ADB:Morstadt, Eduard
[330] außerordentlicher Professor hatte er eine öffentliche Antrittsrede zu halten und er that dies am 30. October 1817 lateinisch, über die Frage: num Germanorum iureconsulti novo legum civilium codici condendo idonei sint censendi? M. wünschte aber bald ordentlicher Professor zu werden und machte verschiedene, dahin zielende Versuche. Damit beginnt sein vielberüchtigter Streit mit der Facultät und seinen Collegen, der sich durch sein ganzes Leben hindurchzog und den wir hier kurz actenmäßig zu schildern unternehmen. Er gab im August 1820 ein Bittgesuch an die Facultät ein, um Uebertragung einer Professur des germanischen Rechts, welches sichtlich keinen Erfolg hatte. Dann verlangte er 1821 die Genehmigung des Engeren Senats zu Ankündigungen von staatswissenschaftlichen Vorlesungen. In einem diesbezüglichen Schreiben vom 24. Juli bezeichnet er die Nationalökonomie als seine Lieblingswissenschaft, und in seiner Motivirung beruft er sich auf die Vorgänge berühmter Juristen wie Hufeland, Behr und Schmalz, welche dieselbe ebenfalls mit der Rechtswissenschaft verbanden. Natürlich handelte es sich bei ihm in erster Linie um eine Gehaltsaufbesserung von 500 Gulden, welche er in seinen jetzigen Verhältnissen nöthig brauchte. Die staatswirthschaftliche Section, zum Gutachten aufgefordert, stemmte sich unter Leitung ihres damaligen Directors Professor Semer mit allen Mitteln dagegen, ja erklärte ohne alle Umschweife Morstadt’s Ansinnen geradezu für „verrückt“. Zwar war durch Eschenmayer’s Tod eine Professur in dieser Abtheilung erledigt und K. H. Rau noch nicht berufen. Indessen war Morstadt’s Begehren nicht gerade so ungerechtfertigt. Er hatte J. Baptiste Say’s Traité d’économie politique mit Fleiß und nicht ohne Geschmack übersetzt und mit erläuternden Noten versehen. Es scheint aber, daß dazumalen schon M. durch sein absprecherisches und hochfahrendes Wesen so sehr verhaßt war, daß, wie sich Semer ausdrückte, befürchtet wurde, wenn sich Morstadt’s Wunsch erfüllte, das staatswirthschaftliche Institut bald aufgelöst werden würde. Die Section war aber darin nicht ganz einstimmig und überließ die endgültige Entscheidung dem großherzoglichen Ministerium. Dies hatte nichts dagegen einzuwenden, und es wurde M. dann am 22. Juni 1821 vom Engeren Senat die Erlaubniß ertheilt, vorerst über Nationalökonomie und Finanzwissenschaft zu lesen, und wenn er sich hineingearbeitet habe und allgemeinen Beifall seiner Zuhörer ernte, wie es wörtlich heißt, „soll er zu einer Professur vorgeschlagen werden“. Darauf hatte die staatswirthschaftliche Section nichts mehr einzuwenden. – M. machte dann, weil ihm keine Professur in der Section übertragen wurde, vor der Hand keinen Gebrauch von der Erlaubniß staatswirthschaftliche Vorträge zu halten. Im Gegentheil, er kam wieder i. J. 1823 bei dem Curatorium der Universität um eine ordentliche Professur in der Juristenfacultät und um eine Zulage von 500 Gulden ein. Das großherzogliche Ministerium forderte darüber ein Gutachten der Facultät. Dies fiel vermuthlich nicht günstig aus. Professor M. hat sich dann in starken Ausfällen gegen einige andere Professoren in seinem Gesuch an das Ministerium ergangen, um seine Lehrthätigkeit in ein um so helleres Licht zu stellen. Er bezeichnet sich darin für „überlastet“ und seinen Fleiß „gigantisch“. In der That, er las dazumalen schon täglich oft 2 Stunden Colleg und das ist ohne Zweifel höchst anstrengend. Der Engere Senat sah sich aber zu einer förmlichen Entgegnung seiner Behauptungen veranlaßt. Er rügte dessen Benehmen den Studenten gegenüber, das sich durchaus nicht mit der Würde und dem Ansehen eines akademischen Lehrers vertrage. In Wort und Schrift, vom Katheder und in öffentlichen Localen verunglimpfe derselbe seine Amtsgenossen, wie er es auch in seinem Buche „Materialkritik“ gethan habe. Aus diesen Gründen erachte es der Engere Senat für seine Pflicht, ihn nicht zur ordentlichen Professur zu empfehlen. Unterzeichnet: Leonhard, Zachariä, Creuzer, [331] Schwarz. Dies war vermuthlich die Zeit, wo M., verwittwet, öfters Sonntags nach Mannheim fuhr, wo seine jüngere Schwester Amalie, verheirathete Neumann, nachher Haizinger, großherzogliche Hofschauspielerin war. Ihre großen Erfolge und ihre hohe Gönnerschaft haben ihn noch eitler gemacht. Er selbst war schon von Natur, wie diese und andere Glieder seiner Familie zu theatralisch-excentrischem Wesen geneigt; er gesticulirte gern auf dem Katheder und sein Witz hatte bei seinen trockenmußigen Zügen und großen Augen einen drastischen Effekt. Er dichtete auch gelegentlich, wie es seine polemischen Schriften darthun, und hatte es sich ausgesprochener Maßen als Docent bei seinen Vorträgen zum Grundsatz gemacht, „es nicht mit dem Pathetischen zu versuchen, sondern zu den komischen Saiten Thaliens zu greifen, um seine Zuhörer auch noch bei dem 8. Vorhangfall in guter Laune zu erhalten“. Oder, wie Horaz und Swift: ridendo dicere verum. Da M. mit einer gewissen Leichtigkeit Dinge und Personen überschaute, und sich nach seiner üblen Gewohnheit bei ihrer Beurtheilung keine Rücksicht auferlegte, so war es nur zu natürlich, daß er bei allen ruhigen älteren und sittenstrengen Menschen Anstoß erregte; die lustige akademische Jugend jedoch übersah entweder gerne diesen Fehler, oder rechnete ihm im Gegentheil gerade das zur Tugend an, weil es im offenen Gegensatz zu allem Herkömmlichen stand. So hatte er immer einen großen Zulauf und erntete in seinen Collegien reichen Beifall. Daß ihn dafür seine kleinlichen Collegen mit wenig Zuhörern beneideten, die wahrhaft großen dagegen mit eben so vielen und mehr ein Aergerniß daran nahmen, ist leicht begreiflich. Die Ruperto-Carola zählte damals wie später viele Professoren von mittlerem oder selbst geringerem Rang, aber auch solche von großer wissenschaftlicher Bedeutung und besonders die juristische Facultät vereinigte damals sehr geniale Männer, wie A. Fr. J. Thibaut, und K. S. Zachariä. Wenn nun ein kritisch angelegter Kopf wie M. an diesem oder jenem Collegen wissenschaftliche Mängel und schwache Seiten leicht entdecken konnte und vielleicht in seinem Unmuth sie zum Stichblatt genommen hätte, so wäre das bei einem Eifer für die Wahrheit noch entschuldbar zu nennen; M. wendete sich aber nach und nach auch gegen anerkannt würdige und tüchtige Männer und zog Persönlichkeiten und Familienverhältnisse in seine Polemik hinein, wodurch er die Grenzlinien des gelehrten Streits vollständig überschritt. K. S. Zachariä, der damals bejahrt, auf der Höhe seines Ruhmes stand und mit M. ziemlich die gleichen Wissenszweige pflegte, hat ihn, nach seinen eigenen Aussagen, oft collegialisch und väterlich ermahnt, sich des Schimpfens und des Wirthshauszechens zu enthalten, was M. auch versprochen. Ja Zachariä entschuldigt M. noch damit, daß er keinen eigentlichen Hausstand habe und mit Dienstmägden wirthschaften müsse, wodurch er leider öfter genöthigt sei Gasthäuser aufzusuchen. Der Beifall der Menge auch an diesen Orten schmeichelte ihm gar zu sehr. – Wie weit die Freiheit und Ungebundenheit Morstadt’s ging, seine venia legendi zu gebrauchen, zeigt ein Anschlag am schwarzen Brett im Sommer 1824, wonach er „gegen die Verunglimpfungen der merkwürdigsten Tadler und Lobhudler Schillers und Goethes unentgeltliche Gastvorlesungen für alle seine bisherigen Freunde in irgend einem noch zu bezeichnenden Saale“ anzeigte. Auf Befehl des Prorectors wurde derselbe sofort wieder entfernt. Als sich dann die Klagen gegen M. in verstärktem Maße wiederholten und noch eine leidige Scandalgeschichte mit seinen Dienstboten dazu kam, beantragte der Engere Senat eine Untersuchung durch den Herrn Stadtdirector Wild. Diese Vernehmlassung vom 7. September 1824 stellt seinen Charakter und seinen sittlichen Gemüthszustand in ein schlimmeres Licht als wir dachten. Abgesehen von den Schatten, den die Zeuginnen von der Nachtseite des Lebens hier auf die Oberfläche hinstreuen, ist es hauptsächlich die eigene Aussage des Professors, die an [332] Frivolität und juristischer Rabulistik nicht mehr übertroffen werden kann, welche uns hier am unangenehmsten berührt und von der wir wünschten zu Ehren des Amtsvorstandes, daß sie nicht zu Protocoll genommen worden wäre. Wenigstens würde dieses unseres Erachtens heute nicht mehr geschehen sein. Ein Beweis aber, welcher Nimbus damals einen Universitätsprofessor umgab. – Der Engere Senat war darauf allgemein der Ansicht, daß gegen das höchst anstößige Benehmen Morstadt’s jetzt zweckdienliche Maßregeln ergriffen werden müßten und hielt es der Schonung des Betreffenden wegen für rathsam, ihn als geisteskrank zu erklären und ihn dann in Ruhestand zu versetzen. Von den Beschlüssen sei der Vater Morstadt’s geziemend in Kenntniß zu setzen, daß er den Sohn wegbringe. Professor M. war aber den Ausführungen dieser Beschlüsse zuvorgekommen. Er reichte bei dem Ministerium des Innern ein Gesuch zum Urlaub ein, welcher ihm auch auf 6 Monate mit vollem Bezug seines Gehaltes gewährt wurde; nur sollte er sich nicht in Heidelberg oder Mannheim aufhalten. Der Vater Morstadt’s, der großherzogliche Kammerfourier, nahm die Mittheilungen und das Ansuchen des Engeren Senats an ihn höchst übel. In einer Rückantwort an denselben warf er die ganze Schuld für den aufgeregten Zustand seines Sohnes auf die juristische Facultät, welche nichts gethan habe, was ihr doch so leicht gewesen wäre, um dem Vaterland, wie er sich ausdrückt, einen hoffnungsvollen und vielseitig unterrichteten Lehrer und einer schuldlosen und ehrlichen Familie ein theueres Glied zu erhalten. Der hohe Senat verlange von ihm, daß er seinem Sohn den Todesstreich versetze, er könne sich aber von der Annehmlichkeit des Todes von Vaterhand nicht überzeugen. Er werde ihm nichts eröffnen, außer daß er im nächsten Semester nicht lesen und außerhalb Heidelbergs sein Gemüth calmiren solle, damit er baldmöglichst seinen Beruf wieder übernehmen könne. Er könne sich endlich durchaus nicht dem Verlangen anschließen, daß der Professor auch von Mannheim, wo seine theure Schwester sei, an der er mit ganzem Herzen hänge, verbannt werde und an beide Orte nicht ohne höhere Erlaubniß zurückkehren dürfe. Er schließt dann mit dem Wunsche, daß kein Schritt geschehen möge, von dem man wünschen müßte, denselben nicht gethan zu haben. Der Sohn hat dann seinerseits in einem Protest vom 30. October 1824 gegen den Senat behauptet: 1) Es stehe nicht in dessen Befugniß, einen Professor von fünfjährigem Dienstalter zu suspendiren, geschweige von dem Ort seiner Thätigkeit zu entfernen und besonders, wenn derselbe sich, wie er, schriftstellerischer Thätigkeit widme. 2) Es stehe nicht in dessen Hand, wenn es einen Mann betreffe, der entweder falsorius oder eines falsum’s Dulder sei. Er sei um einen Urlaub seiner Erholung wegen eingekommen, der ihm huldvollst bewilligt worden sei. Der Senat wolle ihm aber, der sich außerhalb Heidelbergs und der zunächstliegenden Dörfer nicht aufhalten solle, auch den Aufenthalt in Mannheim verbieten, als wenn Mannheim auch ein Dorf sei, ja man habe die Stadt Mannheim schnöde hinzugedichtet. 3) Wo ihm das großherzogliche Ministerium sein Gehalt gnädigst zu beziehen gestatte, hätte der akademische Senat dem Cassenführer aufgegeben sein Gehalt einzuhalten etc. 4) Ein solcher Streich müsse „sein vielgekränktes, seit langen Jahren unablässig durch Thaten (d. h. durch Besoldungsvorenthaltung) wie durch Worte verfolgtes, um die Universität Heidelberg anerkanntermaßen nicht gering verdientes, vaterlandsgetreues, badischgeborenes, dem Monarchismus überhaupt, wie seinem angeborenen, gerechten Monarchen zugeschworenes, von dem Humanitätsgefühl und der Christenpflicht durchdrungenes Gemüth etc. verstimmen“ … – Das großherzogliche Ministerium des Innern hat durch Rescript vom 15. Oct. 1824 zu Gunsten Morstadt’s bestätigt, daß der Urlaub für den wohl höchst exaltirten und nunmehr höchst gereizten Professor nicht als Strafe wegen Unzufriedenheit [333] mit ihm anzusehen sei, sondern als eine Maßregel, um ihn in die Lage zu bringen, sein Gemüth zu beruhigen und seinen überreizten Zustand herabzustimmen. Ferner sei darin nur bestimmt, daß er seinen Urlaub nicht in Heidelberg zubringen solle; der Senat habe ihm aber eigenmächtig auch den Aufenthalt in Mannheim untersagt. Vermittelst eines Ministerialrescripts hat sich alsdann seine Königl. Hoheit der Großherzog bewogen gefunden, Professor M. eine Gehaltserhöhung von 300 Gulden, vom 23. Juni ab, huldreichst zu bewilligen. – Wenn auch bei der Wiederaufnahme seiner Vorlesungen dieselben noch zahlreicher wie früher besucht wurden, so heißt es, daß M. in seiner Lehrart stets nach der alten Weise verfuhr und bald werden wieder die alten Klagen seiner Collegen laut. Wir wollen darüber jetzt die Angaben der Facultätsacten übergehen. Nur eines Umstandes wollen wir hier erwähnen. Wie er zu jeder Zeit seines Lebens stets treu zu den Studenten hielt und bei allen Streitigkeiten, sei es mit den Bürgern, sei es mit den Beamten, auf ihrer Seite stand, so war das auch der Fall i. J. 1828, wo die Museumsgesellschaft in Streit mit den Corpsstudenten lag, der dann die Studentenschaft zu einem Auszug nach Frankenthal in Rheinbaiern veranlaßte, dem auch M. sich anschloß. Der Engere Senat stellte an ein hochpreisliches akademisches Directorium die Bitte: den Professor M. sofort zu entlassen und eine Untersuchung einzuleiten, was aber vermuthlich unterblieb. Im J. 1830 verheirathete sich M. wieder mit Fräulein Amalie Schwarzmüller, wozu ihm der Großherzog am 8. Mai die Staatsgenehmigung ertheilte. Von da ab ging sein ernstes Streben dahin, endlich von Seiten der Juristenfacultät als ordentliches Mitglied aufgenommen zu werden. Er machte deshalb im November 1833 ein Gesuch an das großherzogliche Staatsministerium, worin er vorträgt, daß die juristische Facultät nur aus 4 ordentlichen Mitgliedern bestehe, Walch und Willy seien Titularprofessoren; ferner, daß das Badische Landrecht und die deutsche Staats- und Rechtsgeschichte nicht genügend durch Privatdocenten vertreten seien. Das letztere Fach sei besonders wichtig, da sonst das Staatsrecht wurzellos wäre. Sein langjähriger Applaus, den er bei seinen Collegien über Staatsrecht, Völkerrecht, Kirchenrecht und deutsches Privatrecht ernte, befähigten ihn auch hierzu. Das Spruchcollegium bestünde nur aus 1 Ordinarius, Mittermaier, da Thibaut, Zachariä und Roßhirt ausgeschieden seien. Es befände sich in völliger décadence und hätte im Jahr keine 6 Prozeßfascikel aufzuweisen. Er bitte daher um Eintritt in dasselbe als Facultätsmitglied mit der Würde eines ordentlichen Professors und dem Titel Justizrath, neben Gehaltszulage von 200 Gulden. – Dem entgegen erklärte der derzeitige Decan, Geh. Rath Mittermaier, daß Morstadt’s Angaben rücksichtlich des Spruchcollegiums unrichtig wären, wenigstens sei die Zahl der Streitfälle größer. Er wolle sich jedoch in der ganzen Sache, wegen seines notorischen Streites mit M., jedes Votums enthalten, was vollkommen in Ordnung war. Morstadt’s Bittgesuch wurde in höchst bedeutsamer Weise begutachtet. Von einer Befürwortung konnte natürlich keine Rede sein. Die Facultät erklärte: das Gesuch sei schnöde, rücksichtslos, verleumderisch und selbstsüchtig abgefaßt, es enthalte thatsächliche Unwahrheiten. Uebrigens sei es unerhört, daß alle juristischen Collegien von ordentlichen Professoren gelesen werden sollten. Der Applaus, von dem M. rede, hätte in gewissem Maße stattgehabt, aus begreiflichen Gründen, welche dem Professor M. nicht zur Unehre gereichten; denn er habe in der That eine Anlage zur Mannigfaltigkeit und zu einer eigenthümlichen Lebendigkeit, sowie zu einem gewissen skeptischen, derisorischen Wesen, welches den Trägen und Nichtwisser aufrege. Allein man wisse recht gut, was der auf diese Elemente gegründete Beifall, besonders wenn Zügellosigkeit und Frechheit des Lehrers hinzukommen, im Grunde zu bedeuten habe; da leider, [334] ein großer Theil unserer akademischen Lehrlinge für alle tiefer gehende und wahrhaft wissenschaftliche Erörterungen ganz und gar keinen Sinn habe. – In der That ist diese Kritik nur zu sehr zutreffend, und wie wir berechtigt sind zu vermuthen, von keinem andern als von K. S. Zachariä dem Decan Roßhirt in die Feder dictirt. Es ist derselbe, welcher auch die wissenschaftliche Bedeutung Morstadt’s damals, wenn auch strenge, aber doch im Ganzen richtig beurtheilt. Im folgenden Jahre, 1834 hat der Engere Senat es nochmals versucht hinsichtlich „der notorischen Schmäh- und Trunksucht“ Morstadt’s beim großherzoglichen Ministerium vorstellig zu werden. Derselbe hat diesmal den, wegen seines sittlichen Ernstes bekannten und angesehenen Historiker Fr. Christoph Schlosser, der damals Decan der philosophischen Facultät war, damit beauftragt. Schlosser stellte noch einmal in dieser Vorstellung ausführlich alle früheren und späteren Anschuldigungen zusammen und erlaubte sich in seiner sittlichen Entrüstung ein starkes und strafendes Urtheil. Eine Handschrift davon befindet sich noch in den Universitätsacten und zeigt die festen und zierlichen Züge des hochgeachteten Geschichtsschreibers. Darauf erwiderte der großherzogliche Minister Winter am 31. März in Kürze: Man könne nicht mehr auf Vorfälle, worüber seiner Zeit das Angemessene verfügt worden sei, zurückkommen, und vermöge gegenwärtig auch ebensowenig das Gesuch wegen Entfernung vom Lehramt zu berücksichtigen. – Durch Ministerialrescript vom 18. Januar 1838 erhielt M. eine Gehaltszulage von 200 Gulden und eine gleiche am 14. Januar 1841. Am 1. April 1842 bringt das Ministerium die beiden außerordentlichen Professoren M. und Zöpfl als ordentliche Professoren in Vorschlag und fordert die Facultät zur Gegenäußerung auf. Die Mehrheit derselben sieht sich veranlaßt zu bemerken, „daß, wiewol sie M. wegen seiner geschwächten Gesundheit jede Kränkung ersparen möchte, dessen Eintritt in die Facultät und in den Senat wol gegen den Anstand sein dürfte“. Bereits am 4. November, nach dem Tode Thibaut’s und Zachariä’s, erfolgte die Ernennung Morstadt’s und Zöpfl’s zu ordentlichen Professoren der juristischen Facultät, jedoch mit der Beschränkung, daß sie vor der Hand noch keinen Antheil an den Facultätsprüfungen haben sollten. Am 18. Juli 1844 bittet die Facultät selbst unter Leitung ihres Decans Roßhirt um Aufnahme Zöpfls in die Prüfungscommission und schlägt M. zu einer Gehaltsaufbesserung von 300 Gulden vor. Das großherzogliche Ministerium willfährt der Bitte und gewährt M. eine Zulage von 200 Gulden, so daß sein Gesammtgehalt jetzt 1400 Gulden betrug, immer noch weniger als das damalige Normalgehalt ordentlicher Professoren. In der Examinationscommission machte sich M. bald unmöglich, indem er in öffentlichen Blättern „Notizen aus dem badischen Juristenexamen“ veröffentlichte. Von dem Curatorium aufgefordert, sich binnen 24 Stunden darüber zu äußern, was er für seine Handlung anführen könne, entschloß er sich rasch um seine Entlassung aus dem Spruchcollegium und der Prüfungscommission nachzusuchen, ebenso um Enthebung von den Decanatsgeschäften. Er betrachtete diese Entkleidung, wie er nachher schrieb, als eine wahre Wohlthat für ihn. In diesem Benehmen Morstadt’s im Jahre 1847 tritt zuerst eine Opposition gegen das damalige Staatsministerium hervor, ein Gegensatz, der sich in den folgenden Revolutionsjahren noch mehr steigerte. Es deutet das auf seine veränderte Stellung zu dem Hof und der Regierung in Karlsruhe. Natürlich war sein Vater längst todt und sein hoher Verwandter, der Staatsminister Winter, seit Jahren nicht mehr. Als im Sommer 1848, bei einem Streit mit den Behörden, die Studenten leicht einen hinreichenden Anlaß fanden die alma mater zu verlassen und sich in corpore nach Neustadt a. d. Hardt in der baierischen Rheinpfalz zu begeben, zog Professor M. auch jetzt mit und stellte sich dort mit auf dem Marktplatz auf, wo [335] die Einzelnen Quartierbillette erhielten. Es unterliegt keinem Zweifel, daß M. sich in jener freiheitlichen Zeitströmung fortreißen ließ, die seinem sonst zügellosen Wesen gerade nicht unliebsam gewesen sein mag; aber daraus auf eine wirklich demokratische Gesinnung oder Ueberzeugung zu schließen, ist unseres Erachtens zu viel gesagt. M. war überhaupt kein Politiker; von Haus aus hegte er vielmehr eine höfische Gesinnung. Von seinen Gegnern gedrängt, ordnete das großherzogliche Ministerium im Herbst 1849 eine Untersuchung über sein Verhalten während des Aufstandes in Baden an. Es übertrug dieselbe einem außerordentlichen Regierungscommissär, Oberamtmann Betz von Ladenburg, welcher in summarischer Aufnahme die Zeugenaussagen protocollirte. Nachdem wir sämmtliche Aussagen aufmerksam durchgelesen, können wir sagen, daß wir weder eine Majestätsbeleidigung noch eine hochverrätherische Thatsache darunter finden, es sind Aussprüche von Sympathien und Antipathien, die damals beinahe jedermann theilte, Gemeinplätze, die man in Heidelberg damals überall hören konnte und nicht M. allein zuzuschreiben sind. Wir wollen hier der Unbedeutendheit wegen keine aufführen, auch keine Namen nennen, wiewol zu unserem großen Bedauern mehrere seiner Collegen darunter figuriren. – Der Engere Senat hatte in seinem Eifer den Antrag gestellt, dem Professor M. alle Berechtigung zur Theilnahme an Senats- und Facultätssitzungen zu entziehen und ihn für unfähig zu erklären akademische Aemter zu bekleiden. Wir freuen uns aber berichten zu können, daß das großherzogliche Ministerium des Innern in seinem Erlaß vom 14. December desselben Jahres antwortete, daß es nach reiflicher Erwägung des Falles und fachlicher Prüfung gestehen müsse, daß sämmtliches Material nicht hinreiche eine solche Maßregel zu rechtfertigen. Ferner, daß die angebliche Berechtigung wesentlich mit der Eigenschaft eines ordentlichen Professors zusammenhänge und verknüpft sei, und eines von dem andern nicht gelöst werden könne. Außerdem sei es höchst bedenklich einen Mann vom Amt auszuschließen und ihn auf dem Lehrstuhl zu belassen, wo er noch verderblicher wirken könne. Es müßte, kurz gefaßt, seine Entfernung von diesen Functionen zugleich auch die Entfernung vom Lehramt zur Folge haben. (Vergleiche hierzu die Bemerkung Morstadt’s, Materialkritik S. 28, wo derselbe vorher richtig die gleiche Ansicht ausspricht). Nun frage es sich aber, ob die vorliegenden Anschuldigungen der Art seien, daß sie eine solche Maßregel rechtfertigen? Der großherzogliche Minister kam zu dem richtigen Schluß, daß bei etwaigem gerichtlichen Verfahren eine Verurtheilung höchst ungewiß sei und er deshalb den Antrag dem hohen Senat zu weiterer Erwägung zurücksende, d. h. daß dieser denselben zurücknehmen sollte. – M. scheint der Vorwurf eines illoyalen Benehmens gegen das großherzogliche Haus und dessen Regierung, denen er so viel in seinem Leben zu danken hatte, schwere Sorgen gemacht zu haben. Trotz seiner Rehabilitirung durch das billig denkende Ministerium, überlebte er diesen Schlag nicht lange. Er starb unerwartet rasch, am 10. Januar 1850 und wurde ohne jede weitere Leichenbegleitung auf dem allgemeinen Leichenfelde beerdigt. Er hinterließ eine Wittwe mit zwei Kindern, einem Sohn und einer Tochter. – Nachdem wir nun Morstadt’s Streit mit seinen Collegen und der Facultät actenmäßig auseinandergesetzt haben, wollen wir seine wissenschaftliche Thätigkeit als Universitätslehrer und seine Werke betrachten. Zuerst sei das die Staatswirthschaftslehre, in der er am frühesten als Schriftsteller hervortrat. Bereits 1818 veröffentlichte er, wie wir angeführt haben, eine Uebersetzung von J. Bapt. Say’s Traité d’économie politique, 2 Bde., Heidelberg bei Engelmann, welche 1827 in zweiter und 1830 in dritter Auflage erschien, ein Beweis, daß sie beifällig aufgenommen wurde. Im Wintersemester 1830/31 machte er zum ersten Mal von jener Erlaubniß Gebrauch, über Nationalökonomie und Finanzwissenschaft [336] Vorlesungen zu halten. Wiewohl ein bekanntlich tüchtiger Vertreter des Faches berufen war, eröffnete er seine Vorträge, wie er selbst angibt (Rattenkönigspuck S. 43) mit 80 eingeschriebenen Zuhörern. – 1834 gründete er eine staatswirthschaftliche Monatsschrift „Der Nationalökonom“, Mannheim, bei H. Hoff und besorgte auch die Redaction derselben. Es erschienen darin mehrere Aufsätze von ihm, nebst Beiträgen von damals namhaften Gelehrten: von Prof. Bülau, von Gülich, Murhard, R. von Mohl u. m. a., wie von den ausgezeichneten badischen Staatsmännern L. Winter und Nebenius. Sämmtliche Aufsätze Morstadt’s sind entweder Uebersetzungen aus dem Französischen seiner bewunderten Meister J. B. Say oder Destutt de Tracy, oder, wo er ein selbständiges Thema wählt, wie „nationalökonomische Blicke in das deutsche Universitätswesen“ (I. 1 und 2) und „über das Besteuerungssystem der deutschen Bundesstaaten“ (II) sind diese durchsichtig, aber unbedeutend. Am Ende des zweiten Jahres der Zeitschrift legte er die Redaction nieder, die ihm wie er angab, zu viel Mühe machte. Sie ging dann auf Dr. Rud. Moser über und erlosch nach ein paar Jahren mit der Zeitschrift. Gestehen wir hier gerne M. den guten Willen zu und die Leichtigkeit sich in diese Wissenschaft und die Zeitbedürfnisse hineinzuarbeiten, so müssen wir doch bekennen, daß sein Beruf weit mehr auf Seiten der Jurisprudenz lag, was er auch selbst später erkannte, wiewol er noch öfter Nationalökonomie las. Als Jurist gehörte M. zur alten Schule, welche das römische Recht noch, wie es sich nach den neueren Reichsgesetzen und dem Gewohnheitsrecht gestaltet hatte, als gemeines deutsches Recht ansah. Wenn er sich auch in den Code Napoléon oder das neue badische Landrecht hineingearbeitet hatte, so blieben ihm doch die nationalen germanistischen Forschungen in der Hauptsache fremd. Er überschaute aber nach jener Ansicht das ganze Rechtsgebiet, er las daher über alle Rechtstheile: Staatsrecht, Völkerrecht, Kirchenrecht, Prozeß, Strafrecht, Privatrecht mit Einschluß von Lehn- und Handelsrecht; gab praktische Anleitungen zur Behandlung und Beurtheilung von Rechtsfällen, sog. Practica. Die Fachgenossen von heute werden ausrufen, welch ein erstaunlich weites Feld! Denn zu unserer Zeit hat sich alles so sehr specialisirt, daß manchem Dozenten schon ein Rechtstheil genügt, und er kaum mehr nach dem inneren Zusammenhang seiner Wissenschaft fragt. Freilich wird man nur Forscher in einem beschränkten Gebiet sein können. M. war das nicht. Er pflegte seinen Vorlesungen immer ein bekanntes Lehrbuch zu Grunde zu legen und fügte dem seine eigenen, abweichenden Ansichten als vorsichtig erwogene Dictate hinzu. Dabei hatte er dann den Vortheil, in mündlicher Besprechung sein ausgezeichnet kritisches Talent leuchten zu lassen und durch seine Belesenheit, rasche und treffende Bemerkungen und Urtheile alle Zeit vor seiner Zuhörerschaft zu glänzen. Die schwerfälligen und unlogischen Darstellungen und Definitionen mancher Lehrbücher, wie Martin’s Civilproceßlehrbuch u. a. boten ihm dazu naheliegenden Stoff. Es brach nicht einmal, sondern zu wiederholten Malen die Zuhörerschaft in helles Gelächter aus. Das war ja sein ausgesprochener Grundsatz: unterhaltend oder mit Humor zu lehren und wir finden beinahe auf allen seinen Schriften Mottos wie dieses von Fénelon: „heureux ceux qui s’instruisent en s’amusant!“ u. dgl. Die Lacher und der momentane Erfolg waren auf seiner Seite. Diese Thatsache kann nicht bestritten werden. Er hatte, wie wir oft gehört haben, in einem Colleg 50–150 Zuhörer, und wenn er von sich selber einmal sagt (Rattenkönigspuck, S. 31), von 500 Juristen 400 als seine Zuhörer gezählt zu haben, so wird das bei 3- und 4maligem Lesen täglich nicht übertrieben sein. Es erklärt sich daraus nunmehr der Neid seiner Rivalen wie seine grenzenlose Eitelkeit. Ist nun dieser Zulauf und Vorlesungserfolg in Wirklichkeit der Maßstab für die Bedeutung und segensvolle Wirksamkeit des Docenten? [337] Gewiß, man kann darüber, je nachdem der Grund dieser Anziehung ist, verschiedener Ansicht sein. Und es war bei M. eingestandener Maßen nicht vornehmlich die Begeisterung für die Wahrheit; denn er schrieb ja: „Nicht mit dem Pathetischen“ u. s. w. Schlimmer wurde diese Art in späteren Jahren, wo er noch dazu persönlich wurde. Bei der ungeheueren Anstrengung und Aufregung durch seine Vorlesungen, war es bei ihm nur zu natürlich, daß er mit Stimulantien, mit berauschenden Getränken nachzuhelfen suchte und dadurch, wie ihm vorgeworfen wurde, in Trunksucht verfiel. Dadurch mag sein sonst hochfahrendes und absprecherisches Wesen in niedrige Schmähsucht ausgeartet sein. Manches harte, persönlich beleidigende Wort ist dabei gefallen. Es stammen von daher jene heftigen und charakteristischen Witze über einige seiner Gegner, welche noch lange nach seinem Tode unter den Studenten cirkulirten. Aber, halten wir einen Augenblick still, war die Gegnerschaft so ganz gerecht, hat sie ihn in seiner Eigenart, die er einmal besaß, völlig anerkannt, und ist sie offen seinen berechtigten Bestrebungen entgegengekommen? Nein, in keinem Fall; nur in dem Gutachten von 1833 hat die Facultät seiner Lehrfähigkeit Gerechtigkeit widerfahren lassen, ein Urtheil, welches wir Zachariä zuschrieben, aber seine Beförderung zur ordentlichen Professur oder zur Gehaltserhöhung hat sie niemals, als ein paar Jahre vor seinem Ende befürwortet. Die Facultät hat also, wie er ihr richtig vorwirft, nichts für ihn gethan, ja sie ist im Gegentheil bei jedem Gesuch um Gehaltszulage gegen ihn gewesen, hat also den bedürfnißvollen Mann, der keine sonstigen Mittel hatte, mittelbar genöthigt, sein Auskommen durch Vorlesungen zu erwerben, und damit war er auf den Beifall der Studenten angewiesen. Nur die großherzogliche Regierung ist ihm, der einmal Staatsdiener war, gegen den Willen der Facultät gerecht geworden. Wäre er nicht Staatsdiener gewesen, sondern in der Eigenschaft als Privatdocent und außerordentlicher Professor wie heute in Baden, so hätte ihn die Regierung wol kaum gehalten. – Damit ist aber nicht der Vorwurf eines unsittlichen Handelns und eines unwürdigen Benehmens als öffentlicher Universitätslehrer von ihm weggenommen, noch ist er dadurch gerechtfertigt und rein gewaschen, sondern nur die Erscheinung ist erklärt und sein Fehler festgestellt. – Morstadt’s Hauptbedeutung als Universitätslehrer lag ganz gewiß in seinen Vorlesungen als Lehrer und nicht in seiner Thätigkeit als Schriftsteller. (Vgl. auch seine eigenen Auslassungen in Vorrede zum Civilproceßschlüssel, S. 89.) Seine Schriften sind kritischer oder ganz und gar polemischer Natur. Zum ruhigen Aufbau eines Werkes, oder zu einem eigenen Lehrbuch kam er in seinem Leben nicht. Er war kein eigener, selbständiger Denker, nicht einmal Forscher, nur Kritiker. Deswegen sind seine besten Werke seine besten kritischen Schriften. Als solche sind zu nennen: „Die Materialkritik zu Martin’s Civilproceßlehrbuch“, 1820; zweite Auflage 1828. Das Facultätsgutachten vom November 1833 sagt zwar, „daß er keine einzige Schrift geschrieben, welche die Rechtswissenschaft fördere, blos seine Materialkritik sei allenfalls des Namens werth, jedoch habe diese durch ihre egoistische Schändigkeit überall Mißfallen erregt“. Ein gleiches und wohl noch schlimmeres Urtheil hätte sie gefällt über seine Flugschrift: „Kritisch-pragmatischer Commentar über Mittermaier’s Theorie vom Verlagscontract, Schrifteigenthum und Nachdruck von Collegienheften“. (Erstes arretirt gewesenes Heft), 1831. Indessen, seine Vorlesungen über Civilproceß waren mitunter seine besuchtesten und geschätztesten. Daraus entstammt ein 1845 publicirtes Collegienheft: „Justin von Linde’s Rechtsmittellehre, kritisch-lakonisch erläutert von Ed. M.“ Man wird keinenfalls zu seinen Ungunsten annehmen dürfen, daß er Martin und v. Linde gegenüber v. Gönner und v. Bayer hochstellt. Dann folgt eine der anerkannt [338] besten Schriften Morstadt’s: „Gemeindeutscher Civilproceßschlüssel, pragmatisch-kritischer Commentar zu Linde’s Civilproceßlehrbuch“. (Publicirtes Collegienheft), 1847. Ebenso erschienen 1845 „Zusätze zu G. v. Wiese’s Kirchenrecht für Protestanten, den Entlarvern des papistischen Antichristianismus gewidmet“, nicht ohne gute Bemerkungen. Unter seinem Nachlaß befand sich noch ein Bruchstück eines ausführlichen Commentars zu Feuerbach’s Lehrbuch des gemeinen in Deutschland giltigen peinlichen Rechts, nach seinem Tode herausgegeben von Dr. Jos. Schauberg; später von § 332 an von Prof. Osenbrüggen in Zürich vollendet, 1852. Ein stattlicher Band. Sein pietätvoller Schüler Dr. Schauberg, der ihn 1826–28 in H. hörte, nennt ihn den „streitenden, radicalen“ Rechtslehrer gegenüber seinen conservativen Collegen: Zachariä, Thibaut, Mittermaier und behauptet von dieser Schrift (Vorrede, S. 9), daß es die beste kritische Morstadt’s sei, welche das größte Maß von dessen Vorzügen und das geringste von dessen Fehlern an sich trage. „Offenbar wollte durch diesen Commentar M. sich und Feuerbach ein Denkmal setzen, das bis auf die späteren Zeiten dauern sollte, mit solchem Ernst, Fleiß und Gründlichkeit ist er durchgeführt“. Außerdem hatte er Klüber’s Völkerrecht herausgegeben; und dazu kommt schließlich noch ein Commentar über Handelsrecht in Deutschland und Frankreich, I. Thl. 1849. Von seinen ausdrücklich polemischen Schriften erwähnen wir zuerst: „Vertheidigungen der Universitätsprofessoren gegen Dr. Diesterweg’s Schmähungen und Rezepte“, 1836. Sie ist die früheste, im Stil die glätteste und dem Ton nach die verständigste derartiger Schriften. Sie enthält auch manches Wahre und bildet gewissermaßen einen Commentar zu seinem eigenen Betragen, besonders in dem Abschnitt über die wechselseitige Haßträchtigkeit der Universitätsprosessoren (S. 27). Er betrachtet diese Untugend als eine allgemeine Erbsünde, welche durch alle möglichen Kunstmittel von Seiten der Regierungen geschürt werde, als da sind: „Zünftigkeitspatente, Gehaltszulagen, Ordenskreuze, Sinecurentitel“. Und er führt dann dafür, d. h. für sich, den Ausspruch des genialen Abbate Galiani an, der also lautet: „In der Philosophen Natur liegt es keineswegs, sich wechselseitig zu lieben. Die Adler fliegen nicht in Gesellschaft; dies bleibt den Rebhühnern und den Staaren überlassen. Voltaire hat nicht geliebt und ist von niemanden geliebt worden. Gefürchtet ist er, und hat seine Kralle; damit genug! Zu schweben über den Andern und Krallen zu haben, das ist das Loos der Großgeister“! – Seine bedeutendste polemische Schrift der Art ist zweifelsohne „Polemisch-humoristische Leuchtkugeln in das deutsche Privatfürstenrecht oder humoristische Bekämpfung von Heffter’s Irrlehren über Gewissensehe, heimliche Ehe und Mantelkindserbrecht“, 1847. Sie ist fleißig gearbeitet, gelehrt, scharfsinnig, dient einem guten Zweck und ist unsers Erachtens vollkommen siegreich. Doch sind die Bezeichnungen des Gegners als „Rabulist, Sykophant, Lügner“ u. s. w. anstößig. Er konnte dasselbe sagen und nachweisen, mit demselben Erfolge, ohne dergleichen Schimpfwörter zu gebrauchen und wäre dabei anständig geblieben. Jedoch, er hat das nicht gekonnt. Seine letzte Streitschrift „Inquisition auf den Rattenkönigspuck in Heidelberg“, 1849, ist die geringste von allen, wiewol sie damals unter den Studenten das größte Aufsehen machte. Sie ist durch einige Zeitungsartikel, „Aus Baden“, in der damaligen Deutschen Zeitung über die Universität, ihre Institute und Lehrer hervorgerufen und geht auf die Feststellung jenes Artikelschreibers in der Person des bekannten Litterarhistorikers G. G. Gervinus. Es hatten demselben, der damals wieder in H. lebte, Collegen und Freunde ihre Ansichten über Wünsche und Mißstände an der Universität mitgetheilt und er hat diese mit der Absicht auf Reform in freimüthiger Weise, vielleicht auch mit Rücksicht auf eine Curatorenstelle, veröffentlicht. Dabei hat er besonders Prof. M. schwer verletzt; da [339] er dessen Wirksamkeit für „schädlich und nicht zu wünschen“ hinstellte. Wenn das auch nur eine Wiederholung der alten internen Klage war, so war sie doch noch nicht in Zeitungen bekannt gemacht worden. M. sucht sich dann durch diese Kritik des Zeitungstextes und durch Schmähungen seiner Gegner zu vertheidigen. Man sieht aber, es fehlt ihm der rechte Schwung und der wahre Humor des sittlich Ueberlegenen. Wiewol Manches von Gervinus parteiisch, einseitig und unrichtig dargestellt wird, scheint er doch hie und da ins Schwarze getroffen zu haben. Trotz dieser Wahrheiten blieb das lesende Publicum in der Sache getheilt, und auch hier, wie immer, war nicht die geringste Zahl der studirenden Jugend auf Morstadt’s Seite. Doch, um zu schließen, dieser Mann, der sich so sehr als Satiriker gefiel und der, wie er wußte, keinen Freund unter seinen Collegen hatte, fühlte in geweihteren Stunden das innere Bedürfniß einer hehren Liebe. Sein Toast in der Freimaurerloge vom 9. März 1845 spricht es, wenn auch bombastisch, doch begeistert aus. Er singt dort:
Morstadt: K. Eduard M., Professor der Rechtswissenschaften und der Nationalökonomie in Heidelberg, wurde am 7. April 1792 in Karlsruhe geboren. Er war der Sohn des großherzoglichen Hoffouriers Georg Michael Morstadt und dessen Ehefrau Friederike Jakobine geb. Pastart daselbst, besuchte aller Wahrscheinlichkeit nach das Gymnasium der Residenzstadt vom Jahre 1803 bis 1809, worüber uns aber alle Nachrichten fehlen. Der junge Eduard muß sehr talentvoll gewesen sein, da er bereits mit 17 Jahren das Gymnasium absolvirte. Um Ostern 1809 bezog er die Universität zu Heidelberg und wurde dort am 27. April als studiosus iuris immatriculirt. Seine Confession war nach seiner Angabe lutherisch. Von Heidelberg begab er sich nach Freiburg und promovirte dort als Dr. iuris universi Ende August 1812. In seinem Diplom vom 29. August heißt es: er habe in reichem Maße gezeigt, daß er neben einem glücklichen Naturell ein scharfes und nicht gewöhnliches Urtheil habe und seine Gedanken andern mit Leichtigkeit mitzutheilen verstehe. Die These, worüber er mit allgemeiner Zustimmung disputirte, lautete: utrum iudex ex officio teneatur omissam a reo praescriptionis exceptionem supplere? Nachdem er sich darauf in Karlsruhe als Rechtsanwalt niedergelassen und, wie er selbst angiebt, eine Gelehrtenreise in Süddeutschland gemacht hatte, bewarb er sich 1815 um eine Privatdocentenstelle zu Heidelberg. Es wurde ihm seine Bitte von dem großherzoglichen Ministerium am 17. August 1815 zugestanden, jedoch mit der Auflage sich vorschriftsmäßig zu habilitiren. M. begann bereits im Herbst desselben Jahres seine Vorlesungen und als ihn die Facultät an die rückständige Habilitationsschrift mahnte, antwortete er am 1. April 1816, daß er wegen allzugroßer Geschäfte seiner Advocatur, welche er als Privatdocent beibehielt, und die er seines Unterhaltes wegen nicht aufgeben könne, wenig Zeit zu Ausarbeitung einer Abhandlung habe und deshalb um Dispens bitte, da er auch bereits in Freiburg disputirt habe. Durch Genehmigung der Juristenfacultät wurde ihm dann dieselbe erlassen. M. las gleich über verschiedene Rechtstheile, vornehmlich aber über Civilproceß. Schon am 5. Februar 1819 wurde er außerordentlicher Professor mit einem Gehalt von 300 Gulden aus Universitätsmitteln. Bald darauf gab er ein Heirathsgesuch ein, wie es damals allen Staatsdienern vorgeschrieben war, mit Wilhelmine Magdalene Piton, welches ihm das großherzogliche Ministerium bereitwillig genehmigte. AlsFortstrahle der Logos am Sternengezelt:
Der Seelen Umschlinger im Geiste!
Sein Nam’ blieb Geheimniß der betenden Welt,
Wie lang auch Saturn ihn umkreiste.
Doch flammet sein Sinnbild in Gloria-Roth:
„Die Lieb ist das Leben, und Irren der Tod!“