Geschichte einer Seelenerlösung, welche zu Euershausen, Amts Königshofen im Grabfelde, sich zugetragen hat

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Autor: Anonym
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Titel: Geschichte einer Seelenerlösung, welche zu Euershausen, Amts Königshofen im Grabfelde, sich zugetragen hat
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aus: Journal von und für Franken, Band 4, S. 422–484
Herausgeber: Johann Caspar Bundschuh, Johann Christian Siebenkees
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Erscheinungsdatum: 1792
Verlag: Raw
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Erscheinungsort: Nürnberg
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Quelle: UB Bielefeld, Commons
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II.
Geschichte einer Seelenerlösung, welche zu Euershausen, Amts Königshofen im Grabfelde, sich zugetragen hat.

Auch in dieses Journals 2ten B. S. 487. 488. ist kürzlich der ArmenSeelen Erlösung zu Euershausen Erwähnung geschehen. Ich will den ganzen Verlauf der Sache umständlich ins Licht setzen.

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Erdichtetes Brandmahl der Armenseelen-Hand, und dessen Schicksal.

 Den 24ten Wonnemonat 1789 wurde der Stadtphysikus zu Königshofen im Grabfelde, Anton Brandner nach Euershausen in eben diesem Amt zu der damahls fünfundzwanzig jährigen kranken Margaretha Schönin durch ihren Bruder gerufen.

 Sie gab vor: Sie könne weder essen, noch trinken, ohne es wieder zu erbrechen; unter allen Speisen sey ihr die geronnene Milch am gedeihlichsten, und diese müsse sie nach einer Viertel- oder halben Stunde wieder erbrechen; schon länger als sieben Wochen habe sie keine Leibesöffnung; der Harn komme alle drey, oft erst nach fünf, sechs, auch mehrern Tagen; die monatliche Reinigung (von einer Erkältung im Wasser unterdrücket) sey schon Jahre lang ausgeblieben; sie leide wiederhohlte Ohnmachten und Zuckungen.

 Der Arzt befand in der Gegend des Magens eine runde, der übrigen Haut gleichfärbige Erhabenheit, welche im Durchschnitte zehen bis eilf Zolle betrug, sehr hart, und fast unnachgiebig, auch im Drucke schmerzhaft war; sie stellte eine Halbkugel| vor; der Puls schlug klein und schwach; das Athmen ging schwer und enge; die Gesichtsfarbe war gut, und der ganze Körper wohl fleischicht.

 Die Verordnung bestand innerlich in Bittermitteln, leichtverdaulichen, wenig und öfters zu nehmenden Speisen, nebst einem oder zwey Bechergläschen guten Weins. Äusserlich wurden auf die leidende Gegend stärkende Überschläge aus Blumen und Kräutern, mit Weine aufgegossen, zu legen, dann täglich zwey Klystire setzen zu lassen, angerathen.

 Allein das Arzneynehmen ging schläfrig, und Klystire wurden, weil kein Bader im Orte ist, sparsam angewandt. Bey dem zweyten Besuche, den 28ten besagten Monats, fand der Arzt alles im vorigen Stande: sie sollte in seiner Gegenwart essen und trinken, was ihr am beliebigsten wäre: er erbot sich das Erbrechen, oder andere Ausleerungen abzuwarten, es daure, so lang es immer wolle; allein sie aß und trank durchaus nicht, und dabey blieb es.

 Im darauf folgenden Herbste begegnete die Schönin mit ihrer Mutter ihrem Arzte in der Stadt; sie war munter, und schien ziemlich gesund zu seyn. Auf sein Befragen:| ob sie sich wohl befinde? war die Antwort: halb und halb, ob die Geschwulst vergangen? sie müsse ein Schnürmieder anlegen, erwiederte sie, den dicken Magen zurück zu halten, habe aber dabey engeres Athmen: könne manchmahl ausgehen. Das Anerbieten, Arzney zu nehmen, schlug sie abermahls aus.

 Mit anfangendem Winter hielt sie sich zu Hause meistentheils im Bette, wo sie immittelst den Schattenriß zu einem antik-modernen Gebäude abzeichnete, dessen Aufführung unter der Vor- Ein- und Nachsicht des Baudirektors Oniskus allerdings rotund geworden wäre, wenn nicht der Brandlappe zeitlich wäre weggenommen worden.

 Den 6ten Ostermonat 1790 ging zu Königshofen das Gerücht: es sey zu Euershausen durch Margaretha Schönin ein Mirakel gewirket worden: es sey ihr nämlich verschiedenemahl eine arme Seele erschienen, welche immer gepoltert, und das Haus des Nachts beunruhiget habe: der Orts-Geistliche habe das Klopfen selbst gehört, und den Geist beschworen, der aber nichts anders, als wenn das Licht beseitiget, Antwort gegeben habe. Auf die wiederhohlte Beschwörung| habe der Geist fünf Messen verlanget, deren drey in der St. Ursula-Capelle, zwey aber, die erste und letzte, in der Pfarrkirche zu Euershausen gelesen werden sollen. Nebst diesem haben auch inzwischen die Mutter, Brüder, Schwestern, Verwandten und Freunde der Schönin an gewissen Tagen und Stunden, absonderlich aber an jenen Tagen, an welchen die Messen bestellt worden sind, von Mitternacht bis zum Aufgang der Sonne, eine nach Maaßgabe der Staffeln des Bergs, auf welchem die Capelle steht, bestimmte Zahl Vater Unser u. d. g. beten müssen, dem Priester eine heilige Vorbereitung zu verschaffen. Unter der letzten Messe habe der nun erlöste, im Schimmer und Glanze erschienene Geist mit seiner sanft kalten linken Hand seine Erlöserin gefasset, und zum Zeichen des Dankes zärtlich gedrücket, mit der rechten aber auf das, auf dem Bette schon bereitete Tuch das Zeugniß der wirklichen Erlösung eingebrannt.
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 Einheimische und Fremde laufen haufenweise ins Haus, einige wundern, andere beten, viele fallen gar auf die Knie nieder, klopfen reumüthig an ihr sündiges Herz, und sprechen: Herr Gott! sey mir armen | Sünder gnädig. Nur ein einziger,[1] Namens Hemmerich habe so viel Muth gehabt eine Viertelstunde darnach im Wirtshause zu schreyen: Aber was kann mir der Geist befehlen nicht mehr zu trinken? Dieses und noch mehr dergleichen war die Sage.

 Als der Stadtphysikus Brandner und Centgraf Ottenweller solches hörten, machten sie große Augen und berathschlagten unter sich, ob dieses Armenseelen-Attestat auch legal wäre? Ob sie es nicht vidimiren müßten? Und da der Physikus ein, nicht zwar von Seelenerlösung, sondern von eingebildeter und hysterischer Bezauberung handelndes Decret d. d. 22ten Wintermonat 1768 wie man sich dabey zu benehmen habe, zeigte, so fielen wegen Ähnlichkeit des Falles ihre Majora dahin aus: man müsse den Schandfleck wegnehmen: sie entschlossen sich also Tags darauf, nach sicher eingehohlter Kundschaft, Nachmittag um Ein Uhr dorthin zu gehen, und ihr Vorhaben auszuführen.

 Nahe an Euershausen trennten sie sich: ein Theil ging ins Pfarrhaus, um zu vernehmen,| wie, oder wann? Der andere zum Schultheisen, sich des Leumundes halber zu erkundigen; mit der Abrede, nach einer Viertelstunde in der Schönin Hause zusammen einzutreffen. Dem Physikus, der ein wenig früher kam, wiesen weder die Erlöserin, noch die übrigen das Tuch; denn kurz vor ihm war der Herr Kanonikus Plumplacher da, welcher im Hause und durchs ganze Dorf gegen das Tuch und die leichtglaubigen Leute, freylich zu voreilig, und ohne Beruf, schrie und lärmte. Zum Glücke kam der Centgraf bald nach, dem sie sich gefälliger bezeugten, und das Mirakeltuch, ihrer Meinung nach zum Bewundern, vorlegten. Sie beschauten, sie berochen es; der Geruch war zunderartig: sie murmelten ein paar lateinische Worte. Der Centgraf fragte: ob der Pfarrer dieses Wunderzeichen schon gesehen habe? Und auf die Antwort: nein! sprach er: es sey doch billig, es ihm auch zu weisen, er wolle es mit sich dorthin nehmen. Damit waren sie sämmtlich zufrieden. Man ging ins Pfarrhaus in der wahren Meinung, es dort sehen zu lassen, allein man merkte gleich einen widerwärtigen Hang, und fand für gut, statt das Wundertuch sehen zu lassen, und vielleicht mit dem betagten,| unpäßlichen, ehrwürdigen Manne einen Hader abzuwarten, lieber davon zu gehen. Der Schönin Bruder merkte das kaum, so kam er beygesprungen, das heilige Ding abzuverlangen, wovon jedoch Niemand wußte: er kam ihnen nach, und rief: s’Tüchle! s’Tüchle! Der Centgraf hielt den Lappen in die Höhe, und schrie: ich habs, ich behalts.

 Mache mir hiegegen nur Niemand die Einwendung, wie hie und dort verlauten wollen, als sey die Sache dadurch schwieriger, die Einfältigen noch mehr erhitzet, und die Zusammenkünfte häufiger gehalten worden; es wäre besser gewesen, wenn man das Brandtuch gelassen hätte, wo es entstanden ist; dem sey meinetwegen, wie ihm wolle, so ist doch, die Sache im Grunde betrachtet, immer erbaulicher, daß dieses vorgegangen, als wenn der Fleck bis zur Feyerlichkeit gediehen wäre; als wäre er zum Spectakel geworden; als wäre er gar mit einer Lobrede geschmücket worden. Wem bekannt ist, wozu er bestimmt war, wird eben so denken.

 Am nächsten Tage ahmte Frau Centgräfin Ottenweiler dieses Wunderzeichen zweymahl so pünctlich nach, daß eines eben| so, das zweyte aber viel besser ausfiel; die dann, Original und Copey, mit Berichte und Erzählung des oben gedachten Krankheits-Zustands zur hochfürstlichen Regierung eingesendet worden sind. Der Krankheits-Erzählung wurde noch beygefüget: Sie, Schönin, in Rücksicht ihrer Seelenerlösung nach Anleitung des Freyburgischen Professors, Herrn Georg Karl Staravasnig an Monike Mutschler zu Duningen bey Rottweil zu behandeln, womit sich aller Betrug entdecken ließ; denn es wäre noch obendrein ganz falsch, daß sie so lange Stuhlverhaltungen erlitten, weil der Feldscherer Michel Manger bey Setzung der Klystire rudera excrementorum entdecket hatte.

 Unterdessen, bis die Sache in Richtigkeit gebracht werden kann, wollen wir schauen, wie es in der

Komödie

aussieht.

 Nichts ist weniger wahr, als daß nach allen den Vorgängen des Brandlappens, vom 7ten Ostermonat 1790 bis kurz vor Martini eben dieses Jahres, alles unterblieben sey, wie die Angabe unten im Protokoll besaget, sondern es wurden die verrückten Köpfe| vollends ganz verdrehet. Nur die Anwerbung neuer Recruten hatte ein Ende. Denn des Nachts, absonderlich an Sonn- Fest- und Feyertagen wurden Zusammenkünfte gehalten, und gebetet, wobey Schönin meistentheils den Flügelmann mit Vorbeten machte. Hiebey sank sie nicht selten in Ohnmacht hin, und ward eine halbe, oft ganze Stunde lang ins Fegfeuer entzückt, wo sie alle dorthin einsweilen Verwiesene durchsehen konnte. Kam sie davon endlich wieder zurück und zu sich, so erzählte sie, was sie für Gesichter gesehen, wer sie dort um ihre Vermittlung angesprochen u. s. w.
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 Natürlicher Weise erkundigten sich ihre Andachts-Collegen bey ihr, ob sie nicht auch diesen oder jenen ihrer verstorbenen Angehörigen gesehen habe, und was da zu thun? Da sprangen nun Wallfahrten die Menge mit der Auflage heraus, eine bestimmte Anzahl Messen lesen zu lassen. Verging sich eines bey sothanem Wallgange, so war die Frucht der ganzen Andacht für alle verloren, nichts half, sie mußten noch einmahl, und, zur heilsamen Busse, weiter wohin; oft kam es erst darauf an, ob diejenige arme Seele, die auf ihrer Liste stand, (denn sie machte lauter bestimmte Auszüge,| wie ein Lottospieler) vollkommen erlöset worden wäre: manche gewann nur drey Stäffelchen; eine andere plumpte gar wieder hinunter, folglich noch einmal getrollt! Bey allen diesen Possen commandirte sie fast ein Jahr lang so ohne Lachen, daß sie sich bey schwachen Köpfen vollen Glauben erwarb. Darauf folgten Opfer, und allerhand Victualien und Lebensmittel wurden beygeschleppet: Alsleber, Herbstadter, Stadtlauringer, Merkers- Gabels- Wargels- Ballings- und weiß nicht, was noch für häuser, rennten; da wurden Zeit und Geld nicht für die lange Weile verschwendet.
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 Die Frau des Centgrafen Ottenweiler, welche die Hand so genau nachgemacht, wollte auch das Pochen, Kraspeln in- oder unter dem Bette hören, und die Stimme einer und der anderen armen Seele vernehmen. Da aber die Schönin nur im Finstern, bey ausgelöschtem Lichte, wohl auch bey Tage, wenn die Leute den Rücken kehrten, ihren Hokus Pokus zu machen gewohnt hat, konnte sie ihre Absicht kaum erreichen; sie fiel also mit ihrer Gesellschaft auf die Knie nieder, und betete recht inbrünstig; endlich pochts ein bischen, und| dem Gehöre nach am Fußbette des Bettes, wohin sich Frau Centgräfin wohlbedächtlich postiret hatte; wie der Blitz war sie mit der Hand im Bette der Schönin, und spürte noch die große Zehe; denn die Schönin verweilte auch nicht, ihren linken brodwucherischen Fuß zu flüchten.

 Es gingen noch einige Weibspersonen aus Königshofen zweymahl dahin, die aber doch an der Sache zweifelten, und nach dem Privat-Unterrichte ihres Pfarrers und Caplans den Betrug völlig einsahen.

 Endlich sah die Schönin auch in ihren Verzuckungen an jenem qualvollen Orte Koburger Dragoner und Wurmser Husaren, welche gar sehr fleheten, erlöset zu werden; aber wer Blut vergossen hat, soll wieder eben so gestrafet werden, und wieder Blut vergießen; diese verwünschten Kerls, die so höllisch drein gehauen, die lieber die Türken unchristlich tractirten, als das Vergeltungsrecht wünschten, hatten, nach der Schönin gemachten Ausdeutung, freventlich Blut verspritzet: was Raths also? Diesen Frevel zu verbüssen muß Ader gelassen werden; war der Ausspruch. Wie wird man aber einen Bader bey lebendigem Leibe ins Fegfeuer bringen? Brauchts nicht; denn es ist sonst| zu helfen: die Schönin weiß schon, was Gottes Wille ist. Fratzen von fünf Jahren und alte Gecken (worunter der Centschöpf von Alsleben, Nikel Bach, der größte ist) mußten so häufig auf das Wohlseyn der Wurmser Husaren zur Ader lassen, daß endlich die benachbarten Bader Anstand nahmen, solches weiter zu thun; sie gingen daher zwey bis drey Stunden weit anderswohin, um die Dragoner und Husaren wegen Unterlassung eines so leichten Mittels nicht sitzen zu lassen; Schönin ließ allemahl mit zur Ader.

 Der Wirzburgische Husaren-Corporal Schmidt, weil er vieles dergleichen hörte, ging gelegenheitlich auch zur Schönin, zu sehen, was sie da thäten; er sagte zu ihr: er habe gehört, sie wäre auch schon im Fegfeuer gewesen; nicht ein- sondern mehrmahl, gab sie zur Antwort. Mein! sage sie mir, fuhr er fort, wie siehts drin aus? Was für Feuer gibts dort? sie stammelte bey ihrer Antwort: Es – es ist – es ist halt – halt so a kleins – kleins Feuer, und s’brennt – brennt so blölich.

 Adam Schirmer, Caplan zu Königshofen, schickte eine vermummte Weibsperson zur Schönin, welche sie ersuchte, doch zu| sagen, ob ihre – der verstellten – Mutter im Fegfeuer – und wie oder wann selbe zu erlösen sey? Nach drey Tagen kommt wieder, lautete das Interlocut. Sie kam zur bestimmten Zeit, vernahm auch den Bescheid: Eure Mutter kann erst nach sechs Wochen erlöset werden. Ja! erwiederte diese: meine Mutter ist aber noch nicht gestorben!

 Mutter und Brüder polterten wechselsweise bald ober, bald unter, bald neben der Stube der Versammlung, um den Leuten Furcht zu machen. Mußte einer unter dem Gebete hinaus gehen, wurde er mit Schollen (doch nicht mit Steinen, denn die armen Seelen, als gute Geister, machen keine Centcasus) geworfen. Schlief einer ein, so bekam er eine Ohrfeige; und alle diese Ungezogenheiten wurden den armen Seelen zugeschrieben und verdanket.

 Allerhand noch dümmeres Zeug, z. B. daß die Schönin Oeffnung zu bekommen, und gesund zu werden, oder krank zu bleiben, oder brav Seelen zu erlösen, oder gar sterben zu können, wann sie möge, die Wahl habe – ferner, daß ihr Vater im Hause mit der Tabakspfeife im Munde noch umgehe; mit seiner Erlösung aber bis zuletzt| warten wolle, weil sich sich als seine Tochter vor ihm nicht fürchte, u. s. w. will ich mit Stillschweigen übergehen; nur muß ich noch sagen, daß daran, daß die geistlichen Regierungs-Befehle diese ganze Zeit über so lau, oder gar nicht vollzogen – dem Amte auch keine Anzeigen des nächtlichen Zusammenrückens gemacht – und alle guten Gegenanstalten vereitelt worden seyen, zwey Männer Ursache seyen, deren armseliger und mitleidenswehrter Zustand beym Matthäus im 15ten Kap. 14ten Vers zu finden ist.
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 Eben war sie im Begriff, ihren Vater zu erlösen, (sie muß sich also vor ihm gefürchtet haben, oder mit den andern armen Seelen fertig gewesen seyn,) als Paul Dietmaier, der würdige Pfarrer zu Königshofen, einen Bericht an die hochfürstliche geistliche Regierung neun seiner eben so würdigen Amtsbrüder, nämlich sechs Pfarrern und drey Caplänen den 29 Januar 1791. vorlegte, den er beynahe so abgefasset hat: „Das armen Seelen-Erlösen zu Euershausen geht noch immer fort, ja, dieses Handwerk wird jetzt noch mehr als zuvor getrieben, zur Herabwürdigung unserer Religion an protestantischen Gränzen, zur Herabsetzung rein katholisch denkender| Pfarrer, die lächerlichsten und abergläubigsten Dinge geschehen dabey: so müssen zum Beyspiele Leute, um eine arme Seele ihrer Ältern oder Befreunden zu erlösen, nach Dettelbach, Walthüren u. s. w. wallfahrten gehen, auch bey der schlimmsten Witterung. Ja! man läßt aus eben dieser Absicht drey- bis sechsmahl zur Ader: Seelsorgerliche Pflichten fordern von uns, dieses Unwesen Euer Hochfürstlichen Gnaden in tiefester Unterthänigkeit zu berichten etc.“

 Warum der biedere Mann seinen Bericht erst seinen Collegen, die ihn ohne Anstand unterzeichneten, vorlegte, dazu muß er gewiß wichtige Ursachen gehabt haben. Diesen so unterzeichneten Bericht schickte er zur hochfürstlichen geistlichen Regierung ein.

 Von dorther kam alsbald der Befehl an das Amt Königshofen, mit einem Beyschlusse gleichen Inhalts an die Pfarre Euershausen: die Schönin auf eine schickliche Art und in der Stille nach Wirzburg abzuschicken.

 Amtskeller Papius machte hierauf dem Physikus Brandner den Auftrag, sich mit Zuziehung des Feldscheerers Dehler nach Euershausen zu begeben, und zu sehen, ob| die Schönin nach Wirzburg Gesundheit halber abgeschicket werden könne oder nicht?


Zeugniß.

 Am 7ten Ostermonat 1790, an welchem Tage das Brandzeichen von Centamts wegen bey Margaretha Schönin zu Euershausen weggenommen, und der Hergang ihrer Krankheit vom 24ten Wonnemonat 1789 an zur Cent übergeben, und eingesendet worden ist, gab ich den schwachen Puls, die blasse Gesichts- und bleiche Lippen-Farbe (die Unterdrückung der monatlichen Reinigung vorausgesetzt) als Zeichen der Bleichsucht an, schlug auch rücksichtlich ihrer Beschäfftigung die Behandlung vor, wie solche von den Herren Professoren zu Freyburg im Breisgau, Georg Karl Staravasnig und Franz Gebhard an Monike Mutschler mit bestem Erfolge angewendet worden ist.

 Am 14ten Hornung d. J. vom hiesigen Amte abermahl nach Euershausen abgeschickt, zu sehen, ob ihre Krankheits-Umstände eine Reise mit ihr vorzunehmen gestatteten? fand ich, daß solche unmöglich in die Ferne angestellt werden könne; denn nach abermahligen Zeitverlaufe von zehn Monaten – nach so vielmahl durch Aderlässe verschwendeten Blute – und nachdem sie ... von sicherer Hand ganz kurz, klar und manierlich ... die mit| ihr vorzunehmende Abholung nach Wirzburg erfahren hat, so ists kein Wunder daß diese Bleichsucht bis zur blaßgelben Farbe, die Mattigkeit zum höchsten Grade gediehen sind, ihre und der ihrigen Leidenschaften aber theils zum Mitleiden, theils zum Lachen durcheinander spielen.

 Mein unterthänigster, unmaaßgeblicher Vorschlag wäre, besagte Schönin hieher nach Königshofen an einem heiteren Tage, und wenn sie mit ihren angeblichen Ohnmachten (denn ich hab bis jetzt bey fünf bis sechs Besuchen noch keine an ihr erwarten können) einen Tag und Nacht hindurch in ihrem Hause beobachtet worden, zu verschaffen, und dann solche Beobachter anstellen zu lassen, welche Aufrichtigkeit und Fähigkeit hiezu besitzen, deren Auswahl höchst- und hoher Herrschaft ich anheim stelle: alles aufhabenden Pflichten nach.     Königshofen den 15ten Hornung 1791.

 Hierauf erfolgte der Befehl, Margaretha Schönin nach Königshofen in das Spital zu überbringen, welches folgender maßen vollzogen wurde.


Anstalten und wirkliche Abholung.

 Am 1ten Lenzmonat 1791 Abends ward bey dem Stadtpfarrer Paul Dietmaier zwischen dem Amtskeller Philipp Papius und dem Stadtphysikus Anton Brandner die Verabredung genommen, und Tag, Stunde und Art bestimmet.

|  Am 2ten frühe unterredete sich der Physikus mit den dazu zunehmenden fünf Wundärzten, wie folgt.

 Erstens. Ihrer zwey fahren augenblicklich nach zwölf Uhr mit ihm in einem verdeckten Wagen nach Euershausen, bleiben dort bey ihm, und warten auf seine Winke, um, wo nöthig, durch einen dieser beyden dem Beamten, welcher schon eine halbe Stunde voraus dahin wird gekommen seyn, alle Hindernisse und Widerstand aus dem Wege zu räumen, Nachricht geben zu können: der Ort, wohin, ward dem Fuhrmann erst ausser der Stadt namhaft gemacht.

 Zweytens. Diese beyden mit dem Physikus nach Euershausen gekommene Wundärzte fahren mit der auf den Wagen geladenen Schönin nach Königshofen zurück, um so wohl ihr bey allenfallsigen Ohnmachten mit flüchtigen Arzneyen beyzustehen, als auch sich selbst gegen einander zu unterstützen: wo sonach der Physikus im Hause der abgelieferten Schönin bleibt, im Beyseyn des Beamtens das Bett u. s. m. zu untersuchen.

 Drittens. Diese beyden Gefährten bleiben bey der Schönin in dem für sie zubereiteten Zimmer bis zu seiner Wiederkunft,| und berichten ihm, was unterdessen sowohl auf der Fahrt, als im neuen Quartier vorgefallen.

 Sie langten um Ein Uhr zu Euershausen an, und eben, als sie in das Zimmer der Schönin traten, waren oft gerühmter Centschöpf Bach und sein Spießgesell, ein Wirth von Lauringen – – und drey Weibspersonen da. Der Schöpf wollte rasen: allein, da er zwey Männer sah, die dem Physikus vom Beamten zugegeben worden, und von Strafe – der Lauringer aber vom Arreste hörten, wenn sie sich nichts flugs fortpacken würden, gingen sie fort, konnten aber doch nicht ganz umhin, sich an der halb offenen Stubenthüre so weit hinauf zu schwingen, daß sie dem Spectakel mit ihren Köpfen ober der Thüre herein zusehen konnten.

 Nach einigem Widerstreben, doch vermerkten nachdrücklichen Ernste, daß sie sich, wenn ihr Ehrbarkeit lieb wäre, in Güte ankleiden sollte, sonst sie dennoch vor Verlauf einer Viertelstunde auf dem Wagen seyn würde, zog sie sich mittelmäßig gutwillig an, erhob sachte ihren heiligen Leib, und ward (ungeachtet des Wahns und Verlautes, daß sechs Männer nicht im Stande seyn würden,| sie von der Stelle zu bringen) vom Physikus und den Wundärzten ausgehoben, zum Hause hinaus, die Stiege hinab geführt, sachte auf den Wagen gelegt, und mit günstigem Winde abgesegelt. Sie sprach noch mit gebrochener Stimme diese wenigen, doch nachdrücklichen Worte: Gott wird an mir gewiß noch ein Zeichen thun, daß ich Öffnung bekomme. Der Arzt erwiederte: pfui Teufel! das wäre ein garstigs Mirakel; ich bitte sie, nur nicht unter Wegs: denn sonst muß ihre Salva Guardia davon laufen. Er ließ sonach dem im Gemeinde-Hause wartenden Beamten davon die Anzeige machen, um in dessen Gegenwart die
Bettuntersuchung

vorzunehmen.

A. Deck- und Unterbetten, nebst zwey Kopfkissen, weil solche auf dem Wagen mitkommen sollten, die Kranke gemächlich fortzubringen, wurden sogleich durchsuchet, und nichts gefunden.

B. Zween Pfühle oder Polster: nichts.

C. Zween in Säcke umgeschaffene alte weißblaue Kopfkissenüberzüge mit Lumpen vollgepfropfet; nichts.

D. Ein Schächtelchen, welches Schönin mit sich nehmen wollte, enthaltend ein hölzernes Büchschen| mit etlichen Batzen Gelds, Skapuliere und Amuletten, ebenfalls nichts verdächtiges.

E. Das Bettstroh war in seiner ganzen Mitte vom Urin durchaus feucht, verfaulet, und so kurz, daß es Häckerlingen glich.

F. Die Lagerbretter in der mittlern Gegend desgleichen durchaus feucht, und von der Urin-Fäulniß so mürbe, daß er ohne Mühe ganze Stücke wegbrach und zermalmete.

G. Das Fuß-Brett (die untere gegen die Füße stehende Bettwand) war ungefähr zween Schuhe lang und drey Zolle breit, linker Seits wie mit Nägeln zerkratzet, gleichwie Tages darauf, den dritten Lenzmonat, am linken Fuße der Schönin die drey ersten Zehen mit einer Hornhaut (vom beständigen Pochen, Anreiben, oder, welches einerley ist, von Anmeldung der armen Seelen) wohl bewaffnet gefunden worden.

Notand. Besagtes Fußbret ist in des Schultheissen Joh. Georg Kuhn Behausung zur Aufbewahrung getragen worden, weil der Wagen schon nach Königshofen abgegangen war.

H. Unter der Bettlade, nachdem selbe ganz zerlegt und weggethan war, fand sich, daß niemahls jemand, wie man zuvor glaubte, konnte versteckt gewesen seyn, das Kunststück des Pochens zu machen; denn es war aller Raum mit Stiefel- und Mang-Hölzern, Steinhauersschlägeln,| mit Socken, Strümpfen, Schuhen, Stiefeln, mit Ketten (alles veraltet, unbrauchbar, und verstäubet) so voll angedrängt, daß nicht eine Katze, geschweige ein Mensch sich darunter hätte aufhalten können; die nachgelassene und hiebey gegenwärtig gewesene Schwester hat bey dieser Gelegenheit ganz glaubwürdig versichert, daß an diesem Bette seit vier Jahren weder das Stroh verändert, noch sonst etwas erneuert worden sey. Es sey alles bey dem alten geblieben.

f) An der doppelt auf einander stehenden Bank, an welcher das linke Seitenbret des Bettes mit Nägeln und Bankstiften vest angeheftet war, sind auf der untern zween viermäßige, mit hölzernen Deckeln versehene Häfen gestanden, deren einer mit ausgeworfenem oder erbrochenem Schleime auf ein Viertel-Maaß, der andere mit Urin und Excrementen über die Hälfte voll waren; diese konnten einen Puff aushalten.

 Nachmittag um drey Uhr ist Margaretha Schönin mit ihren zwey Begleitern, und um fünf Uhr darauf der Physikus nach Königshofen zurück gekommen. Der Rapport war: daß sie so wohl behalten (und ohne daß jenes Zeichen, welches sie beym Aufladen gedrohet hat, geschehen) eingebracht worden sey, als sie zu Euershausen| übernommen worden. Nun wurden die Stunden, an welchen jeder der Wundärzte nebst dem Stadtphysikus wachen sollte, ausgetheilet, und folgender Unterricht gegeben:

1) Jeder harret drey Stunden in dem Zimmer der Schönin, läßt sie nicht aus den Augen, noch weniger sich, unter was immer für Vorwande oder Spuckmacherey, aus dem Zimmer bringen.

2) Zeichnet auf, was ihm der Mühe wehrt scheinet, als zu welcher Absicht Papier, Dinte und Feder beständig hingelegt bleiben.

3) Erwartet seinen Nachmann, sollte er auch über die ihm gesetzte Zeit ausbleiben, weil man nicht wissen kann, was manchen hindert.

4) Uebergibt diesem, dem Nachmann, alle Vorfälle, mit mündlicher Ausdeutung dessen, was er aufgeschrieben hat.

5) Wenn einem etwas zu paradox scheint, so läßt er den Arzt zu jeder Stunde rufen.

6) Wasser, Wein, alleine oder gemischt, weisses Brod werden alle Stund – Speisen aber zur gewöhnlichen Zeit, die Eßlust zu erregen, hingestellt, angeboten, auch wohl gar davon genossen.

7) Der Physikus wachet zwar seine drey Stunden, wie ihn die Ordnung trifft, die erste Nacht aber wacht er, um alle Vorurtheile und Furcht| für Spucken, Unholden u. d. gl. jedermann zu benehmen, von 9 Uhr Abends bis 3 Uhr frühe.
Stundenzettel.
Den zweyten Lenzmonat Nachmittag.
Von 3 bis 6 Uhr. Trinkt ein Glas Wasser mit Wein.
Von 6 bis 9 Uhr. Geht eine halbe Maaß Harn ab; gibt aber zur Ursache dessen gar zierlich an, das Fahren sey daran schuld; schläft übrigens ruhig.
Von 9 bis 12 Uhr. Fand der Arzt bey Fühlung des Pulses der rechten Hand zwischen dem Daum und Zeigfinger ein Grindchen, er nahm das Licht, und sah, daß es von einer kurz vorher geschehenen Aderlässe sey; bey genauerer Forschung eben so an der linken Hand in der nämlichen Gegend; desgleichen an beyden Füßen, deren ein Paar zwey, das andere aber vier Tage alt waren; ihrer Erzählung nach sind die Aderlässen übers Kreuz gemacht worden zu obbesagter Intention; die Gleichheit der Narben bestättigte die Aussage.
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Vom zweyten auf den dritten Lenzmonat.
Von 12 bis 3 Uhr. Schläft so ruhig, daß sie weder vom Geräusche des Auf- und Abgehens im Zimmer, noch von der inzwischen geschehenen Unterredung und Ablösung etwas gehöret hat.
Von 3 bis 6 Uhr. Dauert der Schlaf ruhig fort, und bekennet Schönin dem Feldscheerer Sehler gegen halb sechs Uhr, daß sie besser als jemahls zu Hause geschlafen habe; weil sie nicht mehr durch den Tumult der vielen Leute und das lange Beten gestöret würde.
Von 6 bis 9 Uhr. Nach sieben Uhr erwachet sie, und ersuchet den Feldscheerer Geßler, ihr die Hand zu reichen, um sich auf die andere Seite wenden zu können, worauf sie bis neun Uhr ruhig, doch nicht immer, schlafend bleibt.
Von 9 bis 12 Uhr. Klaget ein Uebelwerden, das aber von kurzer Dauer gewesen, (der Arzt schloß auf den gezwungenen Hunger) isset einige Löffel voll Suppe, erbricht sie aber wieder.
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Von 12 bis 3 Uhr. Geht auf einmahl eine Maaß Urin ab; trinkt Wasser mit Wein, erbricht aber wieder etwas davon.
Von 3 bis 8 Uhr. Verlanget gegen sechs Uhr Abends eine Suppe, wovon sie abermahl erbricht; doch ward, weil ihre Verstellung schon zum drittenmahl bemerkt worden, ihr gesagt: die Zeit und der Hunger wird euch den Spaß schon vertreiben! Läßt wiederum eine Viertel-Maaß Urin; ißt und trinkt ohne erfolgtes Erbrechen, und schläft.
Von 8 bis 12 Uhr. Schläft gut; bleibt auch inzwischen manchmahl erwachend ruhig.


Vom dritten auf den vierten Lenzmonat.
Von 12 bis 2 Uhr. Nach 12 Uhr Mitternacht erzählt Schönin dem Wache habenden Feldscheerer Geßler den Discurs, welchen Caplan Schirmer am vergangenem Nachmittage mit ihr hatte, ganz entrüstet, und beschließt ihre Erzählung mit diesen Worten: mit diesem Manne werde ich mich künftighin in keinen Wortwechsel einlassen. Denn
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seine Sprache ging gegen ihren Plan.
Von 2 bis 5 Uhr. Eine Viertelstunde zuvor, als der Feldscheerer über sein Stundeneinschreiben wollte, pochet die Schönin an ihrem Bette, und heisset den Feldscheerer zum Zimmer hinaussehen; dieser aber, überzeugt, daß der Schall nicht an, oder ausser der Thüre des Zimmers, sondern am obern Queerbrette des Bettes geschehen, steht auf, nähert sich ihrem Bette, und bleibt, ohne die Augen von ihr zu wenden, stehen, läßt sich auch nicht irre machen, das Feuer, wie Schönin wollte, zu schüren; bis um zwey Uhr der Wechsel durch seinen Nachmann geschehen, welchem er dieses Pochens wegen Nachricht gibt, und alsdann erst einschreibet.
Von 5 bis 8 Uhr. Ganz ruhig; denn muß sie gedacht haben, was hilft mich meine Charlatanerie, wenn kein Mensch davon laufen will?
Notand. Um halb sieben Uhr frühe kommt der Feldscheerer Geßler zum Physikus, und meldet besagten Vorgang. Dieser geht sogleich zur Schönin,| lieset die Aufzeichnungen der Nacht durch, und fraget sie: was? gepocht hats? Ich weiß nichts, ist ihre Antwort. Glaubt nicht, erwiedert er, daß man hier so dumm sey, wie dort zu Euershausen eure Mitbeter; zu dem Wache habenden Feldscheerer aber sagt er: wenns wieder pocht, so schlag er drein, und dieses hinterlasse jeder seinem Nachmanne; er wolle aber noch vor Nachts einen Ochsenziemer herbeyschaffen; und zur Schönin: Ihr aber rathe ich, weil sie doch nichts davon wissen will, die armen Seelen, bey denen sie alles vermag, zu bitten, daß sie nicht mehr klopfen, sonst bekommt sie unschuldiger Weise Schläge. Dieser Rath hatte den Erfolg, daß dergleichen Alfanzereyen in Zukunft unterblieben sind.
Von 8 bis 11 Uhr. Ißt einige Löffel voll Suppe, zwingt sich aber sehr zum Erbrechen.
Läßt gegen Abend eine halbe Maaß Urin.
Von 11 bis 6 Uhr. Zwey Klystire aber gehen kurz nach ihrer Setzung ohne Wirkung ab.
Von 6 bis 12 Uhr. Schläft, und ist auch ausser dem Schlafe ruhig.


Vom vierten auf den fünften Lenzmonat.
Von 12 bis 5 Uhr. Nichts besonders.
Schläft; nachdem sie erwachet, klaget sie über Kreuzschmerzen
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und Übelwerden von kurzer Dauer.
Von 5 bis 9 Uhr. Nun bittet sie seit gestrigen Tage unaufhörlich den Stadtphysikus, er möchte doch zu Herrn Amts-Keller gehen, und ihn bewegen, heute noch zu ihr zu kommen: sie wolle alles, was und wie sie es wisse, der Länge und Breite nach erzählen; es erfolgte auch diese Verwilligung, und die Anstalt, daß bis neun Uhr alles nöthige Personale beysammen wäre.
Von 9 bis 12 Uhr. Hiezwischen das Protokoll Vormittag.
Von 12 bis 21/2 Uhr. Klagt Mattigkeit und Trockenheit, ißt deshalben nichts, trinkt aber um so mehr, alles ohne Erbrechen; ist munterer als jemahls; schläft drey viertel Stund, natürlich vom vielen Sprechen.
Von 21/2 bis 6 Uhr. Fortsetzung des Protokolls Nachmittag.


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Gerichtliche Erzählung.
Praesentibus.
Stadtpfarrer, Paul Dietmaier.
Herren Amts-Keller, Philipp Wilhelm Papius.
Stadtphysikus, Anton Brandner.
Aktuarius Georg Joseph Roßhirt, Päbstl. und geschworner und immatrikulirter Notarius, zu dieser Handlung erbeten.
Actum Königshofen den 5ten März 1791.


 Nachdem bereits unterm zweyten dieses, Nachmittag um drey Uhr, Margaretha Schönin von Euershausen in das hiesige Spital, nach höchstem geistlichen Regierungs-Befehle gebracht worden, zum Theile gedachte Person in Ansehung verschiedener zeither vorgegangenen Unordnungen und vorgespiegelten armen Seelen-Erlösung von ihrem älterlichen Hause und dem Orte Euershausen wegzuschaffen, besonders auch die alldorten beschehenen Zusammenkünfte unter nämlichem Erlösungs-Titel, sammt dem damit verknüpften Ärgernisse abzustellen, zum Theile sofort nämliche Person in Anbetracht ihrer üblen Gesundheits-Umstände und noch jungen Jahre zur ordentlichen Verpflegung und Kur zu bringen, so weiter nun obbesagte Schönin anheute freywillig, ungezwungen, und zur Bezeugung ihrer öffentlichen Reue erkläret hat, daß sie diesen ganzen zeitherigen Vorgang der armen-Seelengeschichte durchaus angeben wolle, zu dem| Ende den dahiesigen Physikus Brandner heute früh um acht Uhr zum Hochfürstlichen Amte abgesendet hat, mit dem Auftrage, daß sie nun alles ordentlich zu Protokolle einbekennen wolle, so hat man sich (wie sämmtliche auf der Seite benannt sind) zu ihr in das Spital begeben, und ihre Aussage, auch vollständige Erzählung und Bekenntniß zu Protokoll niedergeschrieben.
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 Margaretha Schönin von Euershausen, sieben und zwanzig Jahre alt, ledig, Tochter der dasigen Wittwe, Barbara Schönin, noch sechs Geschwistrigte habend, von geringem Vermögen, bekennet, und saget aus, daß diese Geschichte ihren Anfang daher genommen habe: Ihr Vetter, Wolfgang Schön, ein Weltpriester und Caplan in Oestreichischen Landen, habe Vermögen hinterlassen, nebst dreyen rechten Brüdern, und einem Stiefbruder, welcher letzte ihr Vater gewesen. Besagtes Vermögen habe er dort an zwey alte Leute auf ihr Lebenlang für ihren Vater hingeliehen: nach dieser beyden Tode (daß ihr Vetter Wolfgang Schön schon vor ihnen gestorben sey, versteht sich von selbst) sey das Geld nach Kloster Bildhausen geschicket worden, und von dar aus eine Nachricht an ihren Vater gekommen, solches Schreiben aber haben seine, des Geistlichen Wolfgangs Schön, drey rechten Brüder bekommen, und gesagt: sie seyen die drey rechten Brüder, sofort nach Bildhausen| gegangen, und das Geld erhalten.[2] Solches habe ihr Vater, welcher vor neun Jahren gestorben, ihrer Mutter und älteren Geschwistrigen, von welchen sie es wieder gehöret habe, auf seinem Todbette erzählet, mit dem Beyfügen: daß er Niemanden um etwas – wohl aber ihn seine Brüder um das Vermächtniß seines geistlichen Stiefbruders gebracht; solches Vermächtniß sey er ihm deßwegen schuldig geworden, weil er, der Schönin Vater, in seinen jüngern Jahren mit gemeldtem seinem geistlichen Bruder im Wirzburgischen, Fuldaischen und mehreren Landen herum gegangen, und ein Kästchen mit Heiligthümern, welche | er, Geistlicher, von Rom selbst überkommen, mitgetragen; wogegen ihm dieser den Jahrslohn eines Caplans zu geben versprochen hat.

 Alles vorige habe ihr ihre ältere, nun sieben Monate verstorbene Schwester, Anna Margaretha Schönin, einen Tag vorher, als das Erlösungsgeschäfft seinen Anfang genommen, und besonders das mit eingebrannter Hand vorgekommene Tüchlein gemacht worden, hererzählet[3], sodann sie als eine kranke Person dahin beredet, daß sie angeben sollte, als wenn ihr der verstorbene Geistliche (sie nannten ihn unter sich den Herrn Vetter Wolf) erschienen wäre, und gesagt hätte, daß die drey, ihres Vaters Stiefbrüder des Geistlichen rechte Brüder, das Geld herausgeben und dafür lauter heilige Messen gelesen werden sollten; denn deßwegen sey er zur armen Seele geworden, leide schon vierzig Jahre, und müsse hier umgehen.

 Dieses habe sie also gethan, und da inzwischen in ihrem Hause es einmahl so geplatzet und geraschelt, haben ihre Leute den Herrn Cooperator Fischer am Abend vor Maria Verkündigung (war der 24te März 1790) Abends um sieben Uhr durch| ihren ältesten Bruder, Melcher Schön, rufen lassen; der Cooperator sey sogleich gekommen, und über den Geist mit dem lateinischen Gebete hergewischet; sie, Schönin, habe aber gerufen: s’Licht naus! naus mit’n Licht! dieses sey auch alsbald bey Seite geschafft, sonach das lateinische Gebet wiederhohlt worden, zu versuchen, was es eigentlich für ein Geist sey? Fürchtet euch nicht, geschah der Ausspruch, fürchtet euch nicht, es ist ein guter Geist! Auf ferneres Beten, worin sein Begehren bestehe? habe dieser gute Geist fünfmahl gepocht, dergestalten, daß drey Stöße geschwind aneinander – zweene aber, der erste und fünfte, mit zwischen gehaltener Pause gefolget seyen; sie – als Dollmetscherin der Geistersprache – habe dieses Pochen also ausgelegt: fünf Stöße bedeuten fünf heilige Messen; das Absetzen aber, daß drey auf dem Ursule-Berge – zwo aber, die erste und letzte in der Pfarrkirche gelesen werden sollten.

 Ihre Leute haben hierauf durch den schon benannten Bruder Geld für drey Messen an den Pfarrer zu Sternberg (denn der zu Alsleben nahm es auf dergleichen Bedingniß nicht an) abgeschicket, die erste und fünfte habe der Cooperator in der Pfarrkirche gelesen.

 Die letzte Messe sey auf dem Osterdiensttage, den 6ten April 1790 gelesen worden, und Tags vorher habe ihre Schwester die vorangesetzte Erzählung| gemacht, und ihr ferner zugemuthet, öffentlich und auch dem Cooperator zu sagen, daß dieser gute Geist ihr verstorbener, geistlicher Herr Vetter sey, der schon vor vierzig Jahren wegen dieser Ursache im Fegfeuer sey; er wolle, daß die drey Stiefbrüder ihres Vaters das zu Bildhausen herausgeholte Geld wieder zurückgeben – und dem rechtmäßigen Erben, nämlich ihrer Mutter und ihren Geschwistern zustellen sollten.

 Während der letzten Messe nun, und gleich nach der Wandlung habe ihre verstorbene Schwester, als sie Aussagerin eben einen Sturm von Ohnmacht[4] gehabt, das schon bekannte Tüchlein auf ihr Bett geleget, ihr aber vorher schon gesagt: daß sie, Schwester, das Tuch eingebrannt herlegen wolle; denn sie habe ihr aus des Pater Cochems Himmelsschlüssel vorgelesen, daß nach beschehener Erlösung die armen Seelen erscheinen, und ihre Hand zu dessen Zeichen in ein Tüchlein brennen; solches sey also dazu geschehen, damit obige Aussage der armen Seele mehr bestärket, und ihre Freunde dahin gebracht werden, das Geld heraus zu geben.

| Nach dieser letzten Messe sey der Cooperator Fischer, ohne daß sie wisse, ob er dazu berufen worden, gekommen, und als er das befragliche Tüchlein gesehen, hab’ er solches den zusammengelaufenen Leuten, worunter Johann Schön und des Christoph Schöns Eheweib mit vielen andern beyderley Geschlechts gewesen, vorgezeiget, sey sodann nach Hause gegangen, habe auch das Tüchlein mit sich nehmen wollen, es aber nicht erhalten können, weil die anwesenden Leute solches vorerst haben sehen wollen.


Actum Nachmittag am nämlichen Datum, und in Besagter Gegenwart.

 Nach diesem Vorgange habe vorgedachte Anna, des Christoph Schöns Eheweib, sich öffentlich erkläret, daß sie ihren Antheil Gelds alsbald hergeben wolle; und wirklich seyen nach einigen Tagen funfzehn Gulden fränkisch in das Euershauser Pfarrhaus gebracht worden,[5] weil sie, Schönin, mit den ihrigen, wie schon gesagt, dieses Geld nicht habe annehmen wollen, sondern dafür nur allein Messen sollten gelesen werden.

 Von dieser Zeit an sey alles ruhig geblieben, und habe sich niemand mehr um die Sache bekümmert, noch weniger seyen Leute zu ihr gekommen, (die Unwahrheit dessen, wie jenes, daß ihre verstorbene| Schwester alles alleine veranstaltet, Anleitung gegeben, und sonst niemand Theil an dieser Intrike habe, siehe oben Seite 430-435.) bis endlich im verflossenen 1790er Herbste im Monate November kurz vor Martini der Alsleber Centschöpf Nikel Bach, und ihre beyden Verwandten, Hans Reuß und dessen Eheweib von Herbstadt, dann ihr Vetter, Jörg Memmel von Gabelshausen, einmahl zur Abendszeit in ihr elterliches Haus gekommen seyen, und mit ihr gebetet haben. Sie, Schönin, ihre Mutter und Geschwister haben zwar diese Leute öfters gewarnet, und ersuchet, zu Hause zu bleiben, weil durch einen amtlichen Befehl derley Zusammenkünfte unter Strafe verboten worden, auch von Geistlichkeits wegen der dasige Cooperator Fischer solches ihnen untersaget habe, allein sie seyen unablässig, und besonders obgedachter Centschöpf, wieder gekommen, und durch Ausstreuung dergleichen Vorgänge, auch verdorbene Einbildungskraft verursachet, daß mehrere Leute von verschiedenen Orten öfters, und meistens zur Abendszeit zu ihr gekommen, und die Nacht hindurch mitgebetet haben.
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 Nun müsse sie anbey, von innerster Reue gerühret, bekennen, daß sie dadurch die vielen Leute in ihrem Irrwahne gestärket, und zur öfteren Wiederkunft angefeuert habe, weil sie mehrmahl mit ihrem linken Fuß im Bette an dem Fußbrette der Bettlade geklopfet und gekratzet habe, wie solches| an dem vorhandenen oben besagten Fußbrette klar zu sehen sey; welches sie deßwegen gethan, damit die unter dem nächtlichen Gebete mehrmahls schlafenden Leute eifriger beten möchten, wobey sie am öftesten vorgebetet habe; hiebey müsse sie zu Bestärkung ihrer Neubezeugung noch diesen besondern Umstand anfügen, daß oft besagter Centschöpf Nikel Bach einige mahl unter dem Beten eingeschlafen, dafür aber von einem neben ihm gesessenen Kammeraden eine derbe auf den Kopf bekommen, der dann auf die Sage der übrigen Mitbeter fest geglaubet hat, diese Kappe habe ihm der Geist wegen seiner Lauigkeit aufgesetzet, und dafür habe er mit dem gewöhnlichen Spruche, vergelts Gott! gedanket.
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 Hauptsächlich wolle sie noch beyfügen, daß die Leute, welche zum Beten gekommen, und die armen Seelen ihrer Freunde erlöset, sie öfters gefragt haben: was sie nebst dem Gebete noch weiter Gutes thun sollten? sie, Schönin, um solche vom Halse zu bringen, gesagt habe: sie sollten diese und jene Wallfahrten verrichten, und heilige Messen lesen lassen; eben so haben jene, welche ihre Wallfahrt nicht ordentlich verrichtet, oder dabey Uneinigkeiten angefangen haben, solche noch einmahl verrichten müssen; weiter habe sie, Schönin, sowohl, als ihre Nachtgespielen, öfters zur Ader gelassen, in der irrigen Meinung, daß dieses ein| gutes Werk[6] sey, wenn es geschehe für diejenigen, welche freventlich und ohne Noth in Schlachten und dergleichen wirklich Blut vergossen, oder vergiessen wollen, welches sodann auf ihr Anrathen mehrere, auch unschuldige Kinder nachgethan haben.

 Dieß sey der ganze Her- Fort- und Ausgang dieser so auffallenden Geschichte, welches sie, wenn sie es verstanden, und nicht vielmehr geglaubet hätte, daß sie mit Anmahnungen zum Gebete ein Gott gefälliges Werk verrichte, nicht würde gethan haben.

 Sie fühle aber nun bey der ihr gemachten Auslegung ächter Religions-Begriffe die Erkenntniß ihres Übels, und herzliche Reue ihrer Fehler: bitte dahero inständigst, ihr diesen Fehler um so mehr zu verzeihen, als hiezu ihre immer kränklichen Umstände das meiste auch beygetragen haben, wodurch sie in beständiger Betäubung gelegen, und öfters etwas geredet habe, was sie nach der Hand nicht mehr gewußt, sondern erst von andern Leuten erfahren habe.


Amtswegen,
1te Frage.

 Ob von allen dem, was sie Schönin gegenwärtig erzählet, weder ihre Mutter noch Geschwister etwas gewußt, oder noch wissen, und von diesen eines oder das andere beygetragen habe?

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Antwort.

 Ihre Mutter, Brüder und noch lebende Schwestern wissen von gar nichts, sondern, wie schon zu Eingang Protokolls gesagt, ihre verstorbene Schwester habe ihr dazu die Anleitung gegeben, und das Tuch mit der Hand gebrennt.

2te Frage.

 Woher es gekommen, daß bey der vorgespiegelten Erlösung ihres geistlichen Vetters auf das lateinische Gebet des Cooperators Fischer so, wie es uns gegenwärtig bekannt, geklopfet, und ob sie solches nicht selbst – und zu welchem Ende gethan habe?

Antwort.

 Sie wisse damahl, als Cooperator Fischer zugegen gewesen, von dergleichen nichts; weil sie eben einen Sturm gehabt,[7] und nachdem dieser vorbey gegangen, wisse sie, daß Cooperator Fischer lateinisch gebetet habe, welches sie aber nicht verstanden.

3te Frage.
 Ob sie diese Vorspiegelung und Schwärmerey mit der armen Seelen Erlösung nicht aus Gewinnsucht, oder aus Hofnung, von den zugehenden Leuten Getreid, Eßwaaren, Geld, oder sonstiges zu erhalten, gethan habe? und ob sie, oder ihre Mutter und Geschwistern mit – oder ohne ihr Wissen| von den zu- und abgehenden Leuten nichts empfangen habe?
Antwort.

 Aus Hoffnung etwas zu bekommen, habe sie gar nichts angefangen, sondern im Gegentheile nur allein die Andacht, wie sie damals geglaubet, zu vermehren. Und so auch jemand was gebracht und hergeschenket habe, so seyen es ihre Verwandten gewesen,[8] welche wohl gewußt, daß sie es bedürfen; es werde auch Niemand aufzutreiben seyn, der behaupten könne, daß sie oder die ihrigen etwas erbettelt, oder darum angehalten haben.

4te Frage.

 Ob sie ihren getriebenen Unfug und Betrug hinlänglich einsehe, solchen reumüthig anerkenne, und erbötig sey, im erforderlichen Falle alle diese gethanene Bekenntnisse ihres begangenen Fehlers und Betruges öffentlich – und besonders in Gegenwart der von ihr betrogenen Leute und Mitbeter nochmal zu wiederholen, und deßwegen um Verzeihung zu bitten?

Antwort.
 Sie sehe, leider! nun alles hinreichend ein, was sie aber nicht so verstanden, und überlegt habe, daß ein so großes Übel dadurch angestiftet werde; sie bereue nunmehro von Herzen, daß sie alles dieses gethan, sie erbiete sich auch, die öffentliche Bekenntniß| von allem, was sie zu Protokoll angegeben, vor allen zu machen, um die Leute aus ihrem Irrthume zu bringen, auch wolle sie diejenigen, welche sie hiezu verleitet, und damit verführet, um Verzeihung bitten.

 Ob sie nun gleich dabey selbst einsehe, daß sie sich durch diese Handlungen und Thorheiten einer großen Strafe schuldig gemacht habe, so wolle sie jedoch demüthigst anflehen, daß sie, in Anbetracht ihrer ohnehin elenden Gesundheits-Umstände mit der Strafe huldreichest verschonet – und ihr die höchste Gnade gegönnet werden möge, daß sie auf herrschaftliche Kosten in einem nach höchstem Gefallen zu bestimmenden Orte von ihrer Krankheit geheilet werde, durch die sie in dergleichen Unfug und Possen gerathen sey.

 Nach sodann nochmahls vorgelesener ihrer Aussage wiederhohlte Margaretha Schönin ihre reumüthige Einbekenntniß, daß alles dieses so, wie sie es ausgesagt, und ihr nochmahl wortdeutlich vorgelesen worden, wahr sey, und weiter ihre demüthigste Bitte um Gnade und Verzeihung beysetze. So wurde gegenwärtiges bis auf weitere höchste Verfügung beschlossen.


 Dieses Protokoll mißfiel etlichen, denen es zu unvollkommen vorkam. Ein halb Aufgeklärter sieht aber schon das Blendwerk der Schönin aus diesem Protokolle ein,| er weiß zum voraus, daß das Tuch von Menschenhänden gebrandmarket worden, nur sollte sie, Schönin, es selbst eingestehen, sie nenne alsdann, wen sie wolle; und dieß hat sie gethan. Daß sie aber alle Schuld auf ihre Schwester, welche sie, zu ihrem größten Glücke, gestorben zu seyn glaubte, geschoben, und verschwiegen hat, was ihr nachtheilig werden könnte, deute ich ihr nicht übel; aber albern wären jene gewesen, die ihr geglaubt hätten; sollte sie vielleicht (nach eigener Anerbietung eines freywilligen Geständnisses, und inständiger Bitte, gehört zu werden) mit Drohungen weiter getrieben, oder gar zur Tortur gebracht worden seyn? Wer ihre Augen gesehen, und ihren verschmitzten Hirnkasten gekannt hat, hätte das nicht erwartet, was sie freywillig, oft mit Belachung ihrer verblendeten Anhänger, erzählet hat.

 Nach dem Verhör wurde die Wache, welche wegen gehaltener Pünctlichkeit das größte Lob verdienet, aufgehoben, und eine Wärterin angestellet; Abends darauf wurden zwey Klystire gesetzet, worauf eben so vielmahlige Leibeseröffnungen erfolgten.

 Nun aß und trank sie, nahm Arzneyen aus Rhabarber und Chinarinde, alles ohne| Erbrechen, fortgesetzte Klystire erreichten ihren Zweck.

 Mit ununterbrochenem Anhalten öffnender und stärkender Heilmittel sank oben gedachte Geschwulst gegen die Mitte des Ostermonats; allein sie bekam dagegen an beyden Füssen eine wässerichte Geschwulst.


Weitere Geständnisse mit Vorzeigung ihrer Kunst, dann öffentlicher Widerruf.
 Es wurden endlich Königshöfer sowohl, als Dorfsleute – besonders aber jene, die zu ihr gewallet sind, zur Schönin eingelassen. Hier bekannte sie dann am 17ten Ostermonate und mehr darauf folgenden Tagen, öffentlich und wiederhohlter massen: – „daß sie die Leute mit der gebrannten Hand, mit der armen Seelen Stimme, mit dem Klopfen und Kratzen, mit den Verzuckungen, kurz, mit – und in allem betrogen hätte.“ Gegen Ende des nämlichen Monats gestand sie abermahls: daß nicht ihre verstorbene Schwester[9] sondern sie selbst die Hand | in das leinene Tuch eingebrannt hätte; machte auch würklich im Angesichte vieler Gegenwärtigen die Zeichnung davon. Einige staunten, andere schimpften über sie und ihr ganzes Geschlecht, schalten sie Hexengeschmeiß, Höllenbraten, Unholden, und was dergleichen Ehrentitel mehr sind.
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 Nach dergleichen öfters gestatteten Zugängen gewannen ihre Brüder, der Centschöpf Bach, einer Namens Kazenberger, und mehr andere ihres Anhanges Zeit und Gelegenheit, Unterhandlungen mit ihr zu treffen; sie zu bereden, daß sie sagen sollte: sie wäre zu allem Geständnisse überredet, und gezwungen worden, zu versprechen: daß sie es bey Seiner Hochfürstlichen Gnaden zu Wirzburg dahin bringen wollten, daß sie wiederum auf freyen Fuß gestellet würde, und nach Euershausen kommen dürfte. Sie gab den schwachen Verheissungen Gehör; ihre vermeinte Erretter gingen also ungesäumt im Wonnemonate nach Stadtlauringen, ließen dort durch den Werber um eilf Batzen fränkisch eine Bittschrift machen, in welcher Drohungen und Zwang,[10] und daß| sie noch drey arme Seelen auf die Pfingstfeyertage zu erlösen habe, vorgestellet wurde; gingen damit nach Wirzburg, reichten die Bittschrift ein, und verrichteten inmittelst noch eine Wallfahrt, Gottes Seegen zu erhalten; allein sie mußten im Heimwege beten:

Es ist mit unsern Thun verlorn;
Verdienen nichts als eitel Zorn.

 Am dritten Wonnemonat Nachts um halb zehn Uhr, (ungefähr an diesen Tagen sind die Supplikanten auf dem Wege gewesen) bekam sie Frost und Zuckungen, eine Folge des Monatziels, und der zu langen Verweilung in der Kirche an einem kalten Tage; sie verlangte den Pfarrer, und dieser den Arzt: es wurde aber entschieden, daß keine Todesgefahr vorhanden wäre, und folglich die sacramentalische Versehung unterlassen,| die sie doch wollte; denn bey Leuten, wo man an der ächten Andacht und wahren Bekehrung zu zweifeln gegründete Ursache hat, muß man nicht so freygebig und geschwind seyn, und sie nicht dadurch in ihrer Heucheley bestärken.

 Den 13ten Brachmonat waren acht ihrer Gesellen bey ihr im Spitale, welche von der leeren Hoffnung der Befreyung der Schönin noch aufgeblasen, ganz dreiste Einwendungen und Dispüte machten; es kam aber der Physikus dazu, welcher handveste Beweise mitbrachte, wonach sich ihre Tollkühnheit legte, und die Rottengeister ausgetrieben wurden, mit dem strengsten Verbote, daß Niemand mehr zu ihr gelassen würde.

 Den 14ten darauf wurde Schönin, durch das gestrige Verfahren erzürnt, wieder rückfällig, bekam eine Leibesverstopfung, und ihren dicken Magen wieder, wie er zuvor gewesen; das Übel wich aber diesesmahl geschwinder, als vorher.


Meine Meinung über die Krankheit.
 Da wir so vielmahl der Zufälle der Krankheit, woraus Schönin Nutzen zu ziehen gewußt, Erwähnung thun mußten, so| ist hier billig der Ort, solche, so gut als möglich, zu beschreiben. Ich muß aber, als Laie in der Kunst, um Vergebung bitten, wenn die Schilderung nicht kunstmäßig ausfällt; wenn nur alles der Zeitordnung, den Ursachen und Wirkungen nach erzählet wird: denn wo sich Wahrheit und Betrug durchkreuzen, kann erst der Aufschluß nach der ganzen Reihe der Reden und Thaten gemacht werden. Die Geschwulst, die üble Farbe waren Wahrheit; die wundergleiche Harn- und Stuhlgangs-Verhaltung viertels – halber – dreyviertels – oft ganzer Betrug.
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 Die Bleichsucht war schon am 7ten Ostermonat 1790 Abnehmung des oft gedachten Dinges, aus der Trägheit des Körpers, dem schweren Athem bey den Bewegungen, der bleichen Farbe und Aufgedunsenheit, und aus der billig beglaubten Angabe des verstopften Monatlichen offenbar. Allein jene halbkugelförmige Geschwulst, die vom 24ten Wonnemonat 1789 bis 7ten Ostermonat 1790 viel größer geworden ist, beym Drucke hart und schmerzhaft war, wessen Folge war sie? Kam sie von dem unterdrückten Geblüte, oder von der verstopften Leibesöffnung, oder von beyden zugleich?| Aus Leichen-Oeffnungen ist bekannt, daß der Magen, ein und anderer Darm, oder mehrere derselben zugleich von verhärteter, schleimig-vertrockneter, gleichsam versteinerter Materie, auch von Überbleibseln der Speisen zum Erstaunen erweitert werden, und sogar aus ihrer Stelle weichen, und andere benachbarte Theile aus derselben verdrängen; daß aber auch die Verstopfung der weiblichen Reinigung den Unterleib wegen Ausdehnung der Gebährmutter, der Gedärme oder anderer Eingeweide auftreibe, ist eben so gewiß. In unserer Gegend ist eine Weibsperson, welche aus Nachläßigkeit ihrer Natur Gehör zu geben, und zu Stuhle zu gehen, so weit verwöhnt, fünf und zwanzig – einmahl gar sechs und vierzig Tage lang an einer Constipation krank lag, sie litte zugleich Mangel des Monatlichen: ihr Leib wurde dadurch so aufgetrieben, daß sie bey dem Tod für schwanger angesehen ward.
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 Diese zwey zusammen stoßenden Ursachen wurden bey der Schönin durch die dritte, das beständige Bettlager, (von den nachkommenden häufigen Aderlässen nichts zu melden) vermehret. Wer die| Öffnung gewaltsam verhalten will, darf nur im Bette liegen bleiben,[11] und weil die Schönin dadurch Mirakel aushecken wollte, so ists offenbar, daß sie sich in Gegenwart der Leute Gewalt gethan habe, bis das Zimmer wieder leer wurde; der Befund (S. 444.) beweiset, daß sie sich Fleckerweise ihrer Last entlediget habe, und mit dem Urin hatte es ohnehin zu jeder Stunde gute Wege.

 Den Worten der Schönin, ausser jenen, welche mit dem Augenscheine übereinstimmten, konnte man nicht so platterdings vollkommenen Glauben beymessen, und die 1789 so schläfrig – endlich gar nicht gebrauchten Heilmittel, deuteten weder auf Hülfe noch Schaden; konnten also nicht in Anschlag gebracht werden.

 Nachdem aber zu Königshofen in Speise und Getränke so wohl, als innerlichen und äusserlichen Arzneyen Ordnung getroffen worden, so fing der aufgetriebene Magen, oder der Grimmdarm, oder wer es sonst gewesen, allmählig zu sinken an. Ich stelle mir die Reihe dieser Krankheits-Erscheinungen| also vor: die Unterdrückung des Monatlichen war die Grundursache; daraus folgte Lässigkeit, und vieles Liegen; aus diesen die Verhaltung der Leibesöffnungen; dann die Bleichsucht, welche aber durch die unzeitigen und häufigen Aderlässen vermehret wurde.

 Die erste Gesundheitsbesserung machte den Schluß nicht so klar, daß nicht ein- oder anderer Zweifel Platz gehabt hätte, als der am 14ten Brachmonate erfolgte Rückfall in die alte Krankheit, nämlich die Auftreibung der Magengegend, und die geschwinder, als zuvor, erfolgte Genesung; die Heilart war abführend und stärkend.[12]

 Schon dachte ich am Rande der Erzählung zu seyn, und nur das Facit abwarten zu dürfen, da sich die Historie durch eine altweiberische Spital-Kabale auf ein neues angesponnen hat. Nachkommendes Protokoll wird das Räthsel aufschliessen.

| Halb officiel ward der Schönin das Arbeitshaus angetragen, sie setzte aber kein Gebot darauf; es ward ihr gedrohet, ein Schloß an das Zimmer zu legen, und sie einzusperren; unofficiel aber die Flucht angerathen. Sie durfte zwar noch in die Kirche gehen, allein sie bekam eine so scharfe Wache, wie dort im rothen Wagen der blinde Feldhüter war, nämlich eine alte schwache Spitälerin.
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 Den 4ten Weinmonat 1791 ward sie in die Kirche begleitet, (ein Tag, an welchem wegen des Festes des heil. Franz Seraph zu Königshofen ein großer Zulauf in dasiges Capuciner Kloster ist) gab während der Messe eine Üblichkeit vor, ward vertraulich von ihrer Aufseherin entlassen, und lief, bey so guter Gelegenheit, auf und davon nach Alsleben, zu dem doppelt verpflichteten Centschöpfen Bach, ruhete dort ein paar Nächte aus, und ging dann weiter nach Ballingshausen, wo sie abwartete, bis sich ihre Rotte nach und nach gesammelt hatte: es wurden im Armenseelen-Klub Bittgänge decretirt, und um alles bestreiten zu können, trat Johann Kazenberger ins Mittel, er verkaufte ein Paar Ochsen für 11 Karoline, gab nach und nach 5 davon zum| Opfer, und so wallten sie nach Marie-Weier, Dettelbach und Limbach u. s. w.


Zwey Erscheinungen.

 Im Rückwege von Marie-Weier ward sie nächst Lichtenfels, weiß nicht, todkrank oder verzuckt; alles mußte laufen nach einer Gelegenheit zu fahren, und bis diese zurückkamen, sah sie folgendes Gesicht: eine ungeheure große Sau kam daher, wollte über sie, Schönin, hinein, um mit ihr, weiß nicht was, anzufangen; natürlicher Weise rief sie alle Heilige im Himmel an, endlich kam ihr seeliger Vater (andere sagen: die Mutter Gottes) und sprach zu ihr: Meig, diese Sau hat dich zwar sehr erschrecket! allein sie hat dir keinen Schaden zufügen können; merke also, so wenig dir diese Sau hat thun können, eben so wenig kann dir deine Obrigkeit anhaben; mache nur sicher fort, sie fressen dich nicht! und so verschwand der Schatten.

 Von der Dettelbacher Wallfahrt zurück nach Euershausen wurde Schönin unfern Schweinfurt abermahl schachmatt; nun mußte Kazenberger nochmahl einen Wagen miethen, um die wunderthätige Patientin in ihre Heimath liefern zu können;| dieses Liebeswerk blieb nicht ohne Belohnung: denn höret abermahl Wunder! Sie sah vor ihrem Wagen den verstorbenen Vater des Kazenbergers daher gehen, und bitten: daß auch er einmahl aus dem Fegfeuer erlöset würde! Nun, was sollte man da lang zaudern, und eines solchen Gutthäters Vater leiden lassen? es traf also die Reihe zuerst den alten Kazenberger.

 Die Karavane erreichte den 4ten Wintermonat v. J. den Ort Euershausen, und nun fieng armen Seelen Haudern wieder herzhaft an; denn weil sich Niemand um ihr Thun und Lassen zu bekümmern schien, wurden sie so dreiste, daß sie sich ihrer Abentheuer noch rühmten: Geltet ihr! sagten sie untereinander, sie lassen uns fortbeten! Wenn sie ihrer, der Schönin, Heiligkeit was schaden könnten, würden sie es gewiß gethan haben! sie habens ja gehabt, warum ist sie nicht aufgehalten worden? oder warum wird sie nicht wieder eingezogen? Die Lichtenfelser Erscheinung hat Grund, und wir eine gerechte Sache, geltet ihr!

 Inzwischen ward Philipp Schüler aus Euershausen von seinen zwey scheu gewordenen| jungen Pferden in der Stadt Königshofen zu tod geschleppet; Katzenberger als Allmosen- und Erlösungswerber, geht zu der Wittwe des Verunglückten, und machet ihr folgenden Antrag: „Euer Mann hat zwar eine Reue und Leid erwecken wollen, weil er seinen Tod vor Augen gesehen, allein er hat wegen Übereilung solche nur halb zu Wege gebracht,[13] und ist dahero ins Fegfeuer gekommen. Kommt! geht mit mir, betet mit uns, daß wir ihn erlösen; dörft leicht ein Malter Korn und beyläufig so viel Weizen zum Allmosen geben, so ist dem armen Schelmen geholfen. Ihr Einfaltspinsel, erwiederte sie, was wißt ihr, wo mein Mann hingekommen;[14] was ich thun soll, ist schon und wird noch geschehen.“ – Er drang inständiger, allein ihre Standhaftigkeit ließ ihn mit der langen Nase abziehen.
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 Daß Kazenberger ein Institutum in Instituto errichtet, und für das Schönische Haus bettelt, ist ihm gar nicht zu verdenken;| ein Paar Ochsen eingebrockt, ein Kalb geschlachtet, und größtentheils mit der heiligen Familie verschmauset u. s. w.[15] Einer kann die Katze nicht immer allein halten; der Schöpf ist auch schon halbtheil erschöpft, folglich ist die Bettelwerbung das einzige und letzte Mittel.
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 Die Aderlässen gingen (wie vor ihrer Gefangenschaft) dem Dutzend nach und kreuzweise fort; weil kein Feldscheerer mehr herbey wollte, bestellten sie einen Pfuscher, machten ihn zum Leib-Chirurgus,[16] und erst in den abgewichenen Weihnachts-Feyertagen mußten 7 Personen mit der Schönin Blut lassen, einige mußten vom Blute trinken, den süßen oder sauren Geschmack angeben, jene wurden im Stande der Gnade Gottes, diese in dem Umstande derselben von der heiligen Meig erkläret; in der heiligen| Christnacht hat sie sieben arme Seelen, für welche Blut vergossen worden, aus dem Fegfeuer erlöset.

 Die Wallfahrten blieben auch nicht ganz ausser Acht; doch, weil bey böser Winterzeit die Tage kurz, und die Wege schlimm sind, wurden näher gelegene Gnadenorte aufgegeben, aber ja keine in der Gegend Königshofen; denn die Pfarrer rings umher, sagt sie, haben kein Christenthum mehr, darum sollen sie auch keinen Kreuzheller verdienen.

 Einen possirlichen Auftritt kann ich hier nicht ungemeldet lassen. Ein Ausschüsser, Georg Reichert von Königshofen, zu Wirzburg commandirt, der Schönischen Industrie kundig, hat bey Gelegenheit, wo die Mutter der Schönin ihren Sohn, gleichfalls dort commandirten Ausschüsser, besuchte, demselben eine Partikel beym Fegfeuer gekretelter Würste zu bringen, und in der Kaserne bey ihrem Sohne übernachtete, folgenden drollichten Streich gemacht: er wickelt sich ganz in ein Leilach ein, schleicht sich in den Stock, wo die alte mit ihrem Sohne schlief, steckt sich unter das Bett, bis sich alles zur Ruhe begeben, dann pocht er so lang, bis die Alte erwacht, und fragt:| was ist das? Eine arme Seele, war die Antwort; was ist dein Begehren? erlöst zu werden; womit? mit einer Wallfahrt; wohin? fragte sie, und er gab die letzte Antwort: auf Gochsheim, zum Christkinala! und ging flugs davon; der militärische Schön lauft entbrannt nach, erhascht aber nichts, und im Stock, wo die Königshöfer Ausschüsser lagen, ward er aufs theuerste versichert, daß alles ruhig geschlafen habe.
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 Gegen Ende des Christmonats v. J. sandten zwey Pfarrer, Joh. Philipp Hofmann zu Alsleben, und Joh. Baptist Möller zu Untereßfeld (weil ihre Pfarruntergebene, oft gerühmter Centschöpf Bach, dann Georg Memmel von Gabelshausen, und Peter Weidmann von Aub[17] und| mehr andere mit der Schönin zu Euershausen in der so betitelten Margaretha-Capelle unordentliche Andacht forttreiben) eine nochmahlige berichtliche Anzeige, welche von ärgerlichen und abergläubischen Zusammenkünften, Versäumnissen des ächten Gottesdienstes, vom Anstoße, Spötterey, von Verlachung bey Einheimischen und Auswärtigen, ziemlich nachdrückliche Vorstellungen enthielt.

 Den 30ten Christmonat geht Joh. Georg Kuhn, Schultheiß zu Euershausen, zum hochfürstlichen Amte Königshofen, und meldet die abgeschmacktesten und unausstehlichsten Tändeleyen, mit Bitte: dieser Hacke doch einen Stiel zu suchen. Schultheiß bekommt die Zusage. Nun dann, Glück auf und Glück zu!

 1792 den 2ten Januar fährt Amtskeller Papius nach Euershausen, läßt die Gemeinde zusammen- und Schönin vorrufen.| Acht Tage zuvor, nämlich den 25ten Christmonat v. J. hat sie sich zu Hause und im Bette sacramentalisch versehen lassen, und jetzt hat sie im Gemeindhause erscheinen können. Unter dem Scheine der Heiligkeit hat diese abgefaumte Unholdin die größte Religions-Spötterey getrieben; so wahr ist es, und bleibt wahr, und man kanns Tagtäglich ohne Mikroskop sehen:

Religio velum est, quod scelus omne tegit.

Sie lag zwar im Bette, allein des Amtsdieners Christoph Stechers Gründe gingen ihr doch ein, daß sie gutwillig mitkam. Schönin hat schon lang, vom Schultheissen an und durch die ganze Euershäuser Gemeinde – den Kazenberger, Zeislein und ihre Brut ausgenommen – das schlechteste Zeugniß gegen sich. Im Verhör schob sie die Schuld ihres Ausreissens auf einige Vorsteher des Spitals, und auf die Pfründner; wie weit dieses Grund habe, oder nicht, ist bey so leichtfertigem Gesindel bald entschieden. Freylich hat sie nach erlangter Gesundheit, und da sie unter den übrigen Spitälern herumwalzen mußte, den Zucker nicht mehr so knollenweise bekommen, wie vorher vom Schöpfen, Nikolaus Bach, welcher| sagte: das heilig Leut muß Zucker essen, Brod ist zu schlecht für’s. Allein sie hatte ihre gute Kost und Wein, wie alle übrige 50 Spitalspfründner. Die am 5ten Lenzmonat gethanene protokollarische Erzählung läugnete sie zwar nicht, gab aber vor: sie habe alles aus Furcht gesagt. Nun denke man sich das Ungeheuer der Stirnlosigkeit; gesetzt, aber ja nicht zugelassen, es wäre dazumahl wahr gewesen, daß sie Beten, Wallgehen, für Gott gefällige Handlungen gehalten, hat sie eine Entschuldigung mehr übrig, da sie über ihre Fehler und deren schädliche Folgen nach besseren Religionsbegriffen wiederhohlter massen ab – und um Gnade gebeten?

 Kaum war der Beamte von Euershausen weg, so liefen Zeislein von Euershausen, Memmel und Eschenbach von Gabelshausen nach Wirzburg, einen eisernen Brief zu hohlen; allein es kam am 5ten Jänner eine ganz widrige Resolution von der hochfürstlichen weltlichen Regierung, die Margaretha Schönin in Verhaft zu bringen.

 Am 7ten Januar ward sie durch den Amtsdiener auf einem Schlitten nach Königshofen – und in das schon lang verdiente| Quartier gebracht; am 9ten bey Amte verhöret; am 10ten, 11ten und folgenden Tagen wurden Mutter, Schwester, zwey Brüder und alle mitverstrickte Complices beygetrieben und so fort verhöret.

 Das Nest ist ausgenommen; die Vögel, die alten und jungen, sitzen im Käfig.

(Künftig Aufschluß des Räthsels.)



  1. Dieser Mann hätte ein Prämium verdient: denn er hält etwas auf seine ordentliche Obrigkeit.
  2. Schönin weiß das eigentliche, worauf sie ihr Gedicht gründen wollen, selbst nicht; soviel habe ich durch sichere Hand davon erfahren: Wolfgang Schön war Caplan zu Hohenrupersdorf in Oestreich, und dort bey zwey alten Eheleuten in der Kost und Wohnung; nach seinem und endlich dieser beyde Absterben, ist sein nachgelassenes Geld nebst Schreiben an das Kloster Bildhausen gekommen; Pater Blasius Hofmann, Priester besagter Abtey, schickte das Schreiben an seinen Bruder, Valentin Hofmann, Burger und Schuhmachermeister zu Königshofen, welcher den Schönischen zu Euershausen das Schreiben übermachte. Kaum ward dieß kund, so gings über Hals und Kopf, jeder wollte das Geld zuerst haben.
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    Aus der Kanzley zu Bildhausen erging der Bescheid: daß die Erbschaft den drey rechten Brüdern des verstorbenen Geistlichen Wolfgang Schön zustehe.
  3. Die Falschheit dieses Vorgebens erhellet daraus, daß Aussagerin nicht nöthig hatte, die Historie erst vor anderthalb Jahren von ihrer Schwester zu vernehmen: denn Margar. Schönin war damahls 18 Jahre alt.
  4. Der Physikus fiel ihr hier in die Rede, sie möchte ihm doch einen dergleichen Sturm erleben lassen, er würde ihr augenblicklich helfen.
  5. Die ganze Verlassenschaft bestand in fünf und vierzig Gulden Fränkisch.
  6. Im Katechismus steht nichts dergleichen.
  7. Recht so, nur standhaft beym Sturm geblieben!
  8. Ja! als man der Schönin die Beyschlepper an den Fingern herzählte, gestand sie zur Noth so viel.
  9. Welches ihr am Tage des Gerichts ohnehin Niemand geglaubet hatte.
  10. Ich habe mich über alles genau erkundiget, habe aber des Zwanges und der Bedrohungen halber nichts herausbringen können, als was bey der Abhohlung [468] von Euershausen nach Königshofen am 2ten – und nach dem Pochen in der Nacht vom 3ten auf den 4ten Lenzmonat geschehen. Wache halten, damit keine geheime Unterredungen gepflogen werden können, Speis und Trank anbieten, steht keinem Zwange gleich; ich frage aber die ganze vernünftige Welt: ob nicht bey Widersetzlichkeiten und tuckmäuserischen Sichtungen Schläge, wenn sie auch wirklich geschehen wären, eben so gut ein chirurgisches Heilmittel sind, als Schröpfen und Frottiren?
  11. Darum sind Klystire bey Kindern und bettlägerigen Kranken so gedeihlich.
  12. Schönin ward einmahl gefragt: warum sie denn jetzt so fleißig Arzneyen nähme, welches sie doch zu Euershausen nicht gethan? und sie gab zur Antwort: Ja! wer würde sie dort bezahlt haben?
  13. Es scheint, daß Kazenberger die Reue und Leid Stückerweise berechne.
  14. Siehe! abermahl Aufklärung und Dummheit neben einander.
  15. Mit bittersten Klagen seines Eheweibs, welche er noch obendrein, nach Zeugniß der vom Amtskeller Papius am 29ten Wintermonat 1791 eigens zusammenberufenen Policeicommission, auf gut soldatisch geprügelt, dagegen aber zur Strafe eingesperret worden ist.
  16. Wohnt zu Zimmerau, anderthalb Stunden von Euershausen, mit Namen Nauer, insgemein Purlebux genannt: er hat ha[l]bviertels ausgelernet, und ist achtels in der Fremde gewesen.
  17. Schon vorlängst wurde Margar. Schönin wegen besitzender Heiligkeit zur Taufpathin seines Töchterchens vom Peter Weidmann gebeten; bey der ersten Einhohlung ins Spital kam die Kindsmutter nach Königshofen zum Pfarrer, heulte und weinte, daß ihr Kind das Unglück habe, das Dötchen einer solchen Hexenfamilie zu seyn; weil sie wisse, daß wenigstens der neunte Theil der Tugend oder Laster der Pathen den Kindern zufließe. Pfarrer und Caplan trösteten die Frau, und versicherten, daß diese Leute weder Heilige noch Hexenzeug, wie man zuvor und jetzt irrig gedacht habe und noch denke, seyen, sondern sie seyen zwischen Heiligkeit und Hexerey ein [481] dumm-boshaftes Mittelding. Die Mutter wurde endlich gefragt: wie denn das Kind heiße; sie antwortete Margaretha Königshöfa. Die beyden Herren studirten nach, zerrissen sich die Köpfe, durchblätterten ihren Kalender, und keinem wollte lange Zeit diese Heilige einfallen; endlich kams heraus: es heisset Margaretha Genofeva, Schmerzenreich auch nicht zu vergessen.