BLKÖ:Anschütz, Heinrich
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 1 (1856), ab Seite: 45. (Quelle) | |||
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[BN 1] Da A. im J. 1855 (siehe den Schluß dieser Skizze) das 70. Geburtsfest feierte, so muß die überall vorkommende Angabe des Jahres 1787 als Geburtsjahr auf 1785 berichtigt werden). A. besuchte die Fürstenschule zu Grimma und im J. 1804 die Universität zu Leipzig. Um diese Zeit gastirten zu Leipzig Eßlair, Iffland, Wolff. Der Anblick der Leistungen dieser Koryphäen des deutschen Schauspiels weckte den Genius in des Jünglings Brust und Anschütz betrat die Bühne; zum ersten Male in Kotzebue’s „beiden Klingsberg“ 1807 zu Nürnberg. 14 Jahre spielte nun A. auf den bedeutendsten Bühnen Deutschlands und davon 7 J. in Breslau, wo er sich des Umgangs von Männern wie Fr. Raumer, Manso, Steffens erfreute. Im J. 1821 wurde er für die Wiener Hofbühne gewonnen, an der er noch jetzt – einer der letzten großen Künstler, welche den Ruf der Wiener Hofbühne zu einem europäischen gemacht – unermüdet mit ungeschwächter Kraft wirkt. Anschütz begeistert durch sein wahres und warmes Spiel und wirkt wohlthätig anregend auf die jüngern Kräfte. Sein sonores Organ; seine noch von Keinem übertroffene Kunst der Declamation; seine durchdachte, fein nuancirte Mimik, verbunden mit der klassischen Ruhe im höchsten Affecte, weisen ihm unter den dramatischen Künstlern der Gegenwart die erste Stelle an. Sein König Lear, sein Nathan, Wallenstein, Odoardo Galotti, Fallstaff, Ottokar, Abbé de l’Epeé, Tell, Bancban, Erbförster, Geiger Miller, sind Gestalten, die er in dieser Vollendung geschaffen und wo die Schöpfung des Dichters mit der Leistung des Darstellers parallel läuft. Anschütz führt mit vollem Rechte den Ehrennamen des Shakspearespielers, denn das ist er wie kein zweiter Künstler. Ifflands veraltete Stücke bereiten durch A.’s wunderbare Charakteristik der Hauptrollen dem Publikum noch heut einen seltenen Genuß. Eine analysirte Darstellung der von Anschütz gespielten Rollen, die er in ihrer ganzen Bedeutung erfassend, mit Meisterschaft ausprägt, wäre ein Leitfaden für den schwachen Nachwuchs deutscher Darsteller, der zur Besserung der fast bis zur Unbedeutenheit gesunkenen [46] darstellenden Kräfte wesentlich beitrüge. Das Repertoir seiner Rollen – im Jahre 1835 nicht weniger denn 114 – alle ersten Ranges in den bedeutendsten dramatischen Arbeiten, welche auf den deutschen Bühnen seit einem halben Jahrhundert gegeben werden, theilt Franz Pietznigg in seinen „Mittheilungen aus Wien“ Jahrgang 1835, Aprilheft, S. 65 mit. Wie Anschütz groß und unübertroffen dasteht als Künstler, so geachtet ist er in seinem Privatleben und man kann sagen, den hochsinnigen dramatischen Charakteren seines Repertoirs drückt er nur den Hochsinn seines eigenen Selbst auf. Es ist eine bekannte Thatsache, daß A. keinen verunglückten Schauspieler an seiner Thüre vorüberziehen lasse, ohne ihm zu helfen, und daß diese Hilfe die Satzungen der Nächstenliebe weit übertreffe. – In das bei Franz Schlodtmann 1852 erschienene „Deutsche Stammbuch der Gegenwart“ schrieb A.: „Der allein ist glücklich und gross, der weder zu herrschen noch zu gehorchen braucht, am Etwas zu sein.“ Des Künstlers Schriftzüge sind fest und gediegen, wie sein Charakter. Am 26. Febr. 1855 fand gelegenheitlich der Aufführung der „Charlotte Ackermann,“ eine erhebende Feier auf der Bühne Angesichts des Publikums Statt. Als Anschütz auftrat – er spielte die Rolle des Eckhof – empfing ihn das Publikum, um gleichsam sein 70. Geburtsfest öffentlich zu feiern, mit enthusiastischem Beifall und aus einer Loge wurde ein mit einem reichen goldgestickten Bande geschmückter Lorbeerkranz auf die Bühne geworfen, den Herr Rettig aufhob und auf das Haupt des überraschten und tiefbewegten, großen Mimen legte, den aber der zu bescheidene Künstler nicht annehmen wollte. Zugleich wurde auf Veranlassung Sr. Excell. des Hrn. Oberstkäm. Grafen von Lanckoroński dem großen Mimen ein Silberpokal mit der Inschrift: „Herrn Heinrich Anschütz, k. k. Hofschauspieler, dem verehrten Künstler und Ehrenmanne, zum 70. Geburtstage von der Direction des k. k. Hofburgtheaters“ überreicht.[BN 2] Unter anderem sei bemerkt, daß A. am 29. Mai 1827 an Beethoven’s Grab die von Grillparzer verfaßte Trauerrede vorgetragen habe. – Emilie[BN 3] (zweite Frau des Vorigen, eine geb. Butenopp) befindet sich seit 1822 beim k. k. Hofburgtheater, war früher ausgezeichnet in naiven Rollen und erntete auf einer mit ihrem Gatten in Gemeinschaft im J. 1837 unternommenen Kunstreise allgemeine Anerkennung. Sie ist noch jetzt eine recht verwendbare Darstellerin auf dieser Bühne.
Anschütz, Heinrich (dramatischer Künstler, geb. zu Luckau in der Niederlausitz 8. Febr. 1785).Anschütz, Auguste.
Siehe: Koberwein, Auguste.
- Archiv für Geschichte, Statistik, Literatur und Kunst, XV. Jahrg. (Wien 1824, 4°.) Nr. 127, 148–50: „Künstlerskizze.“ Daselbst befindet sich auch dessen wohlgetroffenes Bild: A. im Mannesalter. – Kühne (A.), Portraits und Silhouetten (Hannover 1843, 2 Bde.) II. Bd. S. 304. – Blätter für Musik, Theater und Kunst von L. A. Zellner, I. Jahrg. (Wien 1855. 4°.). Nr. 3. S. 12. – Andere Porträte von A. sind: von Teltscher (Wien bei Mechetti), – in Franz Pietzniggs „Mittheilungen aus Wien,“ Jahr 1835, Aprilheft – und das letzte von Kriehubers Meisterhand lithogr. (Wien 1855, bei J. T. Neumann.)
Berichtigungen und Nachträge
- ↑ † Anschütz, Heinrich [Bd. I, S. 45; Bd. XI, S. 355], gestorben zu Wien 29. December 1865. Im I. Bande ist der 8. Februar 1785 als sein Geburtsdatum angegeben; es findet sich als solches auch der 5. Februar 1785 verzeichnet. Das erstere ist das richtige.
- Heinrich Anschütz. Erinnerungen aus dessen Leben und Wirken. Nach eigenhändigen Aufzeichnungen und mündlichen Mittheilungen (Wien 1866, Sommer, XII u. 448 S, kl. 8°.). [Diese Erinnerungen sind von Anschütz’s Sohne Roderich herausgegeben.] – Neue freie Presse 1865, Nr. 481; 1866, Nr. 486, im Feuilleton; 1868, Nr. 1327, in Laube’s: „Das Burgtheater von 1848–1867. XXVIII.“ – Wiener Zeitung 1865, Nr. 299, S. 1028: „Zur Erinnerung an Heinrich Anschütz“; 1866, Nr. 3, S. 20: „Anschütz’s Rollenkreis“; Nr. 41, S. 524: „Aus Heinrich Anschütz’s Leben“. – Presse 1866, Nr. 5, im Feuilleton (von Emil Kuh). – Oesterreichischer Volks- und Wirthschafts-Kalender (Wien, Prandl, gr. 8°.) Jahrg. 1867, S. 152. – Bremer Sonntagsblatt 1866, Nr. 4. – Illustrirte Zeitung (Leipzig, J. J. Weber) 1866, Nr. 1781. – Männer der Zeit. Biographisches Lexikon der Gegenwart (Leipzig 1860 u. f., C. B. Lorck, 4°.) I. Serie, Sp. 47 [daselbst wird unrichtig das Jahr 1787 statt 1785 als des Künstlers Geburtsjahr angegeben]. – Zellner’s Blätter für Theater, Musik und bildende Kunst (Wien, kl. Fol.) 1866, Nr. 23 bis 27; „Heinrich Laube über Anschütz“. – Ueber das Leichenbegängniß des Künstlers berichten: das Fremden-Blatt 1866, Nr. 2, Beilage; – Neue freie Presse 1866, Nr. 482; – Zellner’s Blätter für Theater, Musik u. s. w., 1866, Nr. 1, Beilage. [Band 22, S. 465]
- ↑ E Anschütz, Heinrich, dramatischer Künstler und k. k. Hofschauspieler [s. d. Bd. I, S. 45]. Nachdem der Künstler im Jahre 1855 seinen 70. Geburtstag in improvisirter Art auf der Bühne gefeiert, erlebte er, der letzte Repräsentant der classischen Periode der Schauspielkunst, zwei erhebende Feste, die in so hohem Alter in der Fülle der Gesundheit zu begehen, nur wenigen Sterblichen gegönnt ist. Anschütz feierte am 15. September 1857 das Jubelfest seiner fünfzigjährigen Künstlerlaufbahn und am 15. Mai 1861 zugleich mit seiner Gemalin das vierzigjährige Jubiläum als Mitglied des k. k. Burgtheaters. An beiden Festen betheiligten sich die Künstlerkreise Wiens in einer den Jubilar voll Begeisterung ehrenden Weise und bei Gelegenheit des ersteren erhielt der Künstler mit Allerh. Entschließung vom 16. September 1857 das Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens, welche Auszeichnung auch in soferne von Bedeutung ist, als vor ihm noch kein Künstler des Hoftheaters mit einem kaiserlichen Orden ausgezeichnet worden war.
- Die aus Anlaß beider Jubelfeste, welche der Künstler in den Jahren 1857 und 1861 beging, erschienenen Biographien und sonstigen Aufsätze enthalten reiches Materiale für eine dramaturgische Studie dieses Künstlers. – Quellen. Wiener Theater-Zeitung, herausgegeben von Adolph Bäuerle (Wien, kl. Fol.) Jahrg. 1857, S. 875, 883, 891. – Presse 1857, Nr. 211, von Friedrich Uhl; – dieselbe 1861, Nr. 132, u, Nr. 133 Abendbl. – Humorist, herausgegeben von M. G. Saphir, 1857, Nr. 249. – Luna (Unterhaltungsblatt der Agramer [deutschen] Zeitung) 1857, Nr. 39. – Das Vaterland (Wiener politisches Journal) 1860, Nr. 63. – Wiener Theater-Chronik. II. Jahrg. (1860), Nr. 6: „Daguerreotypen“ aus der Künstlerwelt. – Oesterreichische Zeitung 1861, Nr. 118. – Tagespost (Gratzer polit. Blatt) 1861, Nr. 117. – Waldheim’s Illustrirte Zeitung (Wien, kl. Fol.) 1864, Nr. 7: Biographische Skizze von Bruno Bucher [mit wohlgetroffenem Holzschnitt- Porträte. – Die (Leipziger) „Illustrirte Zeitung“ 1855 brachte eine Abbildung des ihm anläßlich seines 70. Geburtsfestes überreichten silbernen Ehrenpokals. [Band 11, S. 355]
- ↑ † Anschütz, Emilie, Gattin des Hofschauspielers Heinrich Anschütz [Bd. I, S. 46, im Texte der Biographie von Heinrich Anschütz]. Gestorben zu Wien Mitte Juni 1866.
- Presse 1866, Nr. 163; – dieselbe, Nr. 164 u. 165, in den Theater- und Kunstnachrichten. – Neue freie Presse 1866, Nr. 644. [Band 22, S. 465]