ADB:Rudolf II. von Scherenberg
Johann III. von Grumbach in einem für das Hochstift ziemlich kritischen Momente, die Stimmen seiner Collegen im Capitel ihn einmüthig als Nachfolger desselben auf den Stuhl des hl. Burkard erhoben (30. April 1466). R. mußte sich zwar, wie seine Vorgänger, einer Wahlcapitulation. die die Rechte und Ansprüche des Domcapitels sichern sollte, unterwerfen, gleichwohl darf die auf ihn gefallene Wahl als ein unzweifelhafter Vertrauensact von Seite seiner Wähler betrachtet werden. Offenbar war die Ueberzeugung durchgedrungen, daß es hoch an der Zeit sei, der im Hochstifte seit [567] den Tagen des Bischofs Johann II. von Brunn eingerissenen und noch nicht überwundenen Zerrüttung und Verwirrung durch die Erhebung eines ausgezeichneten Mannes ein Ende zu machen. Thatsache ist, daß R. sich des in ihn gesetzten Vertrauens vollkommen würdig und der ihm gestellten Aufgabe durchaus gewachsen erwiesen hat. Er wurde und wird mit Recht als der Wiederhersteller des halb aus den Fugen gewichenen Hochstifts gefeiert. Das dringlichste unter den gegebenen Umständen für R. war, für die finanzielle Reorganisation desselben die entsprechenden Mittel zu schaffen, denn das Hochstift war noch mit einer enormen Schuldenlast belastet, ein guter Theil seiner Besitzungen entfremdet und verpfändet und somit die Hülfsquellen für ein kräftiges Regiment erschüttert. So wendete sich R. denn an Kaiser Friedrich III., welchen er zum Zwecke der Belehnung mit den Regalien (1468) persönlich in Graz aufgesucht hatte, mit der Bitte um Verleihung des sogenannten „Güldenen Zolles“, d. h. des Privilegiums, einen bestimmten Zoll von allem Wein, der durch die Land- und Wasserstraßen des „Herzogthums Osterfranken“ verführt wurde, zu erheben. Dieses in hohem Grade ergibige Privilegium, das der Kaiser seinem Amtsvorgänger entzogen hatte, wurde ihm in der That zugestanden, freilich mit der Bedingung, daß auch dem stets geldbedürftigen Kaiser ein stattlicher Antheil von dem Erträgnisse desselben zugesichert wurde. Außerdem hat R. nicht vermocht, sich der Nothwendigkeit, mit den übrigen Landesherren im „Herzogthum Osterfranken“, die und deren Unterthanen durch jenen Zoll in Mitleidenschaft gezogen wurden, gütlich auseinanderzusetzen, zu entziehen. Es ist nun hier nicht der Ort, die Finanzpolitik Rudolf’s im einzelnen zu verfolgen, es muß genügen, auf das Endergebniß derselben hinzuweisen, und dieses war der Art, daß durch dieselbe die erschreckende Schuldenlast getilgt und die dem Hochstift entfremdeten zahlreichen Aemter und Besitzungen zurückgewonnen wurden. Man kann in der That nicht umhin, angesichts einer langen Reihe von Thatsachen R. ein ungewöhnliches Talent der Verwaltung zuzuerkennen. Mit diesem verband er jedoch auch ein nicht geringes Maß von Thatkraft, die vor keiner Schwierigkeit zurückschreckte und nicht ruhte, bis sie zum Ziele gelangte. Diese seine Eigenschaft bewährt er vor allem und in wohlthätiger Weise in seinen Anstrengungen um die Sicherung, bezw. Wiederherstellung des Landfriedens, der wiederholt und an allen Enden und Ecken des Hochstifts durch die an Selbsthülfe und Unbotmäßigkeit gewöhnten Herren des kleinen Adels gestört wurde. Zu diesem Behufe wie freilich zugleich auch zu seinen höheren politischen Zwecken pflegte R. aufs sorgfältigste die guten Beziehungen zunächst zu den benachbarten Fürsten, wie Bamberg, den Markgrafen, Kurmainz, Kurpfalz, Böhmen u. s. w. und erneuerte die Bündnisse und Einungen, die er zum guten Theil bereits von seinen Amtsvorgängern abgeschlossen vorfand. Mit dem Fürstbischof von Bamberg stand er anfangs zwar in einem ererbten Zwiste, der aber bald durch päpstliche Dazwischenkunft beigelegt wurde. Mit dem Markgrafen Albrecht Achilles hatte R. wiederholte Conflicte auszufechten, weil derselbe, wie er meinte, sich auch Eingriffe in seine geistlichen Rechte erlaubte. Am bekanntesten ist die Fehde wegen der sogenannten „Pfaffensteuer“ vom Jahre 1480–81 geworden, die als ein Kampf zwischen weltlicher und geistlicher Gewalt eine Zeit lang von beiden Seiten ziemlich hartnäckig geführt ward, bis zuletzt auch dafür ein Ausgleich gefunden wurde, über welchen sich R. allerdings nur mit gemischten Empfindungen freuen konnte. Die unbefugten Uebergriffe der westfälischen Vehme in seine Machtsphäre hat er mit sichtlichem Eifer bekämpft und am Ende mit bleibendem Erfolge zurückgewiesen. Gegenüber dem Reiche hat R. seine Pflichten getreu erfüllt, wenn er es auch nicht liebte, auf den Reichstagen persönlich zu erscheinen. Dagegen ließ er den gemessenen Befehl des Kaiser Friedrich III, in [568] den schwäbischen Bund einzutreten, unbeachtet, wie das einige der ihm verbündeten Fürsten bekanntlich ebenfalls thaten, eine Zurückhaltung, die dann wohl oder übel auf seinen nächsten Amtsnachfolger übergegangen ist. Ein wichtiges und merkwürdiges Ereigniß, das sich innerhalb seines Sprengels abspielte und einen guten Theil des südlichen und selbst des mittleren Deutschlands in nicht geringe Aufregung versetzte, ist das Auftreten des sogenannten Paukers oder Pfeifers von Niklashausen bei Gamburg, Hans Böhm, der im J. 1476 durch seine Predigten eine ungeheuere populäre Bewegung hervorrief und durch seine schwärmerischen und revolutionären Lehren eine nicht geringe Gefahr für die bestehende Ordnung der Dinge erweckte. Hatte bekanntlich doch gerade in Franken bereits die Lehre der Waldenser und noch mehr der Hussiten einen auffallenden Anklang gefunden. Doch hat das entschlossene Eingreifen Rudolf’s dessen Ansehen und Interesse bei diesen Vorgängen ja zunächst betheiligt waren, der drohenden Gefahr ein Ende mit Schrecken bereitet, wenn auch die tiefer liegenden Gründe jener Aufregung damit nicht beseitigt waren. Im übrigen hat R. offenbar sich nicht darüber getäuscht, daß in seinem Kirchenstaate nicht Alles in Ordnung war und im besonderen daß der Wandel seines Clerus, zumal in der Hauptstadt, wenigstens in gewissen Kreisen desselben, einiges zu wünschen übrig ließ. Zeugniß dessen ist das Mandat, das er im J. 1494, ein Jahr vor seinem Tode, zu Gunsten einer standesgemäßeren und würdigeren Kleidung der Geistlichen erlassen hat. Man möchte sich daher darüber verwundern, daß er die Umwandlung der ältesten Abtei von St. Burkard (in Würzburg) in ein Ritterstift geschehen ließ. Aber auch über den Stand des Clerus hinaus hat er nicht unterlassen, für die Wahrung der öffentlichen Sittlichkeit nachdrücklich einzutreten. Als weltlicher Regent gegenüber seinen Stiftslanden und vor allem der Hauptstadt war er seiner Pflicht sich wohl bewußt und hat er mit Umsicht und Gerechtigkeit die Herrschaft ausgeübt. Das Selbstverwaltungsrecht der Stadt hat er, ohne sich etwas zu vergeben, wie er es überkommen hatte, anerkannt, seine Münzreform z. B. im Einvernehmen mit derselben durchgeführt. Die Stadt verdankte ihm u. a. auch die neue steinerne Brücke über den Main. Für geistige Bestrebungen war er nicht ohne Sinn. Merkwürdig bleibt immer, daß er der jugendlichen Buchdruckerkunst die erste Stätte in Würzburg bereitet hat. Gregor von Heimburg hat er, wie es scheint, niemals ganz fallen lassen. Von Selbständigkeit seines Geistes zeugt es, daß er das Bündniß mit König Georg Podiebrad von Böhmen erst aufgab, als er von Rom her ausdrücklich dazu aufgefordert wurde. Mit dem hohen und niederen Adel seines Hochstiftes stand er in guten Beziehungen, wenn auch gewiß ist, daß, soweit die Herren seine Lehnsmänner waren, er keine Minderung dieser ihrer Abhängigkeit zuließ. Das Regieren überhaupt gewährte ihm unzweifelhaft bis in sein hohes Greisenalter hinein Genugthuung. Der Herzog Albrecht von Sachsen hätte gern bei Rudolf’s Lebzeiten seinen Sohn zu seinem Coadjutor erwählt gesehen; jedoch R., der dabei vom Capitel aufs nachdrücklichste unterstützt wurde, lehnte jenes Verlangen in unzweideutigster Weise ab und behielt die Fülle der ihm zukommenden Gewalt bis zu seinem Ende unverkürzt in seinen Händen. Dieses sein Ende trat am 29. April 1495 auf dem Schlosse Marienberg bei Würzburg ein, während seine Vertrauensmänner nach Worms zum Reichstage gezogen waren. Glaubwürdigen Ueberlieferungen gemäß hat R. ein Alter von wenigstens 90 Jahren erreicht. Er war zugleich der Letzte seines Geschlechtes, und der Nachruhm, der ihm in das Grab folgte, war der denkbar beste.
Rudolf II. v. Scherenberg, Fürstbischof von Würzburg (1466–1495). Einem im fränkischen Steigerwald eingesessenen ritterlichen Geschlechte entsprossen und für die geistliche Laufbahn bestimmt, wurde R. dem Herkommen gemäß bei Zeiten in das Würzburger Domcapitel aufgenommen. In jungen Jahren scheint er Rom besucht zu haben; am 20. December 1437 wird ein „Rudolfus de Scherenberc, canonicus Herbipolensis“ an der Universität Heidelberg immatriculirt, und es darf sicher angenommen werden, daß darunter der zukünftige Fürstbischof von Würzburg d. N. zu verstehen ist. Die beiden nächsten Jahrzehnte vernehmen wir weiter nichts von ihm, es kann aber kein Zweifel sein, daß er, in die Heimath zurückgekehrt und in das Capitel förmlich eingetreten, sich vor Anderen hervorgethan hat, denn außerdem wäre es schwer zu erklären, daß nach dem Tode des Fürstbischofs- Vgl. L. Friese, Chronik der Bischöfe von Würzburg (Ausgabe von Ludewig). – Ussermann, Epicopatus Wirceburgensis. – Chmel, Regesten K. Friedrich’s III. – Barack (über den Pauker Hans Böhm) im Archiv des [569] hist. Vereins für Unterfranken, XIV. Bd. – Willy Böhm, Die Pfaffensteuer vom Jahre 1480–81 in den fränkischen Gebieten des Markgrafen Albrecht Achilles. (Programm) Berlin 1884. – Quellen und Erörterungen zur bairischen und deutschen Geschichte, 2. Bd. Mathin v. Kemnat (die Rosenbergische Fehde). – Töpke, Matrikel der Universität Heidelberg, 1. Bd. – Archiv des hist. Vereins von Unterfranken, Bd. 4, 6, 13 u. 14 (Heft 3). – Würzburger Kreisarchiv.