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ADB:Mansfeld, Peter Ernst II. Fürst von

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Artikel „Mansfeld, Ernest Graf zu“ von Ludwig Graf Uetterodt zu Scharfenberg in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 20 (1884), S. 222–232, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Mansfeld,_Peter_Ernst_II._F%C3%BCrst_von&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 10:51 Uhr UTC)
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Mansfeld („Ernest“, oder vielmehr Peter Ernest), Graf zu M. Unstreitig einer der kühnsten Parteigänger des 30jährigen Krieges, der schon vor Wallenstein den Beweis lieferte, „daß der Krieg den Krieg ernähren müsse“, wurde als 13. Kind seines bereits hochbetagten Vaters, Grafen Peter Ernst I., kaiserlichen Generals und Statthalters von Luxemburg, um 1580 an letztgenanntem Orte – nach der Ansicht Einiger zu Mecheln –, aus einer kirchlich nicht sanctionirten Verbindung mit Fräulein Anna v. Bentzerath, geboren. Die Unrichtigkeit anderweiter Behauptungen, wie auch die Versicherung, Erzherzog Ernst von Oesterreich habe es nicht verschmäht, Pathenstelle an dem Neugeborenen zu versehen, ist durch neuere gründliche Forschung klar widerlegt –, wol aber verdient hervorgehoben zu werden, daß dem kaiserlichen General Peter Ernst I. (deutschem Reichsfürsten und damaligen Haupte der friedeburgischen oder niederländischen Linie des Mansfelder Hauses) aus der nämlichen, obgedachten Verbindung noch drei andere Kinder, Ernst, Karl und Anna, geboren wurden, und er König Philipp I. von Spanien um Anerkennung, bezügl. Legitimirung derselben dringend bat und desfallsige Zusage unter dem Vorbehalte empfing, daß jene Sprößlinge eine Summe an Gebühren in die königliche Schatzkammer einzahlen sollten, und hierauf mag sich die durch den Grafen Ernest dessen ganzes Leben hindurch angestrebte Aufrechterhaltung seiner Anrechte auf Namen und Würden seiner Vorfahren herleiten oder erklären lassen! –

Seine Erziehung war ein Gemisch von Widersprüchen oder Wechselfällen, denn während dieselbe am glänzenden Hofe seines Vaters, in dessen Palaste erfolgte, so wies man ihm doch nur eine Stelle unter den Kammerknaben desselben an und wollte es ihm verwehren, daß er in seine Bücher und Schulhefte unter den Namen Mansfeld auch seines Vaters Wahl- und Schildspruch:

„force m’est trop“,

einzeichnete. – Schon damals begann der Kampf um Alles, was er als rechtmäßig beanspruchte, gegen seine Mitschüler und Umgebungen, Wirren, die zu [223] blutigen Raufereien führten, deren gefährliche Ergebnisse ihm das Leben verwirkt haben sollen, dergestalt, daß man Bedacht darauf nehmen mußte, ihn (kaum 14jährig) seinem älteren Bruder, Grafen Karl, bei Uebernahme eines kaiserlichen Truppencommandos nach Ungarn mitzugeben. – Jener Letztere, der reichbegabte, talentvolle Sohn aus des Vaters zweiter Ehe, geb. 1543, kaiserlicher Feldherr in Ungarn, stand damals im Zenith seines Glücks. Von Kaiser Rudolf II., bei Erhebung des Vaters in den Reichsfürstenstand, mit der gleichen Würde bedacht, von Zeichen des Vertrauens und der Hochschätzung überhäuft, war er wol des eigenen vehementen, willkürlichen Sinnes halber, nicht die geeignete Persönlichkeit, um segensvoll auf des jüngeren Bruders Charakter und Haltung einzuwirken. Und dennoch, des Hanges zur Ungebundenheit, zum Glücksspiele und unbezähmbaren Streitsucht unerachtet, wußte sich der junge Anfänger, der Neuling, auf dem Schlachtfelde zu bewähren, nützlich zu erweisen, ja sogar auszuzeichnen und die Achtung älterer Truppenführer zu erringen. Nach des älteren Bruders Tode, der ohne Descendenz zu Komorn verstarb, schloß sich Graf Ernest um so fester an Erzherzog Mathias an, der ihm 1603 das Commando über ein Corps von 500 deutschen Reitern übertrug. Ein Spielerzwist und darauf folgender Ehrenhandel führte ihn jedoch nach der Heimath zurück, wo Erzherzog Ernst ihm Führung eines Corps von 1000 Mann in vier Compagnien anvertraute, mit dem er zum Belagerungsheer unter Spinola vor Ostende stieß. Nach Beendigung dieses ewig denkwürdigen Kampfs diente er im Jülich-Cleve’schen Erbfolgestreit (1609) unter Erzherzog Leopold, ohne sich jedoch eine dauernde Stellung oder nur die gewünschte Anerkennung zu erwerben. Mit einem Gesuch um Ueberweisung einzelner Besitzungen aus dem reichen väterlichen Nachlaß, oder überhaupt der Friedeburger Linie des Mansfelder Hauses schnöde abgefertigt und ebenso wegen vorgeschossener Werbegelder höhnisch zurückgewiesen, trat er zur Zeit, wo die Union im J. 1610 ihre Streitkräfte in den Elsaß rücken ließ, rasch entschlossen zu dieser Letzteren über, ohne jedoch (wie behauptet wird) dem katholischen Glauben abzuschwören. – Obwol von jenem Momente ab stets im protestantischen Heerlager, schloß er sich von jedem kirchlich-confessionellen Akte aus, der auch entfernt nur auf stattgehabten Religionswechsel schließen ließe. Die Behauptungen verschiedener Autoren über jenen Umstand entbehren jeden Beweises, ja ihnen steht Mansfeld’s briefliche Versicherung im Verlauf der Verhandlungen mit den spanischen Habsburgern entschieden entgegen, wenn es auch immerhin wahr sein mag, daß er im Verlauf seines Lebens und der langwierigen Kämpfe gegen katholische Heere nichts weniger als Hinneigung zur römischen Kirche und dem Interesse katholischer Reichsfürsten an den Tag legte. – Noch vor Ausbruch des großen Religionskampfs sehen wir ihn, in Begleitung eines jungen Markgrafen von Brandenburg-Anspach, am Hofe des ehrgeizigen Herzogs Karl Emanuel von Savoyen erscheinen, wo ihm große Auszeichnung zu Theil wird. Die Verhandlungen und Verständigungen des Letztgenannten mit den deutschen Unionsfürsten begannen, und es bedurfte nur einer geringen Verwickelung mit den spanischen Habsburgern in Oberitalien, um eine Entscheidung durch die Waffen herbeizuführen. M. wurde, ohne sein Verhältniß zu den Häuptern der Union zu lösen, oder den ihm von Letzteren stipulirten Jahresgehalt einzubüßen, an die Spitze eines Corps wallonischer und deutscher Reiter (zum Theil Kürassiere, zum Theil Archebusire) gestellt, auf Grund eines Subsidienvertrags, der mit den Generalstaaten insgeheim zum Abschluß gekommen war und nahm rühmlichen Antheil an dem Krieg um Montserrat, der nachmals, unter französischem Einflusse, erst durch Waffenstillstand unterbrochen, schließlich aber, durch den Frieden von Madrid, im September 1617, gänzlich beigelegt wurde. – M. ward nun angewiesen mit dem Stamm der für Savoyen geworbenen Mannschaft [224] auf dem Territorium der Unionsfürsten (zunächst im Anspachischen) Quartier zu beziehen und weitere Ordre abzuwarten. –

Gleich nach Ausbruch der böhmischen Unruhen (der bekannten Prager Defenestration) hatten sich die Dinge bereits so gestaltet, daß Kurfürst Friedrich von der Pfalz, gelegentlich seiner ersten Verhandlungen um Annahme der Krone, den böhmischen Ständen das erwähnte Corps unter Mansfeld’s Führung anbieten konnte und es erfolgte nun dessen Bestallung als General der Artillerie und eines Corps von 2–3000 Mann Fußvolk, wie auch soviel Reitern als er durch Werbung zusammenbringen könne, am 20. August 1618. – Er zog zunächst vor Pilsen, das er Anfangs durch kühnen Handstrich zu nehmen trachtete, jedoch erst nach siebenwöchiger Belagerung und Erstürmung gewann. Zu seinen ersten Vorkehrungen oder Verfügungen gehörte Wiedereinsetzung des protestantischen Cultus und Verherrlichung des ersten errungenen Erfolgs durch kirchliche Feier. Im Uebrigen sorgte er für Schonung der Einwohner, Aufrechterhaltung der Ordnung und Freigebung der vielen, in den Schutz der Mauern geflüchteten katholischen Geistlichen wie Nonnen.

Allen Aufsehens unerachtet, das der errungene Erfolg hervorgerufen, beging man jedoch den Fehler, anstatt auf der gewonnenen Grundlage ungesäumt weiter zu operiren und sich der übrigen in den Händen der Kaiserlichen verbliebenen Punkte gleichfalls mit stürmender Hand zu versichern, M. zu einer diplomatischen Sendung an die Unionsfürsten, den Kurfürsten Friedrich von der Pfalz und endlich noch an den Turiner Hof zu verwenden, wohin ihm der Letztgenannte Briefe an den ehrgeizigen Savoyerfürsten mitgab. Von Herzog Karl Emanuel erwartete man thätige Hülfe sowie die unerläßlichsten Subsidien und Mansfeld’s Aufgabe war es, den hochfliegenden Plänen desselben bestimmte Form und Richtung zu verleihen.

Längst war es Wunsch jenes Fürsten, die deutsche Kaiserkrone zu erringen und bei des alternden Mathias’ Tode unter den Bewerbern aufzutreten. Bisher hatte er mühsam nach Ankauf eines reichsunmittelbaren Dominiums in deutschen Landen gestrebt, endlich sogar das Pfälzer Archiv nach Akten durchstöbern lassen, laut welcher ihm, als kaiserlichem Reichsvicar in Italien, Rang und Eigenschaft eines unmittelbaren Reichsstandes eingeräumt wurde. M. wußte ihm nun die erledigte, ja die ausgebotene Böhmenkrone als Mittel zum Zweck darzustellen, seinen hochfahrenden Ideen neue Nahrung zu verleihen und auf dem Weg der Ueberredung sogar die Soldrückstände, wie endlich eine obwol ungenügende Summe an Subsidien zu erlangen, in deren Besitz er feindlich gelegtem Hinterhalte spanischer Truppendetachements auszuweichen und im März 1619 die Reise von Turin nach Amberg in sechs Tagen durchzuführen wußte. –

Unglücklicher, wiewol ebenso rühmlich wie blutig, blieb der Kampf gegen die kaiserlichen Völker unter Boucquoy bei Zablat, wo M. gegen den Letzteren wie Wallenstein’s und Dampierre’s Uebermacht den Kürzeren zog. Die wahre Bedeutung empfing diese Wendung der ehernen Würfel durch die aus derselben entspringende öffentliche Muthlosigkeit und durch die Nothwendigkeit der Abberufung des Grafen Thurn, der mit dem Böhmenheere siegreich vor Wien stand und den Fall der kaiserlichen Hauptstadt in Bälde verhieß, nun aber alle errungenen Vortheile aufgab, um womöglich noch der Katastrophe des Kampfes am weißen Berge vorzubeugen, diese Aufgabe jedoch ebensowenig zu erfüllen vermochte wie M., der dem bedrängten Könige (Kurfürsten Friedrich) ein Regiment zur Verstärkung nach Prag gesendet hatte.

Im nächstfolgenden Zeitraum, wo die Waffen Oesterreichs und der Liga so siegreich, wo Verlust auf Verlust die Sache des Protestantismus in bedenklichster Weise in Frage stellte, blieb M. des Letzteren einziger unerschrockener Kämpe, [225] der vom verschanzten Lager zu Waidhausen aus ohne äußeren Rückhalt die Fahne vor dem Sinken bewahrte. – Wol stießen mehrere Herzöge von Sachsen-Weimar zu ihm und halfen ihm die gelichteten Reihen seiner Getreuen wieder ergänzen, aber die festeste Stütze fand M. in sich selbst, in seiner Ausdauer wie Unerschrockenheit; – ein Verdienst, das nachfolgende Zeiten ihm längst hätten zuerkennen sollen. Nachdem er sich, aller Schwierigkeiten unerachtet, geraume Zeit siegreich behauptet und selbst Tilly Vortheile abgerungen, beschloß er, auf erhaltene Weisung des landesflüchtigen Kurfürsten, dessen Erblande von feindlicher Occupation zu befreien. In Eilmärschen wandte er sich nun gegen den Rhein, den er bei Mannheim überschritt, entsetzte darauf Frankenthal (16. October 1621), schlug Cordova in der Nähe von Speier und nahm endlich Hagenau durch Handstreich. Leider ward aber über Nichtigkeiten kostbare Zeit und die Möglichkeit versäumt, den Krieg ebenso rasch wie ruhmvoll zu beendigen.

Gleichzeitig etwa wie Markgraf Georg Friedrich von Baden in seinen Erblanden hatte Herzog Christian von Braunschweig, Administrator des Hochstifts Halberstadt, sehr namhafte Streitkräfte aufgebracht und war mit denselben durch Westfalen nach Hessen aufgebrochen, offenbar in der Absicht, sich mit M. wie dem Markgrafen zu vereinigen. – Anstatt demselben mit Entschlossenheit und Kühnheit entgegenzurücken, mit dessen Mannschaften (20–21,000 Mann) und dem noch stärkeren Heereskörper des Markgrafen vereint, eine feste, achtunggebietende Stellung einzunehmen, dann zu entscheidenden, vernichtenden Schlägen gegen Spanier wie Ligisten überzugehen und schließlich einen ehrenvollen Frieden zu dictiren, begnügte sich M. damit, Erzherzog Leopold und dessen Straßburger Bisthum mit Krieg zu überziehen und nächstdem den Verhandlungen wieder Gehör zu schenken, welche durch die Infantin-Regentin, von Brüssel aus, bereits zur Zeit, wo er sich im festen Lager bei Waidhausen befunden, eröffnet worden waren, uns damit aber unter einer Gestalt vor Augen zu treten, welche den kühnen Parteigänger noch viel unberechenbarer, ja unbegreiflicher erscheinen lassen als zuvor! –

Hat M. wirklich nur geglaubt, er könne einen annehmbaren Separatfrieden mit dem Kaiser wie mit der Krone Spanien abschließen? Hat er sich wirklich mit dem Wahne getragen, man werde ihm, wie den unter seinen Befehlen stehenden Truppen, hohe Summen, fabelhafte Beträge willig ausbezahlen, ihm die Landvogtei Hagenau als souveränes Reichsfürstenthum überweisen und ihm hinfort seinen Rang unter den deutschen Reichsfürsten, ja ihm schließlich auch noch ein selbständiges Truppencommando, unter kaiserlichen Fahnen übertragen, oder hat er solch abenteuerliche Forderungen und Bedingungen gestellt, um die Verhandlungen wieder hinaus zu spinnen und den Feind zu täuschen? Diese Frage muß sich Jedem aufdrängen, der den Ereignissen jener Tage und der Wesenheit der Kriegsführung mit Aufmerksamkeit folgt. – Thatsache bleibt es, daß M. demunerachtet in steter Verbindung und Briefwechsel mit seinem verbannten Fürsten blieb, denselben, nach dessen unter manchen Fährlichkeiten bewirkten Reise durch Frankreich, freundlich im Feldlager aufnahm und sodann den Unterhändler der spanischen Infantin-Regentin mit kühler Höflichkeit entließ.

Gleichzeitig aber hatte Markgraf Georg Friedrich von Baden, dem die stattgehabten Verhandlungen Sorge eingeflößt, Alles aufgeboten, um eine scheinbar androhende Verständigung mit dem Feinde zu hintertreiben, M. enger und unauflöslich an sich zu knüpfen. – Er versprach ihm Garantie für die seinerseits occupirten Territorien, die Landgrafschaft Hagenau, das Bisthum Speier, nebst Udenheim (die Veste Philippsburg), ja er bot und gelobte ihm die Hand einer seiner Töchter erster Ehe an und verhieß dieselbe mit beträchtlichen Theilen der [226] Markgrafschaft Baden zu dotiren, wenn M. sich unverweilt mit ihm in Verbindung setze. – In der That bewerkstelligte M. alsbald den Rheinübergang in der Nähe von Germersheim, löste dem Markgrafen gegenüber sein verpfändetes Wort und schlug Tilly im Kampfe bei Wiesbach und Mingolsheim am 27. April aufs Haupt, ohne jedoch Erfüllung der empfangenen glänzenden Zusage erlangen zu können! – Von bösen Ahnungen erfüllt, entschloß sich der Markgraf vielmehr die sämmtlichen badischen Erblande, unterm 28. April, also am Tage nach jener Schlacht, an seinen ältesten Sohn Friedrich abzutreten, M. dagegen jede ertheilte Zusage zu brechen, eine Wendung, welche sich als die verhängnißvollste erweisen sollte. Denn nur wenige Tage später trug Tilly einen glänzenden Sieg über die vereinigten badischen Truppen (gegen 20,000 Mann) bei Wimpfen davon, da M. sich erst in der letzten Stunde dazu entschloß, die beiden, bei seinem Corps befindlichen Herzöge Wilhelm und Bernhard von Sachsen-Weimar mit zwei Regimentern Infanterie und 2000 Reitern zum Markgrafen stoßen und an jenem verhängnißvollen Kampfe Antheil nehmen zu lassen. Um so fester dagegen beharrte er bei seinem Entschluß, der erfahrenen Wortbrüchigkeit eingedenk zu bleiben. Ganz anders hatte Tilly das wahre Wesen der eigenen Aufgabe erkannt und Cordova, unter den Worten, „das Reich steht in Gefahr“, mit den spanischen Hülfsvölkern an sich gezogen. – Mögen Mansfeld’s vereinzelte Waffenthaten an sich glücklich oder erfolgreich zu nennen sein, ruhmvoll, strategisch richtig waren sie fürwahr nicht und selbst das gegen Darmstadt unternommene Vorgehen, sei es in der ernstlichen Absicht, sich mit Herzog Christian von Braunschweig zu vereinigen, sei es nur unter dem Vorwande einer Recognoscirung und um Fühlung mit der so lang erwarteten Truppe zu gewinnen, wird zu den traurigsten Episoden des langen, entsetzlichen Kampfes zu zählen bleiben!

Der Katastrophe der Schlacht und des Mainüberganges bei Höchst, unterhalb Frankfurt, ward ebensowenig vorgebeugt wie der bei Wimpfen. Wie dort die musterhaft ausgerüstete Streitmacht des Markgrafen den Schwertstreichen des greisen Führers der Ligisten erlag, so fiel auch die Truppe des kecken Halberstädters im blutigen Ringen gegen den überlegenen Feind und nur geringe, ganz dürftige Trümmer der mühsam aufgebrachten protestantischen Streitkräfte fanden Zuflucht im Mansfeld’schen Heerlager.

Aber der Fluch der bösen That sollte nicht ausbleiben und das Schicksal unbeirrt seine Bahnen ziehen! – Durch die Ueberbleibsel der beiden zerstückelten Corps nicht unbeträchtlich verstärkt, hatte M. jetzo weit über 30,000 Mann unter seinen Fahnen versammelt, mit denen er, auf mehrere feste Plätze gestützt, jedem, auch dem siegreichen Feinde, die Spitze zu bieten vermochte. Durch die in Darmstadt und anderen Orts erhobenen Summen mußten Soldrückstände ausgeglichen sein. Es konnten daher die Operationen, aller erlittenen Verluste unerachtet, wieder von Neuem beginnen, – doch da sollte das Unbegreiflichste geschehen: Kurfürst Friedrich, der geächtete „Winterkönig“, von Kleinmuth wie Zaghaftigkeit bewältigt, eröffnete M. und Herzog Christian von Braunschweig, daß er ihrer Dienste hinfort nicht mehr bedürfe und sie sich nebst ihren sämmtlichen Truppen als entlassen betrachten möchten. – Dieser unerwartete, ja ungeahnte Schlag fand die beiden Kampfgenossen völlig rathlos und nur soviel vermochten sie über sich, als Spinola ihnen heimlich antragen ließ, sich der Person des entthronten Monarchen zu versichern und ihn dem Feinde auszuliefern, solche entehrende Anträge zurückzuweisen. Mit sich selber uneins, was beginnen, nachdem sie durch jenen Schritt des Kurfürsten gewissermaßen zu Abenteurern gestempelt waren, entschloß sich M. zunächst dem Feldherrn der Ligisten, Tilly, Anzeige vom Geschehenen zukommen zu lassen und damit dem Kaiser ein Compromiß anzutragen, nach welchem er, gegen Ersatz bewirkter Soldzahlungen, [227] entweder in des Kaisers Dienst übertreten oder, – bei Aufhebung der wider ihn wie Herzog Christian ausgesprochenen Reichsacht, – den Boden Deutschlands unverweilt zu räumen versprach! – ein Schritt, der von den Historikern aller Zeiten nachsichtslosesten Tadel erfahren hat, während man über die Undankbarkeit wie Charakterschwäche Friedrichs mit Gleichgiltigkeit hinweggegangen ist. Indessen der Antrag, der durch eigenhändiges Schreiben aus dem Feldlager vor Elsaß–Zabern, unterm 15. Juli, an Tilly gelangte, blieb völlig unbeantwortet und die Geächteten mußten also, wol oder übel, den Vorschlägen Gehör schenken, welche ihnen von anderen Seiten nahe gelegt wurden. – Da waren zunächst die Generalstaaten, welche Hülfe gegen die Spanier verlangten, dann meldete sich wieder die Infantin-Regentin, um wider die hochmögenden Herren Beistand zu finden. Endlich ließ auch der Herzog von Bouillon, der für die hugenottische Sache warb, seinen Lockruf hören, und rasch entschlossen brachen beide Führer (nach kurzen Verhandlungen mit dem Herzog von Lothringen), aus dem Elsaß auf, überschritten die Mosel bei Corny, näherten sich der Maaslinie bei Stenay und schlugen die Richtung nach Sedan ein, wo die Verhandlungen mit den Häuptern der französischen Protestanten weiter geführt werden sollten.

Unbeschreiblich war das Staunen ganz Europa’s über diese Schritte, die man mit Recht als abenteuerliches Wagniß bezeichnete. Gleich einer lichten Ahnung durchzuckte es die Kreise der Wiener Hofburg sowol, wie die im königlichen Louvre zu Paris, daß eine Vereinigung aller protestantischen Streitkräfte eine solidarische Verbindung der Führer untereinander zu Stande bringen und diese Letzteren zu Herren der Situation machen müsse! In diesem Sinne bevollmächtigte Ludwig XIII. den Grafen von Névèrs mit M. Verhandlungen anzuknüpfen und ihn von Verständigung mit dem Herzog von Bouillon abzuhalten, zu welchem Ende goldene Berge dargeboten und versprochen worden. – Leider hatten inzwischen neue Soldrückstände die Mansfeld’schen Reiter (44 Cornets) abermals zum Meutern veranlaßt und ihn, – den Führer, – außer Stand gesetzt, seinen Befehlen Geltung zu verschaffen, wodurch, da inzwischen, im Einverständniß der französischen Unterhändler wie Diplomaten mit der Infantin-Regentin, die Spanier zur Verfolgung des deutschen Heerhaufens befehligt wurden, Verhandlungen unerläßlich erschienen und eine Menge Zeit zur wirksamen Entscheidung vergeudet wurde. – Die nähere Darstellung des gefährlichen, ja, der feindlichen Doppelzüngigkeit halber, unerhörten Intriguenspiels, wie sich dasselbe theils vor der durch M. blockirten Stadt Mouzon an der Maas, theils in Brüssel abspann, die Einstellung oder Verpfändung fast aller Mansfeld’schen Geschütze beim Herzog von Bouillon in Sedan, die wiederholte Verminderung eines Trosses von 3000 Wagen, um mit den dadurch ledig werdenden Spannpferden den bei weitem größeren Theil des Fußvolkes beritten zu machen und den Weitermarsch nach den Niederlanden mit erhöhter Energie fortzusetzen, die Schilderung der Fährlichkeiten und Hinterhalte, unter welchen die Sambrelinie gewonnen, dann die Maas zum zweiten Male überschritten und endlich die nachmals so berühmte Heerstraße: Fleurus, Jemappes und Quatrebras erreicht wurde, würde hier zu weit führen. – Ebenso wie der Marsch beider vereinigten Truppenführer in glühendem Sonnenbrande und unter den härtesten Entbehrungen als eine der bedeutendsten Leistungen auf dem Gebiete der Strategie erscheint, so ist der Sieg bei Fleurus (der entscheidende Sieg über ein weit überlegenes, aus Spaniern, Wallonen, Italienern und Deutschen combinirtes Armeecorps, das in fester, gedeckter Stellung den Angriff abwartete) eine der glänzendsten Waffenthaten, welche die Kriegsgeschichte älterer wie neuerer Zeiten zu verzeichnen hat. Aus den in blutigem Handgemenge erbeuteten spanischen Kassen ließ M. noch auf [228] dem Wahlplatze die renitenten, meuternden Reiterregimenter absolden, um sie sodann aufzulösen und nachmals anderweit zu organisiren. – Herzog Christian, durch eine Drahtkugel am rechten Arme schwer verwundet, achtete der empfangenen Verletzung nicht, verfolgte vielmehr den Feind noch eine längere Strecke auf der Straße nach Brüssel und erschien gleichzeitig mit M. vor der von den Spaniern unter Spinola hart bedrängten Festung Breda, deren Entsatz alsbald bewerkstelligt wurde. –

So lebhaft aber auch Anfangs die Freude über das Gelingen der Aufgabe sich kundgab und so dringend Prinz Moritz von Oranien darauf bestand, daß M. wie Herzog Christian wenigstens auf sechs Monate mit sämmtlichen Truppen in den Dienst der Generalstaaten übergingen, so sah sich doch M., als er Anfangs October 1622 vor der Versammlung der Hochmögenden im Haag erschien, bitter getäuscht. Zwar wurde ihm der bedungene Sold baar ausgezahlt, gleichzeitig aber kategorisch bedeutet, mit Herzog Christian, welch Letzterer in Folge Amputation der rechten Hand nicht mit erscheinen konnte, so schnell wie möglich den Boden der Niederlande zu verlassen. –

Und diese neue Enttäuschung sollte nicht die letzte bleiben. Kurfürst Friedrich von der Pfalz, dem endlich klar geworden, daß alle ihm feindlicher Seits vorgespiegelten Verständigungsanträge nichtig waren; daß die zu Brüssel tagende Commission wol von blinder Unterwerfung unter des Kaisers Machtgebot, keineswegs aber von Rückgewähr seiner Erblande wissen wollte, erschien im Mansfeldschen Lager zu Deventer und bot neue Bestallung an, die wol oder übel nicht abgelehnt werden konnte. – Dem Wunsche oder der Weisung jedoch, den Durchbruch nach den rheinischen Landen zu erzwingen, vermochte der Führer der decimirten, weder mit Geschützen, Vorräthen noch Kassen versehenen Truppen nicht zu genügen. Wol ging er recognoscirend gegen Westfalen und den Niederrhein vor, fand aber Spanier, Kaiserliche wie Liguisten, im Münster’schen wie in der Grafschaft Mark, hinter ausgedehnten Verschanzungen in fester, abwartender Stellung, die natürlich ohne vorherigen Geschützkampf nicht zu durchbrechen war.

Was nun folgte, begründet die ernstesten Vorwürfe zunächst gegen die Generalstaaten, welche zur Ausführung eines Akts unlauterer Politik, zu dem sie sich nimmer öffentlich bekennen mochten, brauchbarer Werkzeuge bedurften, es ist aber ebensosehr in seinem gesammten Umfange einem Fürsten zur Last zu legen, der es weder verstanden, die Tragweite der eigenen Handlungen richtig zu bemessen, noch auch gegen deren unvermeidliche Folgen mit Entschlossenheit und Ausdauer anzukämpfen, oder sie nur mit Würde zu tragen. Während befreundete Mächte, Jacob Stuart, der königliche Schwiegervater, die Republik Venedig, der König von Dänemark, behufs Fortsetzung des Krieges hohe Subsidienzahlungen für die nächste Folge verhießen, billigte es Kurfürst Friedrich nur vollkommen, daß dem M. und seinem herzoglichen Waffenbruder die im tiefsten Frieden befangene Grafschaft Ostfriesland zu Winterquartieren angewiesen und Beide auch gleichzeitig mit der Aufgabe betraut wurden, sich der Mitglieder des regierenden Hauses, der Kassen, festen Plätze etc. zu versichern! – Unter dem lang ausgesonnenen Vorwande, den Grafen Enno für seine Connivenz mit dem Hause Habsburg zu züchtigen, in Wahrheit aber, um sich eines gesegneten Landstrichs zu bemächtigen, Ostfrieslands aufblühenden Seehandel lahm zu legen und einer drohenden Rivalität zeitig vorzubeugen, war dieser Flibustierstreich ausgeheckt worden, und tiefbedauerlich bleibt, daß zwei unerschrockene Truppenführer, die ursprünglich aus ganz anderen Beweggründen das Schwert gezogen, sich zu dessen Ausführung herliehen, zumal ihre Auftraggeber sie darauf anwiesen, ihre Mannschaften auf Kosten des wehrlosen Landes und dessen friedlicher, ahnungsloser Bewohner zu ernähren und zu erhalten.

[229] Die Feder sträubt sich, eine Darstellung des nun folgenden Erpressungs- und Plünderungssystems zu entwerfen, dem das unglückliche Grafenhaus, der Marschboden Ostfrieslands und dessen mißhandelte Insassen erliegen mußten! Das ganze Wirrsal von Unthaten, das weit über Jahresfrist ausgeübt wurde, gehört zu den entsetzlichsten Episoden des großen Krieges. Weder fehlte es an geheimen Aufträgen des französischen Hofs, den es gelüstete in den Besitz des deutschen Küstenlandes und seiner schönen Seehäfen zu gelangen, noch an Lockrufen und Verheißungen der spanischen Infantin-Regentin, welchen natürlich von Wien wie Madrid aus, schon in nächster Folge jede Bestätigung versagt wurde, wo indessen die gewissenlosen Verursacher der heillosen Katastrophe achselzuckend jeden Einfluß ableugneten und Miene machten M. vollkommen abzuschütteln, um sich seiner Truppen auf bequeme Weise zu entledigen. – Diese Verhandlungen oder vielmehr Zettelungen waren indeß nur Vorläufer der bedeutendsten diplomatischen Combinationen zum Abschluß von Allianzen und Coalitionen, die Europa in zwei große Heerlager zu spalten drohten und auf die eifrigste Fortsetzung des Vernichtungskampfes abzielten. Während inzwischen Herzog Christian sich freiwillig getrennt, aus Ostfriesland aufgebrochen war und mit gesonderten Streitkräften der feindlichen Uebermacht bei Stadt Loon erlegen war, ließ sich M. zu Beginn des Jahres 1624 endlich dazu herbei, gegen Absoldung seiner Truppen und schmachvolle Verpfändung seines kaum erst neu angeschafften Artillerieparks, zum Abzuge aus der so hart geschädigten, ausgeplünderten Grafschaft zu verschreiten, welch traurigem Akte die gänzliche Auflösung seines Corps auf dem Fuße folgte.

Mit der Elite seiner Offiziere wandte er sich nach dem Haag, wo er eine Reihe von Monaten anscheinend beschäftigungslos verbrachte, während seine Verhandlungen mit auswärtigen Höfen ihren weiteren Fortgang nahmen. – Durch Richelieu an das königliche Hoflager nach Compiègne eingeladen, landete M. am 1. April 1624 zu Calais und erschien kurze Zeit darauf vor den Ministern Ludwigs XIII., die ihn mit Auszeichnung aufnahmen. – Obwol nun Schwierigkeiten über Schwierigkeiten den Abschluß erschwerten, so gelang es doch, gerade auf Grund der vom französischen Cabinet adoptirten Gesinnungen, einem neuen Kriegsplan festere Gestaltung zu verleihen und Werbungskosten wie Subsidien für einen Heereskörper von 32,000 Mann zu erlangen, nachdem auch Savoyen und Venedig ihre thätige Theilnahme an einer erneuten Schilderhebung gegen das Haus Habsburg und die Liga fest verbrieft hatten. Nach Erhebung persönlicher, wiewol nur kurzer Reclamationen, um die dem Herzog von Bouillon in Sedan anvertrauten Geschütze, schiffte sich M. mit Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar, dem Grafen Solms und einer Anzahl seiner Offiziere von Boulogne nach England ein, wo er mit regster Theilnahme, ja mit einem gewissen Enthusiasmus empfangen wurde. – Im nämlichen Jahre, am 6. September 1624, kam der denkwürdige Vertrag zu Saint Germain en Laye zu Stande, laut dessen England sich verpflichtete, mit einem selbständig operirenden Armeecorps von 32,000 Mann unter Mansfeld, Frankreich, Savoyen und Venedig dagegen durch bedeutende Subsidiengelder mitzuwirken. Auch Schweden, unter Gustav Adolf, begann thätige Hülfe in Aussicht zu stellen, griff jedoch noch nicht mit ein.

Nach langem Zeitverlust und unter den äußersten Mühen, die Werbungen und Rüstungen zu vollenden, von den paciscirenden Mächten mit Zahlungen in Stich gelassen, hatte es M. doch dahin gebracht, bei Herzogenbusch gemeinsam mit Herzog Christian ein Lager zu beziehen und vereint mit jenem Letzteren, etwa 17,000 Mann stark, mit 14 Geschützen in der Richtung von Cleve aufzubrechen, bei Gennep die Maas zu überschreiten und bei Emerich die Rheinlinie [230] zu erreichen, schließlich auch, auf jene Letztere gestützt, zwei von einander gesonderte Lager zwischen Wesel und Rees aufzuschlagen und Tilly wie Anhalt gegenüber eine festere Haltung zu behaupten, was um so unerläßlicher erschien, als König Christian von Dänemark, der inzwischen mit nicht unbeträchtlichen Streitkräften sich der ganzen Weserlinie von Bremen bis über Hameln bemächtigt, die dringende Bitte um Concentrirung sämmtlicher Streitkräfte rund abschlug. Auch dieser unglückselige Mißgriff sollte die übelsten Folgen nach sich ziehen, denn der richtige Augenblick zu einmüthigem Zusammenwirken gegen Tilly ging abermals verloren! Bekannt ist außerdem, wie ein Sturz mit dem Pferde den Dänenkönig lange Zeit hindurch jeder Fähigkeit beraubte, seine Pflicht als Heerführer zu erfüllen. –

Unter so bewandten Umständen hatte sich M. genöthigt gesehen, seinen Standpunkt aufzugeben und auf weitem Umwege das Gebiet der Hansestädte Bremen und Lübeck aufzusuchen, von wo er sich der Elblinie zu nähern gedachte, nachdem die Einwohner des letztgenannten Platzes auf eigene Hand einen Guerrillakrieg gegen ihn ins Werk gesetzt hatten. Von Bundesgenossen, von den auswärtigen Monarchen, ja von jeder menschlichen Hülfe verlassen, bezog er mit dem Rest seiner Truppen, 9000 Mann stark, Quartiere im Lüneburgischen und Lauenburgischen, nahm seine Werbungen wieder auf und scheint schon damals den Plan entworfen zu haben, den Krieg wieder in des Kaisers Erblande zu spielen, sich den Weg bis nach Ungarn zu bahnen und Bethlen Gabor dort die Hand zu reichen.

Warum er dies nach Vervollständigung seiner Rüstungen, nach Wiedervereinigung mit Herzog Christian von Braunschweig und als er wieder an der Spitze einer schlagfertigen Truppe von annähernd 30,000 Mann stand, nicht ins Werk setzte, warum er es vorzog das gefährliche Wagestück zu unternehmen, die feindlichen Stellungen an der Dessauer Brücke zu stürmen, wird wol auf immer ein Räthsel bleiben. – Hier hatte Wallenstein, vom Kaiser wieder an die Spitze des Heeres berufen und mit unumschränkter Vollmacht versehen, schon seit langen Monaten und namentlich während eines in Braunschweig tagenden „Friedenscongresses“, der einen ausgedehnten Waffenstillstand nach sich zog, einen starken Brückenkopf auf dem rechten Elbufer errichtet und durch vorgeschobene Feldschanzen zu einem Bollwerk von Bedeutung erhoben. Anstatt nun seine Streitkräfte, mit denen er auf einer Schiffbrücke, welche die Herzöge von Mecklenburg ziemlich unfreiwillig bei Garlosen unweit Dömitz schlagen müssen, vollkommen wohlbehalten auf dem Boden der Marken angelangt war, direct nach Schlesien, Böhmen und Innerösterreich zu führen, die Schrecken des Kriegs in die kaiserlichen Erbstaaten zu tragen, zog er es vor, seine Kampfmittel an einem Punkte aufs Spiel zu setzen, wo Wallenstein alle Vortheile des Bodens, einer lange vorbereiteten Stellung sowie überlegener Geschützmassen für sich hatte und eine unglückliche Fügung, ein Zufall gleichsam, ihm den blutigen, theuer errungenen Lorbeer wieder aus den Händen riß. Wir müssen uns darauf beschränken, hier hervorzuheben, daß der vom 1. April 1626 ab erst durch Brüsquirung, dann aber methodisch und mit unvergleichlicher Ausdauer geführte Kampf an der Dessauer Brücke immerhin zu den ausgezeichnetsten Waffenthaten der ganzen Kriegsperiode gehört, dem die Kenner wie Strategen aller nachfolgenden Zeiten vollste Achtung gezollt; ja Wallenstein selbst hat nicht umhin gekonnt, die Gefahr, der er und die kaiserliche Armee ausgesetzt, durch jenes Gelübde einzugestehen, vermöge dessen er bei seiner königlichen Burg Gitschin ein Jesuitenkloster zu gründen und zu weihen beschloß, als er fühlte, daß er in M. seinen Meister finden werde. –

Auffliegende Pulverwagen im Rücken der Mansfeld’schen Angriffslinien hatten [231] Störung in das Handgemeng gebracht und dem Sturm, der schon glänzenden Sieg verhieß, eine sofortige Stockung bereitet, während in der furchtbarsten Verwirrung der Commandoruf des unglücklichen Führers verhallte, der, den Degen in der Faust, in der vordersten Reihe der Seinigen kämpfte. – Wie der Feldherr den Rückzug des weichenden Heeres ordnete, wie es ihm auch gelang, was an Kampftüchtigen wie Versprengten noch vorhanden war, um sich zu schaaren und wieder zu einem festen Ganzen zu fügen, während ihn endlich im Schutze der Havellinie ein in Bremen zuvor ausgeschifftes Regiment (Schotten) und ferner ein Corps von 5000 Mann, welches ihm Herzog Johann Ernst von Sachsen-Weimar zuführte, erreichte, indeß gleichzeitig auch die lang erwarteten französischen Subsidienzahlungen eintrafen, dies Alles näher darzustellen, würde hier zu weit führen. – Wallenstein’s völlig unbegreiflicher Thatlosigkeit, seiner Gleichgültigkeit gegenüber sollte noch einmal, einem Meteore vergleichbar, Mansfeld’s Thatkraft und reiche Befähigung sich glänzend bewähren. Schon nach sechs Wochen hatte er wieder 25,000 Mann manöverirfähige Truppen mit 14 Feuerschlünden unter seiner Fahne versammelt und trat, dem Feinde unversehens, den Marsch nach der Oder an, die er bei Frankfurt überschritt, jeden Versuches spottend, sein Eindringen in Schlesien und des Kaisers Erbstaaten aufzuhalten. Schloß ihm zwar Breslau die Thore, verfolgte Herzog Bernhard von Weimar mit einem demselben anvertrauten detachirten Truppencorps eigene Ideen und fremde Rathschläge, ja mußte sowol gegen massenhafte Zusammenrottungen der Landesbewohner, wie gegen des kaiserlichen Obersten Pechmann nachrückende Geschwader Kehrt gemacht und des Schwertes Schärfe gewandt werden, die Mansfelder erreichten und überschritten den Jablunkapaß, dessen alte Befestigungen oder Verhaue sie unverweilt wieder in Vertheidigungszustand und gegen den Feind zu besetzen wußten. In der That folgte Wallenstein mit der gesammten kaiserlichen Armee, mehr wie 60,000 Mann stark, wich aber vorsorglich jedem entscheidenden Kampfe aus.

Aber ein weit gefährlicherer Gegner sollte auf dem Schauplatz erscheinen, der unerbittlich in beiden Heerlagern zu wüthen begann, entsetzlichster Mangel und in dessen Gefolge mörderische Seuchen, welche die Reihen der unthätig einander gegenüberstehenden Krieger lichteten! – Um sich Bethlen Gabor, dem langersehnten Bundesgenossen, zu nähern, hatte M. in die Ebenen Ungarns hinabsteigen müssen, langsam dann die March erreicht, an deren Ufern bereits Leichenfelder sich auszudehnen begannen. In einzelnen Waffenthaten, Umgehung der Wallenstein’schen Flanke, noch glücklich, auch aus dem Kampfe bei Preßburg keineswegs als Besiegter scheidend, vermochte er die Anwandlungen schmerzhafter Krankheit, die ihn verzehrte, nicht abzuschütteln. Eine Abtheilung der Truppen des Großfürsten von Siebenbürgen, 10,000 Mann stark, war herangerückt, seine Linien vor Umgehung ebenso sichernd wie das unvermuthete und ungeahnte Auftreten osmanischer Kriegsvölker, die unter Führung des Pascha’s von Ofen eine feste Stellung den Kaiserlichen gegenüber bezogen. Da aber, als noch einmal die Lage der Dinge sich zu günstigem Resultate zu gestalten schien, sollte das Unerhörte geschehen: Bethlen Gabor verhandelte mit Wallenstein um Waffenstillstand, trennte sich heimlich von M. und brach unter dem Dunkel der Nacht auf, den kranken und rastlos in Athem gehaltenen Waffenbruder verrätherisch im Stiche lassend. Aber auch jetzo wich dieser nicht zurück, im Gegentheil, seine letzten physischen Kräfte zusammenraffend, wußte er dem kaiserlichen Feldherrn zwischen Preßburg und Tyrnau noch durch Gefangennahme seiner besten Unterbefehlshaber eine schmähliche Schlappe beizubringen.

Doch es stand geschrieben bei einer höheren Macht, daß der unverzagte Kriegsmann, an der Grenze seines Wirkens angelangt, vom blutigen Pfade weichen müsse, auf dem er den besseren Theil seines Lebens und seiner Kräfte verbraucht. – [232] Während mit Eintritt der rauheren Herbstzeit die Lagerepidemien erloschen, hielt ihn zehrendes Fieber gebannt und warf ihn immer wieder aufs Schmerzenslager zurück! – Ein an Herzog Ernst von Sachsen-Weimar gerichteter dringender Hülferuf blieb längere Zeit unbeachtet und erst im Verlaufe des Monats November bequemte sich der Herzog im Mansfeld’schen Lager zu erscheinen. Ihm übergab der kranke Führer das Commando der Truppen gegen Empfang des Gelöbnisses, für deren Absoldung und Verpflegung Sorge zu tragen. Nach Ueberwindung einiger Schwierigkeiten, auf dem Wege der Unterhandlung, mußte M. sich dazu entschließen, sein ihm persönlich zustehendes Eigenthum, seine Feldgeschütze, Munitionswagen, Feldschmieden, das Heergeräthe überhaupt, den Fuhrpark etc. als Faustpfand dem Herzog zu überlassen, um dafür ein karges Reisegeld, in Form eines Darlehens, zu empfangen. – Sein Sinn war darauf gerichtet, sich zunächst nach Venedig zu wenden, von wo durch Tractat Subsidien versprochen waren; von dort wollte er sich nach England einschiffen, um noch einmal die Hülfe des Königs und der Nation anzurufen, in welchem Sinne auch Bethlen Gabor sich brieflich nochmals aussprach, nachdem er es versucht, seine verrätherische Handlungsweise nach Kräften zu rechtfertigen und zu erläutern.

So, den Phantomen nachjagend, die ein ungebeugter Sinn ihn festzuhalten hieß, schied M. (von zwölf seiner Getreuen begleitet) von dannen und schlug über türkisches Gebiet den Weg nach Bosnien ein, um sich an der dalmatischen Küste zu Schiff zu begeben; aber die Krankheit, die ihn gefesselt hielt, waltete nur um so unerbittlicher und spottete der Entwürfe des Ruhelosen, dessen Stunden gezählt blieben.

Aus dem Datum des in französischer Sprache abgefaßten Testamentes will man annehmen, daß der Tod ihn zu Ratona am 29. November 1626 erreichte, da die Worte jenes Documents „Ratona près de Saroy, couché sur notre lit“, jene Behauptung begründen, indeß bisher allgemein Urackowitz in Bosnien als Ort seines Hintritts und der 24. November als Todestag betrachtet wurde. Sicher ist, daß M., obwol er arm starb, seinen letzten Willen aufzeichnen ließ, dem Großfürsten von Siebenbürgen den geübten Treubruch verzieh und demselben das Eigenthumsrecht an den Geschützen und dem Heergeräthe vermachte, welche der Herzog von Weimar in Pfand hielt. Sicher auch ist, daß der Sterbende es nicht ertragen konnte, den Moment seines Heimganges im Bette abzuwarten, im Gegentheil, von Todesahnung ergriffen, sich in der Frühdämmerung emporraffte, den Harnisch anlegen ließ und auf zwei seiner bewährten Waffenbrüder wie auf den Degen gestützt, am geöffneten Fenster, im Frühroth, seine Seele aushauchte, nachdem er noch Worte der Ermahnung zu treuem Ausharren im Kampfe an seine Begleiter gerichtet hatte.

S. L. Graf Uetterodt zu Scharfenberg, „Ernst Graf zu Mansfeld“ und die dort angeführte Litteratur. – J. Großmann, Des Grafen Ernst von Mansfeld letzte Pläne und Thaten. Breslau 1870. – E. Fischer, Des Mansfelder’s Tod. Berlin 1878.