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Alfred Meißner †

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Friedrich Hofmann
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Titel: Alfred Meißner †
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 26, S. 435–436
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1885
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[435] Alfred Meißner †. (Mit Portrait S. 417.) Es war ein glückliches Dichter-Kleeblatt, das der Bodensee um die Mitte der siebziger Jahre verband. Im Jahre 1869 hatte Alfred Meißner Bregenz zum ständigen Wohnort erwählt; 1872 schlug Viktor von Scheffel seinen Sitz in Radolfszell auf, und zwei Jahre später ließ Gustav von Meyern-Hohenberg sich in Konstanz nieder. Der Letztere pries mir mehrmals die Freuden ihrer Zusammenkünfte, und leider mußte er der Erste sein, dessen Blatt abbrach; im Jahrgang 1879 hatte die „Gartenlaube“ dem Dichter des „Heinrich von Schwerin“ und des „Teuerdank“ das Grab zu schmücken. Und jetzt ist das zweite Blatt gefallen: am 29. Mai starb Alfred Meißner. Nun weht nur noch eins der drei Dichterblätter am Bodensee, das jüngste und doch auch schon hart am sechzigsten Jahr. Möge ihm noch lange wohl sein!

Wir haben Alfred Meißner in Bild und Wort schon 1867 (S. 68) unseren Lesern vorgeführt, und im vorigen Jahrgange (S. 550 und 556) das Wesentlichste aus seinem jüngsten Werk „Geschichte meines Lebens“ [436] mitgetheilt. Als unsern Beitrag zur Feier seines Andenkens fügen wir zu dem Portrait von 1867, welches den mittleren Vierziger darstellte, heute das Bildniß des Dreiundsechzigers, als welcher er heimgegangen.

Alfred Meißner hat eine erfahrungsreiche Jugend verlebt und eine wohlgefüllte Mappe voll von Erinnerungen und Erlebnissen mit zu der Stätte gebracht, an welcher er endlich Herd und Werkstatt gründete. Er war einer der österreichischen Flüchtlinge unter Metternich’s Censur- und Polizeigewalt, die damals, wie Karl Beck, Moritz Hartmann, Ignaz Kuranda, Johannes Nordmann, Eduard Mautner, Hermann Rollet etc. in Sachsen, namentlich in Leipzig schwärmten und hier unter milderer Censur in ihren poetischen Erstlingen den Seelensturmseufzern nach Freiheit den Lauf ließen; denn nur ein Graf Auersperg konnte es damals wagen, im Lande selbst die österreichische Volksfrage laut auszusprechen: „Darf ich so frei sein, frei zu sein?“ – Die Freiheit, die sich die Flüchtlinge hier nahmen, trug den meisten später in Oesterreich saure und bittere Früchte. Nachdem Meißner das erste Bändchen seiner Gedichte und sein berühmtestes Werk, das Epos „Ziska“, in Leipzig herausgegeben, drohte auch ihm das Metternich’sche Freiheitshonorar, dem er klug nach Paris entging.

Das Jahr 1848 führte Meißner nach Frankfurt am Main, die Reaktion trieb ihn wieder nach Paris und auch nach London, wo er viele der hervorragendsten Flüchtlinge verschiedener Nationen und ihre Schicksale kennen lernte. Reich an Schätzen des Geistes und Herzens kehrte er in die ihm so liebe böhmische Heimath zurück. Ehe er aber die schaffende Feder von Neuem ergreifen konnte, hatte er ein schweres Opfer zu bringen. Wie sein „Ziska“ ein Hochgesang der Freiheit im Kampf gegen die Tyrannei war, so hatte er zu gleicher Verherrlichung zwei neue Heldengedichte: „Georg von Podiebrad“ und „Die Weißenberger Schlacht“ nahezu vollendet. Als er aber erkannte, daß das während seiner Abwesenheit erstandene Czechenthum seine Dichtungen in dem nationalen Kampfe als deutsch-feindliche Waffen benutzen könne, übergab er seine Werke den Flammen. Diese That verdiente die Ehre, die sie dem Dichter auf seinem letzten Wege eintrug.

Nach seinen epischen Arbeiten hatte Alfred Meißner sich der dramatischen Poesie zugewandt, und zwar ebenfalls mit Erfolg. Er schrieb drei Stücke: „Das Weib des Urias“ (1851), „Reginald Armstrong, oder die Welt des Geldes“ (1852) und „Der Prätendent von York“ (1857); weil aber das letztere bei seiner Aufführung auf dem Burgtheater nicht die erwartete Auszeichnung gefunden, warf Meißner die dramatische Feder für immer weg und begann die lange Reihe seiner Romanschöpfungen, deren vollständige Aufzählung wir unterlassen müssen. Als besonders beachtenswerth ist zu nennen: „Der Sohn des Atta Troll“ (1850), „Novellen“ (1864 und 1876), „Seltsame Geschichten“ (1859), „Charaktermasken“ (1862), „Dichtungen“ (1862), „Zeitklänge“ (1870), ferner verschiedene Reise-Erinnerungen und Memoiren. Seine gesammelten Werke füllen 18 Bände, und aller größter Werth ist ihr deutscher Geist.

Diesem galt auch die öffentliche Theilnahme bei der Bestattung des Dichters am 31. Mai. Nicht blos die städtischen Behörden, Anstalten, Vereine und Gesellschaften aller Art von Bregenz folgten dem von zahlreichen Kränzen geschmückten Sarg, auch die Wiener „Concordia“, das Prager „Deutsche Kasino“, die deutsch-böhmischen Reichstagsabgeordneten und der Deutsche Schulverein waren vertreten und die ganze Bürgerschaft schloß dem Zuge sich an, denn Niemand mochte bei der letzten Ehre eines Mannes fehlen, dessen Freundschaft ein Glück und dessen Bekanntschaft schon eine Auszeichnung war. Fr. Hfm.