Die Edda (Simrock 1876)/Ältere Edda/Atlamâl
Huben Rath zu halten, und den heimlichen Vorsatz
Mit Schwüren bestärkten. Sie selber büßten es
Und die Erben Giukis, die arg betrognen.
Übel berieth sich Atli bei aller Klugheit:
Die Stütze stürzt’ er sich im Streit mit sich selbst.
Er sandte schnelle Boten daß seine Schwäger kämen.
Sie wuste die Worte, die heimlich gewechselten.
In Noth war die Weise, die sie retten wollte:
Die Gesandten sollten segeln, sie selbst daheim sein.
Eh er sie abgab, der Unheilstifter.
Die Schiffe steuerten die Gesandten Atlis
Durch den armreichen Sund, wo die Schnellen wohnten.
Ob ihrer Ankunft nicht ahnten sie Trug.
Die der Schwager geschickt, die Geschenke nahmen sie
Und hingen sie arglos auf an der Säule.
Da ging die kluge und grüßte die Boten.
Auch Glaumwör, Gunnars Gattin freute sich;
Sie gedachte der Pflicht und pflegte die Gäste.
Offen war die Arglist, beachteten sie’s.
Da verhieß es Gunnar, wenn Högni wolle;
Doch Högni bestritt was der Herscher dafür sprach.
Die Füllhörner kreisten bis es völlig genug schien.
Gebettet ward den Boten aufs allerbeste.
Sie besah die Lautstäbe bei des Lichtes Schein,
Und zwang die Zunge zu zwiefachem Anschlag:
Denn sie schienen umgeschnitzt und schwer zu errathen.
Die Leutselge träumte; auch leugnet’ es nicht
Die Weise dem Gemahl, als er Morgens erwachte.
Nicht Viele sind vollklug: fahr ein andermal.
Ich errieth die Runen, die dir ritzte die Schwester:
Nicht hat dich die lichte geladen zu Haus.
Was der Weisen begegnete, so verworren zu schneiden.
Denn so war es angelegt, als lauschte darunter
Euch tückisch der Tod, trautet ihr der Ladung;
Doch Ein Stab fiel aus, oder Andre fälschten es.“
Und laß es bewenden bis wirs zu lohnen haben.
Mit glutrothem Golde begabt uns der König.
Säh ich auch Schreckliches, ich scheue vor nichts.
Nicht freundlichen Empfang findet ihr dießmal.
Mir träumte heunt, Högni, ich hehl es nicht:
Die Fahrt gefährdet euch, wenn mich Furcht nicht trügt.
Hoch hob sich die Flamme meine Halle durchglühend.
Wie bald verbrennt sie! Bettzeug schien dir das.
Mit kratzenden Krammen: wir kreischten laut auf.
In den Rachen riß er uns; wir rührten uns nicht mehr.
Traun, das Getöse tobte nicht schlecht.
Ein Weißbär schien dir der Wintersturm.
Das büßen wir bald: mit Blut beträuft’ er uns;
Sein ängstendes Antlitz schien mir Atlis Hülle.
Ochsen bedeutets oft, wenn man von Adlern träumt.
Treue trägt uns Atli was dir auch träumen mag. —
Sie ließen es beruhn; alle Rede hat ein Ende.
Glaumwör gedachte bedeutender Träume,
Die Gunnarn hin und her hinderten zu fahren.
Nattern nagten dich und noch lebtest du.
Die Welt ward mir wüst: was bedeutet das?
Hart ist, solch Gesicht dem Geliebten sagen.
Der Geer ging dir ganz durch den Leib
Und Wölfe heulen hört ich zu beiden Seiten.
Kötergekläff verkündet der Lanzentraum.
Er stieg und schwoll und überschwemmte die Bänke.
Euch Brüdern beiden zerbrach er die Füße;
Nichts dämmte die Flut: das bedeutet was.
Kampflich gekleidet, dich zu kiesen bedacht.
Alsbald auf ihre Bänke entboten sie dich:
Von dir schieden, besorg ich, die Schutzgöttinnen.
Wir entfliehn der Fahrt nicht, die wir zu fahren gelobten.
Vieles läßt glauben, daß unser Leben kurz ist. —
Eilten zum Aufbruch; Andere ließens.
Nur fünfe fuhren, und doppelt so viel nur
Des Gesindes noch, denn schlecht wars bedacht.
Snewar und Solar waren Högnis Söhne;
Der fünfte fuhr Orkning in der Fürsten Zahl,
Der schnelle Schildträger, der Schwager Högnis.
Stäts hemmten die Holden; man hörte sie nicht.
Zu Wingi gewandt wie ihr würdig schien:
„Ich weiß nicht, wie ihr guten Willen uns lohnt:
Hier warst du ein arger Gast, wenn Übels dort geschieht.“
„Führe mich der Jote hin wofern ich euch log:
Am Galgen will ich hängen, heuchelt’ ich Frieden.“
„Segelt denn selig und Sieg geleit euch!
Werd es wie ich wünsche und wehre dem nichts.“
„Seid weis und wohlgemuth, wie es ergehe!“
So sprechen Viele, doch unterschiedlich ists,
Denn Manchem liegt wenig an dem Geleiter.
Da theilten sich die Schicksale, schieden sich die Wege.
Schwenkten sich stark zurück mit eifrigen Schlägen:
Die Rührpflöcke rißen, die Ruder zerbrachen.
Unbefestigt blieb das Fahrzeug, da sie zu Lande fuhren.
So sahn sie die Burg stehn, die Budli beseßen.
Laut klirrten die Riegel, da Högni klopfte.
„Fahrt fern vom Hause; Gefahr bringt der Eintritt.
Leicht gingt ihr ins Garn, und gleich erschlägt man euch.
Ich trieb euch traulich, doch Trug stak darunter.
Oder bleibt auch hier, so bau ich euch den Galgen.“
Ihn ängstete gar nichts, wo es galt sich versuchen:
Du sollst uns nicht schrecken, sieh, es geräth nicht:
Wagst du ein Wort noch, wird dir langes Übel.“
Gebrauchten der Äxte, bis der Athem ihm schwand.
Gerüstet rannten sie der Ringmauer zu.
Gewechselt wurden viel Worte des Zorns:
„Lange gelobt wars, euch das Leben zu rauben.“ —
Euch sehn wir unbereit; wir aber schlugen
Und erlähmten Einen von Euerm Geleit.“
Sie reckten die Finger, faßten die Schnüre
Und schoßen scharf, mit den Schilden sich deckend.
Sie hörten der Knechte Gespräch vor der Halle.
Im Zorn zerrte sie die Zierde der Halsketten,
Schleuderte das Silber, daß die Ringe schlißen.
Furchtlos trat sie vor und empfing die Gäste,
Liebkoste den Niflungen (der letzte Gruß wars)
Mit Herzen und Halsen; dann hub sie an und sprach noch:
Dem Schicksal widersteht man nicht: ihr solltet nun kommen.“
Noch vermitteln möchte sies mit manchem klugen Wort;
Niemand rieth dazu, nein, riefen Alle.
Erkeckt zu kühner That warf sie das Kleid hin,
Schwang das bloße Schwert und schützte der Freunde Leben.
Behaglich war sie nicht im Kampf wohin sie kam.
Den Bruder Atlis schlug sie, daß man ihn bahren muste:
Bis ein Fuß ihm fehlte focht sie mit ihm.
Den Andern hieb sie also, daß er Aufstehns vergaß:
Den hatte sie zu Hel gesandt; ihre Hände bebten nicht.
Doch ging über Alles gar was die Giukungen wirkten.
So lange sie lebten ließen die Niflungen
Die Schwerter schwirren, schwinden die Brünnen;
Helme zerhieben sie nach Herzensgelüsten.
Von erster Frühe zu voller Tageshöh.
Vom Blute floß das Feld, erfüllt war der Kampf.
Ihrer achtzehn fielen — die Feinde siegten —
Beiden Söhnen Beras und ihrem Bruder Orkning.
„Üble Schau ist hier und Euer die Schuld.
Hier standen dreißig streitbare Degen;
Nur eilfe sind übrig: zu arg ist die Lücke!
Fünf Brüder waren wir, als Budli starb:
Nun hat Hel die Hälfte, verhauen liegen Zweie!
Unweibliches Weib! wenig genieß ichs.
Wir stimmten selten seit ich dich nahm.
Ihr habt mich des Reichtums beraubt und der Freunde,
Meine Schwester erschlagen: am Schwersten härmt mich das!“
Du hast mir die Mutter ermordet um Schätze:
In der Höhle zu verhungern war der Hehren Looß.
Lächerlich läßt es dir deines Leids zu gedenken:
Durch Gnade der Götter ergeht es dir übel.
Dem stolzen Weibe: das säh ich gern!
Erkämpft aus Kräften, daß Gudrun klagen müße.
Das lüstet mich zu schaun, daß ihr Looß sie schmerze.
Reißt ihm das Herz aus, seid rasch zur That;
Den grimmen Gunnar, an den Galgen hängt ihn,
Knüpft scharf den Strang, ladet Schlangen dazu.
Doch hart bewähr ich mich, der wohl Herberes litt.
Wir hielten euch Stand, da wir heil waren:
Nun sind wir so wund, du hast volle Gewalt. —
„Laßt uns Hialli fangen und Högni schonen.
Uns hilft das halbe Werk, und ihm gehört sich das:
Wie lang er leben mag, ein Lump doch bleibt er.“
Er krisch und klagte und kroch in alle Winkel:
Ihr Streit bekäm ihm schlecht, den er schuldlos büße;
Unselig sei der Tag, da er von der Schweinmast käme
Und der feißten Kost, der er lang sich erfreut.
Der arme Schalk schrie eh er die Schärfe fühlte:
Nicht zu alt noch war er die Äcker zu düngen;
Gern schaff er das Schmählichste, wenn er Schonung fände,
Und lache dazu, behielt’ er das Leben nur.
Für den Gimpel zu bitten, daß er entginge.
„Dieß Spiel besteh ich viel leichter selber:
Wer wollte weiter solch Gewinsel hören!“
Des raschen Recken Gericht zu verschieben.
Hell lachte Högni, es hörten die Männer
Wie kampflich er konnte die Qual erdulden.
Konnt er sie schlagen, daß die Schönen klagten,
Die Helden sich härmten, die ihn hörten spielen.
Rath sagt’ er den Reichen, daß entzwei rißen Balken.
Ihnen überlebte allein die Tugend.
Sagte Harm der Hehren und höhnte sie noch:
„Morgen ists, Gudrun: du missest deine Holden.
Du selbst hast Schuld, daß es so erging.“
Doch übel gereut dich, wenn du Alles weist.
Was sie dir vermachten, ich meld es dir jetzt:
Stäte Besorgniss; ich sterbe denn auch.
Noch halbmal hülfreichern; unser Heil verschmähn wir oft.
Mit Mägden tröst ich dich und manchem Kleinod,
Schneeweißem Silber wie du selbst es wählst.
Sühne verschmäht’ ich eh Solches erging.
Galt ich für grimmig, nun bin ich es gar;
Den Harm verhehlt’ ich dieweil Högni lebte.
Viel Spiele zusammen spielten wir im Walde.
Grimhild gab uns Gold und Halsschmuck.
Du magst mir nicht büßen meiner Brüder Mord:
Was du thust und läßest, leid ist mir Alles.
Die Krone verdirbt, wenn die Zweige dorren;
Wenn der Bast gebricht geht der Baum zu Grunde:
Du allein magst, Atli, aller Dinge nun walten.“
Offen war die Arglist, hätt er geachtet drauf.
Schlau hehlte Gudrun des Herzens Meinung;
Leichtsinnig schien sie auf zwei Schultern zu tragen.
Atli wollte auch seine Todten ehren.
Daß Füll und Überfluß bei der Feier war.
Streng war die Stolze den Entstammten Budlis:
Gegen den Gatten sann sie grause Rache.
Die wilden scheuten, doch weinten sie nicht:
„Auf der Mutter Schooß hier was sollen wir beide?“
Mich lüstete längst euch das Leben zu nehmen.“
Doch lange währt der Zorn nicht läßest du ihn aus
An der muntern Kindheit.“ Die kampfgeübte Frau
Vollbracht es alsbald, lös’te beiden den Hals.
Die Söhne seien? er sehe sie nicht.
Die That verhehlt dir nicht die Tochter Grimhilds.
Nicht freut es dich freilich, wenn du alles erfährst;
Auch mir schufst du scharfe Pein: du erschlugst mir die Brüder.
Ich dräute dir heftig; gedenkst du daran?
Morgen ists, sprachst du: mir gedenkt es wohl;
Nun kam der Abend, da künd ich dir Gleiches.
Als Becherschalen stehn ihre Schädel hier;
Im Becher bracht ich dir ihr Blut, das rothe.
Ich gab sie dir zu kosten für Kälberherzen:
Du aßest sie allein und ließest nichts übrig,
Hast gierig gegeßen mit guten Malmzähnen.
Mein Looß erfüllt ich und lache nicht drob.
Der Gebornen Blut mir in den Becher mischtest,
Deine Söhne erschlugst wie dir am Schlimmsten anstand.
Mir fügst du Leid auf Leid, läßest mir nicht Ruh.
Schwer genug straft man nicht solchen König.
Du vollbrachtest zuvor beispiellose Unthat,
Die Welt weiß nicht so wahnsinngen Graus.
Neuen Frevel fügtest du zu dem vorigen heut,
Übtest arge Schande beim eignen Leichenmal.
So wird dir zu Theil wonach du trachtetest stäts.
Mich leitet schönrer Tod in ein andres Licht. —
Schleuderten Flüche; ward keiner froh mehr.
Er sagte Gudrunen, grimm wär er Atlin.
Die Frau hatt im Sinn was Högni erfuhr.
Sie rühmt’ ihn selig, wenn er Rache nähme.
Da ward Atli gefällt, unlange währt’ es:
Högnis Sohn erschlug ihn, und Gudrun selbst.
Der Wunden bewust; doch wollt er nicht Hülfe:
„Wer schlug Budlis Sohn? Sagt mir die Wahrheit.
Nicht leicht verletzt’ er mich: mein Leben ist hin.“
Laß mich die Ursach sein, daß dein Leben endet,
Und Högnis Sohn zumal, daß Wunden dich ermatten.
Falsch ists, den Freund täuschen, der fest vertraut.
Die verwaiste Wittwe, die wildherzig hieß:
Keine Lüge war es, das ließest du schauen.
Wir holten dich ein mit großem Heergeleit.
Alles war auserwählt bei unsrer Fahrt.
Rinder in Vorrath, die uns reichlich nährten.
Fülle war und Überfluß, Viele genoßen es.
Knechte zehnmal drei, und zierer Mägde sieben,
Ein schön Geschenk; des Silbers war viel mehr.
Nach dem Lande verlangend, das Budli mir ließ.
Fallstricke flochst du mir, ich empfing nichts Andres.
Die Schwieger ließest du oft sitzen in Thränen;
Heiter hielten wir niemals Haus.
Selten war ich sanft; doch sätest du Zwist.
Unbändig strittet ihr jungen Brüder,
Daß zu Hel die Hälfte deines Hauses fuhr:
Zu Grunde ging Alles was Glück bringen sollte.
Wir fuhren von Lande in Sigurds Gefolge,
Schweiften und steuerten, sein Schiff ein Jeder,
Auf unsichern Ausgang ins östliche Land.
Die Hersen huldigten: wir waren die Herrn.
Nach Willkür riefen wir aus dem Wald Verbannte,
Gaben dem die Macht, der keinen Deut besaß.
Herb war der Jungen Harm verwittwet zu heißen:
Doch härtere Qual wars, in Atlis Haus zu kommen
Der Vermählten des Mannes, den zu missen schwer war.
Du habest Streit gesucht und Sieg dir erfochten.
Stäts wolltest du weichen, nicht Widerstand thun,
Dich heimlich halten was Hohn schuf dem Fürsten.
Unser herbes Geschick, das hart ist beiden.
Gönne nun, Gudrun, durch deine Güte
Uns die letzte Ehre beim Leichenbegängniss.
Das Leintuch wächsen, das den Leib verhülle,
Auf alle Nothdurft achten als ob wir uns liebten. —
Da hielt die Hohe alle Verheißung.
Nun sann sich Gudrun selber zu tödten;
Doch gelängt war ihr Leben, andrer Tod ihr verliehn.
Tochter gegönnt ist, wie Giuki zeugte.
In allen Landen überleben wird
Der Vermählten Feindschaft, wo sie Menschen hören.
Anmerkungen (Wikisource)
Siehe auch Anmerkungen des Übersetzers zu diesem Lied.