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BLKÖ:Starhemberg, Ludwig Joseph Max Fürst

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
Band: 37 (1878), ab Seite: 209. (Quelle)
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Starhemberg, Ludwig Joseph Max Fürst (Staatsmann und Ritter des goldenen Vließes, geb. zu Paris 12. März 1762, gest. 2. September 1833), vom fürstlichen Aste. Ein Sohn Georg Adams, ersten Fürsten von S. [S. 200], aus dessen zweiter Ehe mit Maria Franziska Fürstin von Salm-Salm, und der einzige, der von drei Kindern aus zwei Ehen am Leben geblieben. König Ludwig XV. von Frankreich hatte den Sohn des kaiserlichen Botschafters persönlich aus der Taufe gehoben. Graf Ludwig betrat frühzeitig die diplomatische Laufbahn; so wurde er 1790 zur Kaiserin Katharina II. mit dem Notificationsschreiben der Thronbesteigung Kaiser Leopolds II. nach St. Petersburg abgesandt. Nach seiner Rückkehr erhielt er den Gesandtschaftsposten im Haag, aber noch im nämlichen Jahre jenen zu London, auf welchem er mit Unterbrechung eines Jahres, 1808/1809, bis Februar 1810, im Ganzen 17 Jahre verblieb und nur deßhalb seine Stelle verließ, weil im genannten Jahre der politische Verkehr Oesterreichs mit England aufgehoben wurde. Graf Ludwig kehrte daher nach Oesterreich zurück. Nach dem im Jahre 1807 erfolgten Ableben seines Vaters war Graf Ludwig Fürst und Besitzer des bedeutenden Fideicommisses [210] der älteren Linie seines Hauses geworden, welches aus den Grafschaften Schaumburg und Waxenberg, der Burg und Herrschaft Eferding, Gstetenau, dem Stifte Lindach und Stroheim, den Herrschaften Karlsbach, Waasen, Freienstein, Auhof, Höbattendorf, Zellern, Freydegg und Schönegg, Krumnußbaum, Weißenberg, Schönpichl, Agstein und Dürnstein, Thal Wachau, Rothneusiedl und Conradswörth, wie der ursprüngliche Name des Starhemberg’schen Freihauses auf der Wieden in Wien lautet, besteht. Mit den Einkünften eines so mächtigen Besitzes war der Fürst wohl im Stande, die mit einem solchen Posten, wie es der eines Botschafters am großbritannischen Hofe ist, verbundenen ungewöhnlich hohen Auslagen zu bestreiten. Denn der Botschaftergehalt, so groß er an und für sich ist, reicht dazu nicht aus, weßhalb denn wo möglich immer vermögliche Cavaliere, wenn sie sonst für denselben passen, dazu ausersehen werden. Dabei hatte der Fürst in jenen Tagen der napoleonischen Eroberungskriege auch die Weisung erhalten, die französische Emigration möglichst zu unterstützen; mußte gute Kundschafter in Frankreich unterhalten und war daher genöthigt, aus Eigenem während seines Londoner Aufenthaltes große Summen im Dienste des Staates zu opfern, für welche ihm nie ein Ersatz geworden. Welche schweren Schäden ihm seine Botschafterposten sonst noch verursachten, wird weiter unten berichtet. Während seines Aufenthaltes in England wurde Graf Ludwig auch mit Ludwig Philipp Herzog von Orleans, nachmaligem König von Frankreich, bekannt. Der Herzog hielt sich damals in England auf und Starhemberg stand mit ihm in jahrelanger vertrauter Correspondenz; auch war er ein Freund der bekannten Schriftstellerin Mme. de Genlis, damals Erzieherin der Kinder des Herzogs von Chartres. S. war ein starrer Gegner der Eroberungspolitik Napoleons und arbeitete mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln gegen dieselbe. Dadurch geschah es auch, daß ihn der Corse, der in ihm einen nicht zu unterschätzenden Gegner erkannt hatte, mit seinem Hasse verfolgte und demselben, wo und wie er konnte, Ausdruck gab. Als sich S. einmal in geheimer Mission in strengstem Incognito in Paris befand und der Kaiser durch seine wachsame Polizei von Starhembergs Anwesenheit Kenntniß erhalten hatte, gab er Befehl zu dessen Verhaftung, S. war es jedoch gelungen, in der Verkleidung eines jüdischen Handelsmannes der französischen Polizei zu entgehen und nach Calais zu flüchten. Auf einer kleinen Barke suchte er nun ein im Canal befindliches englisches Schiff zu erreichen. Die Verfolger, welche ihn aufgespürt hatten, waren ihm nachgeeilt und hatten noch vom Ufer aus auf den im Schiffe befindlichen S. gefeuert, jedoch ohne ihn zu treffen, und dem Grafen war es glücklich gelungen, das englische Fahrzeug noch zu rechter Zeit zu erreichen. Aber Kaiser Napoleon hatte seinen Gegner fest im Auge behalten und, als im unglücklichen Jahre 1809 die Franzosen in Oesterreich einmarschirten, den Befehl gegeben, die Güter des Fürsten Starhemberg nach Möglichkeit zu belasten und zu verwüsten. Marschall Massena kam auch diesem kleinlichen Befehle des corsischen Autokraten gewissenhaft nach. Seine Schlösser und Besitzungen erhielten, wo Franzosen sie passirten, die stärkste Einquartierung und aus den Schlössern zu Eferding, Auhof, Höbattendorf wurden [211] die werthvollsten Gegenstände theils fortgeschleppt und was nicht mitnehmbar war, vernichtet. So z. B. wurden Familienporträts zerschnitten; der Wein-Lieferant des Fürsten in Wien (die bekannte Firma „zum Kameel“) mußte bedeutende Weinvorräthe auf Kosten des Fürsten liefern und diese, deren Werth sich auf mehrere hunderttausend Gulden belief, wurden von den Franzosen in Empfang genommen. Durch alle diese Vorgänge wurden die Vermögensverhältnisse des Fürsten tief erschüttert und derselbe ungeachtet seines so bedeutenden Fideicommisses in einen schweren Schuldenstand versetzt. Dazu gesellte sich noch in späteren Jahren ein Sturz vom Balcon im Schlosse Eferding, durch welchen der Fürst sehr gefährlich verletzt wurde. Obgleich er sich davon allmälig wieder ganz erholt, hatten doch die Folgen des Sturzes nicht unwesentlichen Einfluß auf die Gesundheit des Fürsten geübt. Im Jahre 1815 wurde S. vorerst zum kaiserlichen Commissär bei der Besitznahme von Mailand und der Lombardei, bald darauf zum Gesandten am Turiner Hofe ernannt. Diesen Posten sollte er mit dem eines Botschafters am spanischen Hofe vertauschen, S. verließ nun, mit den höchsten Gnadenzeichen des sardinischen und parmesanischen Hofes geschmückt, Turin und begab sich, bevor er seinen neuen Posten antrat, erst nach Wien. Aber noch während seines Verweilens daselbst hatten sich die spanischen Angelegenheiten so gestaltet, daß die Absendung eines Botschafters nach Madrid nicht mehr statthaben konnte. Der Fürst zog sich nun auf seine Güter zurück und verlebte den Rest seiner Jahre theils auf denselben, theils in Wien. Schon im Jahre 1802 war er mit dem goldenen Vließe ausgezeichnet worden, und so waren denn gleichzeitig der Sohn 1802 der jüngste und sein Vater (seit 1759) der älteste Ritter dieses Ordens. Der Fürst hatte sich (am 21. September 1781) mit M. Luise Franziska Prinzessin von Arenberg (geb. 29. Jänner 1764) zu Brüssel vermält. Der Fürst zählte damals erst 18, seine Frau 17 Jahre und so sah das junge Ehepaar der beiderseitigen Jugend wegen während des ersten Jahres sich nur im Sprechsaale eines Klosters, in welchem die junge Frau ihre letzte Erziehung erhalten hatte, welcher Fall in vornehmen Häusern damals bei sehr jungen Ehepaaren öfter vorkam. Im Juli 1833 wollte sich der Fürst in seinen Angelegenheiten nach Wien begeben, machte auf seiner Reise dahin in seinem Schlosse Dürnstein Halt, um dort einige Tage zu verweilen. Aber kaum im Schlosse angelangt, wurde er krank und konnte die Reise nicht weiter fortsetzen. Nach zweimonatlichem schmerzlichen Krankenlager starb er im Alter von 71 Jahren. Fürst Ludwig Joseph Max, wie ihn Graf Thürheim schildert, besaß ein reiches encyklopädisches Wissen; er wußte die Classiker aller Nationen älterer und neuerer Zeit auswendig; er war von lebhaftem, schnell auffassendem Geiste, besaß echt französischen Witz und Conversationston und war, obgleich 27 Jahre jünger als Prinz de Ligne, mit seinem leichten Sinne, sanguinischen Temperamente und seiner fröhlichen, nie versiegbaren Laune dem heiteren Marschalle ein sympathisches, auch geistig verwandtes Element und wie dieser ein echter Sohn des achtzehnten Jahrhunderts. Beide waren jederzeit geneigt, „mit aller Grazie des Geistes“ tolle Scherze zu treiben und liebenswürdige Thorheiten zu begehen. Einst unternahmen sie – de Ligne [212] zählte damals bereits über 70 Jahre – einen Carrièreritt von den Höhen des Leopoldsberges über Stock und Stein in die Tiefe herab. Gleich seinem Freunde de Ligne genoß auch S. durch sein joviales und leutseliges Wesen eine große Popularität, und eine Folge hiervon war der gütliche, in wenig Stunden vollendete Ausgleich eines jahrelangen Processes zwischen der damaligen Herrschaft und den Bürgern des Städtchens Eferding, seines ererbten Familien-Fideicommisses. Am 4. December 1808 gab Fürst Starhemberg als Versöhnungsfeier auf seinem Schlosse zu Eferding den dortigen Bürgern und Bauern ein glänzendes Fest, auf welchem er und seine Familie jene mit größter Liebenswürdigkeit bewirtheten. In einer Localität, welche die Aufschrift trug: ,Auch die Armen freuen sich dieses Festes“, wurden Nothleidende reichlich gespeist und sangen an diesem Tage frohe Dankeslieder; – an Jene aber, welche wegen Gebrechlichkeit an dem Feste nicht theilnehmen konnten, wurden bedeutende Geldsummen vertheilt. Die Bürger erwiederten durch eine feierliche Illumination mit Inschriften und Aufführung einer zu diesem Anlasse componirten Operette dieses Fest, und die Bauern brachten nach Vorstellung einer ländlichen Hochzeit auf einem Opferaltare Gaben von ihren Erzeugnissen, als Obst, Kuchen u. s. w., dar. In einem in meinem Besitze befindlichen Manuscripte weist eine Stelle auf des Fürsten poetische Begabung, indem es dort heißt: „Seine poetischen Uebungen, vielfache Kenntnisse und Erfahrungen und eine seltene Mittheilungsgabe waren für ihn und die ihn umgaben, eine unerschöpfliche Quelle der Unterhaltung und des angenehmsten, anregendsten Verkehrs.“ Wohl mögen die oben erwähnten „poetischen Uebungen“ sich im Familien-Archive befinden. Seine Gemalin, mit welcher er 52 Jahre in glücklichster Ehe verlebt, folgte ihm zwei Jahre später, am 1. Mai 1835, im gleichen Alter von 71 Jahren. Sie hatte ihm zwei Söhne, Georg Adam und Georg Ludwig, und drei Töchter geschenkt. Von diesen letzteren vermälte sich M. Ernestine im J. 1807 mit Friedrich August Herzog von Beaufort; Franziska Anna im Jahre 1803 mit Stephan Grafen Zichy und Leopoldine im Jahre 1816 mit Joseph Ignaz Grafen Thürheim. Von den Söhnen vermälte sich Georg Ludwig (geb. zu London 22. Jänner 1802), am 27. October 1828 mit päpstlicher Dispens mit seiner Nichte Georgine Valerie Herzogin von Beaufort-Spontin. Georg Ludwig, der in der Cavallerie gedient und 1825 Rittmeister bei Erzherzog Johann Dragoner Nr. 1 war, starb bereits im J. 1834, erst 32 Jahre alt. Seine Witwe vermälte sich zum anderen Male mit Theodor Grafen von der Straaten. Der ältere Sohn Fürst Georg Adam (geb. zu Brüssel 1. August 1785), Chef des Hauses und Erbe des Majorates, hatte sich mit Aloysia Fürstin von Auersperg vermält. Jedoch war diese Ehe kinderlos geblieben und das Majorat nach des Fürsten 1860 erfolgtem Tode auf Grafen Anton Gundakar von der jüngeren Linie übergegangen.

Thürheim (Andreas Graf), Feldmarschall Karl Joseph Fürst de Ligne die „letzte Blume der Wallonen“. Eine Lebensskizze. (Wien 1877, Braumüller, 8°.) S. 206 u. f. – Schwerdling (Johann)[WS 1], Geschichte des uralten und seit Jahrhunderten um Landesfürst und Vaterland höchst verdienten, theils fürstlichen, theils gräflichen Hauses Starhemberg [213] (Linz 1830, Joseph Feichtinger’s Wwe., 8°.) S. 366, Nr. 360. – Biographie des hommes vivants ou histoire par ordre alphabétique de la vie publique de tous les hommes qui se sont fait remarquer par leurs actions ou leurs écrits. (Paris 1809, L. G. Michaud, 8°.) Tome V, p. 410.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Schwerdling (Joseph).