ADB:Drach
[368] nachdem schon vorher zwei Speyerer, die Brüder Johann von Speyer und Wendelin von Speyer (Neuer litter. Anzeiger 1806. S. 338. 353) und zwar bereits 7 Jahre nach der Eroberung von Mainz (1462) in Venedig die erste Druckerei errichtet hatten. Ueber die Lebensverhältnisse des älteren D. (beide, Vater und Sohn, führten den gleichen Vornamen „Peter“) ist nur sehr wenig bekannt. Da er jedoch in den Jahren 1477 und 1478 Mitglied des Rathes war, so scheint es, daß er in großem Ansehen gestanden und das Vertrauen seiner Mitbürger genossen habe, wie denn die Familie D. zu den reichsten und angesehensten der Reichsstadt gehörte, in der sie nicht nur ausgedehnte Besitzthümer, sowie eine eigene von ihr an die Pfarrkirche zu St. Bartholomäus angebaute und reich ausgestattete Capelle (deren Ruinen noch 1764 vorhanden waren), sondern auch zu Worms ein völlig eingerichtetes Haus besaßen, in dem sich ein Verlag ihrer Drucksachen befand. Ob der Speyerer Familie auch der zu Carlstadt geborene Draconites (s. d.) sowie ein Würzburger Geschlecht „Trach“, in welchem gleichfalls der Vorname „Peter“ vertreten war, angehört, oder ob beide eigene Sippen gebildet haben, bleibe dahingestellt. Einem der letzteren „Petro Trach Herbipolitano“ widmete Henricus Ribsch zu derselben Zeit seine Disceptatio, an uxor sit ducenda Nürnb. o. J. (1509) 4. (Dresden) und Trach selbst erwähnt in einer seinen Dank bezeugenden Nachschrift eines seiner Verwandten des „Spectabilis vir Andreas Trach patruus meus generosorum comitum in Büdingen secretarius“. Dem Speyerer Geschlechte entstammte aber Konrad D., Dechant von St. Thomas zu Straßburg um das J. 1450, von dem wahrscheinlich das Patronatsrecht herrührte, welches das jeweilige Haupt der Drach’schen Familie bei einer Caplanei jenes Straßburger Stiftes ausübte.
Drach: Peter D., eine der ältesten deutschen Buchdruckerfamilien und die erste, welche in der ehemaligen Reichsstadt Speyer eine Druckerei anlegte,Ein Glied dieser Familie legte Peter D. der ältere um das J. 1471 in seiner Vaterstadt die erste Druckerei an, aus welcher in einem Zeitraum von 56 Jahren eine große Zahl von Büchern aus fast allen Gebieten des Wissens hervorging. Auf welche Weise D. in den Besitz der damals noch sehr wenig bekannten typographischen Kunst gekommen sei, ist völlig unbekannt und nur das sicher, daß die Druckerei bis zum J. 1481 Eigenthum Peter des älteren war und daß es sein Name ist, der am Ende der bis dahin aus seiner Officin hervorgegangenen Bücher steht, denn das erste im J. 1481 gedruckte Buch ist unterzeichnet: Factore Petro Drach Juniore und hiernach läßt sich auch das Todesjahr des älteren D. bestimmen, welches in das J. 1480 oder 1481 fällt. Unter den Erzeugnissen seiner Presse verdient besondere Erwähnung der Wiederabdruck des dem Seneca untergeschobenen (Dibdin Spencer. III, 153 ff. Bähr, Gesch. der röm. Litteratur, 3. Ausg. S. 469) „Tractatus de quattuor virtutibus cardinalibus“, 1472. Fol. (in Speyer). Das sehr starke Papier dieses Druckes ist, jedoch nur theilweise, mit dem Zeichen des Ochsenkopfes versehen, das so vieles Papier der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts trägt; es wurde nach dem Zeugnisse L. Sundheim’s (Handschr. zu Stuttg. hist. 250) zu Ravensburg verfertigt, dem Haupthandelsplatz für Papier und Pergament in Oberschwaben; über die Pergamentgerberei daselbst vgl. den „Geschäftsfreund“ (Einsiedeln 1845) II. S. 94. 100 ff. Der Tractat selbst aber ist bekanntlich verfaßt von Martinus, Abt zu Dumia, Bischof zu Braga in Portugal (daher „Braccarensis“) und stand das ganze Mittelalter hindurch in fast gleichem Ansehen wie die Spruchgedichte des Cato und Freidank. Als Ed. princeps hat sich bis jetzt ergeben jene des Ulrich tzell de Hanaw zu Köln c. 1467. 4. (in Mainz); vgl. Gotth. Fischer, Beschreib. typogr. Seltenheiten I. Mainz 1800. 4. S. 99 ff.; die älteste Handschr. aus dem 12. Jahrhundert befindet sich in Wien (Endlicher S. 93). Der Druck ist aber auch deswegen bemerkenswerth, weil die Buchstaben desselben sehr wahrscheinlich mit geschnittenen, beweglichen, Lettern gedruckt sind. [369] Denn obgleich schön schwarz und sehr deutlich und schön gedruckt, sind sie doch sowol in ihrer Größe als auch besonders in der Dicke der einzelnen Striche von einander unterschieden, wozu kommt, daß die Lettern einer Zeile nicht auf einer Linie stehen. Die Kunst, gegossene Buchstaben herzustellen, blieb, selbst nachdem Fust und Schöyffer in Mainz schon 1459 mit letzteren druckten, doch so geheim, daß noch 1478 (Schöpflin, Vindiciae typogr. 1760 p. 49) von Heinrich Knoblochzer in Straßburg ein Processus judiciarius mit geschnittenen Lettern gedruckt wurde. Auch J. G. Schelhorn führt (Diatr. praelim. ad Cardin. Quirini libr. de optim. scriptor. edit. 1761 p. 28) diesen Tractatus unter den Büchern auf, welche mit geschnittenen Buchstaben gedruckt sind und hat als Beweis für die Richtigkeit seiner Ansicht die Schlußschrift desselben, in Kupfer gestochen, beigegeben.
Die Druckerei des Vaters übernahm 1481 der gleichnamige Sohn Peter D. der Jüngere und brachte sie in einem Zeitraum von 24 Jahren durch Fleiß, Umsicht und richtigen Takt in der Auswahl der zu druckenden Bücher so in die Höhe, daß seine Ausgaben überall begehrt und berühmt waren, ja daß er sogar wegen der Correctheit seines Druckes und der sauberen Ausstattung seiner Bücher Aufträge aus anderen Städten erhielt, in welchen berühmte Druckereien bestanden. So druckte er 1497 das Mainzer Missale (Hain II. P. I. p. 297; Panzer III. p. 27) für den dortigen Erzbischof Bertold von Henneberg, den wahrscheinlich die schöne Ausgabe des Speyerer Missale 1484 (Hain II. P. I. p. 445. Panzer IV. p. 424) zu diesem Auftrage bewogen hatte. Bei seinen Mitbürgern genoß der jüngere D. gleiches Ansehen wie sein Vater. Er war nicht nur nach Ausweis der Rathsbücher seit 1481 Mitglied des Rathes, sondern verwaltete auch mehrere öffentliche Stadtämter. So wird er 1491 als Rechenmeister und Baumeister, 1492 als Baumeister und Rentherr, 1493 als Rechenmeister, Baumeister und einer der Vierrichter, 1495 wiederum als Baumeister und ebenso 1498 als Rentherr und 1501 als Rechenmeister und Bewahrer der Schlüssel zu des Raths Kisten aufgeführt. Wenn allerdings aus der Wichtigkeit, welche diese Aemter in jeder freien Stadt und besonders in einer Reichsstadt von der Bedeutung Speyers hatten, sich wol schließen läßt, daß Peter D. der Jüngere ein Mann von ungewöhnlicher Begabung, vieler Einsicht und großer Energie gewesen sein müsse, so kann es aber auch nicht wundern, wenn in ihm bei dem Einfluß, den er unter seinen Mitbürgern besaß und dem Reichthume, den er theils selbst erworben theils ererbt hatte, das Selbstbewußtsein sich zum Hochmuthe und die Energie sich zur Unbeugsamkeit unter fremden Willen steigerte. So ist es z. B. bezeichnend für seinen Charakter, daß er sich in mehreren seiner Drucke vir consularis nannte, ein Name, den vor dem 15. Jahrhundert zwar alle Rathsherren, zu seiner Zeit aber nur die Bürgermeister trugen. Sein Hochmuth und sein starrer Eigenwille verwickelten ihn denn auch endlich 1496 einer Schuldforderung wegen, die er an den Vicar des Domstiftes, Johannes Kemplin, hatte, in sehr unangenehme Händel und in einen langdauernden Proceß, welche seine unfreiwillige Entfernung aus dem Rathe und solche Kränkungen zur Folge hatten, daß sie aller Wahrscheinlichkeit nach sein Leben verkürzten. Die actenmäßige Aufzeichnung des ganzen Processes findet sich im Speyerer Stadtarchive. Eine Folge seines hiebei an den Tag gelegten trotzigen Widerstandes gegen den Rath und seiner Eigenwilligkeit war, daß er seit 1504 nicht mehr in den Rath gewählt und seine Stelle durch einen andern Rathsherrn definitiv besetzt wurde. Diese Ausschließung aus dem Rathe aber, gegen welche er, jedoch vergeblich in einer am 19. Januar 1504 von dem kaiserlichen Notar aus Mainz, Konrad Syeß von Heppenheim, in der offenen Herberg zum Pfriemen in Speyer abgefaßten [370] „Klagschrifft“ protestirte, scheint der durch die Aufregungen der letzten Jahre erschütterten Gesundheit des ehrgeizigen Mannes den Todesstoß versetzt zu haben, denn er starb kurz darauf, noch im J. 1504 (der bestimmte Tag findet sich jedoch nicht angegeben). Unter seinen Drucken, außer den beiden Missalen, zeichnen sich aus das seiner Beschreibungen und Holzschnitte wegen (Panzer III. p. 25) merkwürdige: Bernardi de Breydenbach opusculum sanctarum peregrinationum ad sepulchrum Christi …, 1490. Fol., das, zum erstenmale in Mainz gedruckt, später in die deutsche, holländische, französische und spanische Sprache übersetzt wurde, ferner ein Donatus (Hain I. P. II. p. 278) und des Joh. Reuchlin Liber de verbo mirifico. Fol. (Baur S. 39).
Die Druckerei Drach’s des Jüngeren ging nun in die Hände des ältesten Sohnes des verstorbenen, des Gerichtsschultheißen Peter D. (1500–1530) über, ein zweiter Sohn, Johann, wird als Licentiat und 1518 (Baur, Leben Christ. Lehmann’s. S. 143) als Rathsadvocat erwähnt und ein dritter, Thomas, widmete sich dem geistlichen Stande. Mit den beiden älteren D. jedoch war auch die Blüthe der Officin für immer geschwunden. Denn Peter D., der Enkel des Gründers derselben, führte zwar den Handel und die Werkstätte fort, da aber von den nach 1503 zu Speyer gedruckten Büchern nur von zweien sich nachweisen läßt, daß sie aus seiner Druckerei hervorgegangen sind (Missale Monguntiacum 1517. Panzer VIII. p. 298 und Sammlung der Reichsabschiede durch Peter D., Schultheißen zu Speyer. 1527. Fol. Baur S. 46. Buder, Amoenitat. juris Publici German. p. 4), so scheint es, daß er sich mehr auf den Handel mit Büchern und den Druck von kleineren Schriften und einzelnen Blättern, z. B. Ablaßbriefen beschränkt habe. Die Sammlung der Reichsabschiede war überhaupt das letzte Werk, das die Drach’sche Officin verließ, nachdem sie durch drei Generationen über ein halbes Jahrhundert geblüht hatte. – Zwar führte des Schultheißen Sohn, der Urenkel des ersten Speyerer Druckers Peter D., wiederum des Urgroßvaters Vornamen, doch er sowol wie die übrigen männlichen Nachkommen widmeten sich andern Beschäftigungen und seit 1542 verschwindet der Name D. aus den öffentlichen Speyerer Urkunden. – Der erste Druck, welchem D. der Aeltere sein Wappen oder Zeichen beifügte, ist die Schrift: Temporum fasciculus. 1474. Fol. (Maittaire, Supplem. I. p. 100). Es besteht aus zwei zusammengebundenen Schildchen, von denen das rechte einen Drachen, das linke einen Baum, auf einem dreigipfeligen Felsen stehend, mit einem Stern auf beiden Seiten, enthält. In einigen Drucken zeigen sich jedoch nicht die gewöhnlichen Schildchen, sondern blos zwei Drachen, zwischen denen die verschlungenen Initialen P. D. sich befinden. Oefters auch stehen darüber die Verse:
Hunc studiose tibi gaudet cudisse libellum
Spirensis civis Drach Petrus arte sua.
Auf eine noch einfachere Weise hat er sein Wappen im Missale Spirense (vergl. oben) auf einer halben Columne, lediglich einen aufrecht stehenden großen Drachen darstellend, mit rother Farbe beidrucken lassen.
Ueber einen Peter Drach, „Altarist“ zu Breuberg, vgl. Archiv f. hess. Gesch. u. Alt. IV. 73 und über den Kanzler Nicolaus Martin Drach ebend. IV. B. 6. Ueber den coburgischen Canzler Joh. Jac. Drach, † 1648, vgl. Gottfr. Ludwig, Ehre des Casimiriani academici zu Coburg (1719) S. 91.
- Handschriftl. Nachrichten. Vgl. außer den genannten Quellen: Chr. Baur, Primitiae typograph Spir. 1764. Mone, Gesch. und Beschr. d. Stadt Speyer. Speyer 1814. Schaab, Gesch. d. Erfindung der Buchdruckerkunst. Mainz 1830. K. Weis, Nachrichten über den Anfang der Buchdruckerkunst in Speyer. Speyer 1869 und 1870 (nach Speyerer Archivacten).