Zum Inhalt springen

BLKÖ:Toscano del Banner, Joseph Georg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
<<<Vorheriger
Toscani, Dionigi
Nächster>>>
Tosch, Karl
Band: 46 (1882), ab Seite: 219. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
in der Wikipedia
Joseph Georg Toscano del Banner in Wikidata
GND-Eintrag: 121397416, SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Toscano del Banner, Joseph Georg|46|219|}}

Toscano del Banner, Joseph Georg (österreichischer Literarhistoriker, geb. zu Wien am 17. Februar 1822, wurde todt gefunden, nachdem er sich durch geöffnete Adern verblutet hatte, am 1. October 1851). Das dritte Kind aus Johann Toscano’s Ehe mit Josephine geborenen Knab, verlor er die Mutter, als er erst zwei Jahre alt war, und seine Geschwister bald danach. Der Vater, welcher aus einer alten, aber herabgekommenen italienisch-schweizerischen Familie stammte, verließ als Knabe seine Heimat, das Misoxer Thal (Val di Misocco) in Graubündten und wurde in Wien im Jahre 1817 Schornsteinfegermeister. Daselbst schwang er sich durch Fleiß und Speculationsgeist zu solcher Wohlhabenheit empor, daß er die Herrschaft Sitzenthal bei Melk ankaufte, Besitzer mehrerer Bergwerke, Ziegeleien, Mühlen und k. k. Privilegien, und endlich niederösterreichischer Landstand wurde. Im Jahre 1826 heiratete er zum zweiten Male, und zwar die Tochter des Hofagenten von Zoller, die Enkelin jenes Zoller, welcher Hofkanzler der Kaiserin Maria Theresia und ihres Vaters war und die nach ihm benannte noch bestehende Hauptschule in Wien stiftete. Des Vaters zweite Frau ward ihrem Stiefsohne eine gute, zärtliche Mutter, die trotz ihrer eigenen neun Kinder ihn sorgfältig und liebevoll pflegte und hielt. Von 1828 bis 1832 besuchte nun Joseph, theils als Schüler, theils als Kostknabe das damals bestempfohlene Kudlich’sche Erziehungsinstitut in Wien und genoß darin den Unterricht für die vier Normalclassen, über deren Gegenstände er dann jährlich bei St. Anna die Prüfungen mit bestem Erfolge bestand. Den Sommer brachte er meist mit den Eltern in Baden oder im Harathof bei Wiener-Neustadt, wohl auch in Tyrnau und Trencsin bei Verwandten zu, und im Herbste machte er mit dem Vater und einem Freunde desselben Fußpartien ins Gebirge. Im Jahre 1832 starb Kudlich, und der Vater übersiedelte nach Sitzenthal bei Melk. Dorthin nahm derselbe den zehnjährigen Jungen mit, um ihn in der Stiftschule zu Melk studiren zu lassen. In der stillen, etwas düsteren Klosterschule wollte es aber dem lebhaften Knaben nimmer gefallen, und nachdem er ein paar Male durchgegangen war, wurde er zu seinen Verwandten in Tyrnau gebracht, wo er fünf Jahre im Hause seines nachmaligen Schwiegervaters verlebte und nach Erlernung der slovakischen Sprache auch die neue Heimat [220] liebgewann. In die Zwischenzeit fallen Ferienbesuche in Sitzenthal (1835), Maria Zell (1836) und Pesth (1837). Im October letztgenannten Jahres wurde er zur Erlernung der ungarischen Sprache nach Waitzen geschickt, wo er die letzte Grammaticalclasse besuchte. Damals schon fühlte er sich zur deutschen Literatur hingezogen und machte nach dieser Richtung Collectaneen. Im Jahre 1838 bezog er, um Philosophie zu hören, die Wiener Hochschule, wo er neben den vorgeschriebenen Lehrgegenständen sich auch mit großem Eifer auf Mineralogie, Chemie und Metallurgie warf und mit den Hauptwerken in dieser Richtung sich vertraut machte. 1840, achtzehn Jahre alt, nahm er fast ausschließlich ästhetische und literarhistorische Studien vor und verwendete sein ganzes nicht gering bemessenes Einkommen zur Anschaffung von Büchern, daneben übte er sich auch (1834–1841) im Versemachen, ja er verstieg sich sogar bis zur Ausarbeitung eines Ritterschauspiels, welches, eine ungarische Sage behandelnd, unter dem Titel „Die Räuberhöhle“ auf einem Privattheater Wiens aufgeführt wurde und – gefiel. In dieser Weise lag er 1838–1848 unablässig den Studien ob und lebte still im Kreise seiner Familie, im Winter in Wien, im Sommer auf der Villa seines Vaters in Simmering. Während der Winter 1841–1848 war er einer der eifrigsten Besucher der Hofbibliothek; während der Sommerszeit durchforschte er die Bibliotheken und Archive der Klöster, Stifte, Schlösser in Niederösterreich; ohne Gelehrte, Dichter und Schriftsteller eigens aufzusuchen, lernte er doch deren viele zufällig kennen und trat mit ihnen in Correspondenz, wie mit Ladislaus Pyrker, der einer der Ersten sich für den strebsamen Jüngling interessirte, mit Bergmann, Chmel, Bayer (Rupertus), Lenau, Dankovszky, Feuchtersleben, Diemer, Feil, Karajan, Schröer, L. A. Frankl u. A. Eine 1842 mit seinem Onkel unternommene Reise über Gratz in die Schweiz, um die Heimat seines Vaters zu besuchen, benutzte er dazu, in Misocco und St. Bernhardin Materialien zu einer Geschichte Rhätiens, insbesondere aber der Familie Toscano zu sammeln. Dann kehrte er über Bayern, Schwaben, Württemberg, die sächsischen Herzogthümer, Preußen, Schweden, Dänemark, Böhmen und Mähren nach Wien zurück. Auf dieser Reise ermunterten ihn Graff und ein Kreis von Berliner Gelehrten, eine Literaturgeschichte der österreichischen Monarchie zu bearbeiten, da ein derartiges Werk noch abgängig sei. So arbeitete er sechs Jahre daran und brachte es Anfangs Jänner 1848 bis zum Jahre 1300, bekam noch in diesem Monate das Manuscript von der Censur – Diemer hatte es censurirt – zurück, und nun veröffentlichte er Auszüge davon in L. A. Frankl’s „Sonntagsblättern“ und in Dr. Adolph Schmidl’s „Oesterreichischen Blättern für Literatur und Kunst“. Die Gerold’sche Buchhandlung, welcher er zuerst sein Werk antrug, fand es nöthig, bei einem auswärtigen Gelehrten anzufragen, und erhielt von demselben den ebenso hochmüthigen als läppischen Bescheid: „Da Gervinus schon eine Literaturgeschichte der Deutschen geschrieben habe, so brauche Oesterreich keine solche speciell für sich!“ Da überdies die Gerold’sche Buchhandlung 1830 das Werk Sartori’s: „Historisch-ethnographische Uebersicht der wissenschaftlichen Cultur, Geistesthätigkeit und Literatur des österreichischen Kaiserthums nach seinen mannigfaltigen Sprachen und deren [221] Bildungsstufen“ – also eine Art Literargeschichte Oesterreichs – verlegt hatte und damit zu Schaden kam, so daß das Unternehmen bei dem ersten Bande stehen blieb, lehnte sie den Antrag Toscano’s ab. Auch der Buchhändler Klang, der anfangs Lust zeigte, den Verlag zu übernehmen, zog sich zurück, als er bei genauerer Prüfung den großen Umfang des Werkes erkannte. Jasper endlich wollte auf den Antrag eingehen, wenn die Urtheile einiger Fachgelehrten dafür sprächen, und sandte das Manuscript an Ferdinand Wolf, Karajan, Diemer, Bergmann, Gräffer, L. A. Frankl in Wien, Spaun in Linz. Die Urtheile Aller lauteten zustimmend, aber jenes des Hofbibliothekscustos Ferdinand Wolf muß doch hervorgehoben werden. „Es gebe“, bemerkt derselbe, „keine österreichische Literaturgeschichte, so wenig als es eine österreichische Nation oder eine österreichische Sprache gebe“. Die Einwendung, die ihm von competenter Seite dagegen gemacht wurde, daß er die Intention des Autors nicht richtig erfasse, ließ er nicht gelten. Und es ist in der That befremdend, wie ein Mann von der Bedeutung und Stellung Wolf’s zu der Behauptung kam, daß es ein Unding sei, eine specielle Geschichte der Literatur in allen zu Oesterreich gehörigen Theilen zu schreiben, und zwar von dem Moment an, als es ein Oesterreich gab und ihm Provinz für Provinz zuwuchs, deren jede an den Schicksalen des Erblandes theilnahm. [Dies erinnert den Herausgeber dieses Lexikons an die Zeit, als er im Auftrage des Ministers des Innern die „Bibliographisch-statistischen Uebersichten der Literatur des österreichischen Kaiserstaates“ 1853–1855 veröffentlichte und die Recensenten im In- und Auslande über ihn und seine groteske Idee: eine Literatur des österreichischen Kaiserstaates anzunehmen, in pöbelhafter Weise herfielen. Die bekannte Berliner „Kreuz Zeitung“ that es aber allen Anderen zuvor, natürlich hatte ein Wiener Patriot ihr Feuilleton mit dem Abhub seines vertrockneten Gehirns versorgt und sie denselben ohne nähere Prüfung sich auftischen lassen.] Am 1. März 1848 begann der Druck des Werkes. 1847, 28 Jahre alt, sollte Toscano einen Beruf wählen. Beamter wollte er der sitzenden Lebensweise wegen nicht werden. Um der Bergwerke seines Vaters willen mochte er seine Studien nicht aufgeben; ja er rieth ihm, alle diese Unternehmungen in andere Hände zu legen, da man sich bei eigenem Betriebe zu viel auf fremde Leute verlassen müsse. Nun hatte er seit 1843 durch drei Jahre immer die Ferien zum Aufenthalte bei seiner Tante in Preßburg benützt und daselbst an seiner gebildeten Cousine und Jugendgespielin solches Gefallen gefunden, daß er ihr Herz und Hand anbot. Sie nahm seinen Antrag unter der Bedingung an, daß er sich bleibend in Preßburg niederlasse. Ihr Vater fügte dann noch, zu Toscano gewandt, den Wunsch hinzu: „Werde, was ich und dein Vater sind: Schornsteinfegermeister“. Nun hatte Toscano dieses Gewerbe im Elternhause kennen gelernt und praktisch erprobt, da er oft Substitut seines Vaters gewesen, hatte auch über dasselbe ein paar Schriften veröffentlicht, kurz er war mit dem Geschäfte so gründlich vertraut, daß er in der Annahme des Antrages die beste Möglichkeit sah, seinen Studien ungestört zu leben. Er kaufte also im August 1847 ein königliches Schornsteinfegergewerbe in Preßburg, siedelte im April 1848 dahin über und heiratete noch im Juni seine Cousine. Im Jahre 1849 wurde er Mitglied [222] des Schulrathes. 1850 der Ausarbeitung einer neuen Städtegemeindeordnung für Ungarn zum Comitémitgliede und Schriftführer ernannt, hatte er die Freude, daß sein Elaborat als maßgebend in Ungarn eingeführt werden sollte. Der damalige Statthalter Ungarns Freiherr von Geringer richtete aus diesem Anlaß an Toscano ein Anerkennungsschreiben. Inzwischen war der Druck des ersten Bandes seines literarhistorischen Werkes vollendet. Es hatte ein ganzes Jahr gedauert, da der Verkehr der Correcturbogen in Folge der ungarischen Revolution oft monatelang gehindert war. Jasper war noch im Jahre 1848 gestorben, Hügel und Manz hatten den Verlag übernommen. Der Titel des Buches lautet: „Die deutsche Nationalliteratur der gesammten Länder [sowohl der heutigen wir der jeweilig dazu gehörigen] der österreichischen Monarchie von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart, historisch-chronologisch dargestellt“. Erster Band auch unter dem Titel: „Die deutsche Nationalliteratur der gesammten Länder der österreichischen Monarchie im Mittelalter“ erste und zweite Abtheilung (Wien 1849 [Jasper, Hügel und Manz] gr. 8°., 380 S.). Die dritte Abtheilung des ersten Bandes, welche bis zum Schluß des Mittelalters (1300–1495) reicht, sollte, wie Toscana in der in den Quellen angeführten Selbstbiographie schreibt, bald der Presse übergeben werden. Aber wie ganz anders, räthselhaft, unheimlich und bis heute, wenigstens für das große Publicum, unaufgeklärt, kam Alles! Im Herbst 1851 entfernte er sich für längere Zeit, und am 1. October d. J. fand seine Frau einen Brief, worin er schreibt, daß Kränklichkeit von Jugend an und die vielen nächtlichen Studien ihm eine Auszehrung gebracht hätten, an der er nicht noch zwei Jahre lang leiden wolle, und Abschied nimmt. Er hatte sich die Adern geöffnet und so sich verblutet. Sollte der Titel seines schon druckbereiten „Narrenbuches“ [siehe die Quellen] nicht auf eine Ueberspanntheit oder doch Ueberreizung der Nerven, welche ihn zum Selbstmord brachte, schließen lassen? Sein großes literarhistorisches Werk ist nicht fortgesetzt und ein Versuch, es wieder aufzunehmen, seither nicht gemacht worden.

Joseph Georg Toscano del Banner, österreichischer Literarhistoriker. Als Manuscript gedruckt (Wien 1852, 8°.. 22 S.). [Dieses Schriftchen gab Toscano’s Witwe Betti T. d. B. heraus, es ist eine Autobiographie, welche ihr Gatte vom 25. bis 30. August 1851 in Sukhan nächst Tyrnau niederschrieb, um sie einem von ihm zusammengestellten, fast druckfertigen „Oesterreichischen Narrenbuch“, einer Sammlung von Narrengeschichten, lustigen Mären aus der österreichischen Vorzeit u. s. w. beizulegen. Herausgeber aber verdankt diese Mittheilungen der liebenswürdigen Freundlichkeit des Herrn Hofbibliothekscustos Dr. Faust Pachler, dem er hier seinen Dank dafür ausspricht.] – Zeitschrift von und für Ungarn. 17. Mai 1850. – Ostdeutsche Post, 10. Juni 1850.