestantischen Brandenburger rechtlich abzusprechen und durch der katholischen Fürsten Vermittelung wieder abzujagen.

Johann Wilhelm war stolz. Mit seltenen Geistesgaben von der Natur begünstigt, glaubte er sich zu einer hervorragenderen Rolle in der Geschichte berufen, als er sie je hat verwirklichen können. Die Jesuiten faßten ihn daher mit ihren Projecten bei seiner unbeschützten Seite. Sie machten sich zu Lenkern der Cabinetsangelegenheiten und wußten für ihre Ordenszwecke nach Maßgabe, wie sie sich dem Fürsten immer unentbehrlicher zu machen wußten, auch umfassendere Vergünstigungen zu erlangen. Während die politischen Angelegenheiten einen sehr erfolglosen Gang gingen, hatten die Jesuiten für ihre Bemühungen täglich neue Vortheile auszuweisen. Sie blühten, während Johann Wilhelm zusehends finsterer wurde und sich aus Uebellaune zu einem gewaltsam auftretenden Wesen gegen seine Unterthanen hinreißen ließ, das von Ursprung nicht in ihm gelegen hatte.

Maria Anna von Medici bewirkte durch die Macht ihrer körperlichen und geistigen Reize sehr bald die erfreulichsten Umwandlungen im Gemüthe ihres Gemahls. Johann Wilhelm ward [91] heiter; statt düsterer Religiosität machte die lebensvolle Kunst ihre Herrschaft bei ihm geltend; er fing an, die Geistlichen auffallend zu vernachlässigen und dafür in glänzenden, sinnigen Hoffesten, sowie in seinen architektonischen Unternehmungen frischen Lebensmuth und gehaltvolle Lebenslust zu finden. Das weltliche, ritterliche Element waltete im Lande; die Unterthanen athmeten fröhlich auf, indeß die Vampyre, die jesuitische Bande, nachdenklich sich auf ihre Ordenshäuser zurückzogen. Wie Falken beobachteten sie diese unerwartete Richtung des Kurfürsten, um die Zeit zu ersehen, wenn sie wieder mit Erfolg einzutreten vermochten; wie blutdürstige Luchse bewachten sie die edle Italienerin, welche nicht ohne ihr Zuthun den Weg nach Düsseldorf gefunden hatte, diese Fürstin mit überlegenem Verstande, weichem Herzen und vollendeter, humaner Bildung, um bei ihr einen Flecken zu finden, dessen Herauskehrung ihren Einfluß auf Johann Wilhelm für immer zu vernichten vermöchte.

Von jetzt an begann, von den Jesuiten ausgehend, eine Reihe der verdecktesten, aber boshaftesten Machinationen gegen die junge Fürstin. Nicht umsonst aber war Marie von Toscana unter den listigsten Höflingen der Welt erwachsen. Ihr taubenfrommes Auge war tief, räthselhaft und ohne ihr herzliches Lächeln, welches ihre Seele zeigte, unergründlich. Sie hatte längst ihre Feinde errathen. Italien war von allen katholischen Ländern von jeher das am wenigsten katholische; dasjenige, wo der Papst und die römische Priesterherrlichkeit am wenigsten sich eines Nimbus rühmen konnten; wo man, ohne „ketzerisch“ zu sein, am genauesten von dem sehr bescheidenen Werthe der anmaßenden „Knechte Christi“ überzeugt war. Die Kurfürstin war ganze Italienerin. Sie hatte dies Pfaffenwesen am Rhein vom ersten Augenblicke ihrer Ankunft an ohne den geringsten Schleier gesehen und sich mit fester, bewußter Energie demselben entgegengestellt. Sie zog durch den Kurfürsten namentlich die Grenzen der Jesuiten täglich enger und trieb es, die Macht des Witzes nur zu genau kennend, so weit, daß in den geistreichen Abendunterhaltungen auf dem Schlosse inmitten einer zahlreichen, glänzenden, einflußreichen Gesellschaft von Edelleuten, Gelehrten und Künstlern sammt ihren Damen die famösen, bis dahin verpönten „Lettres provinziales“ von Pascal, dies auf die Jesuiten wie Rattengift wirkende Werk, vorgelesen und mit den heitersten Commentaren versehen wurden. Die Jesuiten wütheten deswegen gegen die Kurfürstin um so mehr, als Pater Balsamo Bondal – einige Zeit der Beichtvater des Kurfürsten – auf schlauen Anlaß der schönen Maria Anna Luisa selbst mehrere Abende vorgelesen hatte. – Widerlegt diesen Lästerer! hatte die Kurfürstin gesagt. Das heißt, wenn Ihr es mit Gründen vermögt. Wollt Ihr aber, wie Euer Orden, blos schmähen: so wollen wir selbst, als gute katholische Christen, versuchen, Euch, die Ihr Euch nicht vertheidigen könnt, zu rechtfertigen. So angegriffen, mußte Pater Balsamo, der Unfehlbare, Stand halten. Er verkündigte, bevor die Lecture begann, die durch ihn erfolgende Zermalmung des boshaften und witzigen Franzosen, erlitt aber, da der ganze Hof für Pascal gegen die Jesuiten Partei nahm, eine so schmähliche Niederlage, daß selbst die Kurfürstin, wie vielmehr Johann Wilhelm selbst, den Pater aufrichtig bedauerte. Der Krieg gegen die Italienerin und ihre weltmännischen, profan lebenden, italienischen Geistlichen war erklärt. Die Kurfürstin mußte fallen, todt oder lebendig. Vergebens aber suchten die Jesuiten lange Zeit eine Angel, um sich abermals des Kurfürsten zu bemächtigen. Endlich aber erschien sie doch.

Die Neustadt war anfangs auf alleinige Rechnung des Kurfürsten, welcher die errichteten [92] Gebäude sodann verkaufte, entstanden. Aber zu diesen, überdem zu bürgerlichem Betrieb wenig geeigneten, in einem damals noch öden Viertel der Stadt liegenden theuren Prachtbauten fanden sich die Käufer nur sehr spärlich. Der Bau gerieth in’s Stocken und Johann Wilhelm, der sich nahezu dadurch entehrt glaubte, ward finsterer als je. Vergebens hatte die Kurfürstin ihre überflüssigen Kostbarkeiten dargebracht; die gewonnenen Summen deckten noch lange nicht das ungeheure Deficit; vielweniger war an Fortbauen zu denken. Bald warf Johann Wilhelm seiner Gemahlin ohne Rückhalt vor, daß sie ihm die Väter Jesu verfeindet habe, ebendieselben, welche namentlich durch ihren – verbotenen – indischen Handel über so ungeheure Summen zu gebieten hatten und in solchen Angelegenheiten nie geizten, wie sie den Kurfürsten bedrängten. Das war der erste Schritt Johann Wilhelms, um mit seinen Freunden wieder anzuknüpfen. Die Jesuiten ließen sich jedoch nicht direct bewegen.

Bald jedoch nach der eingetretenen Geldnoth des Kurfürsten erschien ein italienischer Abbate, ein Toscaner von Geburt, um sich seiner erlauchten Landsmännin, der Kurfürstin, demüthig vorzustellen. Abbate Santi oder Fra Giuseppe war ein Benedictiner, welcher lange in Florenz, Rom und Paris lebte. Er empfahl sich der Italienerin durch sein ehrliches, offenes Wesen noch mehr, als durch seine genaueste Kenntniß der verstecktesten Angelegenheiten am Hofe von Cosmo Medici. Fra Giuseppe berichtete, daß er in Angelegenheiten des Trappistenordens reise, namentlich der Ueberbringer wichtiger Botschaften vom Trappistenkloster di Buona Solasso bei Florenz an dasjenige sei, welches damals in der unmittelbaren Nähe von Düsseldorf bestand.

Giuseppe erzählte höchst geistreich von diesem düstern Orden, welcher bereits nicht wenige Anfeindungen erfahren hatte. Maria hörte ihm mit großem Interesse zu, als er von einigen Mitgliedern von Buona Solasso sprach. Sie erzitterte aber, als dieser Geistliche ihr durch einen Namen eine Zeit heraufbeschwor, die sie längst vergessen zu haben wähnte, eine Zeit, welche urplötzlich mit aller Macht des Lebens aus der tiefsten Falte der Herzenserinnerung der Fürstin hervortrat.

– Es ist keine Caprice, Madame! sagte Fra Giuseppe. Es ist keine unnatürliche Erfindung, dies ewige Schweigen der Brüder von Latrappe! Menschen und Menschenherzen giebt es, Principessa, welche genug des Glückes, übergenug des gigantischen Unglückes des Herzens erduldeten, um ohne Zwang bis zum Tode stumm zu sein. Und geht mir dieser tragische Lebensnerv der Brüder von Latrappe auf, Altezza, so denke ich mit tiefster Wehmuth an den Bruder Gabriel, den schönsten und geistreichsten Mann Italiens, welcher aus der glänzendsten Region des Hoflebens freiwillig ohne Klage hinabstieg zu den düstern, nur durch das Memento mori! belebten Räumen der Trappisten von Buona Solasso.

In nachlässiger Stellung hatte die Kurfürstin den ausgezeichneten Redner bisher angehört, obwohl er sie, mehr durch seinen herrlichen Styl der Rede, als durch seinen Stoff interessirt hatte. Bei seiner letzten Wendung aber schien sie blitzähnlich berührt zu werden, während Fra Giuseppe seine sanfte, anscheinend durch nichts in der Welt zu erschütternde Ruhe behauptete.

– Gabriel! Gabriel! flüsterte sie, sich weit vorbeugend und Fra Giuseppe mit fast geistlos geöffneten Lippen, aber mit einem Funkeln der Augen anstarrend, das sicherlich, so lange sie in Düsseldorf war, noch Niemand an ihr bemerkt hatte.

– Gabriel! sagte Giuseppe eintönig. Oder richtiger, Nummer sechsunddreißig, welche [93] sonderbar genug, nach der Cabbala: „stumme Liebe“ bedeutet. Wir sind fern von Italien, Altezza, daher sage ich Euch, daß ich in der Nummer sechsunddreißig von Buona Solasso den einzigen Sohn meines Freundes, des Marchese Luigi di Ricci beklage; beklage, obgleich ich Gesandter und Freund der Brüder von Latrappe bin.

Die Kurfürstin entließ den Italiener rasch, um sich einer ebenso ungewöhnlichen als heftigen Gemüthsbewegung[WS 2] hinzugeben. Ihre erste Jugend und – kaum wagte sie zu denken, was sie mit Allgewalt empfand – ihre erste jungfräuliche Liebe hatte sich hier, fern von der blühenden Heimath, ihrer bemächtigt in einem Augenblicke. Sie versank, dem Kurfürsten gegenüber, in tiefe Schwermuth. Gabriel Ricci! Der Name, der fast vergessene Name, brannte in ihrem Herzen mit Flammenschrift. Er, der schönste, tapferste Jüngling von Toscana, hatte einst den Glanz seines prächtigen Auges zu der Tochter seines Fürsten zu erheben gewagt und Anna Maria Luisa’s Herz war ihm in Thränen des Entzückens der Liebe entgegengeflossen. „Da kam das Schicksal rauh und kalt“ – wie Schiller tiefdüster singt. Es kam als der männliche, schöne, braungelockte Kurfürst von der Pfalz, und der schwarzäugige Italiener, der dreiundzwanzigjährige Geliebte mußte vor dem ebenbürtigen zweiunddreißigjährigen deutschen Freier auf ewig im Tode eines Trappisten verstummen.

Maria von Medici liebte ihren Gatten mit zärtlicher Neigung; aber er war ihr irdischer Gott. Das göttliche Ideal, welches gleichviel früh oder spät in der Brust des Menschen aufgeht, und zwar nur ein Mal, war aber emporgestiegen, Alles neben sich verdrängend, und diese Gestalt glich Gabriel di Ricci; – er war es selbst. Die alte Liebe wurde durch das schmerzliche Heimweh, an welchem die Florentinerin schon länger litt, so sehr verstärkt und in die Gegenwart gezogen, daß nach wenigen Tagen die Kurfürstin sich selbst nicht mehr erkannte. Der Fra Giuseppe hatte ein ganz neues Wesen aus ihr gemacht.

Eben in dieser Zeit hatte der Kurfürst, mit seinen eignen Verlegenheiten beschäftigt, wenig Zeit und Laune, seiner Gemahlin Aufmerksamkeiten zu erweisen. Er vernachlässigte sie bei seinem Verkehr mit Juden und Wechslern fast vollständig. Maria dankte dem Himmel dafür. Sie gab vor, Andachtsübungen obzuliegen und verschloß sich in ihre Zimmer. Damals ließ sie ihren silberfalben Zelter satteln und ritt zur Stadt hinaus. Was wollte sie? Sie fand sich unwillkürlich immer auf demselben Wege und endlich vor den finstern Pforten des Trappistenklosters. Sie hatte eine Ahnung, es täuschte sie schmerzlich süß, wenn sie wähnte, dies sei Buona Solasso bei Fiorenze, eine Täuschung, welche die nächste Umgebung mitleidig unterstützte. Nie und nimmer wohl hätte sich dieser Zustand der Kurfürstin bemächtigen mögen, hätte sie den Gegenstand ihrer Leidenschaft in ihrer Nähe gewußt. So aber; es war ja kaum mehr als eine Todtenfeier für den zu Grabe gegangenen Frühling ihrer Gefühle. Eben aber, weil Maria von Medici sich in dieser Hinsicht sicher glaubte, ließ sie ihren Empfindungen, die sie unter anderen Umständen aufs strengste bewacht haben würde, widerstandslos den Zügel und verstrickte sich in die Regionen einer Phantasiewelt, welche zu reizend waren, als daß aus ihnen die liebende Träumerin zur nüchternen Wirklichkeit hätte zurückkehren mögen.

Bisher hatte sie nicht gewagt, den Fra Giuseppe, welcher im Jesuitencollegium gastliche Aufnahme gefunden, wieder zu sich zu bescheiden. Sein Blick war so eigenthümlich gewesen, als hätte er auf dem tiefsten Grunde ihrer Seele zu lesen vermocht. Er war inzwischen oft am [94] Hofe gewesen und Johann Wilhelm interessirte sich für ihn im höchsten Grade. Giuseppe sollte, wie ein geheim gesagtes Gerücht ging, zu den Nachkömmlingen der Guérinets, diesen phantastischen und gelehrten Geistersehern und Schwarzkünstlern gehören, die ihrerseits ihren Ursprung auf die Alambrados in Spanien, die Rosenkreuzer, die Templer, Aegypter und Magier, bis zu dem zweiten oder irdischen Hermes zurückführten; ein mystischer Orden, der zum Theil im 18. Jahrhundert in den Illuminaten wieder erstand. Fra Giuseppe war, obgleich Verbrüdeter der Trappisten, welche stumme Mitwisser so manches Geheimnisses waren, flüchtig und verfolgt. Die Jesuiten, die damals die Aufgeklärten, Vorurtheilsfreien spielten, hatten sich seiner als eines tiefsinnigen Naturforschers angenommen. Dieser geheime Stand der Dinge kam bald zur Oeffentlichkeit. Man reclamirte von Rom aus den Ketzer und Zauberer und Gottesleugner, genannt Abbate Santi oder Fra Giuseppe. Der Italiener rief den Kurfürsten um Beistand an, indeß das Jesuitencollegium Muth genug hatte, durch den General des Ordens zu Rom die Auslieferung Giuseppe’s geradezu zu verweigern.

Johann Wilhelm versprach dem Pater, ihn zu schützen, falls er offenes Geständniß ablege. Dies Geständniß ließ den Herrscher fast schwindeln. Giuseppe bekannte sich als einen der Guérinets. Er beichtete seine Eigenschaft, Geister und unkörperliche Wesen sehen und beherrschen zu können, seine Kunst, Gold zu machen und diejenige, durch Geister und Gestirne die Gedanken und Geheimnisse jedes Menschenherzens klar ergründen zu können, sofern er nur ein von der bestimmten Person, wenn auch mit gleichgiltigen Sachen, beschriebenes Blatt Papier besitze, um ihre Schriftzüge zu charakterisiren.

Dies letztere bot auf der Stelle einen sichern Haltepunkt. Der höchst betroffene Kurfürst griff sofort zur Seite, wo eine Menge Cabinetspapiere lag, und forderte dem Pater die Analyse des Charakters des Schreibers eines Blattes ab. Giuseppe studirte nur wenige Minuten; dann schilderte er den Verfasser, einen alten Canzleibeamten, so genau und richtig, daß Johann Wilhelm ihm erschüttert das Blatt aus der Hand nahm und ihn fortgehen hieß. Noch an demselben Abende aber ließ er ihn wiederrufen, und von hier an begannen die geheimnißvollen Unterhaltungen dieser beiden Männer, um unerhörte Resultate der Wissenschaften herbeizuführen. Fra Giuseppe machte vor den Augen Johann Wilhelms wirklich so viel Gold, daß dasselbe ausgeprägt über zwanzigtausend Gulden rheinisch betrug, was der Kurfürst an sich nahm, da der Geisterseher erklärte, er bedürfe im Augenblicke dergleichen nicht, könne sich ja auch immer selbst hinreichend versorgen. Der Einfluß, den Giuseppe erlangte, war so groß, daß der Kurfürst sich von ihm zum Neophyten annehmen und blind den Befehlen unterwerfen ließ, welche der Pater als zum Gelingen des Vorhabens nöthig, verhängte. Hierhin gehörte zum Beispiel die Forderung des Italieners, daß sich der Herrscher durchaus nicht mehr um kirchliche Angelegenheiten bekümmern dürfe, da die heilige Kirche, wie der Papst richtig erklärt habe, in natürlicher Feindschaft zu seiner Kunst stehe, die er übrigens als eine durchaus nicht sündliche oder gar dämonische zu rechtfertigen verstand. Johann Wilhelm zog die Wissenschaft des Guérinets den Gnadengaben der Kirche vor und übertrug dem Rector des Jesuitercollegiums vorläufig die näheren Anordnungen in Kirchensachen, um sich mit desto größerem Fleiße auf die Wissenschaft der Rectoren, der Verwandlungen im Feuer und der Beschwörungen zu werfen.

Maria, der er zum großen Theil seines Freundes Giuseppe fabelhafte Macht erzählte, [95] Maria war zwar sehr hellsehend in gewöhnlichen Dingen; dennoch war sie ein wenig abergläubisch und zwar, weil ihr Gemüth eine durch die Kunst genährte poetische Mährchenwelt, eine glühende Romantik in sich schloß, welche eben wieder durch das Erwachen ihrer Jugendliebe vollste Nahrung und Kraft empfangen hatte. Deshalb konnte sie, von ihrer Phantasie hingerissen, nicht zur Ungläubigkeit kommen; ja diesen Nachrichten gegenüber hatte sie, als der Kurfürst geschieden war, keinen andern Gedanken, als den: „Möchte ich doch nur drei Zeilen von Gabriels Hand besitzen, damit Fra Giuseppe mir sagen könnte, was der Unglückliche jetzt denkt und wie in ferner Heimath, im Grabe der Lebendigen, sein Herz für die Tochter Medicis empfindet!“ Sie ruhte wirklich nicht eher, bis Giuseppe wieder bei ihr erschienen war.

Maria Anna, reizend gekleidet, den italienischen Schleier in den herrlichen, tiefbraunen Locken, das Auge flammend vor Erwartung und Glut, empfing dennoch den Pater sehr gemessen und kaltblütig. Um ihre Fassung bei dem Gespräch, welches sie beabsichtigte, nicht zu verlieren, nahm sie eine prachtvolle römische Laute, stimmte sie und schlug Accorde an, während der Pater sich neben ihr niederließ und mit der ruhigsten, sanftmüthigsten Miene von der Welt seine Erzählung von dem unglücklichen Gabriel begann. So wie Giuseppe indeß mit der Schilderung des Seelenzustandes seines jungen Freundes vorschritt, ward er wärmer und tröpfelte die den Rest des Friedens in Marias Brust vergiftende, ihr ganzes Innere in Aufruhr bringende Kunde mit solcher Kunst ihr ein, daß die Kurprinzessin mit einem verwirrten, flehenden Blicke, ihre bisherige Haltung fast vollkommen verlierend, zurücksank.

– Gnade, mein Pater! flüsterte sie halb bewußtlos. Schweig; ich bin nicht im Stande, Eurer Erzählung weiter zu folgen . . . Ewiger Gott . . . Lebe ich noch, nachdem ich diese Martern eines Jünglingsherzens vernommen, von denen ich die – ach nicht unschuldige – Ursache war? . . . Seht mich an, Abbate Giuseppe, und sagt mir’s, – verschweigt mir es nicht, ich bin eine Mörderin!

Giuseppe warf sich in höchster Aufregung vor der Prinzessin nieder.

– Gnade für mich, Altezza! brachte er hervor. Verzeihung für mein Wagniß . . . Was soll ich’s verhehlen? Ihr hörtet Ricci’s Geschichte! Bin ich zu verdammen, daß ich Mitleid mit Gabriel empfand? Daß ich den Armen von Buona Solasso unter Mühen und Gefahren hierher führte, in die Nähe des hehren Sternes, der allein ihm Licht und Leben giebt? Mit einem Worte, Gabriel ist dem Tode entronnen, er ist durch meine Hülfe dem Grabe des Trappistenklosters entflohen und harrt, bei unsern mitleidigen Freunden, den Jesuiten versteckt, auf ein einziges Wort von Euch, das ihm ferner Lebenshoffnung gäbe!

Die Kurfürstin war in Wahrheit niedergeschmettert[WS 3]; versteinert. Mit süßem Schmerze hatte sie dasjenige, was ihr ferne war, in ihrer Brust wach gerufen; sie hatte ein Recht, diese vorübergegangene Zeit in ihrer Erinnerung nicht sterben zu lassen; kein Gesetz und keine Pflicht mochten ihr das liebevolle Andenken an einen Todten verwehren. Mit der Eröffnung des Guérinets aber war Maria wie durch ein Blitzlicht über die Abgründe, welche sich auf ihrem Wege befanden, aufgeklärt. Heute war die Kurfürstin nicht im Stande, einen Beschluß zu fassen. Sie entließ den Italiener kurz, fast abstoßend. In ihre innersten Closets zog sich die edle Dame zurück, um den hinterlistig abgeschnellten Pfeil, welcher das Herz der Arglosen durchbohrte, [96] aus ihrer Brust zu reißen. Maria war über ihre Pflicht keinen Augenblick im Zweifel, ebenso wenig darüber, ob sie dieser folgen wolle.

Die Kurfürstin begab sich zu ihrem Gemahl. Er war in seinem Laboratorium. Johann Wilhelm empfing seine Gemahlin mit auffallend übler Laune. Es war etwas Beengendes, Gezwungenes in seinem Wesen, das Maria noch nicht an ihm bemerkt zu haben meinte. Sie kam, um offenes Vertrauen auszutauschen, um ihr Herz vor dem Kurfürsten auszuschütten. Heute war sicherlich nicht die Zeit dazu und Maria beschloß, zu schweigen und erst dann zu reden, wenn sie den ihr bevorstehenden Kampf zu Ende geführt haben würde. Es fehlte nur wenig, und die Italienerin wäre den düstersten Intriguen zum Opfer gefallen.

Pater Giuseppe, welcher sich, wie bemerkt, bald des vollsten Vertrauens des Kurfürsten bemächtigt hatte, war Schritt für Schritt dazu gelangt, ihm gegen seine Gemahlin ein Mißtrauen einzuflößen, das seiner offenen Seele fern lag. Mit tiefster Erschütterung vernahm es Johann Wilhelm, daß Maria schon geliebt, bevor sie ihn gesehen, und als Santi von Gabriel Ricci’s Schicksal erzählte, da bat er: dasselbe möge der Kurfürstin ewig verborgen bleiben. Wer beschreibt jedoch die furchtbare Wirkung des Geständnisses, welches Giuseppe dem gehörig vorbereiteten Kurfürsten ablegte: Maria wisse, daß Gabriel in Buona Solasso eingetreten, noch mehr, sie liebe ihn heute noch mit der alten Glut und sie sei es gewesen, die durch ihre Bitten den Trappisten seinem Gelübde untreu gemacht und ihn bewogen habe, zu fliehen und in ihre unmittelbare Nähe zu kommen.

Johann Wilhelm hatte Gabriels Aufenthaltsort erfahren und Giuseppe mußte seine ganze Beredtsamkeit aufwenden, um den Herrscher davon abzuhalten, seine Rache, seine Eifersucht im Blute des jungen Italieners zu kühlen, dazu die Jesuiten für ihre, an demselben bewiesene Gastfreundschaft mit sofortiger Verbannung aus dem Kurfürstenthum zu bestrafen. Der Pater wies die Unschuld, die Unwissenheit der Väter Jesu unwidersprechlich nach und vermochte den Kurfürsten zu dem Versprechen: nicht eher gegen Gabriel, oder gegen seine Gemahlin etwas zu unternehmen, bis er Gewißheit über die Art des Verhältnisses erlangt habe, welches gegenwärtig unter diesen beiden, dem Verderben geweihten Personen bestehe.

An dem Abende, welcher auf diese Unterhaltung des Italieners mit dem Kurfürsten folgte, saßen die vornehmsten Mitglieder des Jesuitercollegiums ernst und leise flüsternd in ihrem Refectorio. Pater Giuseppe, heute in der Ordenstracht der ehrwürdigen Väter mit der Nachlässigkeit eines Herrschers den ersten Sitz über dem Pater Rector des Collegiums einnehmend, hatte die Erzählung über den erwarteten Erfolg der Intrigue mit mathematischer Genauigkeit auseinandergesetzt.

– Und ferner, hochwürdigster Pater General? wagte der Rector mit gedämpfter Stimme und ehrerbietigster Verbeugung den Pseudo-Abbate und Adepten zu fragen.

– Die Mediceerin wird diesen überspannten, schwärmerischen Burschen sehen; das ist gewiß. Nicht weniger sicher ist es, daß sie, wie einmal ihr Gemüthszustand beschaffen ist, sich von Gabriel zu ihren alten Empfindungen hinreißen lassen wird. Ihr Widerstand gegen diesen Zug ihres Herzens ist jetzt fast Null; hört sie Gabriel reden, so ist sie der wunderbaren Macht seiner phantasiereichen glühenden Worte gegenüber so ohnmächtig, wie es ein leidenschaftliches Weib ihrem Geliebten gegenüber nur immer sein kann.

[97] – Und diese Unterredung . . . fragte der Rector mit einem Blicke des Einverständnisses.

– Wird Johann Wilhelm mit eignen Ohren anhören; schloß der Pater Ordensgeneral mit eisiger Kaltblütigkeit. Das Weitere wird der durchlauchtigste Kurfürst dann sehr schnell selbst besorgen. Wir werden die Herren sein im Lande und nicht diese frivole, kirchenfeindliche Florentinerin!

Pater Giuseppe wartete geduldig, bis Maria ihn zu sich fordern ließ. Sie schien fast fieberhaft aufgeregt.

– Ich will Gabriel sehen, Signor! sagte sie mit heftigem Ausdrucke. Diese Qual ertrage ich nicht länger. Meine Kraft ist zu Ende. Erwerbt Euch das Verdienst um ein gemartertes Frauenherz und führt mir meinen unglücklichen Freund zu . . . aber versteht, heute noch, heute!

Der verkappte Jesuit verbeugte sich tief. Kaum konnte er sein Entzücken verbergen. Er eilte fort, nachdem er den Ort und die Stunde des Stelldichein verabredet hatte, und überbrachte dem Kurfürsten die Unglücksbotschaft. Johann Wilhelm schien sehr gefaßt, aber das geübte Auge des Paters sah dennoch, was der Fürst tief im Herzen empfand, und jubelte heimlich.

– Signora Maria und Signor Gabriel, sagte er für sich, in diesen Augen da steht Euer Todesurtheil geschrieben!

– Im Garten also will sie ihn sehen? preßte Johann Wilhelm hervor.

– Ja.

– Um 11 Uhr!

– Wie der durchlauchtigste Kurfürst sagt.

– Gut. Ihr seid entlassen, Priester! und barsch wandte sich der Fürst ab.

Es ließ ihm keine Rast, er mußte seine Gemahlin aufsuchen. Sie klagte, daß sie krank sei und wollte sich in ihre Schlafzimmer begeben. Nie wohl war der Fürst zärtlicher, sanfter, milder, als an diesem Abende. Er schien ihr durch seine Liebkosungen das schlimme Geständniß entreißen zu wollen; aber Maria schwieg. Sie schien in ihren Gedanken, die meilenfern von dem Gatten an ihrer Seite schweiften, vollständig verloren. Die glänzende Hand Johann Wilhelms spielte mit dem kalten, goldenen Knaufe seines Schwertes, dem er in dieser Minute für heute Abend einen unheilvollen Dienst zudachte. Er entfernte sich einsilbig und finster, während Maria in Thränen zurückblieb.

Ihr Entschluß war gefaßt. Als die bestimmte Stunde schlug, hüllte sie sich in ihren Mantel und ging festen Schrittes zum kleinen Schloßgarten. Es war ein stürmischer, regnerischer Abend. Als sie zwischen den Gebüschen und unter den Bäumen, welche ihre schweren Regentropfen auf sie herab schüttelten, forteilte, wurden ihre Schritte durch einen leisen Ausruf gehemmt. Sie erbebte; ihr Herz hatte Gabriels Stimme auch nicht vergessen. Im nächsten Augenblicke lag eine dunkle Mannsgestalt, stumm und schluchzend auf dem nassen Rasen knieend, ihr zu Füßen. Maria streckte ihre Hand aus, die der Trappist mit Küssen bedeckte.

– Du bists, Unglücklicher; sagte sie mit fester Stimme. Ich habe Dich zu sehen verlangt, um Dich von dem Tode, dem Du Dich weihtest, und von der Verzweiflung, der Du auf dieser von Dir betretenen Bahn entgegengehst, zu retten. Täusche Dich nicht. Ich vergesse Dich nicht, aber die Liebe des Weibes zu ihrem Gatten hat die Empfindungen des Mädchens für Dich auf [98] immer unwirksam gemacht. Und selbst, wäre ich frei, so würde ich nicht Dich, sondern meinen Herrn Johann Wilhelm erwählen. Das ist die Wahrheit. Eine Mediceerin ist zu stolz, um zu heucheln. Liebte ich Dich, ich würde es nicht verbergen; ich selbst würde, möchte geschehen was wollte, dem Kurfürsten die Wahrheit gestanden haben. So aber kommt es nur auf Dich an, mein Gabriel. Ist der italienische Pater in der Nähe?

Gabriel, eine schlanke Gestalt, mit blassem Gesicht, dessen Züge aber von einem andern Auge, als demjenigen der früheren Geliebten, kaum zu erkennen gewesen wären, stand vor ihr, gebeugt, vernichtet. Als Maria ihre Frage wiederholte, erwiderte er mit tonloser Stimme, daß Giuseppe im Schlosse geblieben sei.

– Dann höre! sagte die Kurfürstin energischer. Fliehe, fliehe noch in dieser Stunde aus den Händen derer, die sich Deiner bemächtigten. Ich ahne, sie werden Dich verderben. Bist Du hier aus eignem Antriebe?

– O, heilige Maria, murmelte der Jüngling abermals niedersinkend, wie sollte ich mich Dir verbergen? Ich, ja, ich hätte entsagt; keine Erinnerung an mich sollte Dein Inneres betrüben. Ich war gestorben im Satrappenkloster. Giuseppe war’s, der wiederum den Brand in mein Herz schleuderte; der mich bewog, zu fliehen und hieher zu Dir zu eilen. Ich Wahnsinniger hatte, durch diesen Priester verführt, wieder zu hoffen begonnen und meine Liebe schien durch das Verbrechen, welches sie umhing, nur noch glühender geworden zu sein. Ja, ich weiß, mir droht Gefahr. Seit ich hier bin, ergründete ich, daß man mir nicht diente, sondern, daß ich diente. Dennoch war ich zu ohnmächtig, um von hier zu scheiden, ohne Dich zum letzten Mal gesehen zu haben. Es ist das letzte und ich trenne mich von Dir mit einem offenen Geständnisse. Bewahre es wohl, Maria, denn obwohl ich den Tod nicht scheue, will ich ihn dennoch nicht durch das Gift dieser Jesuiten finden. Pater Giuseppe ist der Ordensgeneral der Jesuiten . . .

Bevor noch die Kurfürstin sich so weit erholt hatte, um zu antworten, ward dicht neben dem Paare im Gebüsche ein heftiger Ausruf laut. Die Stimme des Kurfürsten war’s.

– Du Schurke! rief Johann Wilhelm, indeß die Gebüsche krachten und eine klägliche Stimme um Gnade bat. Die Fürstin eilte hinzu; bereits aber hatte der Kurfürst den Degen gezogen und den Jesuiten mit einem Stoße desselben niedergestreckt. Er umarmte jetzt seine Gemahlin mit Heftigkeit.

– Diese Brut! rief er fast außer sich. O, Maria, Maria, Du weißt nicht, was ich erlitten, durch diese Schlangen erlitten; Du siehst den Abgrund nicht, an welchem ich schwebte. Der Himmel selbst hat Dich, Reine, beschützt; denn verdamme mich, ich bin hieher gekommen mit dem Vorsatze, daß Dein Herzblut und dasjenige des Ritters de Ricci diesen Stahl in meiner Hand färben sollte. – – –

Die Jesuiten erholten sich unter Johann Wilhelm von diesem Schlage, welchen sie erlitten, nicht mehr. Sie wagten keinen Versuch, sich nochmals des Kurfürsten zu bemächtigen und den wohlthätigen Einfluß der edlen Fürstin, noch seine Entschließungen zu vernichten. Pater Giuseppe ward im Jesuitencollegium geheilt und reisete still nach Rom zurück. Gabriel Ricci ging nach Malta, um bis zum Comthur der Johanniter-Ritter unter Kämpfen gegen die Barbaresken und Türken sich aufzuschwingen. Die Regierung des kurfürstlichen Paares aber, von keinem widrigen [99] Zufalle mehr getrübt, rief von jetzt an den Aufschwung der Residenz Düsseldorf sowohl wie des ganzen Landes hervor, und ward noch lange nachher vom Volke mit Segenswünschen genannt.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: lt. Inhaltsverzeichnis F. van Mieris.
  2. Vorlage: Grmüthsbewegung
  3. Vorlage: niedergeschmettet