BLKÖ:Schiel, Heinrich Joseph
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 29 (1875), ab Seite: 277. (Quelle) | |||
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Metternich, die Anstellung als Privat-Secretär bei dem Marschall Marmont zu erlangen, der bekanntlich durch seinen frühen Abfall von der bonapartistischen Partei, noch mehr aber dadurch, daß er in den Julitagen die Truppen gegen das Volk geführt, sich bei seinen Landsleuten verdächtig gemacht und längere Zeit Wien zu seinem Aufenthalte erkoren hatte, bis ihm die Befestigung der Macht Ludwig Philipp’s die Rückkehr in sein Vaterland ermöglichte. Als Secretär des Marschalls war S. demselben bei der Redaction der ersten fünf Bände seiner Memoiren behilflich und vollendete auch in dessen Auftrage die deutsche Uebersetzung des großen Reisewerkes des Marschalls, welches unter dem Titel: „Reise durch Ungarn, Siebenbürgen, Südrußland, die Krim, an den Küsten des asowschen Meeres, nach Constantinopel, Kleinasien, Syrien, Palästina und Egypten in den Jahren 1834 und 1835. Authentische, unter Aufsicht und aus Auftrag des Verfassers besorgte deutsche Ausgabe“, 5 Bände (der 5. auch unter besonderem Titel: „Reise durch Sicilien“) (Bd. 1–4 Stuttgart 1837, Hallberger, mit Plänen; Bd. 5 Wien 1838, Heubner, 8°.), in die Oeffentlichkeit kam. Im Jahre 1837, 19. December, erhielt S. eine Anstellung als Concepts-Praktikant und Amanuensis an der k. k. Hofbibliothek, in welcher Stellung er an zwei größeren Arbeiten theilnahm, zuerst an der Ordnung und entsprechenden Aufstellung der reichhaltigen Bibliothek des Staats- und Conferenzministers Grafen von Ficquelmont [Bd. IV, S. 221], der eben damals von seinem Gesandtschaftsposten aus St. Petersburg (1829 bis 1839) zurückgekehrt war; und dann an der Ordnung und Aufstellung der über 40.000 Bände zählenden Privat-Bibliothek des Fürsten Metternich, welche Aufgabe S. mit solchem Geschicke löste, daß ihn der Fürst zu seinem Bibliothekar ernannte, welche Stelle er, nachdem er am 1. Februar 1843 seines Postens in der Hofbibliothek enthoben worden, bis zum Tode des Fürsten und der Transferirung der Bibliothek nach Königswart bekleidete. Nun wurde S. zum Official der geheimen Haus-, Hof- und Staatskanzlei ernannt, leistete daselbst als Bibliothekar Dienste, war aber, dem orientalischen Referenten zur Dienstleistung zugewiesen, auch im Conceptfache thätig. Als durch das Ableben des Hofrathes Kopitar [Bd. XII, S. 437] die Stelle eines Correctors der „Wiener Jahrbücher“ erledigt war, verlieh ihm der Staatskanzler auch diesen Posten und S. versah denselben bis zu der im Jahre 1848 erfolgten Auflassung der „Jahrbücher“. Als in Folge der Märzereignisse im Jahre 1848 Graf Ficquelmont die Präsidentschaft des Ministerrathes und das Portefeuille der auswärtigen Angelegenheiten übernahm, verwendete er S. unter Enthebung vom [278] currenten Dienste unmittelbar um seine Person und betraute ihn theils mit publicistischen Arbeiten, theils mit politischen Missionen, unter welchen zunächst die Leitung der Wahlen zum Frankfurter Parlamente und zum Central-Wahlcomité der Wiener Nationalgarde erwähnt seien. Die Ereignisse des Jahres 1848 brachten ihn in seiner Stellung bei dem Grafen Ficquelmont mit verschiedenen Persönlichkeiten in Berührung, auch wurde er in den damaligen Sicherheitsausschuß gewählt, in welchem jedoch sein Conservatismus bei den rückhaltlosen Fortschrittsideen der Mehrheit Mißtrauen erweckte und ihm allseitig heimliche wie offene Gegnerschaft zuzog. Doch soll S.’s Auftreten in wichtigen Anlässen manches Unheil verhütet haben, gegen welches der Sicherheitsausschuß, der aber das Gebaren der fanatisirten Menge im zweideutigen Sichgehenlassen mit ansah, zu wirken berufen war. Als aber die Bewegung immer erregter, die Zustände immer drohender, ja auf die Dauer unhaltbar wurden, trat S. aus dem Sicherheitsausschusse und verließ Wien. Man hatte ihn ohnehin im Verdachte, dem Fürsten Metternich auf der Flucht behilflich gewesen zu sein, und seine „schwarz-gelbe Gesinnung“, deren damals Jeder beinzichtigt wurde, der nicht mit der aufgewiegelten Masse Hand in Hand ging, war genug, um seine Lage zu einer wirklich gefährlichen zu machen. S. verlebte diese Zeit in Triest, von wo er im August 1848 nach Wien in sein Amt zurückkehrte und nun von dem Minister-Präsidenten Freiherrn von Wessenberg mit einer geheimen Mission nach Pesth betraut wurde. Durch die bei dem ermordeten Feldmarschall-Lieutenant Grafen Lamberg vorgefundenen Papiere in den Augen der ungarischen Revolutionäre schwer compromittirt, blieb ihm nur übrig, sich durch Flucht allfälligen Fährlichkeiten zu entziehen. S. floh nach Mähren und kam nach Olmütz, wo sich eben alle Minister befanden. Graf Stadion, damals Minister des Innern, beabsichtigte, um in der gegen Oesterreich im hohen Grade aufgeregten öffentlichen Meinung in Deutschland und Frankreich einen Umschwung herbeizuführen, die Gründung einer Monatschrift nach dem Muster der „Revue des deux mondes“. S. wurde mit den Vorarbeiten hiezu betraut und unternahm Ende 1848 eine Reise nach Deutschland, Belgien, Frankreich und England, um mit den dortigen politischen und wissenschaftlichen Notabilitäten Verbindungen anzuknüpfen. Die Erkrankung des Grafen Stadion, die sich bald in ein unheilbares Geistesleiden auflöste, vereitelte die Ausführung dieses Unternehmens, zu dem bereits alle Vorbereitungen getroffen waren. Im September 1849 wurde S. dem Ministerium des Innern zugetheilt, um ausschließlich in der politisch-publicistischen Sphäre thätig zu sein. In Folge der oberwähnten Mission im Jahre 1848 mit dem Gange und vielen hervorragenden Persönlichkeiten der ungarischen Revolution vertraut, wurde ihm nun der Auftrag, nach der Uebergabe von Komorn sämmtliche, auf die Thätigkeit der revolutionären Regierung bezüglichen Acten zu sammeln und eine geschichtliche Uebersicht der Ereignisse zusammenzustellen. S. bereiste zu diesem Zwecke, theilweise mit dem Hauptquartiere Haynau’s, ganz Ungarn und brachte ein ansehnliches Material zu Stande. Nach seiner Rückkehr nach Wien war S., der sich in den ungesunden Theißgegenden, wohin ihn seine Nachforschungen geführt, das dort herrschende Wechselfieber zugezogen, längere [279] Zeit schwer krank und arbeitsunfähig, nahm aber nach seiner Genesung seine publicistische Thätigkeit wieder auf, welche jetzt an dem Erzherzog Maximilian d’Este einen werkthätigen Gönner fand. In diese Zeit fallen vielfache Correspondenzen in verschiedene ausländische Journale und mehrere Staatsschriften in französischer Sprache, deren Titel Herausgeber dieses Lexikons leider nicht anzugeben vermag, deren Geist sich aber aus der politischen Richtung des Gönners ahnen läßt. Auch lieferte S. nun mehrere deutsche Bearbeitungen verschiedener, von ihrem Parteistandpuncte beachtenswerther und zur Zeit ihres Erscheinens vielbesprochener Werke, als von Pitzipios Bey: „L’église orientale“; Felix’ „Progrès par le Christianisme“ in 3 Bänden; Margotti’s „Roma e Londra“; ferner die in Brüssel erschienene französische Bearbeitung von Oberst Catinelli’s „Studj sulla questione italiana“. Mit ah. Cabinetschreiben vom 13. October 1860 wurde nun S. zum überzähligen Scriptor bei der Hofbibliothek ernannt, jedoch mit dem Vorbehalte seiner Verwendung zu politisch-literarischen Arbeiten. Im Jahre 1862 begründete S. das noch jetzt erscheinende politische Organ: „Correspondance générale autrichienne“, welches sich zur Aufgabe stellt, das Ausland über die Zustände Oesterreichs mit tatsächlichen Nachrichten zu versehen. Das Unternehmen gewann einen ständigen Leserkreis in der diplomatischen Welt und in der auswärtigen Presse. Mit ah. Entschließung vom 19. April 1866 wurde S. als überzähligem Scriptor Titel, Rang und Charakter eines Custos der k. k. Hofbibliothek verliehen und als solcher starb er im Alter von 60 Jahren. Von Sr. Heiligkeit dem Papste, von Sicilien, Mexiko, Portugal, Spanien und der Türkei hat S. Orden erhalten. Aus seiner im Jänner 1836 mit Juliane Härter, der Tochter des damaligen Universitäts-Buchhändlers Franz Härter, geschlossenen Ehe überleben ihn acht Kinder.
Schiel, Heinrich Joseph (Schriftsteller, geb. zu Wien 1. August 1812, gest. zu Hernals nächst Wien 25. Jänner 1872). Der Sohn eines Schriftgießerei-Besitzers in Wien. S. besuchte die Schulen in Wien, wendete sich anfänglich dem medicinischen Studium zu, um es jedoch bald mit dem rechtswissenschaftlichen zu vertauschen, welches er aber auch nicht beendete. Er verlegte sich vielmehr mit Eifer auf das Studium der philosophischen Disciplinen und erlangte daraus im Jahre 1833 zu Wien die Doctorwürde. Durch seine literarischen und sprachwissenschaftlichen Kenntnisse gelang es ihm, über Empfehlung des Staatskanzlers Fürsten- Zellner’s Blätter für Musik, Theater, Kunst u. s. w. (Wien, kl. Fol.) 1872, S. 36. – Das Jahr 1848. Geschichte der Wiener Revolution. I. Band von H. Reschauer; II. Band von Moriz Smets (Wien 1872, Waldheim, 4°.) S. 403, 432, 435. – Porträt. Das wohlgetroffene Bildniß Schiel’s in Gemeinschaft mit jenen von Innhauser, Mayr, Fizia und Bach (Bruder des Ministers) im Holzschnitt auf S. 409 des 2. Bandes des vorerwähnten Werkes: Das Jahr 1848.