ADB:Philipp Christoph von Soetern
[51] in Speier. Wohl auf Veranlassung des Oheims besuchte der jüngere P. Chr. die Schule der Jesuiten in Trier. Er besaß ausgezeichnete Fähigkeiten, einen scharfen Verstand, leichtes Auffassungsvermögen und rastlosen Fleiß. Erfüllt außerdem von lebhaftem Ehrgeiz eignete er sich eine für seine Zeit nicht unbedeutende gelehrte Bildung an, so daß die Würde eines Magisters, die er erwarb, bei ihm kein leerer Titel war. Besonders werden seine Sprachkenntnisse hervorgehoben. Auch mit den Rechtswissenschaften befaßte er sich, und in beiden Rechten erlangte er gute Kenntnisse. Im Alter von 16 Jahren erhielt er 1584 ein Canonicat im Domcapitel zu Trier. Einige Jahre später wurde er Dechant des adligen Stiftes zu Bruchsal, dann Domherr zu Mainz, 1594 auch Domherr zu Speier. Am 2. October 1600 machte ihn das Trierer Domcapitel zum Chorbischof und verlieh ihm das Archidiaconat S. Petri. Hiermit aber war sein Verlangen nach einträglichen und ansehnlichen Kirchenämtern noch nicht erschöpft. Bereits 1595 hatte er Anstalten getroffen, die Propstei des S. Georgenstiftes in Limburg zu erhalten, die bei der Gebrechlichkeit ihres zeitigen Inhabers bald erledigt werden mußte. Als der Tod desselben im J. 1602 endlich eintrat, verlieh sie ihm zwar der damalige Kurfürst von Trier, Lothar v. Metternich, zu dessen Diöcese sie gehörte; allein, wie P. Chr., hatten auch andere nach derselben getrachtet, so der Domherr Hugo Kratz v. Scharffenstein und ein Neffe des Kurfürsten von Trier, Johann Wilhelm Hausmann v. Namedy, ein Zögling des Collegium Germanicum in Rom. Für jenen trat besonders der Mainzer Kurfürst Johann Schweikhard ein; dieser weilte in Rom, betrieb die Sache persönlich bei der Curie und wußte es durchzusetzen, daß der Papst ihm die Propstei verlieh, da behauptet wurde, daß die Vergabung dem letzteren zustand. So viel war indessen P. Chr. an der Pfründe gelegen, daß der Kurfürst von Trier seinen Neffen zum Verzicht auf dieselbe oder zu einem Tausche zu bewegen versuchte, ohne doch sein Ziel erreichen zu können. Es ist nicht ohne Interesse, die beiden Männer, die sich im späteren Leben als erbitterte Feinde gegenüber standen, schon früh in einem lebhaften Gegensatz zu sehen. Noch während die Verhandlungen im Gange waren, schien es, als ob das Decanat im Trierer Domcapitel erledigt werden würde. Lothar bot P. Chr. seine Unterstützung an, falls er sich um dasselbe bewerben wollte. Aber ehe die Erledigung wirklich eintrat, boten sich ihm verlockendere Aussichten. Der Dompropst Arnold v. Manderscheid trat in den weltlichen Stand zurück und verzichtete daher auf seine geistliche Würde. Sogleich richtete der Kurfürst auch für diese Stelle sein Augenmerk auf P. Chr., der selbst an allen entscheidenden Stellen seine Hebel ansetzte, um sich die Wahl nicht entgehen zu lassen. Ernsthafte Mitbewerber hatte er nicht, und so wurde er am 16. September 1604 einstimmig zum Dompropst gewählt. Im folgenden Jahre 1605 machte ihn das Mainzer Capitel zum Domscholaster. — Was wir von seiner öffentlichen Thätigkeit aus jener Zeit wissen, hängt wesentlich mit der Verwaltung und der Politik der geistlichen Stifter zusammen, deren Capiteln er angehörte. Er erwarb sich hierbei den Ruf eines bedeutenden, fähigen Kopfes, eines gewandten Unterhändlers und erregte die Aufmerksamkeit seiner Bischöfe so, daß sie ihn mehrfach mit diplomatischen Sendungen betrauten. Schon 1594 hatte der Trierer Kurfürst, Johann v. Schönberg, sich ihn als Begleiter zum Regensburger Reichstage vom Domcapitel ausgebeten, und der Bischof Eberhard von Speier machte ihn neben mehreren anderen bei derselben Gelegenheit zu seinem Vertreter. 1603 sandte ihn Lothar v. Metternich wiederum nach Regensburg, um die Bestätigung der Privilegien seines Erzstiftes nachzusuchen. In der Mitte des folgenden Jahres ging er im Auftrage der beiden Kurfürsten von Trier und Mainz nach Rom. Ein Empfehlungsschreiben Lothars an den Cardinal [52] Aldobrandino deutet darauf, daß ihm Aufträge von allgemeinerem politischen Interesse neben der Erledigung localer Geschäfte ertheilt wurden. Dem neugewählten Johann Schweikhard von Mainz erwirkte er die päpstliche Bestätigung und das Pallium. Für sich selbst aber suchte er auf Drängen des letzteren um ein Canonicat am Stifte S. Alban zu Mainz nach. Ein nicht zu unterschätzender Gewinn war es für ihn, daß er die Verhältnisse und Persönlichkeiten bei der Curie aus eigener Anschauung würdigen und die Mittel kennen lernte, durch die man dort am leichtesten seine Zwecke erreichte. Aber auch er wurde in den römischen Kreisen bekannt; man lernte dort seine Fähigkeiten und seinen Eifer für die Kirche schätzen. „P. Chr., schreibt ein Cardinal, erregte bei uns eine so hohe Meinung von seiner Tüchtigkeit und seiner Frömmigkeit, daß wir ihn jeder Würde für werth halten.“ Heimgekehrt tritt er dann öfter in Geschäften des Mainzer Erzstiftes auf, zu dessen Kurfürsten er in besonders nahen Beziehungen stand. Ihm erwirkte er 1605 in Prag vom Kaiser Rudolf II. die Belehnung mit den Regalien des Erzstiftes. Auch als der Kurfürst damals den Tod des jungen Grafen Johann Ludwig von Nassau zu benutzen trachtete, um die nassauischen Reichslehen, die Grafschaften Wiesbaden und Idstein, für Mainz zu erwerben und damit zugleich diese Gegenden dem evangelischen Bekenntniß zu entziehen, finden wir P. Chr. wieder als Unterhändler thätig, ohne daß es ihm geglückt wäre, die Angelegenheit nach dem Wunsche seines Auftraggebers zu erledigen. Fast unentbehrlich scheint er diesem bei den Reichsangelegenheiten gewesen zu sein. Als sein Vertreter nahm er an den Berathungen zu Fulda im August 1607 Theil, und wieder im Auftrage des Mainzers erschien er auf dem Reichstage zu Regensburg 1608. Auch der Kaiser betraute ihn neben anderen 1609 mit dem Auftrage, Zwistigkeiten zwischen dem Rathe und der Bürgerschaft von Köln beizulegen. In Sachen des jülich-clevischen Erbfolgestreites wurde er von den drei geistlichen Kurfürsten mit einer Sendung an den Erzherzog Leopold beauftragt (September 1609). Kaum hatte er diese erledigt, so führten ihn die Verhandlungen über den Abschluß der Liga zum zweiten Male nach Rom und später nach Prag, 1609-10. Genug, es gab keine wichtigere Frage des Reiches, an deren Lösung P. Chr. nicht rathend und fördernd Theil genommen hätte. Das Ansehen wie der Ruf, den er sich hierdurch erwarb, mußten dann wieder auf seine persönliche Stellung zurückwirken. Ein Mann von seinen Verdiensten war nicht zu umgehen, wenn eines der Bisthümer, denen er angehörte, zur Erledigung kam. Zuerst war dies bei Speier der Fall. Hier hatten ihn das Domcapitel und die Abgeordneten des dem Bisthum einverleibten Stiftes Weißenburg bereits am 30. Mai 1609 zum Coadjutor des kränklichen Bischofs Eberhard mit dem Rechte der Nachfolge gewählt. Konnte ihm damit Speier nicht entgehen, so befriedigte dies seinen Ehrgeiz doch keinswegs. Schon damals war offenbar sein Streben, eines der Erzstifter, Mainz oder Trier, und damit die Kurwürde zu erlangen. Um sich daher seinen Einfluß auf die Capitel beider Stifter zu sichern und nebenbei auch an seinen Einkünften keine Einbuße zu erleiden, wußte er es bei seiner Anwesenheit in Rom 1609 durchzusetzen, daß der Papst ihm gestattete, die übrigen geistlichen Würden, die er inne hatte, besonders die Trierer Dompropstei, während der Zeit der Coadjutorie und später nach Antritt seines bischöflichen Amtes noch drei Jahre hindurch zu behalten. Mochte die Dauer dieser Vergünstigung auch zeitlich beschränkt sein, so konnte er doch auf eine Verlängerung hoffen, wenn er bis dahin das Ziel seiner Wünsche nicht erreicht hatte. – Am 10. October 1610 starb Bischof Eberhard von Speier, und ohne weitere Schwierigkeiten nahm nun P. Chr. vom Bisthum wie von der Propstei des Stiftes Weißenburg Besitz. Er war damals noch Diacon; die bischöflichen Weihen ließ er sich erst am [53] 15. August 1612 ertheilen, nachdem er drei Tage zuvor die Priesterweihe empfangen hatte. Im Trierer Domcapitel nahm man Anstoß, daß er die Dompropstei nicht niederlegte, auf die der Dechant Hugo Kratz von Scharffenstein sich Hoffnung gemacht hatte. Allein als er die päpstliche Bulle, die ihm die Beibehaltung seiner Würden erlaubte, bekannt gab und außerdem bestimmt erklären ließ, daß er lieber auf das Bisthum, als auf die Dompropstei verzichten wollte, mußten die gegen ihn gerichteten Anfeindungen vorläufig verstummen. Inzwischen aber wußte sich der Domdechant aus der päpstlichen Kanzlei eine Bulle zu verschaffen, die ihm die Anwartschaft auf jene Würde gab. Als nun P. Chr. nach Ablauf von drei Jahren keine Miene machte, auf dieselbe zu verzichten, erneuerte Kratz von Scharffenstein 1614 seinen Versuch, ihn daraus zu verdrängen. Aber auch diesmal wußte es P. Chr. mit Hülfe einflußreicher Verbindungen durchzusetzen, daß der Papst die Provisionsbulle suspendirte und ihm die fernere Beibehaltung seiner kirchlichen Beneficien gestattete. – Als er sein bischöfliches Amt antrat, erhofften die Unterthanen des Speirer Bisthums von ihm ein mildes und friedliches Regiment, und die protestantischen Nachbarn, denen er seine Wahl anzeigte, gaben dem Vertrauen Ausdruck, er werde die Eintracht und Ruhe im Reiche befördern helfen. Andere dagegen erwarteten von ihm ein kräftiges Eingreifen zu Gunsten des bedrängten Katholicismus. Nur diese behielten zunächst Recht. Denn weder die Zeit noch die Person des Bischofs war für ein friedliches Regiment geeignet. Im Reich standen sich die beiden Religionsparteien, seit sie sich in Union und Liga feste Organisationen geschaffen, drohender denn je gegenüber, und der streitigen Fragen, an denen sich die Gegensätze entzünden konnten, waren genug vorhanden. Besondere Schwierigkeiten bot das Speirer Bisthum. Fast rings umschlossen von kurpfälzischem Gebiet war dasselbe auf ein freundnachbarliches Verhältniß zum Kurfürsten von der Pfalz angewiesen, der auf Grund alter Verträge hier eine Art Schutzherrlichkeit in Anspruch nahm. Bei der sehr ausgesprochenen Stellung aber, die sowol der damalige Kurfürst als Haupt der Union, wie der Bischof als Mitglied der Liga einnahmen, war es nicht immer leicht ein solches Verhältniß aufrecht zu erhalten. Eben damals schwebte wieder ein Streit, welcher durch die Besetzung der vor langer Zeit dem Bisthum verpfändeten Kastenvogteien Odenheim und Waibstadt seitens des Kurfürsten hervorgerufen war. Dazu kam, daß die Speierer Kirche in der Pfalz Gefälle und Renten besaß, die ebenfalls leicht Anlaß zu Streitigkeiten bieten konnten. Auch die inneren Zustände des Bisthums waren nicht minder schwierig. Durch unwirthschaftliche Verwaltung seines Vorgängers war dasselbe arg verschuldet, so daß ungewöhnliche Steuern den Unterthanen auferlegt werden mußten, die durch Einlagerung fremder Kriegsvölker ohnehin schwer zu leiden hatten. Militärisch war es wehrlos; es besaß keinen einzigen leidlich befestigten Ort. Die Geistlichkeit war verwahrlost, der Unterricht lag darnieder, die bischöfliche Pfalz in Speier bedurfte des Neubaues. Mit Kraft und Umsicht ging jetzt P. Chr. an die Beseitigung dieser Uebelstände. Die Verwaltung wurde sparsamer; zahlreiche Höfe, die bisher in eigene Bewirthschaftung genommen, wurden einträglich verpachtet, die Bauten an Schlössern und Burgen, die unter seinem Vorgänger große Summen verschlungen hatten, eingestellt, nur die bischöfliche Pfalz in Speier ausgebaut. Die Klöster unterzog P. Chr. einer Untersuchung. Der Geistlichkeit schärfte er ausdrücklich sittliche Besserung ihres oft zügellosen Lebens ein und, wo es Noth that, trat er mit Strenge ungehorsamen Priestern und Stiftsherrn entgegen. Eifrig förderte er die Jesuiten, die den Unterricht am Alumnate in Speier leiteten; nicht minder suchte er den niederen Unterricht zu heben. In Udenheim stiftete er ein Hospital zur Pflege von Kranken und zur Aufnahme hülfsbedürftiger Greise. Die dem Wohlstand [54] der Unterthanen äußerst verderblichen Einlagerungen fremder Truppen, von denen das Bisthum gerade im Anfang seiner Regierung heimgesucht wurde, suchte er möglichst zu mildern. Auch nach außen trat er mit Nachdruck und Glück auf. Vor allem war es sein Bemühen, die von dem pfälzischen Kurfürsten Friedrich IV. der Speierer Kirche entzogenen Kastenvogteien zurückzuerwerben. Unablässig waren seine Bitten um Hülfe beim Kaiser, bei der Liga, beim Papst, bis es ihm gelang, Kurpfalz zu bewegen, die Entscheidung der Frage zwei Vertrauensmännern, dem Kurfürsten von Mainz und dem Fürsten Christian von Anhalt, zu übertragen, durch deren Vermittelung das Bisthum 1615 die beiden Vogteien zurückerhielt. Nicht minder energisch nahm er sich der zu seinem Sprengel gehörigen Katholiken in der Reichsstadt Weil an, wo der Rath den Protestanten die Ausübung ihrer Religion verbieten wollte und dafür manchen Belästigungen durch den von letzteren herbeigerufenen Herzog von Württemberg ausgesetzt war. Eine Hauptsorge aber ließ er sich sein, dem Bisthum in militärischer Beziehung einen Rückhalt zu verschaffen, um es bei seiner offenen, ausgesetzten Lage nicht allen Zufällen unruhiger Zeiten zu überlassen. Schon als Coadjutor hatte er sich bemüht, die Wehrverfassung zu bessern. Als Bischof fuhr er damit fort, bestellte Officiere, ließ durch diese die Landmilizen einüben und ging nun auch daran, seine Residenzstadt Udenheim am rechten Rheinufer zu einer Festung umzugestalten. Mochte dieser Bau zunächst wol auch nur zu Vertheidigungszwecken bestimmt sein, so war doch nicht zu leugnen, daß er für die protestantischen Nachbarn eine Gefahr bildete, die um so bedrohlicher werden mußte, wenn sich hier eine größere katholische Macht festsetzte. Mit Mißtrauen betrachteten die Protestanten daher die Vorbereitungen, und als die Absicht immer deutlicher wurde, erhoben Kurpfalz und die Stadt Speier, die sich am meisten bedroht fühlten, bei P. Chr. 1617 Vorstellungen, durch die sich dieser aber nicht abbringen ließ. Neue Beschwerden hatten keinen besseren Erfolg. Daher brachte der Kurfürst Friedrich V. den Bau bei der Union zur Sprache. Fürst Christian von Anhalt wurde abgesandt, die Werke in Augenschein zu nehmen und über eine Einschränkung des Baues zu verhandeln. P. Chr. ging nunmehr 1618 einen Vertrag ein, der die Ausdehnung der Werke und die Art ihrer Anlage vorschrieb, ließ aber nichtsdestoweniger nach dem ursprünglichen Plane weiterbauen. Die Unirten erkannten endlich, daß auf friedlichem Wege nichts zu erreichen wäre, und entschlossen sich daher zum gewaltsamen Vorgehen. Am 25. Juni 1618 erschienen pfälzische und badische Völker vor Udenheim, erzwangen sich Einlaß und zerstörten die Werke vollständig. P. Chr. konnte an Widerstand nicht denken, sondern beschränkte sich darauf, als der Kurfürst sein Vorgehen in einer Denkschrift vertheidigte, seinerseits eine öffentliche Erwiderung hierauf ausgehen zu lassen. – Auch mit den Reichsangelegenheiten blieb er während dieser Zeit in stetem Zusammenhange. So beauftragte ihn Kaiser Mathias 1617, die rheinischen Kurfürsten für eine Berathung über die Wahl seines Nachfolgers zu gewinnen, was ihm bei Mainz, Trier und Köln bald gelang. Nur Friedrich V. von der Pfalz, mit dem P. Chr. deswegen eine persönliche Begegnung in Aschaffenburg hatte, erhob Bedenken, ohne sich indessen ablehnend zu verhalten. Mathias wie sein Minister Klesl zeigten sich von diesem Erfolge befriedigt, selbst der Papst beglückwünschte ihn, wie zu einem wichtigen Ereigniß. An der Berathung sollte er auf dringenden Wunsch des Kaisers ebenfalls Theil nehmen; aber ehe dieselbe eröffnet werden konnte, traten jene Vorgänge in Böhmen ein, die das Vorspiel zum dreißigjährigen Kriege bildeten, und die bald alle anderen Interessen in den Hintergrund drängten. Die Böhmen erhoben sich gegen Mathias und dessen Nachfolger Ferdinand II., sie fanden die Unterstützung der Union, die ihnen den Grafen von Mansfeld zu Hülfe sandte, und wählten endlich den [55] Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz zu ihrem Könige, dessen Herrschaft aber in Folge der Schlacht am weißen Berge ein jähes Ende fand. Er wurde zur Flucht genöthigt und mußte auch seine pfälzischen Erblande den Bundesgenossen des Kaisers, der Liga und den Spaniern, überlassen. Es konnte nicht ausbleiben, daß das Bisthum Speier, der nächste Nachbar von Kurpfalz, unter diesen Ereignissen zu leiden hatte. Nicht bloß, daß es größere Geldsummen für die Kriegführung der Liga aufbringen mußte, es wurde auch unmittelbar vom Kriege berührt. Kurfürstliche Völker fielen 1621 plündernd in die Stiftslande ein; ihnen folgten die in die Pfalz einbrechenden Spanier unter Spinola, die dem Bisthum nicht geringeren Schaden verursachten. Noch schlimmer aber wurde es, als im Herbst 1621 Ernst v. Mansfeld auf dem Rückzuge aus Böhmen am Rhein anlangte und hier seine verheerenden Züge begann, die gerade Speier besonders schädigten. P. Chr.’s Macht war viel zu gering, als daß er Widerstand hätte leisten können. Er zog sich nach Udenheim zurück, das er flüchtig befestigen ließ, sammelte hier einige Truppen und beschränkte sich auf gelegentliche Ausfälle gegen die Mansfelder. Erst als Friedrich V. nach den unglücklichen Kämpfen bei Wimpfen und Höchst 1622 seine Kriegsmacht entließ, und das spanisch-ligistische Heer unter Tilly und Cordoba siegreich vordrang, wurde auch P. Chr. wieder Herr seines Bisthums. Sofort machte er sich die durch die Siege der katholischen Mächte geschaffene günstige Lage in doppelter Weise zu nutze. Er begann zunächst seinen alten Plan, die Befestigung Udenheims, von neuem auszuführen, diesmal ungestört von Kurpfalz und Speier; so eifrig wurde der Bau gefördert, daß er schon im Frühjahr 1623 vollendet stand. Die Festung war des Bischofs eigenstes, seinen Feinden zum Trotz durchgesetztes Werk; sie sollte das auch durch ihren Namen bekunden. Am 1. Mai 1623 weihte er sie seinem eigenen Schutzpatron und nannte sie fortan Philippsburg. Dann aber suchte er in der von Tilly und den Spaniern besetzten Pfalz eine Reihe geistlicher Güter, Klöster, Gefälle und Renten an sich zu ziehen, die früher zu seinem Bisthum gehört, nach dem Passauer Vertrage aber an Kurpfalz gekommen waren. Ohne die kaiserliche Genehmigung abzuwarten, bemächtigte er sich derselben; nur in den von den Spaniern besetzten Aemtern vermochte er seine Absicht nicht durchzuführen. Vergeblich waren seine Unterhandlungen mit Spinola und der Infantin in Brüssel, vergeblich auch seine ungestüme Drohung, sich an den König von Spanien unmittelbar wenden zu wollen. Die Infantin schlug ihm die Aushändigung dieser Güter bis zur Erledigung der Pfälzer Angelegenheit endgültig ab. Daß er da, wo er freie Hand behielt, bemüht war, jede Spur des Calvinismus zu vertilgen, versteht sich von selbst. Alle calvinistischen Beamten wurden entfernt, überall der katholische Gottesdienst wieder eingeführt, Jesuiten und Capuziner berufen, die Gegenreformation einzuleiten. – Um diese Zeit trat der Fall ein, auf den P. Chr. seit langem gerechnet, und für den er Vorsorge getroffen hatte. Durch den Tod Lothars v. Metternich wurde das Trierer Kurfürstenthum erledigt. Seinem Ehrgeiz eröffnete sich damit die Aussicht, eine der höchsten Würden des Reichs zu erlangen. Unter den Domcapitularen befand sich keiner, der an Befähigung, Vertrautheit mit den Geschäften und an einflußreichen Verbindungen sich mit ihm vergleichen konnte. Es schien daher nicht zweifelhaft, wer zum Nachfolger zu wählen wäre. Indessen besaß P. Chr. Gegner im Capitel, von denen mancher ihm die Wahl streitig zu machen suchte. Schon in den letzten Tagen Lothars traten die Gegensätze so offen zu Tage, daß Johann Schweikhard von Mainz sich veranlaßt sah, die Domherrn zu mahnen, ihre Zwistigkeiten aufzugeben, und entschlossen war, selbst nach Trier zu kommen, um Rücksprache mit ihnen zu nehmen. Es gelang aber, die Einigkeit herzustellen, und als am 25. September 1623 das Capitel zusammentrat, wurde P. Chr. einmüthig zum [56] Erzbischofe und Kurfürsten erwählt. Als solcher erhielt er am 25. November die päpstliche Bestätigung. Er war kein Jüngling mehr, als er den erzbischöflichen Stuhl bestieg. Er zählte fast 56 Jahre; aber nur das kahle Haupt und das leicht ergraute Haar verriethen sein Alter. Körper und Geist waren noch ungebrochen. Er erfreute sich einer so ausgezeichneten Gesundheit, daß er bis dahin fast nie des Arztes bedurft hatte. Sein Aeußeres ließ auf einen hervorragenden Mann schließen; doch hatte es nichts anziehendes, sondern stieß eher ab. Er war groß, von schlankem Körperbau, hatte ein hageres Gesicht, das Kinn und die Lippen von spärlichem Bartwuchs bedeckt. Die hohe Stirn deutete auf Geist, aber die tief zurückliegenden, unruhig funkelnden Augen verliehen ihm einen drohenden, unheimlichen Ausdruck. Man hörte ihn lieber, als daß man ihn sah. Seine Rede hatte etwas feierliches, pomphaftes. Er besaß ein lebhaftes, leidenschaftliches Temperament, eine leicht erregbare, nervöse Natur, die jedoch mit einer oft zum Eigensinn ausartenden Hartnäckigkeit an einmal gefaßten Entschlüssen festhielt. Obgleich rein in seinen Sitten und nach den Vorschriften seiner Kirche lebend, war er doch ohne Bedenklichkeiten, wo sein Vortheil es erheischte, voll Eigennutz und Selbstsucht, dabei aber thätig, energisch, scharfblickend. Trotz gelehrter Erziehung blieb er ausschließlich nur dem öffentlichen Leben zugewandt. Seine politische Thätigkeit erfüllte ihn ganz. Er war ein eifriger Sohn seiner Kirche und lebhaft betheiligt an der Restaurationspolitik des Katholicismus in den ersten Jahren des dreißigjährigen Krieges. So war er zur Leitung des Trierer Kurfürstenthums in vieler Beziehung trefflich geeignet; doch lagen in seinem Charakter Elemente, die starke Conflikte hervorrufen konnten, sobald sie auf Widerstand stießen; und wenn thatsächlich das Land unter seiner Regierung den größten Erschütterungen ausgesetzt gewesen ist, kann er von der Schuld nicht freigesprochen werden, sie mitveranlaßt zu haben. – Beim Antritt seiner Herrschaft wurde der Krieg zwischen den beiden Religionsparteien in Deutschland bereits mehrere Jahre hindurch geführt. Das Erzstift Trier war daran nur insoweit betheiligt, als die Unterthanen von Durchmärschen der Kriegführenden zu leiden hatten und Steuern für die Liga aufbringen mußten, auf deren Schutz sie allein angewiesen waren. Doch besaß der Kurstaat seiner Lage wegen eine Wichtigkeit, die es zweifelhaft machte, ob er nicht tiefer in die Kriegsereignisse verwickelt werden würde. An Luxemburg und Lothringen angrenzend und zu beiden Seiten der Mosel bis zum Rhein und über denselben hinaus sich erstreckend bildete er die beste Verbindung von den spanischen Niederlanden nach dem mittleren Rhein, war also dadurch namentlich für die österreichisch-spanische Politik von hohen Werth. Außerdem besaß er in dem Ehrenbreitstein einen für militärische Unternehmungen im Gebiete des Mittelrheins sehr geeigneten Stützpunkt. Freilich war die Festung verfallen und des Ausbaues bedürftig, wie denn für die Vertheidigung des Staates in keiner Weise gesorgt war. P. Chr.’s Plan war es daher, sich und seinem Lande Sicherheit und Selbständigkeit zu verschaffen. Dazu war er entschlossen, die katholische Restaurationspolitik, die er in der Speierer Diöcese befolgt, und die ihm lebhafte Anerkennung beim Papste eingetragen, auch im Erzstifte fortzusetzen. Hierfür bedurfte er beträchtlicher Geldmittel. Nun waren nicht nur die kurfürstlichen Kassen leer, sondern das Erzstift durch seinen Vorgänger mit Schulden überlastet. Er wandte sich daher noch im J. 1623 an die trierischen Landstände mit der Forderung einer Umlage. Die Stände gingen sofort darauf ein und bewilligten ihm 100 000 Reichsthaler und 6000 Thaler zu Legationszwecken, die zusammen im Laufe der nächsten sechs Jahre erhoben werden sollten. Zugleich bot sich ihm bald nach Antritt seiner Regierung eine andere Gelegenheit, seine Einkünfte zu mehren. Der Abt des Klosters S. Maximin bei Trier, Peter [57] v. Freudenberg, starb nämlich am 21. October 1623. Die Mönche befürchteten für diesen Fall einen Eingriff in ihre Wahlfreiheit von Seiten des Erzstiftes, mit dem sie seit Jahrhunderten wegen ihrer Reichsunmittelbarkeit im Streite lagen, und hatten darum schon 1622 vom Könige von Spanien, der für den Obervogt der Abtei galt, einen Schutzbrief mit dem Versprechen erhalten, ihnen die freie Abtswahl sichern zu wollen. Um jedem Einspruche zuvorzukommen, wählten sie gleich nach dem Tode des Abtes Peter, ohne sich mit jemandem darüber in Verbindung zu setzen, einen Nachfolger in der Person eines ihrer Klosterbrüder, Agritius Recking. Als sie jedoch in Rom um die Bestätigung des Gewählten einkamen, erklärte der Papst die Wahl für unkanonisch, cassirte sie und übertrug die Abtei als Commende dem neu gewählten Dompropste von Trier, Joh. Wilhelm Hausmann v. Namedy, der sich eben damals in Rom aufhielt, um für P. Chr. das Pallium zu erwirken. Hausmann erkannte indessen bald, daß er nicht im Stande sein würde, die Abtei gegen den Widerstand zu behaupten, der von Luxemburg aus erwartet werden mußte. Er trat sie daher an P. Chr. ab, und Papst Urban VIII. bestätigte letzterem den Besitz auf Lebenszeit mit der Bestimmung, daß zwei Drittel der Einkünfte, welche im ganzen auf 6000 Ducaten Gold berechnet wurden, dem Kurfürsten, ein Drittel hingegen zum Unterhalt der Mönche verbleiben sollten. Damit war der alte Streit über die Reichsunmittelbarkeit der Abtei, um die es sich im letzten Grunde auch hier handelte, von neuem angerührt. Denn die Mönche beruhigten sich bei der päpstlichen Entscheidung nicht, trugen ihrerseits die Sache dem Papste vor und wandten sich gleichzeitig an den Kaiser, wie an den König von Spanien. Die letzteren versuchten P. Chr. zum Verzicht zu bewegen. Doch dieser verschaffte sich eine neue Bestätigungsbulle und ließ am 4. April 1625 von der Abtei Besitz ergreifen. Indem er gleichzeitig von ihr Steuern einforderte, zeigte er, daß er sie als ein dem Erzstift unterworfenes Kloster betrachtete. Die Mönche klagten auch diesen Fall dem Kaiser und dem Reichshofrath. Sie erreichten damit wenigstens so viel, daß der Kaiser die Besitzergreifung für rechtsungültig erklärte, bis der beim Reichshofrath eingeleitete Proceß entschieden sein würde. Wirksamer nahmen sich die Spanier der Abtei an. Spanische Truppen lagerten sich im oberen Erzstift ein und besetzten eine Reihe von Plätzen; gleichzeitig sperrte die luxemburger Regierung dem Kurfürsten und dem Domcapitel deren Renten aus dem Herzogthum. Dies veranlaßte P. Chr. scheinbar einzulenken; er leistete am 10. November 1625 zu Gunsten des päpstlichen Stuhles auf die Abtei Verzicht. Der Entschluß soll namentlich durch den päpstlichen Legaten Caraffa mitveranlaßt worden sein, der befürchtete, daß P. Chr., von den Spaniern gedrängt, französische Hülfe suchen und dadurch Anlaß zu einem spanisch-französischen Kriege geben könnte. Kaum hatte aber P. Chr. den Verzicht ausgesprochen, so widerrief er ihn, weil er erpreßt und von der Curie gemißbilligt sei. Allein ein Urtheil des Reichshofrathes vom 3. August 1626 sprach ihm das Recht ab, von der Abtei Steuern zu erheben, und kurze Zeit darauf, am 10. October, bestätigte Ferdinand II. dem Kloster die freie Abtswahl, erkannte Agritius als rechtmäßigen Abt an und ermächtigte u. a. auch den König von Spanien als Herzog von Luxemburg und Vogt des Klosters, dasselbe vor allen Belästigungen zu schützen. Der Sieg der Abtei war vollständig; doch um so hartnäckiger bestand jetzt P. Chr. auf seinem Vorhaben. Klagend wandte er sich an den Papst, dessen Verfügungen durch den Ausspruch des Kaisers mitbetroffen wurden. Nun bewegte sich die allgemeine Politik Urbans VIII. eben damals in einer dem spanisch-österreichischen Interesse entgegengesetzten, an Frankreich sich anlehnenden Richtung. Kein Wunder daher, daß man sich von Rom aus Ph. Christophs annahm, ohne jedoch viel auszurichten. Gegen das Urtheil des Reichshofrathes rief der Kurfürst [58] das Kammergericht an, das schon früher ein den Ansprüchen des Erzstiftes günstiges Urtheil über die Reichsunmittelbarkeit der Abtei abgegeben hatte. Die Entscheidung desselben erfolgte aber erst nach Verlauf mehrer Jahre. – Während so P. Chr. in einen langwierigen Streit mit den Mönchen von S. Maximin verwickelt war, hatte er inzwischen mit Glück versucht, der Trierer Kirche eine Reihe von Besitzungen zurückzuerwerben, die ihr abhanden gekommen, und in denen der Protestantismus Boden gewonnen hatte. So löste er 1624 die seit langer Zeit an Hessen verpfändete Stadt und Herrschaft Limburg wieder aus, 1629 ebenso die Herrschaft Bliescastel von dem Fürsten von Nassau-Saarbrücken. Im J. 1626 erwirkte er einen Spruch des Reichskammergerichtes, durch welchen dem Erzstifte die Herrschaft Freusburg wieder zuerkannt wurde, die als trierisches Lehen den Grafen zu Sayn gehörte und nach dem Aussterben der älteren Linie dieses Geschlechtes vom Kurfürsten Lothar vergeblich zurückgefordert worden war. In allen diesen Gebieten wurde unter Mitwirkung namentlich von Jesuiten der Katholicismus trotz lebhaften Widerstandes der Bewohner wieder hergestellt. – Gleich nach Antritt seiner Regierung sorgte er auch für die Vertheidigung des Kurstaates. Zu diesem Zweck warb er einige Truppen und begann 1624 mit dem Ausbau des Ehrenbreitsteins. Im Schutze dieser Feste ließ er einen größeren Schloßbau aufführen, der ihm zum Aufenthalte dienen sollte, so oft er seine Residenz im niederen Erzstifte nahm, und dem er nach seiner Vollendung 1632 den Namen Philippsburg gab. Auch setzte er den von seinem Vorgänger angefangenen Umbau des Schlosses in Trier fort und vergrößerte dasselbe durch Anbau eines nördlichen und eines westlichen Flügels. Zur Ausführung aller dieser Unternehmungen bedurfte er fortwährend größerer Geldmittel, deren Beschaffung er von seinen Unterthanen forderte. Hierbei gerieth er in einen Streit mit seinen Ständen, der Jahre hindurch dauerte, und der ihn schließlich immer mehr zu einer dem Reich und der Nation feindlichen Politik drängte. Die Bewilligung der Stände vom J. 1623 hatte nur kurze Zeit ausgereicht. Er berief daher 1625 einen zweiten Landtag, der erst in Trier, später in Coblenz zusammentrat, und forderte auf demselben neue Summen, die unter anderen durch eine Steuer vom Verkauf von Wein aufgebracht werden sollten. Die Stände weigerten sich mit Rücksicht auf die bereits früher erfolgte Bewilligung, und weil sie die Ausgaben für unnöthig erachteten. Die Geistlichkeit des oberen Erzstiftes verließ sogar den Landtag, um den vom Kurfürsten am 7. August vorgelegten Abschied nicht unterschreiben zu müssen, wurde aber durch Militär zurückgebracht und sah sich mit den übrigen Ständen zur Annahme des Abschieds gewaltsam gezwungen. Das Domcapitel mißbilligte dieses Vorgehen, doch ließ sich P. Chr. nicht abhalten, die Steuer einzufordern. Hierzu berief er im Anfange des J. 1627 einen Ausschußtag nach Coblenz, um die Vertheilung und die Art der Umlage beschließen zu lassen. Auf demselben kam es zwischen dem geistlichen und weltlichen Stande zu erbitterten Streitigkeiten, indem ersterer sich weigerte, die ihm zugemuthete Aufbringung eines Fünftels der Steuer zu übernehmen. Nur in der einen Forderung waren beide Stände einig, daß die bisher steuerfreie Ritterschaft des Erzstiftes zur Zahlung von Steuern verpflichtet werden sollte. Mochte der Kurfürst schon durch diesen Verlauf der Verhandlungen gereizt sein, so stieg seine Erbitterung, als der weltliche Stand ihm am 13. Februar eine Reihe von Beschwerden vorlegte, die sich gegen ihn selbst richteten. Er forderte darin Entlassung des Kriegsvolkes, Abschaffung der übermäßigen Frohnden zu den Schloßbauten, ferner Abschaffung des kurfürstlichen Monopols für den Weinhandel in einigen Aemtern und Betheiligung an den Lasten für die Liga. P. Chr. antwortete, indem er in einem Receß vom 17. Febr. das Recht in Anspruch nahm, die Vertheilung der Steuern, den sogen. Quotationsmodus, selbst zu bestimmen, und indem er das geforderte Steuersimplum auf das dreifache erhöhte. Die [59] Beschwerden des weltlichen Standes, in denen er eine offene Auflehnung sah, verwarf er rundweg. Unter solchen Umständen beschloß der letztere, sowol gegen den geistlichen Mitstand, wie gegen den Kurfürsten an den Reichshofrath Berufung einzulegen und beauftragte damit die beiden Directorialstädte Coblenz und Trier. Der Zorn P. Christophs stieg durch diesen Beschluß begreiflicherweise nur um so mehr. Um jeden Preis suchte er die Zurücknahme der Berufung durchzusetzen und die Anerkennung der von ihm erlassenen Quotationsordnung zu erzwingen. Er berief daher die Vertreter der kleineren Städte und des Landes zu Sonderberathungen und ließ erstere außerdem durch seine Beamten bearbeiten, wobei es nicht immer ohne Anwendung von Gewalt abgegangen sein soll. Dadurch erreichte er hier seine Absicht vollständig. Gleichzeitig ging er gegen Coblenz vor, verlangte Zahlung der Steuern und Anerkennung der Quotationsordnung. Durch 200 der Stadt aufgezwungene, bei den Bürgern einquartirte Soldaten wußte er diesem Verlangen größeren Nachdruck zu geben, so daß endlich nichts anderes übrig blieb, als in die Zahlung zu willigen und die Quotation wenigstens unter Vorbehalt anzuerkennen. Doch P. Chr. wollte das Eisen noch weiter schmieden. Er verlangte Verzicht auf die Berufung an den Reichshofrath und Aenderung der Stadtverfassung in dem Sinne, daß ihm die Oberaufsicht über die Beschlüsse des Rathes zugestanden werden sollte. Dazu aber ließ sich die Stadt nicht bewegen trotz der Bedrückungen, die der Rath von der kurfürstlichen Soldatesca zu erdulden hatte. Noch einen Schritt weiter ging P. Chr. Um den Ständen die Mittel zu entziehen, die Berufung beim Reichshofrathe zu betreiben, verbot er den Generaleinnehmern der Landschaft, Gelder aus den ständischen Kassen an die Städte zu zahlen. Auch untersagte er jeden Ausschußtag und jede Privatversammlung der Stände. Dem gegenüber erneuerten diese ihre Klagen beim Reichshofrath und baten um Einleitung des Processes. Bevor aber der Kaiser Schritte that, versuchte der Kurfürst auch die Stadt Trier, die allein die Steuer noch nicht gezahlt hatte, zur Bewilligung derselben und zur Anerkennung der Quotation zu zwingen. Obwol er es auch hier an Gewaltthätigkeiten nicht fehlen ließ, die städtischen Abgeordneten zu einem von ihm berufenen Ausschußtage in Wittlich 1628 gefangen setzte und eine Reihe von Rathsmitgliedern aus ihren Aemtern entfernte, beharrte die Stadt bei ihrer Weigerung. Sie hoffte auf das Einschreiten des Kaisers. Zwar ernannte letzterer Commissare zur Untersuchung der ständischen Klagen; sie wagten aber nichts ernstliches zu unternehmen. Der Kurfürst ließ sich weder durch sie, noch auch durch Mandate des Kaisers beirren. Bedenklich erschien ihm nur, als sich die Stadt Trier auch an die spanische Regierung in Luxemburg um Schutz wandte. Indem sie sich nämlich eines alten Vertrages zwischen ihr und dem Grafen von Luxemburg aus dem J. 1302 erinnerte, leitete sie daraus eine Art Schutzherrlichkeit des Königs von Spanien ab. In Luxemburg aber, wie in Brüssel wußte man die Bedeutung der wichtigen Moselstadt für das spanische Interesse wol zu würdigen. Da man fürchtete, daß die Stadt, falls sie keine Hülfe erhielt, sich an den König von Frankreich wenden könnte, war man geneigt, sie im Nothfall zu unterstützen. Schon im April 1629 argwöhnte P. Chr., daß die Spanier eine militärische Besetzung Triers planten. Auch er sah sich daher nach auswärtigem Schutze um, den nach Lage der Verhältnisse nur Frankreich bieten konnte. Seit einiger Zeit stand er mit diesem Staate in Verbindung und erhielt, wenn man der Angabe eines französischen Schriftstellers glauben darf, schon seit 1627 von ihm eine Pension. Im August 1629 drangen Gerüchte von Verhandlungen in die Oeffentlichkeit; doch widersprach er denselben mit aller Entschiedenheit. Unter solchen Umständen bedarf es noch der Aufklärung, daß Kaiser Ferdinand, der sich bereits mehrfach für die Stände verwandt hatte, nunmehr [60] an diese die Aufforderung richtete, die verlangten Steuern wenigstens provisorisch nach der Quotationsordnung zu zahlen, und dem Kurfürsten die Erhebung einer neuen Weinsteuer gestattete. Trier verweigerte indessen auch diese und erschöpfte damit die Geduld P. Christophs vollständig. In der Furcht vor einem Handstreiche der Spanier hatte er ligistische Truppen ins Land gerufen und mit ihnen die Städte besetzt. Auch Trier sollte eine Garnison aufnehmen. Als sich die Stadt, geschreckt durch das Beispiel von Coblenz, dessen weigerte, ließ er sie einschließen und belagern. Jetzt aber sandte die luxemburger Regierung die verheißene Hülfe und besetzte ihrerseits Anfang März 1630 die hart bedrängte Stadt. – Inzwischen hatte der Kaiser die Kurfürsten von Mainz und Baiern zu Commissaren in dem Streit der kurtrierischen Stände ernannt, deren Delegirte in Bingen zusammentraten. Während P. Chr. hier starr an seinen Forderungen festhielt, kam wenigstens zwischen dem weltlichen und geistlichen Stande eine Einigung über die Vertheilung der Steuern dahin zu Stande, daß die Geistlichkeit zwei Elftel anstatt eines Fünftel zu zahlen übernahm. Die Delegirten erkannten an, daß die Quotation und die Verwaltung der ständischen Kassen den Ständen, nicht aber dem Kurfürsten gebühre. Ihrem Urtheile schlossen sich auch die beiden Kurfürsten in dem Gutachten an den Kaiser an. Sie billigten darin ausdrücklich die Besetzung Triers durch die Spanier und beantragten, P. Chr. die fernere Belästigung der unbillig beschwerten Unterthanen zu untersagen. Der Kaiser hätte am liebsten eine gegenseitige Verständigung gesehen und zögerte, dem Gutachten Rechtskraft zu geben. Ein günstigeres Urtheil erzielte der Kurfürst damals in seinem Streit mit S. Maximin. Das Reichskammergericht, an welches vom Reichshofrath die Entscheidung verwiesen war, erkannte am 23. Juli 1630 der Abtei die Reichsunmittelbarkeit ab und unterwarf sie dem Erzstift, wogegen die Mönche freilich sofort wieder Protest erhoben. – Während des Streites mit dem Kloster und mit den Ständen war P. Chr. auch mit seinem Domcapitel mehr und mehr zerfallen. Wir erinnern uns, daß er hier vor seiner Wahl bereits Gegner hatte, und es ist wahrscheinlich, daß der Widerstand von den Verwandten seines Vorgängers ausgegangen ist. JedenfallS verfeindete er sich mit diesen bald darauf, als er eine seinem Vorgänger von der Gräfin Goedeke zu Sayn hinterlassene, ansehnliche Erbschaft mit Beschlag belegte, indem er behauptete, daß dieselbe Lothar v. Metternich als Kurfürsten, nicht aber für seine Person zuerkannt sei, daß sie also dem Erzstifte angehöre. Die Sache machte großes Aufsehen. Die Metternich’schen Erben, die Trierer Domherrn Karl und Emmerich v. Metternich und der Mainzer Domcantor Joh. Reinhard v. Metternich wandten sich an den Kaiser, der 1628 den Landgrafen von Hessen und den Kurfürsten von Köln mit der Untersuchung der Sache betraute. Obwol die Commissare die Aufhebung des Arrestes beantragten, fügte sich der Kurfürst nicht nur nicht, sondern suspendirte die Trierer Domcapitulare wegen eines an das Capitel gerichteten Schreibens, in dem er Beleidigungen fand. Das Verfahren gegen die Metterniche fand beim Capitel ebensowenig Beifall wie das gegen die Stände, woraus auch kein Hehl gemacht wurde. Der Kurfürst gewann daher mehr und mehr die Ueberzeugung, daß es hier eine ihm feindlich gesinnte, mit seinen Gegnern verbundene Partei gäbe. Um nun die einzelnen Capitulare zu einer klaren Stellungnahme zu bewegen und zugleich die Möglichkeit zu haben, gegen Widerspenstige einzuschreiten, berief er im Januar 1631 das Capitel zu einer Visitation, bei welcher auch politische Fragen, wie die Appellation gegen die Besetzung Triers durch die Spanier und die Suspension der Metterniche verhandelt wurden. Einige der Domherren bestritten hierbei die Berechtigung des Kurfürsten zur Visitation und wurden deswegen sofort suspendirt. Das Haupt der Gegner war der Dompropst Hausmann v. Namedy, gegen den der Kurfürst [61] eine besondere, umfassende Klageschrift ausarbeiten ließ. Die angegriffenen Domherren wandten sich an den Papst, vermochten indessen nichts auszurichten, weil man in Rom dem Kurfürsten noch immer günstig gesinnt war, mußten aber erleben, daß P. Chr. sie nunmehr mit dem Banne belegte. So hatte dieser zu allen übrigen einen neuen Streit hervorgerufen, der die Schwierigkeiten seiner Stellung nur noch vermehren und sein Ansehen nach allen Seiten hin schwächen mußte. Fassen wir seine Lage zusammen. Bei der Durchführung seiner Reform- und Restaurationspläne war er auf unerwarteten Widerstand in seinem Kurstaate gestoßen, der seiner herrschsüchtigen Natur unerträglich erschien. Indem er ihn vielleicht nach dem Vorbilde in anderen Staaten um jeden Preis, auch unter Anwendung von Gewalt, zu brechen gedachte, fand er sich einer auswärtigen Macht gegenüber, die seine Gegner in Schutz nahm, nicht etwa aus Vorliebe für das ständische Princip, sondern einzig aus dem Gesichtspunkte ihrer allgemeinen europäischen Politik. P. Chr. war keineswegs mehr Herr seines Landes. Er bedurfte seinerseits fremder Hülfe. Der Kaiser stand in innigster Beziehung zu Spanien, von ihm war sie daher nicht zu erwarten. So trieb die Logik der Thatsachen ihn in die Arme Frankreichs, des Gegners der spanisch-österreichischen Weltmacht. Eben damals, als er der Hülfe dringend bedurfte, hatten die europäischen Verhältnisse eine Wendung genommen, die den offenen Anschluß an diese Macht erleichterten. Die Politik Frankreichs war damals von dem Streben geleitet, das Uebergewicht des Hauses Habsburg zu brechen, und hatte hierbei einen Bundesgenossen gefunden in dem Könige von Schweden, der, von dem hart bedrängten Protestantismus nach Deutschland gerufen, durch seine Siege den katholischen Mächten, dem Kaiser wie der Liga, alle bisherigen Erfolge zu entreißen drohte. Das Haupt der Liga, der Kurfürst Maximilian von Baiern, mußte Frankreich um Hülfe angehen und Verhandlungen einleiten wegen einer Neutralität mit dem Könige von Schweden, der in seinem Siegeslaufe bis zum Rhein hin vorgedrungen war. Wie Baiern, so sahen sich auch andere Mitglieder der Liga von Schweden bedroht und zu Verhandlungen mit Frankreich veranlaßt, unter ihnen auch P. Chr. Nichts aber konnte Frankreich erwünschter sein als dies. Seine Absicht war es, die Liga vom Kaiser völlig zu trennen und militärische Stützpunkte in Deutschland zu gewinnen. Es bestand daher P. Chr. gegenüber auf einer Abtretung der Festung Ehrenbreitstein, und der Kurfürst gewann es über sich, diesen für seinen Staat, wie für das Reich wichtigen Platz dem Könige von Frankreich zu überlassen. In einem vorläufig noch geheim gehaltenen Vertrage vom 31. December 1631 fand er sich bereit, eine französische Besatzung in die Festung aufzunehmen. Indessen fühlte er sich durch das siegreiche Vordringen der Schweden, die Miene machten, Coblenz und Ehrenbreitstein zu erobern, und auch sein Speierer Bisthum besetzt hatten, in steigendem Maaße bedroht; so entschloß er sich am 9. April 1632 zu einem Vertrage, durch welchen der König von Frankreich den Schutz des Kurstaates, wie des Bisthums Speier versprach, dafür aber das Besatzungsrecht in Ehrenbreitstein und Philippsburg bis zu einem Generalfrieden erhielt. Wenige Tage später schloß er unter französischer Vermittelung einen Neutralitätsvertrag mit Schweden, dem er den Durchmarsch durch den Kurstaat gestattete. Im Lande war man entrüstet über diesen Verrath am Reiche, wie am Kaiser. Das Domcapitel begann ein eigenes Heer auszurüsten. Auf seinen Antrieb nahm die Stadt Coblenz den kaiserlichen Obersten Merode mit seinem Regiment als Besatzung auf. Dem gegenüber drängte P. Chr. die Franzosen zur Besetzung des Ehrenbreitstein, der ihnen am 5. Juni überliefert wurde. Als er dagegen vor Philippsburg erschien, um auch diesen Platz auszuhändigen, mußte er erleben, daß der dortige, von ihm eingesetzte Commandant, Caspar Bamberger, die Uebergabe weigerte und entschlossen [62] war, die Festung für den Kaiser zu vertheidigen. Auf die französische Hülfe gestützt wurde er jetzt seines Kurstaates wieder Herr. Coblenz wurde durch die Schweden unter Horn belagert und mußte sich nach heftiger Beschießung ergeben. Im oberen Erzstift hatten sich die Spanier von Trier aus weiter ausgebreitet, zogen sich nunmehr aber vor den die Mosel hinaufrückenden Schweden zurück. Auch die Besatzung von Trier wurde am 20. August durch die Franzosen zur Capitulation genöthigt, und die Stadt an P. Chr. zurückgegeben. Hier wie in Coblenz ließ dieser über die Führer des ständischen Widerstands ein strenges Strafgericht ergehen. Auch die Abtei S. Maximin bekam seine Rache zu fühlen. Sie wurde durch Contributionen und französische Einquartierung bedrückt und verlor ihre Güter und Einkünfte. Dem Lande wurde 1634 eine neue Steuer aufgebürdet, deren Erhebung der Kurfürst selbst vorschrieb. Trier wurde gezwungen, neu zu huldigen und auf den spanischen Schutz ausdrücklich zu verzichten. Mit der ganzen Leidenschaftlichkeit seines Wesens setzte P. Chr. auch den Kampf gegen die Gegner im Domcapitel fort, besonders gegen den Dompropst und die Metterniche, denen er die Besetzung von Coblenz durch Merode und die bei dieser Gelegenheit erfolgte Plünderung der kurfürstlichen Burg zuschrieb. Mit den härtesten Ausdrücken brandmarkte er ihre Verrätherei in einem Schreiben an die übrigen Domcapitulare vom 30. September 1632, in dem er von diesen eine offene Stellungnahme forderte. Die Angegriffenen antworteten mit nicht geringerer Heftigkeit. Sie scheuten sich nicht, den Kurfürsten als gewohnheitsmäßigen Verleumder zu bezeichnen, worauf dann P. Chr. den Bann gegen Hausmann und seine Anhänger erneuerte. Schon aber standen diese nicht mehr vereinzelt, sondern das ganze Capitel ergriff für sie Partei. Um vor Gewaltmaßregeln gesichert zu sein, hatten sie mit wenigen Ausnahmen Trier verlassen und waren nach Luxemburg gegangen, von wo sie P. Chr. im September 1633 vergeblich zur Residenz nach Trier berief. Seine Erbitterung kannte jetzt keine Grenzen mehr. Im October setzte er einen Gerichtshof aus adligen und gelehrten Räthen der beiden Diöcesen Trier und Speier zusammen und ließ denselben über das Verhalten des Dompropstes, der Metterniche und ihres Anhanges zu Gerichte sitzen. Wie nicht anders zu erwarten, wurden diese abwesend wegen einer Reihe ihnen schuldgegebener Verbrechen verurtheilt, ihrer geistlichen und weltlichen Aemter und Rechte, sowie ihrer sämmtlichen Pfründen verlustig erklärt. Es wurde öffentlich die Aufforderung erlassen, sie zu verhaften und mit ihnen nach der Carolina zu verfahren. So lächerlich dieses ganze Vergehen auch war, ein Hohn auf jede Rechtsprechung, so ließ sich P. Chr. doch nicht irre machen, sondern verlangte, daß das Capitel binnen drei Monaten bei Verlust seines Wahlrechtes für die nach seiner Ansicht erledigten Stellen andere Domherrn wählte. Der päpstliche Legat Caraffa warnte ihn zwar, die Grenze seiner Befugnisse zu überschreiten und die Autorität des Papstes zu verletzen, der über die verfolgten Capitulare noch kein Urtheil gesprochen; er verbot die Berufung des Capitels zur Neuwahl und drohte mit geistlichen Strafen. Der Kurfürst blieb aber unerschütterlich und ließ die wenigen bei ihm verbliebenen Capitulare Neuwahlen vornehmen, die auf unfähige und gefügige Personen fielen. Eine derselben, der an Stelle Emmerichs v. Metternich ernannte Ernst von Ouren, wurde sogleich nach Paris gesandt, um den Schutz des Königs von Frankreich den Neugewählten zu erbitten. Für die Stelle des Dompropstes und Coadjutor nahm P. Chr. keinen geringeren in Aussicht als den Cardinal Richelieu. Schon hatte er den Versuch gemacht, diesen auch zum Coadjutor von Speier wählen zu lassen. Da das Capitel dort heftig widerstrebte, hatte er ihn im Mai 1634 ohne Wahl dazu ernannt und vom Papste die Bestätigung nachgesucht. Jedoch so lange der Kaiser in Deutschland siegreich war, wurde sie [63] versagt. Damit aber mußte auch der Gedanke für die nächste Zeit aufgegeben werden, Richelieu zum Coadjutor von Trier zu machen. Noch einmal berief P. Chr. Weihnachten 1634 die noch nicht geächteten Domherrn des Trierer Capitels zur Residenz; aber obwol er ihnen mit geistlichen Strafen und Sperrung ihrer Einkünfte drohte, so erschien doch keiner. – Wenn der Kurfürst gemeint hatte, durch seinen Schutzvertrag mit Frankreich und durch die schwedische Neutralität von seinen Stiftslanden den Krieg fern zu halten, so täuschte diese Hoffnung vollkommen. Der Kurstaat gelangte nach der Eroberung von Coblenz und Trier ganz in die Gewalt der Franzosen und Schweden. Nur Philippsburg wurde vom Obersten Caspar Bamberger für den Kaiser muthig vertheidigt. Als die vier oberen Reichskreise 1633 ihr Bündniß mit Schweden geschlossen, fing man an die Festung ernstlich Zu belagern. Umsonst waren alle Versuche P. Christophs, den tapferen Obersten zur Uebergabe zu bewegen. Erst der Mangel an Lebensmitteln und das Mißlingen des Ersatzes zwangen ihn dazu. Philippsburg wurde am 3. Januar 1634 den Schweden ausgeliefert und blieb in ihren und ihrer Bundesgenossen Händen, so dringend P. Chr. und die Franzosen die Herausgabe der Festung auch forderten. – Schlimme Erfahrungen machte der Kurfürst mit dem französischen Commandanten auf dem Ehrenbreitstein de la Saludie, der hier in der übermüthigsten Weise schaltete, die kurfürstlichen Befehle verachtete, mit den vorhandenen Vorräthen auf das verschwenderischste umging, die gröbsten Ausschreitungen seiner Soldaten duldete und durch seine Sorglosigkeit den Verlust von Engers und Montabaur verschuldete. Dringend bat P. Chr. daher in Paris um die Abberufung des Commandanten, erreichte jedoch nur so viel, daß der französische Bevollmächtigte in Deutschland, Feuquières, den Auftrag erhielt, den französischen Obersten Bussy zur Beaufsichtigung de la Saludies zu berufen. Daß die Spanier ebenfalls jede Rücksicht auf den mit ihren Gegnern verbundenen deutschen Fürsten fallen ließen, verstand sich von selbst. Ein spanisches Heer unter Celada drang Anfangs 1634 von Luxemburg durch den Kurstaat zum Rhein, überschritt den Strom bei Andernach und versetzte die französische Besatzung des Ehrenbreitsteins in Schrecken. Doch die Verbindung schwedischer und hessischer Truppen sowie Vorgänge am Niederrhein zwangen die Spanier zurückzuweichen. Nach dem Siege des kaiserlichen Heeres bei Nördlingen am 5. und 6. September 1634 drangen indessen die spanisch-kaiserlichen Waffen überall siegreich vor. Die nächste Folge war, daß Philippsburg an die Franzosen übergeben werden mußte, die freilich die Festung so sorglos bewachten, daß sie am 24. Januar 1635 von neuem durch Caspar Bamberger überfallen und ihnen entrissen werden konnte. Auch Speier ging an die Kaiserlichen verloren, wurde durch Bernhard v. Weimar aber bald wieder erobert. Von Süden rückte der spanische Cardinal-Infant Fernando gegen die Lahn vor, warf die Franzosen, die vom Ehrenbreitstein einen Ausfall machten, zurück und ging von hier nach Luxemburg. P. Chr. hatte sich nach Trier begeben. Unter dem Schutze der französischen Besatzung setzte er die Stadt in Vertheidigungszustand und begann Rüstungen vorzunehmen, um für alle Fälle gesichert zu sein. Denn es stand zu befürchten, daß die Spanier von Luxemburg aus Vorstöße zur Vertreibung der im Kurstaate stehenden französischen und schwedischen Völker unternehmen würden. Bereits war es ihnen gelungen, sich des festen Schlosses Sierck in Lothringen unmittelbar an der kurtrierischen Grenze zu bemächtigen und damit die Verbindung der Franzosen von Lothringen nach dem Rhein hin zu unterbrechen. Einen ähnlichen Streifzug unternahm Ende März 1635 der spanische Gouverneur von Luxemburg, Graf v. Embden, indem er sich mit einem Corps von 600 Mann zu Fuß und ebenso vielen Reitern gegen Trier wandte. Es glückte ihm, sich unbemerkt an die Stadt heranzuschleichen [64] und in der Frühe des 26. März die Besatzung zu überfallen, die sich nach mehrstündigem Gefechte ergeben mußte. Der Kurfürst befand sich in seinem Palast und erwartete hier den Ausgang des Kampfes. Der Gedanke, daß seine persönliche Freiheit durch die siegreichen Spanier bedroht werden könnte, scheint ihm nicht gekommen zu sein; denn er machte nicht den geringsten Versuch sich in Sicherheit zu bringen. Graf v. Embden und die spanischen Obersten aber, unter denen sich auch der Archidiacon Karl v. Metternich befand, waren nicht gewillt, einen so guten Fang sich entgehen zu lassen. Oberst Maillard und Metternich drangen in den Palast und stürmten in das kurfürstliche Gemach. In ohnmächtigem Zorne bedrohte sie der Kurfürst mit dem Banne. Metternich aber erklärte ihm, daß er keine Gewalt erleiden sollte, daß er nur dem Kaiser Gehorsam leisten und ihm selbst gestatten müsse, sich zu vertheidigen. Als der Kurfürst widersprechen wollte, sollen Maillard und Metternich mit ihren Degen auf ihn eingedrungen sein. Nun erst ergab er sich den Siegern, die ihn bis zum 4. April in Trier behielten, von da ihn aber später nach Luxemburg überführten. Auf die Kunde von diesen Vorgängen eilte das Domcapitel nach Trier und wählte aus seiner Mitte einen Ausschuß von drei Mitgliedern, bestehend aus dem Dompropst Hausmann v. Namedy, dem Domdechanten v. Metzenhausen und dem Archidiacon Metternich, die unter Zustimmung des Kaisers die Regierung des Kurstaates übernahmen. Auch in Speier ging die Verwaltung des Bisthums an das Domcapitel über. – Der Fall, daß ein Kurfürst des Reichs gefangen genommen wurde, erregte überall das höchste Aufsehen, vor allem in Frankreich. Hier mußte man sich am tiefsten verletzt fühlen, da der König den Schutz des Kurfürsten übernommen hatte. Man forderte daher in Brüssel die Freigebung P. Christophs; und als der Cardinal-Infant zögerte, ließ Ludwig XIII. den schon lange zuvor beabsichtigten Krieg erklären. Im Bündniß mit den Generalstaaten und den oberen Reichskreisen trat er offen in den Kampf gegen Spanien, dann auch gegen den Kaiser, und zwar in dem Augenblicke, als ein Theil der Reichsstände mit Ferdinand II. eben seinen Frieden in Prag geschlossen hatte. – P. Chr. war von Luxemburg nach Namur und später nach Gent gebracht worden. Sein Bestreben war einzig darauf gerichtet, die Freiheit wieder zu erlangen. Zwar verwandte sich der Papst für ihn, der dem Kaiser, wie den Spaniern die Berechtigung bestritt, einen Erzbischof gefangen zu halten, zwar nahm P. Chr. den Prager Frieden an und verlangte, da derselbe die Auswechselung der Gefangenen und eine Amnestie verkündete, auf Grund dessen seine Freilassung; zwar verhieß er, die von den Franzosen besetzten Festungen seiner Stifter denselben abzunehmen. Allein der Kaiser zweifelte an der Aufrichtigkeit seiner Gesinnung und an der Möglichkeit, sein Versprechen zu erfüllen, und beließ ihn daher in seiner Gefangenschaft. Zum Reichstage von 1636, der über die Wahl des künftigen Kaisers berathen sollte, erhielt auch P. Chr. eine Einladung. Unter spanischer Bedeckung machte er sich auf den Weg, hoffend, daß es ihm gelingen würde, seine Wiedereinsetzung zu erlangen. In Donauwörth mußte er erfahren, daß er fortan Gefangener des Kaisers sei und nach Linz gebracht werden würde. Es blieb ihm daher nichts übrig, als unter Protest sich zu fügen und von Linz aus die Zulassung zum Reichstage zu verlangen. Mittlerweile aber waren dem Kaiser durch den Dompropst Hausmann die geheimen Verhandlungen P. Christophs mit Frankreich bekannt geworden, aus denen sich ergab, daß er seine Kurstimme dem Könige von Frankreich geben, und daß er sich Eingriffe in die Rechte des Erzbischofs von Mainz erlauben wollte. Die Mittheilung hiervon und der Verrath am Reiche durch die Uebergabe des Ehrenbreitsteins bewirkten, daß die Kurfürsten Anstand nahmen, seinem Wunsche zu willfahren, und daß sie zur Kaiserwahl ohne die Trierer Kurstimme schritten; denn auch [65] der Versuch, den das Domcapitel machte, zum Reichstage zugelassen zu werden, hatte keinen Erfolg. Trotzdem daß Schweden und Frankreich im voraus gegen die vorzunehmende Wahl wegen des Fehlens der Trierer Kurstimme protestirten, wurde doch der Sohn des Kaisers, der spätere Ferdinand III., gewählt. Als dieser im Februar 1637 zur Regierung gelangte, drängte der Papst von neuem, daß P. Chr. ihm als zuständigem Richter übergeben würde, und erwirkte wenigstens soviel, daß Ferdinand ihn in den Gewahrsam des päpstlichen Nuntius in Wien übergab. Zu einer Freilassung konnte er sich nicht entschließen, da zu befürchten war, daß P. Chr. aus Rache sofort in die alten Beziehungen zu Frankreich zurücktreten würde. Auch von dem Reichstage zu Regensburg im J. 1640 blieb der Kurfürst ausgeschlossen, so dringend er seine Zulassung damals wieder forderte. Es blieb ihm nichts übrig, als wiederum Protest zu erheben und an den Papst, wie an das Reich, zu appelliren. Seinem Haß gegen Hausmann und die Metterniche, die er als die Urheber aller gegen ihn gerichteten Anklagen ansah, machte er, als er seine Hoffnungen vereitelt sah, von neuem Luft, indem er nochmals den Bann gegen sie aussprach. Sehr unzufrieden war er mit der Verwaltung des Kurstaates durch die Regentschaft, da er bemerkte, daß sie die Regierung nicht in seinem, sondern im Namen des Capitels führte. Er verlangte daher Einsetzung eines Statthalters, der in seinem Auftrage die Geschäfte führte, und drohte auch den Regenten mit dem Banne, falls sie seiner Forderung nicht nachkämen. Diese weigerten sich aber, ohne Genehmigung des Kaisers hierauf einzugehen. Ihre Lage wurde indessen, je länger die Gefangenschaft des Kurfürsten anhielt, um so schwieriger. Das Land hatte die trübsten Zeiten durchzumachen; es war fortwährend der Tummelplatz feindlicher Heere. Die Spanier hatten sich schon vor längerer Zeit des Rheinzolls zu Hammerstein bemächtigt und schädigten damit die Landeseinnahmen um jährlich 20 000 Reichsthaler. Bald nach der Gefangennehmung P. Christophs wurden Coblenz und der Ehrenbreitstein von den Kaiserlichen belagert, und der letztere erst 1637 zur Uebergabe gezwungen. Ganz besonders aber litt das Land in den Jahren 1636–1644 durch spanische und lothringische Truppen, die hier furchtbar hausten. Dazu kamen Mißwachs, Pest, Theuerung. Vermehrte Steuern mußten erhoben werden. Da die weltlichen Unterthanen die drückenden Lasten nicht allein zu tragen vermochten, zogen die Regenten den Clerus zu denselben heran; hierdurch stieg die Mißstimmung auch in diesen Kreisen mehr und mehr. In Trier brachen 1640 heftige Streitigkeiten zwischen dem Rath und der Geistlichkeit wegen der Einquartierungslast aus. Immer anarchischer wurden die Zustände; es kam so weit, daß der Clerus die Regenten für gebannt erklärte. Unter diesen Umständen erwachte bei manchen das Verlangen nach der Wiederkehr des Kurfürsten, von dem man Beseitigung der Lasten und größere Autorität erwartete. Der Bann, mit dem die Regenten bedroht worden, störte ihre Einigkeit, indem einer von ihnen sich bewogen fühlte, zurückzutreten. Am liebsten hätte das Capitel daher die Wahl eines Coadjutors gesehen, doch lehnte P. Chr. jeden Gedanken daran entschieden ab. Inzwischen hatten namentlich die Franzosen sehr thätig für Rückberufung P. Christophs gewirkt, sowol in Rom, wie bei den nach 1640 eingeleiteten Verhandlungen zur Herstellung eines allgemeinen Friedens. Auch der Kaiser gab angesichts dieser Umstände allmählich nach. Schon 1641 wäre er bereit gewesen, in eine Freilassung P. Christophs zu willigen. Er mußte sie jedoch an bestimmte Bedingungen knüpfen, um die Wiederkehr ähnlicher Zustände unmöglich zu machen, wie sie zur Gefangennahme geführt hatten. Einer der Hauptpunkte war dabei die dem Capitel, und namentlich dem Dompropst, zu bewilligende Amnestie, gegen die sich der Kurfürst lange [66] sträubte. Leichter gingen die Unterhandlungen mit dem Speierer Domcapitel von statten. Im März 1643 waren hier Vereinbarungen getroffen, die beide Theile befriedigten. Auf Grund derselben verlangte P. Chr. wenigstens Rückkehr nach Speier; der Kaiser aber schlug das Gesuch ab, weil die Erklärungen desselben ihm nicht genügende Sicherheit boten. Erst als nach dem Tode Urbans VIII. Papst Innocenz X. die Befreiung von neuem anregte, und die französischen Bevollmächtigten zu den Friedensverhandlungen in Münster energisch dieselbe forderten, als sie erklärten, auf keine Verhandlungen sich früher einzulassen, bis der Kurfürst freigelassen sei, kam am 12. April 1645 ein Vertrag zu Stande. Der Kaiser nahm nunmehr P. Chr. in den Prager Frieden auf, bestätigte ihm alle Rechte und Privilegien seiner Kirche und übernahm die Verpflichtung, die Entfernung der spanischen Besatzungen aus Trier und Coblenz, sowie die Freigebung des Zolles zu Hammerstein zu erwirken. Letzteren überließ P. Chr. bis zur Beendigung des Krieges dem Kaiser; er erkannte außerdem den Prager Frieden als verbindlich an und bewilligte eine allgemeine Amnestie, die sich auch auf den Dompropst und die Metterniche erstreckte. Alle angestrengten Processe sollten niedergeschlagen, und die Domherrn, wie alle Beamten in ihren Aemtern belassen werden. Philippsburg, das mittlerweile wieder in französische Hände gefallen war, verpflichtete sich P. Chr. den Franzosen abzunehmen und dem Kaiser auszuliefern. Auf diese Bedingungen hin wurde der Kurfürst in Freiheit gesetzt. Nach längerem Aufenthalte in Frankfurt zog er am 1. September 1645 in Coblenz ein und wurde hier von den Einwohnern mit großen Feierlichkeiten aufgenommen. Indessen sollte die Freude der Unterthanen nicht allzulange dauern. Denn mit dem eben abgeschlossenen Vertrage war es ihm kein voller Ernst; er war ihm nur ein Mittel zu seiner Freilassung. Noch ehe er in denselben willigte, hatte er bereits wieder ein geheimes Abkommen mit Turenne geschlossen, in dem er den Franzosen den freien Uebergang über die Mosel bei Trier zu jeder Zeit zusicherte. Kaum aber hatte er wenige Tage in seinem Kurstaate verweilt, so schleuderte er abermals den Bann gegen den Dompropst unter dem Vorgehen, daß dieser sich vor ihm nicht demüthige. Sofort trat er auch wieder in offene Beziehung zu Frankreich. Denn da die spanische Besatzung aus Trier noch nicht entfernt, und ihm die Rückkehr dorthin vorläufig unmöglich war, glaubte er sich in dieser Beziehung aller Rücksichten auf den eben geschlossenen Vertrag ledig und veranlaßte daher den aus Deutschland zurückweichenden Turenne im November 1645, Trier zu belagern, das sich nach kurzer Zeit ergeben mußte und nunmehr wieder eine französische Besatzung erhielt. Die Verbindung mit Frankreich wurde dann in der Mitte des J. 1646 noch enger geknüpft, indem P. Chr. am 19. Juli einen Vertrag abschloß, durch welchen er das Besatzungsrecht von Philippsburg dauernd dem Könige von Frankreich zugestand, wogegen ihm dieser den Besitz seiner Bisthümer und Stifter, darunter auch der Abtei S. Maximin. gewährleistete und den Schutz des Sötern’schen Familienfideicommisses übernahm, einer Stiftung des früheren Chorbischofs P. Chr. v. Sötern, auf deren Vermehrung und Sicherung der Kurfürst eifrigst bedacht war. Er soll sogar damit umgegangen sein, einen französischen Prinzen zum Coadjutor von Trier zu machen. Unter dem französischen Schutz fühlte er sich nun vollständig als Herr des Landes und strebte die Gunst dieser Lage in jeder Richtung auszunutzen. So traf seine Rache von neuem die Abtei S. Maximin, deren Mönche er gewaltsam zum Verlassen ihres Klosters zwang. Auch mit dem Capitel hielt der Friede nicht lange vor. Schon das Verfahren gegen den Dompropst bewies, daß von Versöhnlichkeit bei ihm keine Rede war, sondern daß er sich einzig von dem Gefühle beherrschen ließ, an seinen Gegnern Rache zu nehmen. Noch immer konnte er seine Ansprüche an die Metternich’schen [67] Erben nicht aufgeben, mit denen ihm neue Streitigkeiten erwuchsen, als er einige ihrer Hausgüter, wie die Herrschaften Winneburg und Beilstein und andere, dem Sötern’schen Familienfideicommisse einzuverleiben trachtete. Ein Theil der Domherrn war mit der französischen Freundschaft und dem Angriff auf Trier nicht einverstanden und hatte, besorgt um seine persönliche Sicherheit und Unabhängigkeit, in Köln Aufenthalt genommen. Unter dem Vorgeben einer Visitation des Capitels berief sie P. Chr. zurück; doch erschien keiner von ihnen. In einem leidenschaftlichen Schriftstück wandte er sich nun gegen sie, bezeichnete sie als infam und treulos, erklärte sie für abgerissene Glieder des Capitels, sprach ihnen jedes Stimmrecht ab und belegte sie mit dem Banne. An ihrer Stelle ernannte er neue Domherrn; ja er beabsichtigte eine vollständige Aenderung der Verfassung des Capitels. Während nämlich statutenmäßig adlige Abkunft Erforderniß für die Wahl der Domherrn war, dachte er daran, hierzu auch Bürgerliche zu ernennen, von denen er geringeren Widerstand gegen seine Befehle erhoffen mochte. Die Folge seiner Behandlung des Capitels war, daß sämmtliche Capitulare mit einer Ausnahme ihn verließen. Als eben damals, kurz vor Abschluß des westfälischen Friedens, lothringische und spanische Völker nochmals ins Erzstift einfie1en, führte er dies auf ihre Veranlassung zurück und sah darin die Absicht, ihn zu verdrängen. Er verbot daher den Unterthanen, Befehle vom Capitel in irgend einer Form anzunehmen und verlangte, die Domherrn als Feinde zu behandeln. Mehrmals hatten die letzteren daran gedacht, dem Kurfürsten einen Coadjutor zu setzen und hatten als solchen den Erzherzog Leopold von Oesterreich in Aussicht genommen. Bisher aber hatte P. Chr. jeden Gedanken an einen solchen „Todtenvogel“, wie er sich ausdrückte, weit abgewiesen. Nunmehr kam er selbst darauf zurück. Wie aber fast jede seiner Maßregeln damals den Charakter des Gewaltsamen und des Lächerlichen zugleich trug, so auch diese. Einen erst 1648 von ihm ins Capitel aufgenommenen Domicellar, Philipp Ludwig v. Reifenberg, machte er zunächst zum Dompropst, dann 1649 zum Coadjutor. Die Entrüstung des Capitels war allgemein. Man beschloß in Köln nunmehr gewaltsam gegen ihn vorzugehen, warb zu diesem Zweck Truppen, an deren Spitze die Domherrn Karl Caspar v. d. Leyen und Hugo Eberhard Kratz v. Scharffenstein traten, und gewann den kurfürstlichen Commandanten von Coblenz, v. Hattstein. Dieser öffnete dem Heere des Domcapitels die ihm anvertraute Stadt, übernahm selbst das Commando und zog mit ihm gegen Trier, wo der Kurfürst sich aufhielt. Inzwischen hatte sich dieser an Frankreich um Hülfe gewandt; ehe er sie aber erhielt, fiel Trier in die Hände des Capitels. Die Domherrn traten hierauf mit den Landständen in Verbindung und in einem Vertrage vom 3. August kamen beide Theile überein, Niemanden als Coadjutor und Kurfürsten anzuerkennen, der nicht rechtmäßig vom Capitel erwählt und vom Papst, sowie vom Kaiser bestätigt sei. Ferdinand III. genehmigte diesen Schritt und stellte dem Capitel Hülfe in Aussicht, falls es von den Bundesgenossen des Kurfürsten angegriffen werden sollte. Sehr bald trat dieser Fall ein. Französische Truppen unter dem Obersten Reinhold v. Rosen überschritten die trierische Grenze. Währenddessen aber hatten Verhandlungen zwischen dem Kurfürsten und seinem Capitel stattgefunden unter Vermittelung eines französischen Unterhändlers, des Vicomte de Courval. Der Kurfürst war bereit, seinen Coadjutor aufzugeben, hielt aber die Ansprüche an die Metterniche, namentlich an deren Güter, noch aufrecht. Als nun Rosen 1650 in das Erzstift abermals einfiel und tief in demselben vordrang, bat das Capitel den Kurfürsten, die Zurückführung der französischen Truppen zu veranlassen. P. Chr. bestand aber auf Erfüllung seiner Forderungen. Daher rief das [68] Capitel seinerseits lothringische Truppen herbei, vor denen Rosen sich zurückziehen mußte. Erst jetzt wurde der Kurfürst nachgiebig und geneigt, die Wahl eines neuen Coadjutors vornehmen zu lassen. Seine Hoffnung, den seiner Familie verschwägerten Domherrn Hugo Eberhard Kratz von Scharffenstein gewählt zu sehen, in welchem er einen Anhänger Frankreichs und einen Förderer des Sötern’schen Familienfideicommisses vermuthete, erfüllte sich nicht. Die Majorität des Capitels wählte vielmehr am 11. Juli 1650 den dem Kurfürsten am wenigsten genehmen Karl Caspar v. d. Leyen. Dagegen bäumte sich dann sein Eigensinn nochmals auf. Da v. d. Leyen eine Stimme zur vorgeschriebenen Zweidrittelmajorität fehlte, erklärte er die Wahl für ungültig und ernannte nun Kratz v. Scharffenstein aus eigener Machtvollkommenheit zum Coadjutor. Die Entscheidung überließen beide Parteien dem Papst. Deren bedurfte es indessen nicht; denn Scharffenstein verzichtete auf die Coadjutorie, und Karl Caspar fand nunmehr allgemeine Anerkennung. – Schon vorher hatte der Kurfürst sich dazu verstanden, den Reichsfriedensschluß von Münster und Osnabrück anzuerkennen, der den Franzosen das Besatzungsrecht in Philippsburg zugestand, P. Chr. aber die Aufhebung des Arrestes auf seine durch die luxemburgische Regierung mit Beschlag belegten Güter, ferner die Freigebung aller seiner kurfürstlichen und Hausgüter brachte. Ehrenbreitstein und der Zoll zu Hammerstein sollten ebenfalls zurückgegeben werden. Dagegen gingen in Folge der Anerkennung des J. 1624 als Normaljahres für den Besitzstand der beiden Bekenntnisse in Deutschland dem Trierer Erzstift die Erfolge der kurfürstlichen Restaurationspolitik in den zum Katholicismus zurückgeführten Herrschaften vielfach wieder verloren, da hier der Protestantismus von neuem Eingang fand. Jetzt war P. Chr. auch bereit, sich der Entscheidung einer Reichsdeputation zu unterwerfen, die alle zwischen ihm, dem Capitel und den Ständen noch streitigen Fragen regeln sollte. Die Entscheidung erfolgte am 3. August 1650; sie lief fast in allen Stücken auf Herstellung der früheren Zustände hinaus. Unter anderem wurde anerkannt, daß der Kurfürst in allen wichtigeren Angelegenheiten das Capitel anhören, und die Stände in allen Steuerfragen zu Rathe ziehen müßte. Nur im Falle von Zwiespalt sollte er die Entscheidung behalten. – Das hohe Alter, in dem sich P. Chr. damals befand, hatte seine Leidenschaften noch nicht gebrochen. Der Aerger über ein verfehltes Leben und der Haß gegen diejenigen, denen er daran am meisten Schuld gab, zeitigten kurz vor seinem Ende einen neuen Gedanken, der auf offenen Reichsverrath hinauslief. Er führte Unterhandlungen mit Frankreich in der Absicht, das Erzstift vom Reiche loszureißen. Ein Schreiben, das sich hiermit beschäftigte, fiel in die Hände des Capitels und wurde am 28. Februar 1651 dem Reiche in Nürnberg vorgelegt. Das Capitel hoffte auf Grund desselben seine Absetzung zu erwirken, die jedoch auf Einspruch des Kurfürsten von Mainz unterblieb. Es war das letzte Mal, daß P. Chr. in weiteren Kreisen von sich reden machte. Er war bis in sein hohes Alter hinauf von Krankheiten ziemlich verschont geblieben; erst in den letzten Jahren stellten sich gichtische Leiden ein, die er mit Geduld getragen haben soll. Das Fehlschlagen aller seiner Pläne verbitterte ihn indessen mehr und mehr. Er wußte, daß sein Tod bei niemandem Bedauern hervorrufen würde. An den Geschäften betheiligte er sich in der letzten Zeit fast gar nicht mehr; er überließ sie in beiden Diöcesen seinen Räthen und den Capiteln. Wenn er auch langsam hinsiechte, so schien ein plötzlicher Tod ausgeschlossen zu sein. Doch unerwartet überraschte er ihn am 7. Februar 1652 und machte damit einem an Kämpfen reichen, an Ergebnissen aber armen Leben ein Ende. Sein Leichnam wurde im Dome zu Trier, das Herz im Dome zu Speier, die Eingeweide in der Capucinerkirche zu Ehrenbreitstein beigesetzt. Mit ihm war ein Mann geschieden, den einzelne seiner [69] Zeitgenossen auf gleiche Stufe mit Richelieu und Wallenstein stellten. Man wird heute anders über ihn denken; aber man muß auch heute noch zugeben, daß er eine ungewöhnliche Thatkraft besaß, mit der er Großes erreichen konnte, wenn er im Stande gewesen wäre, seiner Leidenschaftlichkeit und seinem rücksichtslosen Egoismus Zügel anzulegen. Indem er aber nur sich selbst kannte, gerieth er in ununterbrochene Kämpfe, in denen er seine Kräfte verschwendete, ohne ein bedeutendes Ziel zu erreichen.
Philipp Christoph v. Sötern, Erzbischof von Trier, Bischof von Speier, geb. am 11. December 1567, † am 7. Februar 1652, entstammte einem an der oberen Nahe ansässigen alten Adelsgeschlechte, dessen männliche Sprossen man während des 15. und 16. Jahrhunderts nicht selten im Dienste der umliegenden Fürsten und in den Capiteln der benachbarten Stifter antrifft. Sein Vater, Georg Wilhelm v. S., war pfälzischer Rath und Amtmann zu Zweibrücken, dann zu Castellaun, später Oberamtmann zu Kreuznach in der vorderen Grafschaft Sponheim. Er scheint ein in wirthschaftlichen Dingen erfahrener Mann gewesen zu sein, der es verstand, den nicht unbeträchtlichen, aber zerstreuten Familienbesitz trefflich zu verwalten und zu vermehren. P. Chr. war der zweite Sohn aus seiner Ehe mit Barbara von Püttlingen. Als solcher wurde er für den geistlichen Stand bestimmt, in dem es ein Bruder seines Vaters, der ältere P. Chr. v. S., bereits zu hohen Würden gebracht hatte. Derselbe war Domherr und Chorbischof in Trier, Domcustos in Worms und Domcantor- Acten und Urkunden des Staatsarchivs zu Coblenz. – Brower et Masen, Antiquitates et annales Trevirenses, II. – Hontheim, Historia diplomatica Trevirensis, III. – J. J. Moser, Staats Recht des Churfürstlichen Ertz-Stifftes Trier, wie auch der gefürsteten Abbtey Prüm und der Abbtey St. Maximin. – Barthold, Geschichte des großen deutschen Krieges. – v. Stramberg, Rheinischer Antiquarius II. 1. Abtheil. – Remling, Geschichte der Bischöfe zu Speier, II. – Ropp, Geschichte der Stadt und ehemaligen Reichsfestung Philippsburg.