Zum Inhalt springen

ADB:Gallas, Matthias Graf von

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Gallas, Matthias Graf“ von Hermann Hallwich in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 8 (1878), S. 320–331, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gallas,_Matthias_Graf_von&oldid=- (Version vom 28. November 2024, 17:14 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Galle
Band 8 (1878), S. 320–331 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Matthias Gallas in der Wikipedia
Matthias Gallas in Wikidata
GND-Nummer 118537288
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|8|320|331|Gallas, Matthias Graf|Hermann Hallwich|ADB:Gallas, Matthias Graf von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118537288}}    

Gallas: Matthias Graf G., † 1647. – Wie von fast allen militärischen Größen zweiten Ranges aus der Zeit des dreißigjährigen Krieges, zu welchen G. zählt, ist auch von dieses Helden Herkunft, Erziehung und ersten Kriegsthaten bisher nur wenig Verläßliches bekannt geworden. Das Geschlecht der Gallas zählte im 15. und 16. Jahrhunderte zu dem niederen Lehensadel Judicariens, wo es das Schlößchen Campo von dem Fürstbischofe von Trient zu Lehen trug, ohne jemals größere Bedeutung zu erlangen. Matthias’ Vater, Pancraz G., starb nach 35jährigen Kriegsdiensten in Flandern, Ungarn und Italien im Range eines heutigen Majors am 22. Juli 1612. Matthias G., am 16. September 1584 (wahrscheinlich in Trient) geboren, folgte, angeblich „nach mancherlei Studentenschicksalen,“ gleichfalls dem Waffenhandwerk, zunächst in königlich spanischen Diensten in Flandern und (seit 1616) in Italien. Der Beginn des dreißigjährigen Krieges fand ihn zu Riva als Hauptmann und Commandanten dieser Veste, in welcher just am 30. März 1618 Johann Aldringen von dem erzherzoglichen „Feldobersten in Tirol“ Johann Gaudenz Freiherrn von Madruzzi ebenfalls zum Hauptmann befördert wurde. Hier in Riva traten sich G. und der jüngere Aldringen (über welchen wir hier auf urkundlicher Grundlage zu der im ersten Bande enthaltenen Biographie berichtigende und ergänzende Angaben nachzutragen genöthigt sind) wol zum ersten Male näher, um später bis zu des Einen Tode durch ein in mehr als einer Beziehung merkwürdig übereinstimmendes Schicksal verbunden zu bleiben. Johann Aldringen war am 10. Decbr. 1588 (nicht 1591) zu Diedenhofen im luxemburger Lande, der Heimath der Wallonen, als der Sohn einer, wenngleich nicht vermöglichen, doch angesehenen, edlen Familie geboren. Nachdem er, wie es die Sitte der damaligen Zeit mit sich brachte, als der Page irgend eines vornehmen Herrn (keineswegs als „Diener“ oder „Laquais“) größere Reisen durch Frankreich, Italien und die Niederlande unternommen und sodann die Universität Paris besucht hatte, war er schon 1606, wie G., als „Doppelsöldner“ einer „adeligen Rotte“ in spanische Dienste getreten und fünf Jahre später als „Fähndrich“ nach Italien gekommen. G. und Aldringen eilten nun, unmittelbar nach dem Prager Fenstersturze, sich gegen die Feinde des Kaisers und der katholischen Liga werben zu lassen. Der Wälschtiroler wie der Wallone fanden die beste Aufnahme, jener unter ligistischer Fahne, dieser im kaiserlichen Heere. Wiederholt wird in den vielen blutigen Gefechten und Schlachten der nächstfolgenden Jahre der Namen beider mit Auszeichnung gedacht. So that sich G. insbesondere in der Schlacht bei Stadtlohn (August 1623) und der Einnahme von Krempe (November 1628) durch Bravour hervor, während Aldringen, schon 1624 als Hofkriegsrath und General-Kriegscommissär zu verschiedenen diplomatischen Sendungen mit Glück verwendet, besonders in dem mehrtägigen entscheidenden Kampfe an der Dessauer Brücke (11.–25. April 1626) ein glänzendes Zeugniß persönlicher Tapferkeit und Kriegserfahrenheit ablegte. Am 17. December 1627 wurden sowol G. als [321] Aldringen vom Kaiser Ferdinand II. in den Reichsfreiherrenstand erhoben und deren „rittermäßige Wappen gebessert und gemehrt“. Zu Anfang des Jahres 1629 vertauschte G., durch Aldringen’s Vermittlung, die ligistischen Dienste mit einer kaiserlichen Bestallung. Am 24. März (nicht Mai) d. J. berichtet Wallenstein aus Güstrow an Collalto: „Der Gallas schreibt dem Obristen Aldringen, daß er zu Ende dieses Monats gewiß wird bei mir dahier seyn; er will in bairischen Diensten gar nicht bleiben.“ … Und schon fünf Tage später ersucht der kaiserliche Oberfeldherr den genannten Hofkriegsraths-Präsidenten, „der Herr Bruder wolle den G. Ihrer Majestät vor einen General-Wachtmeister vorschlagen“ und das betreffende Patent alsbald übersenden – „eher denn’s Baiern hindern wird.“ Es war Wallenstein offenbar an der Gewinnung Gallas’ viel gelegen. Es beschwerte sich Kurfürst Maximilian von Baiern in einem Schreiben vom 7. April über die ungebührliche Art und Weise, mit welcher G. seinen Abschied begehre, den er sich selbst nehmen wolle, wenn er ihm nicht sogleich gewährt werden sollte. Man spricht von einer empfindlichen Strafe, mit welcher G. seine Unart gebüßt. Am 11. April 1629 unterzeichnete der Kaiser zwei „Gehorsambriefe“, durch die sowol Matthias G. als Johann Aldringen dem kaiserl. Kriegsvolk zu Roß und Fuß als „Obriste Feldwachtmeister“ (Generalmajore) vorgestellt wurden. Wallenstein übernahm es, Ersteren bei seinem bisherigen Herrn zu entschuldigen, wenn „bei Begehrung seiner Demission kein solche Manier, wie er billig gebrauchen sollen, observirt worden.“ Eben damals war Aldringen als Wallensteins Subdelegirter angelegentlichst mit den Verhandlungen beschäftigt, welche noch im Mai d. J. zum Abschlusse des Lübecker Friedens führten, um dessen Zustandekommen er sich unbestreitbare Verdienste erwarb. Gegen Wallenstein’s wiederholt und dringend geäußerte Bedenken nahm man kaiserlicherseits bald nachher einen Kampf auf, den sogenannten Mantuanischen Erbfolgekrieg, der die antiprotestantischen Streitkräfte in einem der verhängnißvollsten Augenblicke, welche dem Katholicismus in Deutschland jemals gedroht, derart zersplitterte, daß einem Mann wie Wallenstein die bedauerlichsten Consequenzen unausbleiblich erscheinen mußten. „Bitt’, der Herr Bruder helfe, daß das italienische Feuer nicht wieder aufgeblasen werde,“ schreibt er an Collalto; und gleich darauf wieder: „Bitt’, man lasse in Italien die Sachen wie sie sind“; und noch im September 1629 beschwört er den vielvermögenden Hofkriegsrath Gerhard v. Questenberg: „Der Herr sage Ihrer Majestät und den ministris, daß sie von dem wälschen Krieg ablassen, denn wir werden gewiß den Kürzeren ziehen.“ … Des Kaisers Wille war nicht zu brechen; Wallenstein sah sich gezwungen, seine besten Generale mit einer auserlesenen Heeresmacht durch Schwaben und Graubünden nach Italien zu dirigiren und kurze Zeit nachher – von der Kriegsleitung zurückzutreten. Den Vortrab des Heereszuges über die Alpen führte G., während Aldringen mit dem Gros der Truppen folgte; der Oberbefehl war dem Grafen Rambold Collalto als General-Lieutenant anvertraut. Die Uebertragung dieser Commando’s war für die Genannten ein neuer, deutlicher Beweis der besonderen Zuneigung ihres Oberfeldherrn. G. und Aldringen aber verbanden mit dem Kriegszuge nach Italien noch einen anderen, friedlichen Zweck. Beide feierten mitten im Feldzuge im Januar 1630 auf dem herrlich gelegenen Schlosse Arco mit den Schwestern Isabella und Livia, Töchtern des verstorbenen Grafen Sigismund von Arco, ihre Hochzeit, zu welchem Acte sowol der Kaiser als auch Wallenstein eigene Abgeordnete entsendeten. – Schon im November vorher hatte Collalto durch Aldringen die Belagerung des festen Mantua eingeleitet, während G. sich in Goito festsetzte, von wo er den Herzog von Nevers und bald darauf ein venetianisches Heer [322] zurückschlug. Ein zweiter Sieg bei „Villabella“ (so bezeichnet G. selbst den Schauplatz seines Sieges, „ungefähr eine italienische Meile von Goito“ – wol Roverbella) über die von Franzosen und Corsen verstärkten Venetianer am 29. und 30. Mai 1630 befreite das kaiserliche Heer auf dieser einen Seite gänzlich vom Feinde, ohne allerdings den Vormarsch der Franzosen unter des Cardinal-Generalissimus Richelieu Führung gegen den verbündeten Herzog von Savoyen hindern zu können, bis ein spanisches Heer unter Cordova, der sich vor Casale legte, die Wiederaufnahme der Belagerung Mantua’s ermöglichte. Vornehmlich Aldringen’s Bemühungen gelang denn endlich auch (während Collalto krank darniederlag) durch List und Gewalt die Eroberung dieser überaus wichtigen, vordem reichen und blühenden, nun durch die Pest entvölkerten, unglücklichen Stadt am 18. Juli 1630. Nachdem in der Nacht vorher eine Anzahl Truppen von der Seeseite an der Brücke San Giorgio auf Barken gelandet worden, eröffneten mit Tagesanbruch die Belagerer an dem entgegengesetzten Punkte der Vertheidigungswerke ein heftiges Geschützfeuer, während dessen von San Giorgio aus das Thor „des finstern Gewölbes“ durch Petarden geöffnet und nach kurzer Gegenwehr genommen wurde. Ein Generalsturm that das Uebrige. Der Herzog von Nevers zog sich mit dem Rest der Seinen auf Castell Porto zurück, unterzeichnete aber noch am selben Tage einen ihm von Aldringen vorgelegten Revers, der ihm den Abzug auf päpstliches Gebiet verstattete. Mantua wurde allen Schrecken einer mehrtägigen allgemeinen Plünderung preisgegeben. Man schätzt die Beute, die da gemacht wurde, auf 18 Millionen Scudi. Der Löwenantheil fiel Aldringen und G. zu, welche sich namentlich der vielen und großen Kostbarkeiten und Kunstschätze des herzoglichen Palastes bemächtigten. Beide Generale verloren aber durch ihr Auftreten in Mantua für lange Zeit die besondere Gunst der Kaiserin Eleonore, einer mantuanischen Prinzessin, welche das Schicksal ihrer Vaterstadt niemals verwinden konnte. Und trotz allen Waffenerfolgen war der schließlich nach sehr langwierigen Verhandlungen am 19. Juli 1631 vereinbarte Friede zu Chierasco nicht geeignet, das kaiserliche Ansehen merklich zu heben. Als G. und Aldringen nach Deutschland zurückkehrten, war daselbst bereits der Same aufgegangen, den man unbedachter Weise gesät hatte. Ein neuer, sehr gefährlicher Feind, mit Frankreich eng verbündet, stand im Herzen Deutschlands; Kursachsen im Begriffe zu ihm überzugehen. Nur mit Mühe vereinigte Tilly einen verhältnißmäßig geringen Rest ligistisch-kaiserlicher Heeresmacht, die nun bei Breitenfeld (17. Septbr. 1631) von Gustav Adolf in alle Winde zersprengt wurde. Aldringen war bereits auf seinem Zuge aus dem Süden so weit gegen Leipzig vorgerückt, daß er den Kanonendonner der eben wüthenden Schlacht deutlich vernahm, ohne doch etwas anderes unternehmen zu können, als sich mit seinem Corps rechtzeitig nach dem Thüringer Wald zu retten. Es ist noch nicht sicher gestellt, ob G. an der Breitenfelder Niederlage unmittelbar Theil genommen. Allerdings befand er sich bald nachher im Gefolge Tilly’s, der ihn Anfang Decembers mit 10000 Mann von Donauwörth durch die Oberpfalz nach Böhmen schickte, auf welchem Zuge seine Regimenter die erbärmlichsten Gewaltthätigkeiten verübten. Aldringen erhielt von Wien Befehl, bei Tilly zu bleiben, obgleich er sich wiederholt an einflußreiche Personen mit der dringenden Bitte wandte, daß er „nicht versteckt bleibe sondern wieder zurückkomme und bei Ihrer kaiserl. Majestät Volk gebraucht werden könne.“ „Man hat mich meines Erachtens, fügt er hinzu, „nicht gern hier oben, weil ich Ihrer kaiserl. Majestät Dienste wegen etwa zu viel rede.“ … An demselben Tage, an welchem diese Worte geschrieben wurden (15. Decbr. 1631), ernannte Kaiser Ferdinand II. Aldringen zum „Obersten (General-)Feldzeugmeister“ – es ist dies gleichzeitig das Datum der zweiten [323] (interimistischen) Erhebung Wallenstein’s zum „General-Capo der kaiserlichen Armada“ . Acht Tage später empfing G., offenbar infolge von Wallenstein’s ausdrücklichem Andringen, den gleichen Bestallungsbrief wie Aldringen. Damit fiel ihnen bei der allgemeinen Reorganisation des kaiserl. Heerkörpers die specielle Aufgabe zu, das arg darniederliegende Artilleriewesen wiederherzustellen, zunächst in Böhmen und im deutschen Reiche. Wol bezeichnete ein förmliches Patent vom kaiserl. Hofe Don Balthasar Marradas als Landescommandirenden von Böhmen; thatsächlich führte G. dieses Commando, von Pilsen her nach Besetzung der Orte Rokitzan, Karlstein, Beraun etc. sich immer mehr der Hauptstadt nähernd. Aus Znaim, am 18. Januar 1632, empfing Aldringen von Wallenstein „das Commando über alle im Reich sich befindenden hohen und niederen Offiziere und sämmtliche kaiserliche Soldatesca“, doch in der Weise, daß er „seinen Respect nach wie vor auf Herrn Grafen von Tilly habe.“ Mit großem Widerstreben, wie bemerkt, blieb Aldringen bei der ligistischen Armee. Er begleitete Tilly von Fritzlar nach Aschaffenburg, von dort nach Rothenburg, Anspach und Nürnberg und bezog endlich mit ihm um Würzburg die Winterquartiere. Eben damals schwebten die Unterhandlungen zwischen Gustav Adolf und dem Kurfürsten von Baiern, die keinen andern Zweck hatten als Baiern durch einen Neutralitätsvertrag mit Frankreich und Schweden der katholisch-kaiserlichen Sache abwendig zu machen. Wallenstein beeilte sich auf die erste Nachricht hievon Aldringen den Befehl zu ertheilen, sofort alles kaiserliche Volk an sich zu ziehen und ohne Verzug nach Böhmen zu führen. Es muß als ein Zeichen großer Umsicht und Einsicht und zugleich bei dem bekannten Charakter Wallenstein’s als ein Beweis seltener Freimüthigkeit betrachtet werden, daß Aldringen in diesem Augenblicke mit Entschiedenheit widersprach – er könne nicht glauben, „daß der König von Schweden es ernstlich meine.“ Die nächste Folge bestätigte sein scharfes Urtheil, und zweifellos trug sein Verhalten viel dazu bei, eine der schwierigsten Krisen, wenn nicht zu beseitigen, so doch abzukürzen und den schwankenden Kurfürsten in seiner Treue zu bestärken. – Es scheint, daß man in Wien dies sein Verdienst zu würdigen verstand; er wurde am 10. März 1632 in den Reichsgrafenstand erhoben. Und am selben Tage verlieh man auch seinem Schwager G., wol um ihn nicht zu kränken, eben diese Rangerhöhung. – Als Tilly Anfang März gegen Bamberg aufbrach, war Aldringen abermals mit ihm; so auch bei dessen General-Rendezvous um Neumarkt. Beide wehrten vor Rain am 13.–15. April dem schwedischen Uebergange über den Lech. Fast in demselben Momente, in welchem hier Tilly tödtlich verwundet wurde, fiel auch Aldringen im heißesten Schlachtgetümmel, von einer dicht an seiner Schläfe vorüberfahrenden Karthaunenkugel der Sprache und der Besinnung beraubt. „Mit dem Grafen Tilly will Hoffnung erscheinen, daß er möchte aufkommen,“ schrieb Maximilian von Baiern an Wallenstein von Ingolstadt (17. April), „aber mit dem von Aldringen steht es sehr zweiflich.“ Tilly erlag bekanntlich seiner Wunde, während Aldringen allmählich genas. Am Tage der Schlacht bei Rain aber kam Fürst Eggenberg von Göllersdorf nach Wien mit Wallenstein’s definitiver Zustimmung zur abermaligen Annahme der Würde eines kaiserlichen Generalissimus. G. stieß noch gegen Ende Aprils 1632 zu Wallenstein und betheiligte sich thätigst an der Vertreibung der Sachsen aus Böhmen. Selbstverständlich fehlte er nicht bei Wallenstein’s Einzuge in Eger am 26. Juni d. J., wohin denn auch gleichzeitig Aldringen mit einem Begrüßungsschreiben des Kurfürsten von Baiern kam, dessen Truppen sich alsbald mit denen Friedland’s vereinigten. Beim Aufbruche der gesammten Heeresmacht befehligte Aldringen die Avantgarde, G. das Hauptcorps, Wallenstein die Nachhut. In dem großen kaiserlichen Lager bei der „alten Veste“ vor [324] Nürnberg stand wieder Aldringen an wichtigster Stelle. Ihm überließ Wallenstein bei den wiederholten Stürmen der Schweden am 2. und 3. September, während er selbst „die Armee in Bataille gestellt und damit den ganzen Tag und Nacht im Feld gehalten“, die Vertheidigung des Lagers. Er schlug die wüthendsten Angriffe, insbesondere auf den „Burgstall“, blutig zurück, bis Verstärkung kam und die Niederlage Gustav Adolfs vollendete. Wallenstein, von diesem Siege Bericht erstattend, versichert den Kaiser mit seiner Ehre, daß „sich alle Officiers und Soldaten zu Roß und Fuß so tapfer gehalten haben, als er’s in einiger Occasion sein Leben lang gesehen“; doch rühmt er eines Einzigen Tapferkeit namentlich: „Es hat sich auch bei dieser Occasion Aldringen sehr tapfer und wohl gehalten, denn ihm derselbige Posto zuvor ist untergeben gewest, und also ihm auch gebühret, denselben zu defendiren.“ Gleichzeitige Schriftsteller aller Parteien sind darüber einig, daß es Aldringen’s List gewesen sei, die den König von Schweden verleitet, an jenem verhängnißvollen Tage seinen Hauptangriff vor allem gegen einen Punkt des kaiserlichen Lagers zu richten, der einem solchen just am kräftigsten widerstehen konnte. Ein sehr schmeichelhaftes Handschreiben Kaiser Ferdinands II. vom 10. Septbr. 1632 anerkannte dankend Aldringen’s „Tapferkeit, Fleiß und Fürsichtigkeit.“ Nachdem schon Mitte Augusts General Holk mit einer ansehnlichen Heeresabtheilung von Wallenstein nach Meißen beordert worden war, um nach des Letzteren Befehl „dem Kurfürsten (von Sachsen) ohne einiges Nachlassen solche exercitia zu machen und ihn dergestalt zu bedrängen, daß er Ihrer kaiserl. Majestät Lande (Schlesien) zu vergessen und sich der seinigen anzunehmen unumgänglich Ursach haben möge“, welchem Befehle Holk durch Eroberung und theilweise Zerstörung vieler Städte und Flecken und Verheerung des flachen Landes bis an die Mauern von Dresden mehr als entsprochen hatte – wurde am 22. Septbr. G. mit 10000 Mann nach Sachsen abgeschickt, um sich mit Holk „ungesäumt zu conjungiren“, damit „nach zusammengesetzter Macht der Kurfürst in seinem Land mit Ernst angegriffen werden möge.“ Wol folgte eine Woche später eine geänderte, viel mildere Ordonnanz, durch welche G. angewiesen wurde, Wallenstein’s „jetziger Intention zufolge in gedachtes Kurfürsten Land einen beständigen Fuß zu setzen, dasselbe zu conserviren, die vorhin angestellten Diversionsmittel mit Plündern, Brennen, Viehwegtreiben und anderem zufügenden Schaden gänzlich abzustellen und es in Ihrer kaiserl. Majestät Devotion zu nehmen und zu erhalten“ …; doch schon in der Oberpfalz begann G. ein gräuliches Zerstörungswerk. Ganz Oberfranken wurde verwüstet, ebenso das Voigtland und Meißen. Unerhörte Grausamkeiten wurden begangen. Aus Sulzbach nahm G. alle vorhandenen Mundvorräthe und dazu die angesehensten Bewohner mit sich fort; Männer, Weiber und Kinder wurden erschlagen. Wunsiedel und Redwitz ließ er vollständig niederbrennen, Altenburg und viele andere Orte brandschatzen und plündern. Nachdem er Chemnitz eingenommen und für seinen Widerstand „gezüchtigt“ hatte, traf er mit Holk zusammen und nahm mit diesem das wiederholt belagerte Freiberg, das sich nur durch Erlegung einer großen Geldsumme vor gänzlicher Zerstörung retten konnte. Die vom 13. October 1632 datirten Bestallungsbriefe Aldringen’s und Gallas’ als kaiserlicher Feldmarschälle lohnte Beider, allerdings ungleichartige Verdienste in den letzten Feldzügen. – Es war der Unstern Wallenstein’s, der es fügte, daß, als er selbst nach dem Abzuge Gustav Adolfs von Nürnberg aufgebrochen und über Coburg und Zwickau in Sachsen eingefallen war, gegen seine entschiedene Willensäußerung weder Aldringen, den er wieder in Baiern zurückgelassen, noch G., den er indeß nach der Lausitz dirigirt hatte, im entscheidenden Augenblicke bei seinen Fahnen erscheinen konnte. Die Ausführung seiner Ordonnanz an Aldringen vom 20. Octbr., mit dem kaiserlichen Kriegsvolk eiligst nach Böhmen zu marschiren, um sich von [325] Eger her mit ihm zu vereinigen, vereitelte trotz ihrer dringenden oftmaligen Erneuerung die allzu große Sorge Maximilians von Baiern für sein eigenes Land. Als zu Beginn Novembers kein Zweifel mehr aufkommen konnte, daß Gustav Adolf es nicht auf Baiern sondern auf einen Zusammenstoß mit Wallenstein abgesehen habe, war für diesen eine Verstärkung durch Aldringen schon ein Ding der Unmöglichkeit. Eine am 10. November eingelangte Anfrage des Letzteren, ob er nun doch marschiren solle, verneinte Wallenstein – „allermaßen nun solches zu spat.“ … Noch war es ausführbar, G. an sich zu ziehen. Eben am 10. November ging ein Courier an diesen mit dem Befehle, schleunigst nach Meißen zurückzukehren, „darin wir dergestalt dem Feind conjunctim oder separatim begegnen können.“ Der Courier traf G. erst zwei Tage später bei Dux in Böhmen, da er „mit der Artillerie gleich mitten im Gebirg gewesen.“ Er versprach die größte Eile, obgleich es „mit solchem Marsch schwer zugehen werde“ und „die halben Karthaunen wieder so hohe Berge zurückzubringen“ geradezu unmöglich. Die Schlacht bei Lützen wurde zum großen Nachtheile für die kaiserlichen und die baierischen Waffen ohne G. und Aldringen geschlagen; mit Mühe und Noth erreichte Pappenheim’s Infanterie das Schlachtfeld, den Rückzug Wallenstein’s zu decken. Den Winter des Jahres 1632–33 stand G. in Schlesien der von mehreren schwedischen Regimentern verstärkten sächsisch-brandenburgischen Armee gegenüber. Er verstand es, trotz der feindlichen Uebermacht sich zu behaupten, ohne eine eigentliche Niederlage zu erleiden, obwol fast alle bedeutenderen Städte dieses Landes unter seinen Augen nach und nach verloren gingen und seine Artillerie gänzlich zu Grunde gerichtet wurde. Er wußte sich vor Wallenstein zu rechtfertigen, der ihn nach wie vor des größten Vertrauens würdigte. Es ist nunmehr urkundlich sichergestellt, daß G. in alle „geheimen Verhandlungen“ Wallenstein’s mit Sachsen, Brandenburg und Schweden im Laufe des Jahres 1633 vollständig eingeweiht war. Die meisten Briefe, die gewechselt wurden, gingen durch Gallas’ Hand. Welchen Grad das Vertrauen seines Oberfeldherrn gegen ihn erreichte, beweist seine am 16. Septbr. 1633 von Wallenstein beim Kaiser begehrte und von diesem schon am 25. desselben Monats vollzogene Ernennung zum Generallieutenant, zum Höchstcommandirenden im kaiserlichen Heere nächst dem Generalissimus. Mit kurzen Worten notificirte Wallenstein bereits am 16. Septbr. Gallas’ Beförderung seinen Generalen; kürzer als allen Aldringen, mit dem Beisatze, dem neuen Vorgesetzten „den gebührenden Respekt zu bezeigen und dessen Ordinanzen in Allem, gleich als den Unsrigen selbst, unweigerlich und unfehlbar nachzukommen.“ Aldringen fühlte sich aufs Aeußerste gekränkt, und vergebens ist er in seinen Antwortschreiben an Wallenstein und bemüht, dieses Gefühl in einem Wust gesuchter Worte zu verbergen. Zwischen ihn und G. tritt eine unverkennbare Verstimmung, ja Verbitterung, die nach Monaten nur zu schwinden scheint, um ihren Stachel beiderseits gegen Einen – Wallenstein – zu kehren. Es ist hier nicht der Raum, die eigenthümlichen, vielverzweigten Umstände und Verhältnisse darzulegen, welche hierbei mitgewirkt. Die Luft am bairischen Hofe, mit welchem Aldringen nun schon Jahre lang in directen Beziehungen stand, war keine Wallenstein günstige. Aldringen, durch geraume Zeit in Franken, Baiern und Schwaben der schwedischen Hauptmacht unter Bernhard von Weimar und Gustav Horn, dann auch dem Rheingrafen Otto Ludwig und dem Pfalzgrafen Christian von Birkenfeld gegenübergestellt, von Wallenstein mit den strictesten Verhaltungsbefehlen – „nichts zu hazardiren“ – versehen von Maximilian von Baiern fort und fort zu großen, weitaussehenden Unternehmungen gedrängt, sah sich beim besten Willen und trotz aufreibender Thätigkeit längst in schiefer Stellung. Nun war von Italien her eine spanische Armee unter Herzog von Feria im Anzuge nach Deutschland, [326] um sich mit Aldringen, zunächst zum Entsatz des hartbedrängten Breisach, zu verbinden, was Wallenstein aus guten Gründen, die der Kaiser selbst als schwerwiegend erkannte, sehr ungern sah, doch endlich – nicht ohne manches harte Wort gegen Aldringen – geschehen ließ, vielmehr geschehen lassen mußte. Aldringen erledigte sich seiner militärischen Aufgabe mit Meisterschaft. Am 29. Septbr. mit Feria vereinigt, eroberte er im Laufe weniger Wochen viele größere und kleinere Städte in Würtemberg, am Rhein und im Schwarzwalde und entsetzte er am 20. Oct. Breisach, die vorderösterreichischen Lande beinahe ganz vom Feinde säubernd. Inzwischen hatte auch Wallenstein nach Abbruch der seitherigen Friedensverhandlungen wieder zum Schwerte gegriffen. G. war eben mit dem ehemals Holk’schen Corps von Eger nach Leitmeritz angelangt (11. Oct.), als der Sieg von Steinau erfochten wurde; nach dem Falle einer Anzahl fester Plätze in Schlesien und der Lausitz lag ganz Sachsen und Brandenburg dem combinirten Angriffe Wallenstein’s und Gallas’ offen. Da wußte Bernhard von Weimar durch einen überaus kühnen, raschen Zug an die Donau in den ersten Tagen Novembers das, wie es schien, bereits auf allen Punkten verlorene Spiel der Seinen wiederherzustellen. Maximilian von Baiern ruhte nicht, bis zum Schutze seines hartbedrohten Landes sowol Wallenstein als Aldringen sich gleichfalls nach der Donau gewendet hatten. Nur mit ungeheueren Verlusten konnte Letzterer mit Feria seinen Rückzug gegen Schwaben bewerkstelligen. Wallenstein, mit G. kaum gegen Bernhard von Weimar ins Feld gerückt, gab den sehr gefährlichen Winterfeldzug bald auf – den stricten kaiserlichen Befehl der eigenen besseren Einsicht unterordnend. G. wurde nach der Lausitz beordert. – Noch ist bekanntlich die große historische Streitfrage nicht endgiltig gelöst, die Frage nach Wallenstein’s Schuld oder Nichtschuld. Von dieser Lösung aber hängt in allererster Linie das definitive Urtheil über Charaktere, wie G., Aldringen und viele Andere gänzlich ab. Hier folgen wenige, streng urkundliche Andeutungen. Schon im December 1633 war in Wien, über Andrängen der niemals rastenden Feinde Wallensteins, der Entschluß zu dessen zweiter Absetzung gefaßt, und Wallenstein, von allen Vorkommnissen am kaiserlichen Hofe durch seine Vertrauten jederzeit genau unterrichtet, wußte von dieser Thatsache. Merkwürdigerweise hat man auf diesen ausschlaggebenden Umstand in den bisherigen Schilderungen der Katastrophe Wallensteins so viel wie kein Gewicht gelegt. Als im kaiserlichen Cabinet die Würfel fielen, befand sich G. in Schlesien; ein unmittelbares Einvernehmen zwischen ihm und jenem Cabinet ist in diesem einen Punkt nicht erwiesen. Wol aber läßt sich dies in Bezug auf Aldringen behaupten. Er wagt es schon im December 1633 Weisungen von Kurbaiern im Gegensatz zu denen seines Oberfeldherrn anzunehmen und durchzuführen. Und der Kaiser läßt sich in Beantwortung seiner diesbezüglichen Mittheilungen vom 30. December d. J. den „auf solche des Kurfürsten Ld. Ordinanz erzeigten Gehorsam und sonsten gegen dieselbe gebrauchte Discretion und Respekt gnädigst gefallen“ und sendet an ihn zu weiterer Information in den ersten Tagen Januars 1634 den Hofkammerrath Reichard von Walmerode, der wenige Wochen vorher von Wallenstein eine derbe Züchtigung erfahren hatte. – Bei dem Pilsener Banket am 12. Januar war weder G. noch Aldringen zugegen. Beide wissen bereits so gut wie Wallenstein, was man zu Wien im Schilde führe, und Beide tragen kein Bedenken, die entstandene Kluft nicht nur nicht auszufüllen, sondern so viel wie möglich noch zu erweitern. Es ist nicht glaublich, daß das kaiserliche Patent vom 24. Januar, mit welchem unter Hinweis auf die Vorgänge in Pilsen das Obercommando über die kaiserlichen Truppen an G. übertragen wurde, nicht erst nach dessen Befragung und ausdrücklicher Zustimmung erlassen worden sei. Während der Expedition dieses [327] Patentes schreibt Bischof Anton von Wien im Auftrage des Kaisers an Aldringen, „daß, auf den Fall der Herr Generalissimus den Herrn etwa persönlich zu sich erfordern sollte, der Herr aus gewissen Ursachen … und außer dero Resolution sich dorthin nicht begeben solle.“ Die Mahnung wurde pünktlich befolgt. Am 26. Januar hatte Aldringen zu Passau eine Zusammenkunft mit dem durch das Versprechen des Marschallstabes gleichfalls bereits gewonnenen Vertrauten Wallenstein’s, Octavio Piccolomini – nicht zu Gunsten eines gütlichen Vergleiches der einander gegenüberstehenden Parteien. Wallenstein’s Ermahnungen, zu ihm nach Pilsen zu kommen, bis Ende Januars viermal und immer dringender wiederholt, weicht Aldringen beständig aus. Mit ihm und Piccolomini fortwährend in intimster Correspondenz, befand sich unterdessen G. mitten in Wallenstein’s Lager, dessen Absetzungsdecret in der Tasche. Und doch weiß er noch in einem am 1. Februar heimlich aus Pilsen spedirten Aviso an Piccolomini über die „hochverrätherischen“ Absichten Wallenstein’s nur zu berichten: Wallenstein’s Begehren ist „die Entschädigung für Mecklenburg, seine und unser Aller Sicherung und nicht statt dieser Belohnung und Befriedigung der Armee irgend welche Kränkung“ (qualque afronto). Bis zum 13. Februar bleibt G. in nächster Umgebung Wallenstein’s, der ihm endlich, da Aldringen inzwischen von Passau aufgebrochen war und wirklich nach Pilsen zu kommen schien, diesen um so eher einzuholen, seinen eigenen herzoglichen Wagen überließ, in welchem G. nach Gratzen (bei Budweis) eilt, wo er am folgenden Abend mit Aldringen zusammentrifft – nachdem er in Pilsen einen Armeebefehl zurückgelassen, der die kaiserliche Armee allein an seine, Aldringen’s und Piccolomini’s Befehle wies. Nun aber säumte Aldringen nicht, vom Kaiser beschieden, direct nach Wien zu gehen. Er traf am 17. Februar in der Hofburg ein. Am andern Morgen erschien das zweite kaiserliche Patent, das Wallenstein’s Sturz besiegelte: G., Aldringen, Marradas, Piccolomini und Colloredo waren die erklärten selbständigen Commandanten der gesammten kaiserlichen Soldatesca. Bei Hofe bestand eine Zeitlang die Absicht, Wallenstein durch Gefangennahme „unschädlich zu machen.“ Noch am 21. Februar knüpfte Aldringen an die Absicht Piccolomini’s, Pilsen zu überfallen, die Hoffnung: „könnte man jene Elenden dort ergreifen, so wäre das Spiel fast gewonnen.“ Doch verstanden Piccolomini und G. dieses „Spiel“ besser. Man war schon viel zu weit gegangen, um sich der Möglichkeit einer persönlichen Rechtfertigung Wallenstein’s vor dem zaghaften, ihm sonst so sehr geneigten Kaiser aussetzen zu dürfen. Was geschah dann mit G., Piccolomini, Marradas und wie die mehr als treuen Diener ihres Herrn alle hießen? – Am 18. Februar sandte Wallenstein seinen Vetter Max nach Wien, um, wenn dies noch irgend erreichbar, eine Versöhnung anzubahnen, „weil (so schreibt Wallenstein) durch dergleichen Differenzen sowol Ihrer Majestät Dienst als das bonum publicum leiden muß.“ … Wieder am 20. Februar geht ein Abgeordneter aus Wallenstein’s Lager, Oberst Mohr vom Wald, mit der Bestimmung, dem Monarchen selbst Aufklärungen zu überbringen. Und noch drei Tage später muß Oberst Breuner, der letzte Bote Wallenstein’s nach Wien, von Pilsen aufbrechen; Keiner von Allen kam ans Ziel. G. und Piccolomini fingen sie auf und brachten sie in Gewahrsam, bis – keine Gefahr mehr vorhanden war. Nach alledem darf es kaum Wunder nehmen, wenn hin und wieder unter den „Adhärenten“ Wallenstein’s verlautete, „daß die Wälschen Jenes und Anderes fälschlich vorgegeben und den frommen Herzog von Friedland unschuldigerweise um das Leben hätten bringen lassen“ u. dgl. m. Noch war Wallenstein unter den Lebenden, als Ferdinand II. dessen Hab und Gut als herrenlos sammt und sonders confiscirte, mit dem merkwürdigen Beisatze: „zu Unserm und Unsrer Armada Besten, als die wir hierauf vertröstet.“ Und [328] nun begann ein Schauspiel der unnatürlichsten, widerlichsten Art, Mit bodenloser Habsucht griff Jeder zu, um in der allgemeinen Verwirrung so viel wie nur möglich zu gewinnen. Die beträchtlichen Besitzungen Wallensteins und jene seiner mit ihm ermordeten Anhänger Trcka, Kinsky und Ilow reichten nicht hin, so viele Schamlosigkeit zu befriedigen. Und doch streute der Kaiser mit verschwenderischer Hand Millionen aus, so daß ihm selbst so viel wie nichts von Allem übrig blieb – mit Ausnahme der auf den confiscirten Gütern haftenden Schulden, die schließlich keiner der Beschenkten anerkennen wollte. Man hörte nicht auf, nach „verdächtigen Personen“ zu fahnden, um so den eigenen Tugendpreis zu erhöhen. Dem Kaiser ward bange bei der großen Zahl dieser „Verdächtigen“; er wandte sich an G. und Aldringen um Rath. Und dieser zögerte nicht, zu antworten, General-Lieutenant Graf G. habe ihn schon ermahnt, „bei Hofe die gebührende Erinnerung zu thun, daß man nit zu viel barmherzig sein wolle.“ – G. erhielt von Ferdinand II., was sein Herz begehrte, darunter die bedeutendsten Herrschaften des ehemaligen Herzogthums Friedland, Friedland-Reichenberg selbst; sodann den Palast des Grafen Kinsky in Prag und außer vier anderen, nicht unbedeutenden Gütern des Grafen Adam Erdmann Trcka dessen größeres Dominium Smiritz. Aldringen, der schon vorlängst u. A. die böhmischen Güter Großlipen und Stecknitz, sowie Kaschitz und Reichenau (daher seine öftere, doch fälschliche Bezeichnung als „Baron von Kaschitz, Graf von Großlipen“ – Titel, die er niemals geführt), ebenso die Herrschaft Warberg in Hannover (1629) und (für baare 100000 Gulden) die Pfandherrschaften Enn und Kaldiv in Tirol erworben hatte (1633), empfing nunmehr die sehr ansehnliche Kinsky’sche Herrschaft Teplitz in Böhmen und das Trautmannsdorf’sche Palais in Prag. Keiner der Mitschuldigen an Wallenstein’s Ende genoß die Früchte seiner allzu eifrigen Thätigkeit so kurze Zeit wie Aldringen. Er eröffnete den Feldzug des J. 1634, nachdem die kaiserliche Armee kaum völlig „reformirt“ und ihr in der Person des jugendlichen Königs Ferdinand III. ein neues „Kriegshaupt“ gegeben worden war. In Verbindung mit Johann von Werth eroberte Aldringen am 1. April das feste Straubing und bedrohte er dadurch das wichtige Regensburg, zu dessen förmlicher Belagerung die ganze kaiserliche Streitmacht, deren Vorhut G. befehligte, im Mai von Böhmen aufbrach. Nach kurzem Aufenthalte in Passau kehrte Aldringen zum Heere vor Regensburg zurück, um gegen die angestrengtesten Bemühungen Bernhard’s von Weimar die Cernirung dieser Stadt zu vollenden. Hier traf ihn die Nachricht, daß am 31. Mai zu Passau seine Gemahlin gestorben, nachdem ihr – ohne Erfolg – das Kind, das sie nicht gebären konnte, aus dem Leibe geschnitten worden war. Mit aufrichtigem Schmerze trug Aldringen die Hoffnung seines Lebens zu Grabe; in ergreifenden Worten gab er diesem Schmerze Ausdruck. – Von Regensburg zur Belagerung Kelheims entsendet, nahm er dasselbe am 26. Juni nach wiederholtem Stürmen, trotz heftiger Gegenwehr, wodurch die Position der Belagerer von Regensburg bedeutend gesichert wurde. Die wachsende Noth trieb aber auch die feindlichen Führer zu energischem Handeln. Bernhard von Weimar und Gustav Horn vereinigten sich am 12. Juli, nahmen Aichach und Freising, übersetzten die Isar und eroberten Moosburg (17. Juli). Ihr nächstes Ziel war Landshut. Der Fall dieser Stadt bedrohte neuerlich jeden Erfolg der kaiserlichen Waffen vor Regensburg. Abermals wurde Aldringen mit der Aufgabe betraut, die Gefahr zu wenden. Am 19. Juli brach er von Kloster Bruel, seinem Standorte im Lager, mit 13000 Mann, meist Cavallerie, gegen Landshut auf, das er nach angestrengtem Marsche schon am Abend des andern Tages erreichte (die Version von einem „fünftägigen Marsche“ Aldringen’s von Regensburg nach Landshut beruht auf feindseligen, ganz unbegründeten [329] Behauptungen) – doch hatten Horn und Weimar bereits alle die Stadt dominirenden Höhen besetzt; er kam zu spät. Mit Noth gelang es, eine Verstärkung in die Stadt zu werfen, die, von Aldringen persönlich commandirt, den tapfersten Widerstand leistete. Trotz alledem wurden die Mauern am 22. Juli erstiegen. Ein Straßenkampf entbrannte. Aldringen, der entscheidenden Wichtigkeit des Kampfes sich bewußt, widerstand mit wahrhaft heldenmüthiger Ausdauer. Dreimal von feindlicher Uebermacht aus der Stadt gedrängt, gewann er dreimal die verlorenen Thore zurück. Es schien, er suche er den Tod. Eine feindliche Kugel, durch Hals und Schulter dringend, machte dem Widerstande ein Ende. Aldringen fiel in der Vollkraft seiner Jahre auf dem „Felde der Ehre.“ (Die Fabel, als wäre Aldringen von seinen eigenen Leuten getödtet worden, ist gegenüber der beeideten Aussage eines Augenzeugen unhaltbar.) Drei Tage später unterzeichnete G. den Accord der capitulirenden Stadt Regensburg, während Aldringen’s Leiche in der Karthause Bruel „gar ehrlich und herrlich“ beigesetzt wurde, um später an der Seite seiner Gattin in der Franziskanerkirche St. Anna zu Passau die bleibende Ruhestätte zu finden. G. überlebte seinen Gefährten um mehr als ein Decennium. Noch einmal lächelte ihm das Glück, das ihn bisher geführt hatte. Durch den großen blutigen Sieg bei Nördlingen (5.–6. Septbr. 1634) erreichte er den Höhepunkt seiner kriegerischen Laufbahn. Die numerisch unverhältnißmäßige Ueberlegenheit der spanisch-kaiserlichen Streitkräfte trug ebensoviel zu diesem Erfolge bei wie die sehr gelegene Uneinigkeit der feindlichen Generale Gustav Horn und Bernhard von Weimar. Man verstand es aber nicht, den mit ungeheueren Opfern erfochtenen Vortheil auf die Dauer auszunützen. Nun zeigte G. erst, daß er, der ehemalige Unterfeldherr Wallenstein’s, dessen genialer Leitung beraubt, nicht im Stande war, eine selbständige Führerrolle zu übernehmen. Planlos zerstreute er seine zahlreichen, zügellosen Truppen über ganz Süddeutschland und eroberte er die eine und die andere Stadt; er drang bis über den Rhein vor, im Juni 1635 sogar 12000 Mann nach den Niederlanden entsendend. Dafür empfing er vom spanischen Hofe ein beträchtliches Geldlehen in Neapel, welches später für seinen ältesten Sohn in das Herzogthum Lucera umgewandelt wurde. – In einem verschanzten Lager zu Elsaß-Zabern vergeudete er in Saus und Braus, jedem sinnlichen Genuß im Uebermaß ergeben, kostbare Zeit, während seine Mannschaft allgemeiner äußerster Mangel und die Pest decimirte. Mitten in einer Fastnachtzurüstung vom Feinde überfallen, mußte er im Februar 1636 eiligst die Flucht ergreifen und die obere Donau aufsuchen, von der er gekommen war. Nach einem abermaligen fruchtlosen Einfalle in Frankreich mit den Trümmern seines Heeres zurückgekehrt, entging er nur durch die persönliche Intervention König Ferdinands III. dem entehrenden Verdicte eines über ihn berufenen Kriegsgerichtes; ja der neue Kaiser übertrug ihm mit der Würde eines Wirklichen Geheimen Rathes im Juni 1637 wieder die Kriegsleitung gegen Schweden. G. war der eminenten Kriegstüchtigkeit und Schlauheit eines Baner nicht entfernt gewachsen. Dieser verstand es, mit verhältnißmäßig geringer Heeresmacht jeden Schlag seines Gegners zu pariren, denselben hinzuhalten und durch Scheinmanöver zu täuschen, bis dessen wohlgerüstete, große Armee, nachdem sie durch gräuliche, unsinnige Verwüstung des „Feindeslandes“ sich selbst um alle Subsistenzmittel gebracht hatte, in voller Auflösung begriffen war und durch den mittlerweile ansehnlich gestärkten Gegner bis nach Böhmen zurückgetrieben wurde. Sachsen, Schlesien, Mähren waren verloren und selbst Böhmen bis auf die Landeshauptstadt vom Feinde überschwemmt. Man nannte G. künftig nur noch den „Heerverderber“. Er wurde im November 1639 „auf sein Ansuchen“ der Würde und des Amtes eines kaiserlichen General-Lieutenants [330] in Ungnaden enthoben. Torstensohn’s Sieg bei Breitenfeld öffnete neuerdings die österreichischen Erblande den Schweden. Die Verwirrung bei Hofe muß allerdings groß gewesen sein, daß man daselbst keinen andern finden konnte, um die Noth zu beschwören, als G. „Zur Freude der Feinde“ übernahm derselbe zu Beginn des Jahres 1643 abermals den Oberbefehl. Während Torstensohn von drei Seiten in Böhmen einfiel, Melnik eroberte und Prag bedrohte, dann in Eilmärschen nach Mähren ging und Olmütz entsetzte, um endlich gar bis an die Donaubrücke vor Wien zu rücken – während alledem stand G. unbeweglich in seinem Hauptquartier zu Königgräz, um erst aufzubrechen, als Torstensohn nach Bewältigung aller festen Plätze in Holstein bereits wieder in Jütland stand. Schwerfällig wie immer, begann nun G. während des Winters die Belagerung einzelner Städte, die nur zum Theil Erfolg hatte; im Sommer 1644 setzte er sich nach Holstein in Bewegung, erstürmte Kiel und legte sich in einem verschanzten Lager Torstensohn gegenüber, der seinerseits an ihm vorbeimarschirte und sich wieder gegen Süden wandte. G. folgte nach, durch Krankheiten aller Art und massenhafte Desertionen sehr geschwächt, und verschanzte sich bei Bernburg, eilte aber bald nach Magdeburg, um nicht gänzlich von seiner Rückzugslinie abgeschnitten zu werden. Ein Versuch, seine Reiterei nach Böhmen zu retten, mißglückte vollständig. Er selbst entrann im Januar 1645 durch ein Ungefähr mit dem Rest seines Fußvolkes den ihn umlagernden Schweden und Hessen. Der Oberbefehl über das kaiserliche Heer ward ihm zum zweiten Male abgenommen. – Altersschwach und kränklich, hatte er die Thorheit, diesen Befehl nach kaum zwei Jahren nochmals zu übernehmen; so geschehen am 11. Decbr. 1646. Er fand nicht mehr Gelegenheit, sich in den Augen der Mit- und Nachwelt zu rehabilitiren. Nach einem vergeblichen Versuche, den Kurfürsten von Baiern, in dessen Ländern Gallas’ Truppen mittlerweile unmenschlich hausten, zu fernerer gemeinsamer Kriegführung zu bewegen, warf er, an Leib und Seele gebrochen, den Commandostab von sich und starb in Wien am 25. April 1647 nach schweren Leiden. Den letzten Wunsch, in seiner Todesstunde von Kaiser Ferdinand III. gehört zu werden, erfüllte dieser nicht. Das Auto-da-fé einer Anzahl (wie man vermuthet, auf Wallenstein’s Katastrophe bezüglicher) Schriften begrub das drückende Geheimniß eines trostlos Sterbenden. – Ein sehr naheliegender Vergleich zwischen G. und Aldringen kann nur zu des Ersteren Ungunsten ausfallen. Für Beide spricht, trotz allen späteren Sünden Gallas’ ein gewisses, in Bezug auf Aldringen sogar ungewöhnliches Maß militärischer Befähigung und großen persönlichen Muthes, vor allem aber unleugbarer Hingabe für einen bestimmten, höheren Lebenszweck. In einer Zeit der allgemeinen Gesinnungslosigkeit und Untreue standen sie unerschüttert zu der Fahne, der sie einmal zugeschworen hatten, im Gegensatz zu Männern wie Bernhard von Weimar, Georg von Lüneburg, Arnim, Holk und zahllosen Anderen. Im Uebrigen ist ganz richtig, was anderwärts von G. gesagt worden: „die Zerwürfnisse und das Parteiwesen im kaiserlichen Heere haben diesen Mann ungleich mehr gefördert als seine geringen Talente.“ Bei weitem kenntnißreicher als G., legte Aldringen von seiner hohen Bildung in einer großen Menge vorzüglicher, stilistisch vollendeter Berichte, Druckschriften u. dergl. viele Beweise nieder, welche die gebührende Würdigung noch nicht gefunden haben. Gewissenhaft in Erfüllung seiner Pflicht, verlangte Aldringen die gleiche unbedingte Pflichterfüllung auch von seinen Untergebenen, die er niemals roher, gesetzloser Willkür überließ, wie dies G. mit Recht unzählige Male vorgeworfen wurde. Enthaltsam von Natur, war Aldringen streng von Sitten und trank er auch, wie Tilly, keinen Wein, während G. ohne Zechgelage, Spielleute und Weibervolk nicht leben konnte und besonders in seinen letzten Lebensjahren dem [331] Trunke vollständig ergeben war. Einer Leidenschaft erlagen sie beide, wie fast die ganze damalige Welt; das war die Sucht nach Erwerb, die Habgier, welche alle Schichten der Bevölkerung, vom Höchsten bis zum Niedersten, eine entsetzliche Seuche, beherrschte. Dieser unersättlichen Leidenschaft, es ist kaum ein Zweifel mehr, entsprang die böse That ihres Lebens, der jammervolle Sturz ihres großen Führers, dem sie so viel verdankten. Doch sie haben diese That gesühnt: der Eine durch ein frühzeitiges, obgleich heldenhaftes Sterben; der Andere durch ein für seinen Nachruhm allzulanges Leben.

Nach Archivalien, insbes. des k. und k. Kriegsarchivs in Wien, sowie der Archive Clam-Gallas zu Friedland und Clary-Aldringen zu Teplitz in Böhmen.