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ADB:Schenk, Eduard von

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Artikel „Schenk, Eduard von“ von Julius Elias in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 37–44, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schenk,_Eduard_von&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 02:50 Uhr UTC)
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Schenk: Eduard v. Schenk ist die unverdiente Ehre widerfahren, „als bairischer Dichter“ von Ludwig I. unter die Halbgötter der Münchener Ruhmeshalle versetzt zu werden. Der gütige Monarch gab damit nur einer verbreiteten Anschauung gleichsam die amtliche Weihe: denn er sah, daß der Mann seines Wohlwollens von den Zeitgenossen mit Auszeichnungen überschüttet wurde, wie sie nur einem Genie zukommen. Kameraderie und gewissenlose oder unfähige Kritik haben das öffentliche Urtheil über die dilettantenhafte Dramenmache und schwache Lyrik Schenk’s derart entstellt, daß man ihn lange treugläubig für den berufenen Erben Schiller’s und Kleist’s nahm. Der unparteiische Geschichtschreiber aber hat die ernste Pflicht eines gerechten und strengen Richters zu erfüllen … S. wurde am 10. October 1788 zu Düsseldorf geboren. Der Vater, Johann Heinrich, stand als Mitglied der Militärverwaltung in des bairischen Statthalters Karl v. Hompesch Diensten und machte sich so nützlich, daß ihn Maximilian Joseph, kaum Kurfürst geworden, (1799) in die Hauptstadt berief und zum Referendarius im Finanzausschusse ernannte. S., der Vater, ist ein warmer Freund F. H. Jacobi’s gewesen. Ueber das Verhältniß vgl. „F. H. Jacobis auserlesener Briefwechsel.“ 2. Band, 1827. Nach und nach stieg der tüchtige Mann zum Generaldirector des Departements für finanzielle Angelegenheiten auf. Johann Heinrich hatte schon in früher Jugend des Lebens Noth erfahren; unbemittelt, wie er dastand, konnte er seinen Lieblingswunsch, regelrecht zu studiren, nicht erfüllen. Nun aber, da er es durch eisernen Fleiß zu hoher Stellung gebracht, war er entschlossen, seinen beiden Söhnen alles zu gewähren, was er selbst einst hatte entbehren müssen. Nachdem der ältere Sprößling frühe gestorben war, ein blühender Jüngling, hingen die Eltern (die Mutter, Magdalena, war eine geborene v. Sauer) mit um so zarterer Liebe an Eduard. Der frühreife, aufgeweckte Knabe hat die sorgfältigste Erziehung genossen. Auf einem Münchener Gymnasium herangebildet, bezog er 1806 die Universität zu Landshut, wo ihm der große Savigny im Rechtsstudium Lehrer und Führer wurde. Menschlich und erzieherisch hat aber vornehmlich der berühmte Theologe und Moralphilosoph Joh. Mich. Sailer, der Vertreter einer edlen und milden Religion des Herzens, auf ihn gewirkt; im vertrauten Umgange mit diesem Manne empfand der Jüngling die erste Neigung zum Katholicismus. S. hat durch jene Freundschaft im Leben große Förderung erfahren, – ihr allein verdankt er seine intimen Beziehungen zu Ludwig I. Die akademischen Studien beschließt er mit der Doctorprüfung und einer Schrift, die 1812 gedruckt herauskam und als Beitrag zu einer geschichtlichen Darstellung des „römischen Rechts“ lange Zeit beachtet wurde: „Das Recht der „„Dos““ vor Justinian“. Dann trat er als Landgerichtspraktikant in den Staatsdienst; nach dem juristischen Hauptexamen ward er Assessor am Münchener Stadtgerichte. Die besten gesellschaftlichen Kreise öffneten sich ihm, zumal das Heim des Rathes Clemens Neumayr, der mit einer Schar auserlesener Künstler, Gelehrter, Schriftsteller sich zu umgeben liebte. Bald fühlte sich S. zu der Tochter des Hauses, Therese, einem frommen und weichgestimmten Mädchen, hingezogen, und 1814 besiegelte die Ehe den stillen Bund. Die Frau war katholisch; die Seele des Mannes aber [38] befand sich schon so lange im Bann des alten Glaubens, daß der Uebertritt ihm nur als Förmlichkeit galt. Das aphoristisch angelegte Büchlein, durch welches er seinen Abfall vom Protestantismus zu rechtfertigen sucht, hat ein romantischer Schwärmergeist verfaßt („Gedanken und Empfindungen am Fuße des Altars zur Feyer von Ostern und Frohnleichnam“, 1822); S. hat sich zu einer Kirche bekannt, die ihm alle Skrupel löst, „die nicht grübelt, nicht zweifelt, nicht wanket“: zur Kirche des Thomas von Aquino und Ignatius Loyola. Es beginnt die Zeit, da sich seine Vorliebe für die bildende Kunst und Poesie entwickelt, im Umgange mit dem Akademiedirector Robert v. Langer und dessen bedeutenden Freunden. In der Gesellschaft seines Gönners unternimmt er 1823 (August bis October) eine anregungsreiche Fahrt durch die Lombardei und Venetien, als deren wichtigstes Ereigniß ein Zusammentreffen mit dem greisen Canova zu gelten hat. Anknüpfend an den Besuch in Passagno, dem Wohnorte des großen Bildhauers, schreibt er sein erstes, für die Oeffentlichkeit bestimmtes Poem im Versmaße Dante’s, dessen „Göttliche Komödie“ ihm Langer nahegebracht. (Der Künstler wünschte die Dichtung durch Radirungen zu erläutern, und S. sollte sie neu übersetzen.) Die Terzinen, die gleich nach des Meisters Tod hingeworfen worden, enthalten eine gedehnte Beschreibung des würdevollen alten Herrn und der Aufnahme, welche die wißbegierigen Reisenden in Passagno gefunden. Alle hervorragenden Schöpfungen Canova’s, den Thorwaldsen als neidloser Bewunderer gepriesen, steigen vor des Verfassers Erinnerung herauf. Von nun bekundet S. ein mehr eifriges und ausgedehntes als tiefes Interesse an der litterarischen Arbeit, so zwar, daß man seinem Namen in den verschiedensten Zeitschriften, Almanachen und Taschenbüchern begegnet. Auch am Dramenschreiben findet er Gefallen: Der erste Act einer „Henriette v. England“ erscheint in Weichselbaumer’s Orpheus, und am 23. Februar 1826, wird auf dem Münchener Hoftheater das Trauerspiel „Belisar“ zum ersten Male gespielt, welches später über alle deutschen Bühnen ging. Um diese Zeit gewinnt S. einen ergebenen Freund: Michael Beer. Das Verhältniß zu dem gleichstrebenden Poeten hat auf seine litterarischen Bestrebungen entschieden eingewirkt. „Belisar“ vermittelte die Bekanntschaft, als Beer im Sommer 1826, auf einer italienischen Reise begriffen, durch München kam. Jeder nimmt anregend Theil an dem Schaffen des Anderen; nachdem sie von einander geschieden, entspinnt sich eine lebhafte Correspondenz, aus welcher S. in „Michael Beer’s Briefwechsel“ Einiges mittheilt. Beer fördert das Lustspiel „Dürer in Venedig“ und recensirt es später, indessen S. eine Abhandlung über „Struensee“ schreibt (Abendblatt 1828) und eine Regensburger Aufführung der Tragödie (26. April 1833) mit einem Prologe schmückt – er beklagt den frühen Heimgang des Freundes in einem Trauergesange und betrachtet es als Pflicht der Pietät, Beer’s Werke in einer würdigen Ausgabe zu sammeln (mit ausführlicher Einleitung 1835). Sogar ein Journal wollten sie gemeinsam begründen, für das Cotta bereits gewonnen war. Beer sucht Uhland sowie Wilhelm Hauff für S. zu interessiren und wendet die Aufmerksamkeit seines berühmten Bruders dem bairischen Dichterling zu, indem er den Musiker „lüstern macht auf den Opernstoff der Untersberger“. „Wie wäre es“, schreibt er sehr bezeichnend, „wenn Sie sich dazu bewegen ließen, die Veranlassung zu werden, daß ein deutscher Componist einmal die fremden Länder, in denen er Ehre und Ruhm gefunden, verließe, um sich in seiner Heimath nach echtem, biederem, deutschem Sinn schimpfen zu lassen? Thun Sie es in allem Ernste, vielleicht lockt der Zauber Ihrer Poesie den Abtrünnigen zu uns“. Und als ein Jahr darauf S. Minister wurde, schickte ihm König Ludwig die folgenden charakteristischen Zeilen: „Wenn der Minister weniger Umgang mit dem durch Talent und Benehmen ausgezeichneten Israeliten Michael Beer haben sollte, als [39] der Ministerialrath gehabt, würde auf mich unangenehmen Eindruck hervorbringen“. Uebrigens unterhielt S. Beziehungen zu manchem hervorragenden Poeten. Er war mit Platen bekannt, mit Zedlitz, Tieck und Rückert; er verkehrt mit Heine, so lange dieser in München weilt, und stand mit Grillparzer auf vertrautem Fuße. In seiner Selbstbiographie beschreibt der österreichische Dichter (4. Ausg. d. Werke, 1887, Bd. 15, S. 154) eine Reise nach Deutschland (1826); er spricht über München und bemerkt: „In ein nahes Verhältniß kam ich mit dem damaligen Minister Schenk, einem liebenswürdigen und poetisch begabten Manne. In seinem Hause, in dem er damals eine nicht mehr ganz jugendliche, aber höchst anziehende Verwandte beherbergte, habe ich sehr glückliche Stunden verlebt“. … In seiner Beamtenlaufbahn hatte S. sehr schnelle Fortschritte gemacht: 1818 zum Geheimsecretär im Justizministerium ernannt, wurde er 1823, noch durch Max Joseph, zum Generalsecretär im Departement der Rechtspflege berufen, bis er beim Regierungsantritt Ludwig’s I. (13. October 1825) in das vom Grafen Armansperg geleitete Cultusministerium übertrat. Es wird eine besondere Abtheilung für Kirche und Unterricht gebildet, zu deren Oberhaupt man S. machte. Zwei wichtige Aufgaben harrten seiner – die Verlegung der Universität von Landshut nach München und die Reorganisation der „Akademie der Wissenschaften“. Unter dem Einflusse des neuen Königs begann sich in der Hauptstadt das regeste wissenschaftliche und künstlerische Leben zu entfalten: die unschätzbaren Kräfte eines Schelling und Thiersch, eines Klenze und Boisserée, eines Cornelius und Heß wußte Ludwig zu fruchtbarer Thätigkeit anzuspornen. S., der mit diesen Männern enge Fühlung hatte, war ihm sehr sympathisch – dem Könige gefiel jene Mischung von Geschäftstüchtigkeit und dem dilettantenhaften Eifer, als Poet etwas zu wirken; er fand in S. einen litterarischen und künstlerischen Berather; er vertraute ihm die Ordnung und Drucklegung seiner Gedichte an und machte ihn endlich zum Minister der geistlichen Angelegenheiten und des Innern (1. September 1828). Mit den folgenden Worten meldet der Monarch dem Bischof Sailer die Ernennung: „Ich weiß, daß es Sie freut, darum schreibe ich es Ihnen, solche Gesinnungen, wie die seinigen, brauche ich an der Spitze der Staatsgeschäfte, und ich wollte das Talent in der ganzen Kraft seiner Jahre am rechten Platze haben.“ Und an den Erwählten wendet er sich so (14. September 1828): „Ein religiöser Geist, ein von Kunst und Wissenschaft durchdrungener, lebe in dem Ministerium des Innern, in allem Uebrigen herrsche der bisherige“. Das Ministerium S. bedeutete ein clerical-reactionäres Regiment. Mit großem Eifer leitete der Mann sofort die Erfüllung des Concordates ein, nach welchem Klöster und Orden wieder ins Leben gerufen werden sollten zum Entgelt für das sequestrirte Kirchengut. Kloster Metten ersteht; Capuciner und Franciscaner und Congregationen barmherziger Schwestern treten in Wirksamkeit; Seminare für Geistliche werden errichtet; man sieht glänzende Bittgänge; die Oberammergauer dürfen aufs neue ihre Spiele veranstalten, und die Kirche schwelgt in Prunk und Pracht. Nach kurzem Widerstande der Philologen gelang es S. sogar, die clericale Reform auf die Schule zu übertragen: Es war ihm darum zu thun, im Schulplane das humanistische Element zurückzudrängen, an dem Thiersch und Jacobs festzuhalten suchten. Uebrigens beweist er auf den verschiedensten Gebieten der Verwaltung schöpferische und organisatorische Begabung, sowie zähen Fleiß: Er begründet einen Obermedicinalausschuß, er regelt die Benützung der Bibliotheken, gestaltet das Gestütwesen um, erläßt Verordnungen über die Hauptprüfung zum Staatsdienste, macht ein Executivgesetz für die Heeresergänzungen, will die Gasbeleuchtung in München einführen, erwägt die Austrocknung der Freisinger Moore und denkt an einen Canalbau zwischen der Landeshauptstadt und der Donau. Vornehmlich [40] aber faßt er die architektonische Verschönerung Münchens ins Auge, zusammen mit dem Könige, der sich so äußert: „Wie Cornelius, Schnorr, Heß neben einander unabhängig malen, so müssen es auch die Architekten können, soll das Bauwesen gedeihen.“ Schenk’s Herrschaft hat nicht lange gedauert: Die frische Bewegung, welche, von der Julirevolution hervorgerufen, durch Deutschland ging und im politischen Leben Baierns freiere Anschauungen weckte, hat ihn bei Seite gedrängt. Er ist im Kampfe mit einem hartnäckigen Parlamente gefallen. Die Begeisterung für Freiheit und Selbständigkeit fand in der Presse einen so heftigen Ausdruck, daß die Regierung durch ein Censurgesetz zu Unterdrückungsmaßregeln greifen zu sollen glaubte. Die Opposition gerieth in mächtige Erregung und erklärte die von S. contrasignirte Verordnung für verfassungswidrig. Zu gleicher Zeit wagte die Krone einen Angriff auf die Wahlfreiheit, dessen Urheber S. war. Unter den Abgeordneten, die Staatsdiener waren, befand sich eine Anzahl von liberalen Männern, welche die Ideen der vorgeschrittenen Zeit kraftvoll vertraten, für die Entmündigung[1] des Volkes wirkten und der Regierung energischen Widerstand zu leisten nicht zögerten: Um diese Leute mundtodt zu machen, erließ die Krone eine Verfügung, „Staatsdiener und Pensionsempfänger“ dürften als Abgeordnete nicht der Kammer angehören. Gesetz und Verfassung wurden durch diesen Erlaß zwar formell nicht verletzt, aber weil die Regierung sich nur auf ein formelles Recht stützte, entging sie nicht dem Vorwurfe, sich moralisch an den allgemeinen constitutionellen Anschauungen vergangen zu haben. Der Abgeordnete v. Closen, ein fortschrittlicher Heißsporn, tritt aus dem Staatsdienste, um seine Pflicht als Volksvertreter erfüllen zu können. Große Aufregung und Erbitterung in der Kammer; S. hat den heftigsten Reden Stand zu halten. Zwar ermuthigt König Ludwig ihn (6. Mai 1831): „Nur nicht niedergeschlagen in der Kammer, nicht capitulirend, sondern fortgefahren mit dem männlichen Ernst und entschiedener Festigkeit“. Doch schon am 24. Mai mußte der Monarch seinem Schützlinge das dringende Gesuch um Entlassung bewilligen, – hatte doch der Beschwerdeausschuß über die Censurverordnung sogar beantragt, S. in Anklagezustand zu versetzen. Der Minister wurde unter ehrender Anerkennung seiner Treue und Anhänglichkeit des Amtes enthoben und zum Generalkreiscommissär in Regensburg, sowie zum Staatsrathe im außerordentlichen Dienste ernannt; auch berief ihn der König bald darauf in den Reichsrath. Sowohl in der ersten Kammer wie in der Verwaltung des Regenkreises hat sich S. als Gesetzgeber und Organisator noch nützlich gemacht. Ludwig holte auch fürder in wichtigen Angelegenheiten bei ihm Rath und lud ihn oft nach München ein, damit ihm S. Gesellschaft leiste. In Regensburg konnte der regsame Mann wieder wie einst seinen Lieblingsbeschäftigungen, zumal der Poesie, nachgehen. Schnell und unerwartet kam ihm der Tod: er starb am 26. April 1841, Nachmittags 5 Uhr, in München und wurde drei Tage später mit großem Pompe zu Grabe getragen. Ein Berichterstatter der „Allg. Ztg.“ schrieb (Nr. 121): „Ich kann Ihnen nicht ausdrücken, wie sehr der Verlust dieses Mannes in allen Kreisen der Gesellschaft beklagt wird, schon seine äußere Erscheinung war so freundlich und liebenswürdig, daß es schwer fällt zu glauben, er habe je einen Feind gehabt.“ Aus der überschwänglichen, beschönigenden Lobrede, welche dasselbe Blatt ein Jahr darauf veröffentlichte, geht dieses als sicher hervor: S. muß persönliche Eigenschaften besessen haben, die selbst seine politischen Gegner einigermaßen versöhnten; er war ein ernster Beamter, ein gewandter Redner, ein gehorsamer Diener seines Königs und hat die mannichfachen Irrthümer seines Lebens in der Ueberzeugung begangen, einer, wie ihn dünkte, gerechten Sache zu nützen. – – Litterarisch hat sich S. zunächst im Drama bethätigt und vornehmlich mit dem Trauerspiele [41] „Belisar“ einen Erfolg errungen, den wir heute kaum begreifen können, wenn wir uns vergegenwärtigen, daß die Nation Lessing, Goethe, Schiller, Kleist gehabt und daß Grillparzer damals heraufstieg. Wie hier, so erscheint er auch in der Tragödie „Henriette von England“ und dem Schauspiel „Die Krone von Cypern“ – beide erstmalig aufgeführt zu München am 1. December 1826 bezw. 29. März 1832 – als der entartete Sohn der Romantik. Das ungedruckte „historische Schauspiel“ „Adolph von Nassau“ (Mscpt. auf der Münchner Hof- und Staatsbibliothek Cod. germ. 5109) gibt sich wie eine matte Staatsaction; ein Gegenstück soll S. im Entwurfe fertig gestellt haben: Regierung und Ende Kaiser Albrecht’s, der aus einem Zweikampfe mit dem Nassauer siegreich hervorgegangen war. In dem biblischen Drama „Bethulia“, seinem letzten Werke (gedruckt in der „Charitas“ 1842, S. 357–446) entwickelt er die Geschichte Judith’s und die Ermordung des Holofernes gemäß der Ueberlieferung, mit wenig Kunst und vielem religiösen Pathos, wie denn auch seine übrigen Stücke außer einer stark ausgeprägten christlichen Gesinnung nichts Eigenartiges aufweisen. Kein lebendiger Geist beseelt den Wust des Stofflichen; nichts von moderner Empfindung, von Phantasie oder Gestaltungskraft. Zum Dramatiker fehlte dem Manne beinahe alles, besonders die Gabe des Charakterisirens. Seine Figuren – zumeist Gestalten der Geschichte – stellen sich nicht als Menschen dar, die vermöge eigener Willenskraft und aus Selbstbestimmung gut oder böse handeln, irren oder das Rechte thun, sondern als Puppen, deren Bewegung der Autor nach dem jeweiligen Bedürfnisse regelt. Die Personen sind ferner entweder notorische und unbedingte Bösewichter oder Engel der Unschuld und Tugend. Während die Charaktere echter Dramatiker ihre Eigenschaften in Handlungen entwickeln, so sagen Schenk’s Geschöpfe mit überreichen Worten von sich selbst aus, was sie sind und vorstellen sollen. „Belisar“ ist, voll Unnatur und Schwulst, eine Tragödie der Verleumdung. Der Held des Stückes wird als glänzender Sieger, als Retter und Beglücker der Nation, als selbstloser und treuer Vasall geschildert; er hätte Dank verdient und erntet Schmach durch die unglaubliche Schwäche und Verblendung eines kaiserlichen Tropfes. Nach antiken Vorbildern hatte Belisar einst seinen Sohn einem Sklaven zur Ermordung übergeben, weil ihm ein Traum in dem ungerathenen Burschen einen Verräther des Vaterlandes gezeigt. Der Sclave tödtet das Kind selbstverständlich nicht, sondern setzt es aus. So hat sich der Verfasser die Möglichkeit offen gehalten, den Todtgeglaubten unter Belisar’s Kriegsgefangenen zurückkehren zu lassen. Bei Alamir, dem Alanenjüngling, der wie sein Vater von Edelmuth trieft, meldet sich natürlich die Stimme des Blutes. Antonina, des Heerführers Frau, welcher jener Sclave sterbend gebeichtet, geräth über den Verlust des Sohnes in solche Raserei, daß sie sich mit zwei schwarzen Hallunken, die den Gefeierten aus unbekannten Gründen vernichten wollen, zum Sturze des Gatten verbindet. Sie fälschen gemeinsam Briefe Belisar’s, und Justinian, der leichtgläubige Narr, hat nichts gegen ein Todesurtheil einzuwenden. Nach einem gedehnten Selbstgespräch, worin er sich als gediegenen Kenner Schiller’s – vergleiche die Monologe der Elisabeth (Maria Stuart) und Philipp’s (Don Carlos) – entpuppt, läßt sich der Kaiser durch einen Haufen hereindringender Belisarverehrer bestimmen, das Urtheil aufzuheben und den Feldherrn nur zu verbannen. Belisar’s Blendung wird auf die folgende haarsträubende Art motivirt (Act III, Sc. 5 u. 6): Justinian hatte die Verbannung so ausgesprochen: „Sorgt dafür, daß er mein Antlitz nicht mehr schauen kann“; und die Bösewichter Eutropius und Rufinus nehmen tückisch, wie sie sind, den Kaiser beim Wort und erfüllen das Gebot buchstäblich (!). Wie Gloster in Edgar’s Begleitung, so geht der blinde Held, von seiner Tochter Irene geführt, die sich als Jüngling verkleidet [42] hat, ins Elend. Um Belisar zu rächen, ziehen die jungen Alanen gegen das Reich. Ihr Oberhaupt ist Alamir, den Belisar unterwegs aufhält und in einer herzbewegenden Scene als seinen Sohn erkennt (Recognitionsobject: ein Kreuz). Die Alanen eilen auf Byzanz zu; Belisar, von Justinian zurückgerufen, hat Gelegenheit, das Vaterland zum zweiten Male zu erretten, muß aber, anstatt die Früchte seines Sieges zu genießen, einen rührenden Tod erleiden. Die ränkesüchtigen Höflinge empfangen die verdiente Strafe, und Antonina stirbt an Gewissensbissen und Auszehrung. Das ist der vielgerühmte „Belisar“. Wie hier die morgenländische Griechenwelt von einer tollgewordenen Romantik erfüllt wird, so umgibt S. in der „Henriette“ den aufgeklärten Hof des glänzenden Königs von Frankreich mit den düsteren Schatten mittelalterlicher Barbarei. Man hat ein Intriguenstück erhalten, welches das Geschick der klugen Tochter Karl’s I. mit einem großen Aufwand greulicher Mittel, wie Verrath, Meuchelmord, Vergiftung, schildert. Auf einer Sammlung ähnlicher scheußlicher Motive baut sich die „Braut von Cypern“ auf. Unrechtmäßiger Besitz wird dem tyrannischen Usurpator genommen, und gerade durch diejenigen, welche er längst vernichtet zu haben meinte; sie sind durch Wunder gerettet und betreiben nun das Werk der Rache. Unholde und Schurken befehden die Kirche; es gibt lange Erzählungen von räuberischen Thaten und erschütternde Erkennungsscenen; mit Gift und Dolch wird gearbeitet; es fehlt natürlich nicht das Liebesspiel zwischen dem betrogenen Fürstensohne und der unschuldigen Tochter des Verbrechers … Auch im sprachlichen Ausdruck zeigt sich der Mangel an dichterischem Talente: Keine Wendung, die aus dem Wesen des Gegenstandes geschöpft, kein Bild, das mit der schaffenden Phantasie erschaut wäre; kein ursprünglicher Gedanke, kein Wort echt empfundener Weisheit. Zwar wird ein gewisser Glanz und Schwung des Verses angestrebt, aber die Mühe ist vergeblich, weil sie auf äußerlicher Nachahmung bestimmter Muster beruht. Dann dieser willkürliche Wechsel in den Metren und Rhythmen! Unvermittelt treten fünffüßige Jamben, vierfüßige Trochäen, „vers irréguliers“, gereimt und ungereimt nebeneinander. Plötzlich theilt sich die Rede strophisch ab: Belisar spricht zum Kaiser in wohlgebildeten Stanzen und Alamir hält einen Monolog in Sonettform. Wenn Schenk’s armselige Schöpfungen gleichwol einen gewissen vorübergehenden Glanz verbreiteten, so war es doch nur, um mit Goethe zu reden, fulgur e pelvi, indem die Sonne unserer Classiker hier aus „einem nicht eben reinen Gefäß zurückleuchtet und kaum eine augenblickliche Blendung bewirkt“. Auf Schenk’s Unselbständigkeit ist schon leise hingedeutet worden; er ging in der Sucht, sich fremdes Gut zum Eigenthum zu machen, sehr weit. Antonina’s Ausgang ist bestimmt durch Lady Macbeth’s Schicksal; Wallenstein’s Seni spukt im Bruno der „Henriette“; Mördergestalten aus dem Shakespeare kehren wieder, Max- und Thekla-Empfindungen hallen zurück, das „Horoskop wird gestellt“ und die „Linien der Hand beschaut“; Schiller’s unübertreffliches Bild von dem „Schiffe, das mitten auf dem Weltenmeer in Brand geräth“ (Schluß der Piccolomini), kann neuem Zwecke dienen, falls für das brennende Fahrzeug ein ausbrechender Vulcan eingesetzt wird; Herzog Philipp hat von Marquis Posa gelernt, wie man sich verständlich macht, auch wenn man die Wirklichkeit in eine märchenhafte Erzählung hüllt („Zwei edle Häuser in Mirandola“); in dem kleinen Stücke „Eßlair’s Gedächtnißfeier“ (Morgenblatt 1841, Nr. 78) werden die berühmten Verse, mit denen Schiller die Vergänglichkeit der mimischen Kunst beklagt, schlecht verhüllt als eigene Arbeit reproducirt u. s. w. u. s. w. Von Schenk’s übrigen dramatischen Werken hat das einactige Lustspiel „Albrecht Dürer in Venedig“, das am 300jährigen Todestage des großen Künstlers auf der Münchener Hofbühne dargestellt wurde, ein gewisses Ansehen erlangt. Beer nennt es „eine echte, [43] farb- und duftreiche Blume, welche auf diesem karg bebauten Felde unserer Litteratur aufgeblüht ist“, und schreibt ihm „eine heitere versöhnende Stimmung zu, die wir nur in der reinen Nähe der Grazien empfinden“. Uns freilich dünkt es, daß auch den Figuren dieses Stückes jedes individuelle Leben fehle. Es bietet nach sehr durchsichtigem Plane einen Künstlerzwist, der ein fröhliches Ende nimmt. Die Gegenüberstellung Tizian’s und Dürer’s ist akademisch gehalten und scheint aus irgend einem kunstgeschichtlichen Buche zu stammen. Immerhin mag das Bemühen, bei geziemender Gelegenheit der alten deutschen Kunst, wie sie die Welt erobern will, ein litterarisches Denkmal zu setzen und die Anschauung nachdrücklich zu vertreten, daß die wahre Kunst alle nationalen Unterschiede aufhebt, lobend anerkannt werden, auch wenn die Ausführung hinter dem Willen zurückgeblieben ist. Im Gegensatze zu der Einfachheit dieses Lustspiels zeigt Schenk’s zweite Künstlerkomödie, „Die Griechen in Nürnberg“ eine verwickelte Composition. Hier gibt es schablonenhafte Intriguen, die ein boshafter Rathsherr gegen den grundehrlichen Pirkheimer, für dessen Unschuld Peter Vischer eintritt, ins Werk setzt; die edle Tochter des Uebelthäters liebt wieder den Sohn des Biedermannes (den jungen Vischer). Der gefährliche Mensch wird bekehrt und versöhnt. Neben einem belanglosen Singspiel, „Der Untersberg“ betitelt (1829, Musik von Freiherrn v. Poißl), hat S. noch eine Reihe von Gelegenheitsstücken verfaßt, aus welcher der Epilog auf Eßlair’s Tod bereits hervorgehoben wurde. Es offenbart sich in diesen Werken eine schreckliche Armuth der Erfindung und die baare Unfähigkeit, ein wirklich charakteristisches Wort über die gefeierte oder beklagte Person auszusprechen. Formell sind sie insofern fast alle nach demselben billigen Mittel hergestellt, als der Autor die Zeit der Handlung in die Vergangenheit verlegt und nun das Zukünftige weissagt. So läßt er in „Alte und neue Kunst“, einem allegorischen Spiele, das dem Tode Goethe’s galt, Melpomene und Romantia so lange mit einander hadern, bis der Poesie Genius verkündigt, er werde einen Dichter schaffen, der beide versöhne, indem er beiden Genüge thue. Und in den Huldigungsstücken für den Hof, welcher Ton widerlicher Kriecherei! Es ist etwas Schönes um Dankbarkeit, Unterthanentreue und Loyalität; wo sie aber einen so knechtischen Ausdruck finden, wie in „Ludwigs Traum“, „Ahnen und Enkel“, „Kadmos und Harmonia“ (Sonderdruck), da darf man den Schriftsteller wohl der sittlichen Schwäche zeihen. In dem Sonett, das dem „Belisar“ als Widmung vorhergeht, vergleicht er Ludwig I. mit einer mächtigen, zu den Wolken aufsteigenden Ceder, sich aber mit der Staude, die am Fuße des Baumes wurzelt und „still ihr Haupt senkt“. An vielen Stellen seiner Gedichte tritt dieser de- und wehmüthige Zug noch stärker hervor. In der religiösen Lyrik und den Liebesliedern ist die Empfindung künstlich und geschraubt; hier und in den übrigen Stücken dieser Gattung offenbart S. jene formelle Gewandtheit, die selbst ein flaches Talent sich anzueignen vermag, aber ebenso wenig poetische Gestaltungskraft, wie in den dramatischen Sachen. Er entlehnt die Klangfarbe meistens fremden Dichtern, zunächst Schiller. Sein litterarisches Gewissen ist sehr weit. Man höre nur den Anfang einer Epode (D. Musenalm. 1835, S. 77): „Dem stillen Schoos der mütterlichen Erde Vertraut der Landmann seine liebe Saat, Und hofft …“ Oder den Vers: „Und ein unbiegsam Werkzeug ist das Wort“ (Ebend. S. 80). Endlich mag noch eines epischen Versuches gedacht werden, den S. hinterlassen. Er hatte sich die großmächtige Aufgabe gestellt, die Geschichte und das Culturleben von 16 Jahrhunderten in einem umfassenden Gedichte zu beschreiben. Der Plan war derart entworfen, daß Ahasverus („Der ewige Jude“ sollte das Werk getauft werden) gegen das Ende des 17. Säculums in einer Benedictinerabtei Süddeutschlands wenige Tage rastet und den Mönchen [44] seine bedeutendsten Erlebnisse erzählt. Drei Bruchstücke sind davon gedruckt worden: „Die Legende vom heiligen Georg“ (Charitas 1834), „Albertus Magnus“ (D. Musenalm. 1834), „Hi-Tang und Li-Song“ (D. Musenalm. 1838). Eine geschraubte Romantik und eine Verherrlichung des katholischen Christenthums! Bild und Stimmung des Eingangs ist Dante nachempfunden.

Seine Dramen hat S. selbst in drei Bänden 1829–35 herausgegeben; was in dieser Sammlung fehlt, ist oben bezeichnet worden. Auch die Cantate auf den Tod der berühmten Sängerin Clara Vespermann ist im Sonderdruck erschienen. Die lyrischen Gedichte, Fabeln und poetischen Erzählungen sind nicht vereinigt herausgekommen. Man findet sie in Weichselbaumer’s „Orpheus (1824–25, 2. Heft), in F. A. Greger’s „Sonette von bairischen Dichtern“ (1831, Bd. 1 und 4, theilweise übernommen aus dem Orpheus), in Becker’s Taschenbuch 1829, im Taschenbuch für Damen 1831, im D. Musenalmanach 1835 und in der von S. begründeten „Charitas“ 1834–43. Einzelne Reden Schenk’s besitzt die Hof- und Staatsbibliothek zu München. Von „Belisar“ hat Bobertag in Kürschner’s Nat.–Lit. Bd. 161 einen Neudruck veranstaltet, und „Albrecht Dürer“ ist in der „Katholischen Dilettantenbühne“ (Kempten 1883, Heft 8) wiederum aufgelegt worden. – Biographisches: Außer den schon angegebenen Quellen vgl. Allg. Ztg. 1842, Nr. 98 und 99 (Beilage). – N. Nekrolog d. Deutschen 1841, I, 461–471. – Karl Th. Heigel, dem ich auch persönlich manchen Fingerzeig verdanke, hat in seiner Biographie König Ludwig’s I. über Schenk’s politische Thätigkeit lehrreichen Aufschluß gegeben und einige Briefe des Königs an den Minister mitgetheilt (S. 398 f.). – Verhandlungen der Stände 1831. – G. Th. Rudhard, Lebensbeschreibungen der Männer, deren Brustbilder in Baierns Ruhmeshalle aufgestellt sind (S. 88–89). – Hormayr’s Taschenbuch 1854 bis 1855 (S. 53). – Goedeke III, 473 ff. – Unter den vielen Lobhudeleien, welche S. durch die Kritik erfahren, sind bemerkenswerth: Die Würdigung als Dichter in der „Allg. Ztg.“ 1842, Nr. 210 und 211; ein Artikel im Münchener Inland, 1829 (S. 541); Michael Beer’s Aufsatz im Cotta’schen Literaturblatt (Beil. z. Morgenbl.) 1828, Nr. 33; siehe auch H. Heine’s Reisebilder. Volksausg. 1884, Bd. 6, S. 15. Wie wohlthuend berührt uns dagegen die Wahrheitsliebe Chr. D. Grabbe’s bei der Besprechung des „Belisar“, den Immermann 1836 auf seiner Musterbühne in Düsseldorf spielen ließ (Düss. Tagebl. Nr. 26; sämmtl. Werke 1874, Bd. 4, S. 259 ff.).[2]

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 40. Z. 15 v. o. l.: gegen die Entmündigung. [Bd. 33, S. 799]
  2. S. 44. Z. 18 v. u.: In dem jüngst erschienenen Briefwechsel zwischen König Maximilian II. von Baiern und Schelling wird des öfteren Eduard v. Schenk’s gedacht. – Der „Charitas“ auf 1843 schickte der neue Leiter des Almanachs, Karl Fernau, eine kurze Biographie des Begründers voraus, die einige Stellen aus Briefen Schenk’s an Robert v. Langer enthält. [Bd. 33, S. 799]