Die Gartenlaube (1876)/Heft 10

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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum: 1876
Erscheinungsdatum: 1876
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[157]

No. 10.   1876.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich  bis 2 Bogen. Vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig – In Heften à 50 Pfennig.



Nachdruck verboten und Ueber-
setzungsrecht vorbehalten.     
Im Hause des Commerzienrathes.


Von E. Marlitt.


(Fortsetzung.)


11.


Endlich standen sie draußen auf dem weiten, sonnigen Felde. Käthe stützte sich für einen Augenblick auf einen hohen Grenzstein, den eine mächtige Eiche überwölbte, während Flora einige Schritte weiter hinaustrat, um den „entsetzlichen“ Wald möglichst weit hinter sich zu haben. Die Gefahr war vorüber. Weit drüben auf dem Ackerlande arbeiteten Leute. Sie hätten nöthigenfalls einen Hülferuf hören können; man sah die Thürme der Stadt, und dort lief der Weg nach dem Parkthore der Besitzung Baumgarten.

Aber Käthe’s Augen hingen an einem Punkte, den Flora nicht sah, an dem niedrigen Dache mit den hohen Schlöten und den vergoldeten Windfahnen, das so friedlich aus dem Walde von Obstbäumen auftauchte. Sie konnte deutlich das Staket erkennen, das den Garten umschloß; es lag weit näher als das Parkthor, und dahin lenkte sie nach kurzem Ausruhen schweigend ihre Schritte.

„Nun, wo hinaus?“ rief Flora, die bereits auf dem Wege nach dem Parke schritt.

„Nach Doctor Bruck’s Haus,“ versetzte das junge Mädchen, ruhig und unbeirrt weitergehend. „Es liegt am nächsten; dort finden wir vor allen Dingen ein Bett, auf das ich Henriette niederlegen kann, und möglicher Weise auch sofortige Hülfe. Vielleicht ist der Doctor gerade zu Hause.“

Flora runzelte die Brauen und zögerte, aber sei es, daß sie das rachedürstende Weib mit den gekrümmten Fingern immer noch nahe auf ihren Fersen wähnte, oder daß sie fürchtete, zwischen dem Parkthore und dem Walde ohne Hut und in ihrer derangirten Toilette Spaziergängern zu begegnen – sie kam schweigend herüber.

So ging es über das offene Feld hin. Für Käthe war die Aufgabe eine namenlos anstrengende. Der selten betretene Weg durch den weichen Ackerboden war voller Löcher und sehr steinig; bei jedem Fehltritte, den sie machte, fühlte sie aus Furcht vor einer Wiederkehr des schrecklichen Anfalles ihr Blut fast erstarren. Dabei brannte die Sonne, sengend wie im August, auf ihrem unbedeckten Scheitel; von Zeit zu Zeit schwamm die Welt in einem unheimlich rothgelben Lichte vor ihren Augen, und dann glaubte sie, vor Erschöpfung zusammenbrechen zu müssen, aber in solchen Momenten heftete sich ihr Blick um so fester auf des Doctors Haus; es rückte ja immer näher, das liebliche Bild des ländlichen Friedens und der erquickenden Ruhe. Sie sah nun schon vollkommen klar und deutlich, wie hinter dem Staket emsig hantirt wurde, und bei aller Angst und Ermüdung kam ihr doch ein leises Gefühl der Freude. Der Mann in Hemdsärmeln nagelte dort aus Fichtenästen eine Laube zusammen, eine Laube für die Tante Diakonus. Die alte Frau konnte die weinbewachsene Hütte im kleinen Pfarrgarten nicht vergessen und hatte seitdem nie wieder so im Grünen sitzen dürfen – welche Freude nun für ihr genügsames Herz!

Und jetzt kam sie selbst die Thürstufen herab, im weißen Häubchen, die blauleinene Küchenschürze vorgebunden, und brachte auf einem Teller dem Arbeiter sein Vesperbrod. Sie sprach eifrig mit dem Manne; Beiden fiel es nicht ein, über das Staket in’s Feld hinaus zu sehen. Käthe überlegte eben, ob sie nicht doch um helfende Hände hinüberrufen sollte – in demselben Augenblicke kam auch der Doctor vom Hause her.

„Bruck!“ rief Flora mit dem ganzen frischen Silberklange ihrer Stimme über das Feld hin.

Er blieb stehen und starrte einen Augenblick nach der seltsamen Gruppe, die sich auf ihn zu bewegte; dann stieß er die Thür im Stakete auf und stürmte hinüber. „Mein Gott, was ist denn geschehen?“ rief er schon von Weitem.

„Ich bin einem tollen Mänadenschwarme in die Hände gefallen,“ antwortete Flora bitter lächelnd, aber auch ganz wieder mit jener Geringschätzung und stolzen Nachlässigkeit, die sich durch Nichts in der Welt aus der Fassung bringen lassen. „Das Gesindel hat mit seinen Drohungen Ernst gemacht; ich war in Lebensgefahr, und das arme Ding da,“ sie zeigte auf Henriette, „hat vor Aufregung darüber einen Blutsturz bekommen.“

Er sah nur von der Seite zu ihr hinüber – sie stand ja heil und unversehrt da – und griff mit beiden Armen zu, um Käthe die Kranke abzunehmen. „Sie haben sich übermenschlich angestrengt,“ sagte er, und seine Augen streiften besorgt ihre ganze Erscheinung. Man sah, wie ein nervöses Schütteln durch ihren Körper ging; sie biß krampfhaft mit den Zähnen die Unterlippe, und ihre Wangen glühten, als wollte das erhitzte Blut die zarte Sammethaut zersprengen. … Und daneben stand Flora ruhig athmend, und auf ihrem schönen Gesicht lag nur die duftige, verklärende Röthe der seelischen Erregung.

„Du hättest Deiner Schwester die Last nicht allein überlassen sollen,“ wandte er sich an seine Braut, indem er die bewußtlose Henriette behutsam weiter trug.

Bruck, wie kannst Du das von mir verlangen?“ rief sie [158] beleidigt. „Uebrigens bedurfte es dieser Zurechtweisung Deinerseits durchaus nicht, mein Freund,“ setzte sie sehr scharf hinzu; „ich kenne meine Pflicht und wäre sehr gern aus eigenem Antriebe bereit gewesen, Henriette zu tragen, hätte ich mir nicht selbst sagen müssen, daß das bei meinem schwachen Körperbau geradezu Wahnsinn sei, und wäre Käthe nicht eine solche urgesunde, robuste Walkürennatur, die eine derartige Anstrengung sicher nicht anficht.“

Er antwortete ihr mit keiner Silbe und rief der herbeieilenden Tante zu, rasch ein Bett herzurichten. Diese lief, so schnell sie konnte, in das Haus zurück, und als die Ankommenden den Flur betraten, da stand sie schon an der geöffneten Thür eines nach Westen gelegenen Zimmers und winkte stumm und mit bestürzter Miene, da einzutreten.

Es war ihre Fremdenstube, ein von glänzendem Tageslichte erfüllter, ziemlich großer Raum mit ausgetretenen Dielen, verschabten, einst rosa angestrichenen Wänden und einem Ofenungethüm von schwarzen Kacheln. Die neuen, mit Rosen bedruckten Kattunvorhänge an den zwei Fenstern waren vielleicht der einzige Luxus, den sich die Tante Diakonus beim Umzuge gestattet hatte. Am Kopfende des Bettes stand ein uralter, mit chinesischen Figuren beklebter Bettschirm, und rings an den Wänden hingen schwarzeingerahmte, nicht besonders künstlerisch ausgeführte Scenen aus der lieblichen Idylle „Louise“ von Voß. Eine köstlich reine, mit Lavendelduft gemischte Luft wehte die Eintretenden an.

Auf der jugendlichen Stirn des Doctors lag ernste Besorgniß. Es dauerte sehr lange, bis sich unter seinen Bemühungen Henriettens Augen zu einem umschleierten Blicke öffneten. Sie erkannte ihn sofort, aber ihre augenblickliche Schwäche war so groß, daß sie die Hand nicht von der Bettdecke zu heben vermochte, um sie ihm zu reichen. Er hatte den Gartenarbeiter in die Villa Baumgarten geschickt, um die Präsidentin von dem Vorgefallenen zu benachrichtigen – sie kam sogleich. Bis dahin war im Krankenzimmer kein Wort gefallen. Flora stand in dem einen Fenster und starrte in die Gegend hinaus, und in dem anderen saß Käthe, die Hände in den Schooß gefaltet und den Blick auf das Bett geheftet, während die Tante geräuschlos ab- und zuging, um dem Doctor Alles herbeizubringen, was er brauchte.

Die Präsidentin sah sehr verstört aus; sie erschrak sichtlich, als sie Henriettens Gesicht so wachsbleich auf dem Kissen liegen sah, und mochte wohl das Schlimmste befürchten, weil die Kranke bei ihrer sanften Anrede die Wimpern nicht hob. Henriette hatte die Augen in dem Moment wieder geschlossen, als ihre Großmutter auf die Schwelle getreten war.

„Sagt mir um’s Himmelswillen, wie das gekommen ist!“ rief die alte Dame; ihre weiche, vornehm moderirte Stimme klang förmlich erschreckend laut in die bisher beobachtete Stille hinein.

Nun trat Flora aus dem Fenster und erzählte. Sie schilderte ergrimmt, mit drastischer Deutlichkeit die Scene im Walde; ihrer Darstellung nach hatte sie selbstverständlich keinen Augenblick den Muth und die Geistesgegenwart verloren, aber einer Schaar von mindestens zwanzig Furien gegenüber brauche der stärkste Geist alle seine Kraft, um nicht vor Ekel und Abscheu zu erliegen, versicherte sie.

Die Präsidentin ging währenddem ganz außer sich auf und ab; sie bemerkte in ihrer Erregung nicht einmal, daß ihre Seidenschleppe auf dem faserigen Dielenboden jenes monoton schrille Geräusch machte, das für leidende Nerven zur Tortur werden kann. „Was sagt ‚der Menschenfreund‘ nun dazu?“ fragte sie endlich stehenbleibend, und aus ihren halbzugesunkenen Augen zuckte es wie ein mörderischer Blick nach dem Doctor hin.

Er schwieg mit jener ruhigen Milde, die sein jugendlich schönes Gesicht so geistig überlegen erscheinen ließ. Henriettens Hand in der seinen haltend, schien er nur Augen für das schwach pulsirende Leben zu haben, das jeden Augenblick in das Nichts zerrinnen konnte.

Die alte Dame trat wieder an das Bett und bog sich mit zurückgehaltenem Athem über die Kranke.

„Herr Doctor,“ sagte sie nach einem momentanen Zögern, „der Zustand scheint mir sehr bedenklich – wollen wir nicht doch endlich einmal meinen alten, erfahrenen Freund und Hausarzt, den Medicinalrath von Bär, zu einer Consultation herbeiziehen? – Sie dürfen mir das nicht verargen.“

„Nicht im Geringsten, Frau Präsidentin,“ sagte er, die aufzuckende Hand der Kranken auf die Bettdecke legend. „Es ist sogar meine Pflicht, Alles zu thun, was zu Ihrer Beruhigung dienen kann.“ Er erhob sich ruhig und verließ das Zimmer, um nach dem verlangten Arzte zu schicken.

„Mein Gott, was für einen Streich habt Ihr gemacht, Henriette hierher zu bringen!“ schalt die Präsidentin hastig, mit gedämpfter Stimme, sobald sich die Thür hinter dem Hinausgehenden geschlossen hatte.

„Daran ist Käthe’s Weisheit schuld,“ versetzte Flora erbittert. „Ihr mache den Vorwurf, daß wir nun möglicherweise gezwungen sind, in dem verkommenen Neste hier wochenlang verkehren zu müssen“ – ihre Augen streiften zornig das schweigende Mädchen im Fenster.

„Und welche Indolenz, das arme Geschöpf so zu betten, daß sie bei jedem Augenaufschlag das schwarze Ungeheuer von Ofen vor sich hat! Dazu diese Fratzen an den Wänden – man könnte sich fürchten.“ Die alte Dame wandte ihr bei diesen naiven Darstellungen den Rücken und untersuchte das Bett. „Das Lager scheint passable zu sein; das Leinen wenigstens ist weiß und weich, aber ich werde doch Henriettens seidene Steppdecke herüberschicken; ebenso einen bequemen Fauteuil für den Medicinalrath, vor allen Dingen aber anderes Waschzeug. – Steingut!“ sagte sie verächtlich und schob das saubere Geschirr auf dem Waschtische zusammen, um für das kommende gemalte und vergoldete Porcellan Platz zu machen. „Gott, wie erbärmlich leben doch solche Leute! Und das fühlen sie nicht einmal – wünschest Du etwas, mein Engel?“ unterbrach sie sich mit sanfter Stimme und trat wieder an das Bett.

Henriette hatte langsam den Kopf aufgerichtet und einen sprühenden Blick um sich geworfen; jetzt lag sie schon wieder mit geschlossenen Augen da, aber ein Anschein von Kraft war insoweit zurückgekehrt, als sie die Hand der Großmama, die streichelnd ihre Rechte berührte, wegzuschieben vermochte.

„Eigensinnig, wie immer!“ seufzte die Präsidentin und setzte sich auf den Stuhl neben dem Bette.

Der Medicinalrath ließ nicht lange auf sich warten, aber er kam ganz consternirt. Er konnte sich anfänglich durchaus nicht d’reinfinden, seine alte Freundin im Hause am Flusse zu sehen, bis man ihm in flüchtigen Umrissen das Vorgefallene mittheilte. Er war ein hübscher alter Herr, spiegelblank vom Kopfe bis zur Zehe und von hochmüthig zurückhaltenden Manieren. Er war Leibarzt des regierenden Fürsten, hatte für seine Verdienste den Adel, eine hübsche Anzahl Orden, Brillanten und goldene Schnupftabaksdosen erhalten, und draußen an der Brücke hielt seine prächtige Equipage.

„Fatal, sehr fatal!“ sagte er mit bedenklicher Miene an das Bett tretend. Er beobachtete die Kranke minutenlang, dann fing er an, die kranke Brust zu beklopfen. Er that das zwar vorsichtig, aber die Patientin stöhnte dennoch auf; die wiederholte Berührung verursachte ihr offenbar Schmerz.

Doctor Bruck stand schweigend mit untergeschlagenen Armen neben ihm. Er zuckte mit keiner Wimper; allein bei dem ersten Jammerlaute Henriettens zogen sich seine Brauen unwillig zusammen; in diesem vorgerückten Stadium der Krankheit war eine so anhaltende, gründliche Untersuchung vollkommen überflüssig. „Darf ich Ihnen meine Beobachtungen mittheilen, Herr Medicinalrath?“ fragte er mit gelassener Stimme, aber nachdrücklich, um ein Ende zu machen.

Der alte Herr schielte seitwärts empor. Für den bittersten, gehaßtesten Feind gab es keinen giftigeren Blick, als der aus den tiefliegenden Augen des vornehmen Arztes schoß. „Erlauben Sie, daß ich mich persönlich überzeuge, Herr College!“ antwortete er kalt und setzte seine Untersuchungen fort. „So, nun stehe ich zu Ihrer Verfügung,“ sagte er einige Augenblicke später. Er trat vom Bett zurück und folgte dem Doctor, der die Thür öffnete, in das Eck- und Arbeitszimmer.

Gleich darauf hob Henriette die Wimpern. Auf ihren Wangen lag das gefährliche Roth innerer Aufregung, und sie verlangte mit fast heftigen Geberden und Worten nach ihrem Arzte, dem Doctor Bruck.

Die Präsidentin vermochte kaum ihren Aerger über „den [159] bodenlosen Eigensinn“ zu unterdrücken; allein sie ging ohne Widerrede, um den Wunsch der Kranken zu erfüllen. Sie kam auch durchaus nicht zu früh, wie sie gefürchtet. Der Herr Medicinalrath hatte jedenfalls von den Beobachtungen des jungen Arztes keinen Gebrauch zu machen gewußt, und noch weniger war er auf eine Berathung eingegangen – er setzte sich eben an den Arbeitstisch des Doctors, um ein Recept zu verschreiben.

Doctor Bruck verließ sofort das Zimmer, und die Präsidentin trat zu ihrem alten Freunde, um sein Urtheil zu hören. Er war ziemlich spitz und verstimmt, sprach von total verfehlter Behandlung des Leidens und warf den Vorwurf hin, daß man immer erst in den gefährlichsten Momenten „vor die rechte Schmiede gehe“. Die Großmama habe längst Henriettens eigensinniges Köpfchen brechen und den alten Hausarzt, der sie doch in ihrer Kindheit behandelt, zu Rathe ziehen müssen. In solchen Fällen sei eine Rücksicht, wie die auf Flora’s Bräutigam genommene, geradezu gewissenlos. „Vor allen Dingen müssen wir jetzt sehen, daß wir das arme Kind so schnell wie möglich in sein eigenes, bequemes und elegantes Schlafzimmerchen bringen, meine Gnädigste,“ setzte er hinzu. „Sie wird sich in ihrer gewohnten Umgebung wohler fühlen; auch bin ich dann sicher, daß meine Anordnungen strict befolgt werden, was hier voraussichtlich nicht der Fall sein würde.“

Er tauchte die Feder ein – da fiel sein Blick auf ein geöffnetes, elegantes Kästchen, das mitten unter den Büchern und Schreibmaterialien stand; es mochte kaum erst ausgepackt worden sein, denn die Emballage lag noch daneben.

Die Frau Präsidentin hatte das blühende Gesicht ihres „bewährten Freundes“ noch nie so lang, noch nie so unbeschreiblich, bis zur Geistlosigkeit verdutzt gesehen, wie in diesem Augenblicke, wo ihm die Feder aus der Hand fiel.

„Mein Gott, das ist ja der herzoglich D.’sche Hausorden,“ sagte er und tippte mit scheuem Finger an das Kästchen. „Wie kommt denn der in dieses Haus, an diese obscure Adresse?“

„Merkwürdig!“ murmelte die Präsidentin betreten. Ueber ihre bleiche Haut flog das schnelle Roth einer jähen, unliebsamen Ueberraschung. Sie hielt die Lorgnette vor die Augen und musterte eifrig den Inhalt des Kästchens. „Ich kenne den Orden und seine Bedeutung nicht –“

„Das glaube ich gern, wird er doch selten genug verliehen!“ fuhr der Medicinalrath dazwischen.

„Sonst möchte ich behaupten, die Decoration rühre noch vom letzten Feldzuge her,“ vollendete sie.

„Denken Sie nicht d’ran!“ polterte er heraus – er mußte in sehr aufgeregter Stimmung sein, da er diesen Ton anschlug. „Erstens ist der Orden nur gestiftet für Leistungen, die dem Fürstenhause persönlich gelten, und dann möchte ich den Mann sehen, der eine solche Auszeichnung jahrelang besäße, ohne daß die Welt es erführe. … Eh – wenn ich nur das Motiv wüßte, das Motiv!“ Er rieb sich unablässig wie geistesabwesend die Stirn mit der Rechten, an der mindestens drei fürstliche Huldbeweise in Brillantenfeuer glänzten – was galten sie ihm in diesem Augenblicke! Es waren Geschenke, die ihm seine fürstlichen Herrschaften von den Reisen mitgebracht, keine Auszeichnung fremder Höfe.

„Gerade dieser Orden ist das Ziel vieler Wünsche,“ fügte er hinzu; „manche hochgestellte Persönlichkeit hat sich schon vergeblich darum beworben, und nun liegt er hier, wie achtlos aus der Hand geschoben, auf diesem erbärmlichen, angestrichenen Arbeitstische. Und jenem Menschen, jenem Ignoranten, der sich durch seine Mißerfolge so gründlich blamirt hat – Pardon, meine Gnädigste! aber das muß heraus – ihm wird er an den Hals geworfen, und man hat nicht die blasse Ahnung, wofür.“

Er war aufgesprungen und durchmaß mit großen Schritten das Zimmer. Die stolze Frau, die sich sonst durch Nichts so leicht aus der Fassung bringen ließ, verfolgte ihn jetzt mit ziemlich ängstlichen, rathlosen Blicken. „Ich kann mir nicht denken, daß die Decoration mit seinem ärztlichen Wirken zusammenhängt,“ warf sie unsicher hin; „wie käme er denn auch an den D.’schen Hof?“

Der Medicinalrath blieb stehen und lachte laut auf, aber es war ein gewaltsam erzwungenes Lachen. „Nun, das muß ich sagen, Sie sprechen da etwas aus, meine Gnädigste, was mir nun und nimmermehr in den Sinn gekommen wäre, weil es einfach – unmöglich ist. Es müßten sich denn alle Dinge der Welt plötzlich auf den Kopf gestellt haben, so daß die Stümperei und Unwissenheit bei unreifen Strebern ausgezeichnet und das gediegene Wissen, die gereifte Erfahrung, das wahre Verdienst mit Füßen getreten würde. Nein, daran denkt meine Seele nicht.“ – Er trat an ein Fenster und trommelte mit den Fingern auf dem Sims. „Wer weiß denn, welcher Mission er sich unterzogen hat! Er war ja für acht Tage verschwunden, und Niemand wußte wohin,“ sagte er nach kurzem Verstummen in gedämpftem Ton über die Schulter zurück. „Hm, wer kennt denn seine Beziehungen außerhalb? Solche Duckmäuser, die nie von sich und ihrem Berufe sprechen, haben stets ihre guten Gründe – es kommen ja in der ärztlichen Praxis genug Dinge vor, zu denen sich achtbare Leute nicht hergeben. Nun, ich schweige. Es ist nie meine Sache gewesen, von den dunkeln Umtrieben Anderer den Schleier zu heben; es geht ja schließlich doch Alles seinen Weg, wie der da droben es will.“ Er zeigte himmelwärts mit so gutgespieltem Gottvertrauen, daß es ihm nur seine intimste Freundin, die Frau Präsidentin, nicht glaubte; er wurde stets fromm und weich, wenn er sich zurückgesetzt oder in irgend einem Vorrecht verkürzt wähnte.

Er setzte sich wieder an den Tisch und schrieb das beabsichtigte Recept, aber so hastig und flüchtig, als sei in dem fatalen Kästchen neben ihm ein Brennpunkt, der ihm die Finger versenge. „Um Eines bitte ich Sie, meine verehrte Freundin,“ sagte er einen Augenblick innehaltend, „suchen Sie der Sache ein wenig auf den Grund zu kommen! Ich möchte gern au fait sein, ehe Bruck Lärm schlägt mit seiner zweifelhaften Auszeichnung – man kann nöthigenfalls pariren. … An Ihre diplomatische Feinheit brauche ich selbstverständlich nicht zu erinnern; die steht hoch über jedem Zweifel.“

Die alte Dame antwortete im ersten Augenblicke nicht; sie hatte ihn, so lange er seine zierlichen, mysteriösen Schriftzüge auf das Papier warf, nachdenklich beobachtet und finden müssen, daß der Freund plötzlich merkwürdig gealtert habe. Nicht etwa, daß Runzeln seine blühenden Wangen durchfurcht hätten – noch sah er wohlbeleibt und glatt aus, aber ein undefinirbares Gemisch von Besorgniß, von Niedergeschlagenheit und mürrischem Verdrossensein sprach in diesem Moment des Sichgehenlassens aus allen seinen Gesichtslinien; er sah aus wie ein Mensch, dem ein heimlich verstimmender Gedanke die Freuden des Tages beeinträchtigt und den Schlaf stört. Und sie erinnerte sich jetzt, daß er in der letzten Zeit hier und da ganz feine Andeutungen über fürstliche Launen hingeworfen hatte. Himmel, wenn sie diesen Freund verlor! Damit meinte sie durchaus nicht seinen Heimgang aus diesem irdischen Leben – sie dachte überhaupt nie an’s Sterben – sie verlor ihn nur durch seine Pensionirung; er konnte ihr nichts, gar nichts mehr sein bei Hofe, und wie sich dann Alles ändern würde, das mochte sie gar nicht ausdenken. Bah, warum denn auch? Der gute Medicinalrath aß gar zu gern Trüffeln und andere gute, aber schwerverdauliche Dinge, und starke Weine und schweres Bier liebte er auch – er begann hypochondrisch zu werden; er fing Grillen und sah Gespenster; sie mit ihren feinen Fühlfäden spürte es stets lange vorher, wenn eine Macht bei Hofe stürzen sollte, diesmal aber hatte auch nicht das leiseste Wehen eines Lüftchens die Schwenkung der reizbaren Wetterfahne angezeigt.

„Aber, bester Medicinalrath, wer sagt Ihnen denn, daß die Decoration überhaupt für den Doctor selbst bestimmt ist?“ fragte sie mit der ganzen Zuversicht der erfahrenen Weltdame. „Ich glaube nicht daran, weil ich mit dem besten Willen den Zweck nicht einsehe. Uebrigens mag die Sache zusammenhängen, wie sie will, ihm wird sie in unserer Residenz nichts nützen, denn da ist er ein- für allemal so gut wie todt. Ich will Ihnen gern den Gefallen thun und nachforschen, lediglich zu Ihrer Beruhigung –“ sie verstummte; im Nebenzimmer knarrte eine Thür; die Frau Diakonus kam herein, um etwas aus ihrer Commode zu holen.

Der Medicinalrath erhob sich und übergab der Präsidentin das Recept; dann gingen Beide durch das Zimmer, wo die Tante eben den Kasten wieder schloß. Am liebsten hätte der Medicinalrath seiner Unruhe jetzt gleich ein Ende gemacht und im Vorübergehen mittelst einer schalkhaften Bemerkung eine aufklärende [160] Antwort herausgelockt, allein die alte Frau verneigte sich so kühl und würdevoll, mit so viel ernster Zurückhaltung, daß er gar nicht wagte, sie anzureden.

Und drüben war noch weniger zu erfahren. Der Doctor hatte die große Glasschale mit den Goldfischen aus dem Zimmer der Tante herübergebracht und war eben bemüht, den dazu gehörigen Apparat eines kleinen Springbrunnens in Gang zu bringen; die Aufwärterin schleppte frisches Wasser herbei und goß es in verschiedene flache Schüsseln auf den Tischen und in einen Kübel nicht weit vom Krankenbette, Alles, um die Luft des Zimmers möglichst zu durchfeuchten. … Wer hätte dem Manne, der in seiner Fürsorge, seiner Pflichterfüllung aufzugehen schien, gerade jetzt mit verfänglichen Andeutungen über Außendinge kommen mögen? Und der Medicinalrath fand das auch plötzlich vollkommen überflüssig. Es wurde ihm ganz leicht um’s Herz; die Sache mußte anders zusammenhängen; denn so schlicht und unbefangen, so anspruchslos wie der junge Arzt dort, gerirte sich kein Mann, der eben einer seltenen Auszeichnung gewürdigt worden war.

Henriette saß jetzt, durch Kissen gestützt, im Bette aufrecht und sah mit weitoffenen, glänzenden Augen um sich; es war starkes Fieber eingetreten. Von einem Uebersiedeln nach der Villa konnte keine Rede sein, so lebhaft auch die Präsidentin es wünschte. Sie mußte sich vorläufig damit begnügen, Henriettens Jungfer zur Pflege für die Nacht, und Alles, was das Krankenzimmer „comfortable“ machen konnte, herüberzuschicken. Käthe’s Bitte, die Nachtwache übernehmen zu dürfen, wurde weniger von ihr und dem Medicinalrath, als von Seiten des Doctor Bruck rundweg abgeschlagen. Die Thränen traten dem jungen Mädchen in die Augen, als er so kühl und fest bei seinem Ausspruche beharrte, nach welchem die pflegende Hand der Kammerjungfer unter seiner speciellen Aufsicht und Leitung völlig genügte. Es wurde demnach beschlossen, daß Flora und Käthe bis um zehn Uhr bleiben und dann durch Nanni abgelöst werden sollten.

Flora hüllte sich bei diesen Verhandlungen in consequentes Schweigen. Sie fühlte so gut, wie die Großmama, daß sie als leibliche Schwester sich bei diesem Erkranken, welches im Verein mit dem Vorfalle im Walde morgen voraussichtlich das Tagesgespräch der Residenz bilden werde, durch Käthe sich nicht beschämen lassen dürfe, und deshalb ließ sie den Beschluß wie eine Verurtheilung über sich ergehen.




12.


Bald nach dem Weggang der Präsidentin und ihres Freundes kamen Lakaien und Hausmädchen schwer beladen aus der Villa und schoben und trugen mit geräuschloser Behendigkeit Polstermöbel und allerhand Geräthschaften in das Krankenzimmer; die überaus einfache, aber dennoch anheimelnde Fremdenstube wurde plötzlich so buntscheckig wie ein Auctionslocal. Der gestickte Ofenschirm vor den halb erblindeten, schwarzen Kacheln, das prachtvolle Waschgeräth, die apfelgrünen, seidenglänzenden Lehnstühle – wie lächerlich unpassend, gleichsam wie von einem ungünstigen Wind verschlagen, stand das Alles inmitten der vier verblaßten, getünchten Wände!

Ohne eine Miene zu verziehen, ganz in ihrer sanften, gelassenen Weise, räumte die Tante Diakonus ihr verstoßenes Eigenthum fort. Ihre Augen begegneten nicht ein einziges Mal denen des Doctors, der sich mit verschränkten Armen in eines der Fenster zurückgezogen hatte und schweigend den Veränderungen zusah; vielleicht fürchtete die alte Frau, er könne in ihrem Blick eine leise Spur des Gekränktseins finden, und das wollte sie um keinen Preis.

Mit der einziehenden gewohnten Eleganz kam sichtlich neue Spannkraft in Flora’s bisherige apathische Haltung; sie dirigirte das Arrangement, legte eigenhändig die grünseidene Decke auf Henriettens Bett und versprühte eine ganze Flasche Eau de Cologne auf den Dielen. Dann ließ sie einen schwellenden Teppich in die leere Fensternische breiten und stellte einen Fauteuil darauf, und als die Dienstleute sich entfernt hatten, warf sie sich in den Lehnstuhl und kreuzte die schmalen Füße auf einem gestickten Fußkissen. Sah es doch aus, als habe sie sich aus der Wüste auf eine kleine Oase gerettet – so eng schmiegte sich ihre Gestalt zusammen, und so fremd und kalt musternd blickte sie über Alles hin, was sich außerhalb ihrer teppichbelegten Ecke befand. Dort in dem „lächerlich kleinen“ Stückchen Spiegelglas, das ein brauner Holzrahmen umschloß, hatte sie vorhin bemerkt, daß ihr dünnes Scheitelhaar abscheulich derangirt sei. Sie hatte einen kleinen weißen Spitzenshawl vom Halse genommen und ihn graziös über die losen Löckchen gesteckt; dieses weiße klare Gewebe legte sich wie ein Heiligenschein um den reizenden Kopf. Und die Tante Diakonus mußte immer wieder hinsehen; es war und blieb doch eine wunderschöne Braut. Nun erst begriff sie ganz, daß der Doctor dieses sylphenhafte Wesen weder im tollen Treiben der Studentenzeit, noch auf den Schlachtfeldern hatte vergessen können, und ihr jetziges seltsames Benehmen, ihre finstere Schweigsamkeit, so verletzend sie auch das warme Gefühl berührte, war ja doch nur die augenblickliche natürliche Folge eben stattgehabter heftiger Gemüthserschütterungen.

Inzwischen ging der Nachmittag zu Ende. Im Westen flammten die Abendgluthen auf; die niedersinkenden kleinblätterigen Rankenfransen der Blumenampeln in den Fensternischen erschienen goldbeflittert, und die Purpurrosen auf den Kattungardinen wuchsen im Sonnenfeuer zu Riesenpäonien, die das Krankenzimmer mit feurigem Glanze erfüllten.

Henriette lag still, mit geschlossenen Augen in den Kissen. Sie hatte fast angstvoll gegen das Niederlassen der Rouleaux protestirt, „weil sie nicht an dumpfer Dämmerung ersticken wollte“; ebenso war es ihr Wunsch, daß man zwanglos aus- und eingehen und sich mit lauter Stimme unterhalten möge; sie könne das Geflüster und das „Auf-den-Zehen-gehen“ nicht ausstehen, ja, sie fürchte sich davor und meine, man sehe eine Todtkranke oder gar Sterbende in ihr. Ihr Wunsch wurde erfüllt; man bemühte sich, bei möglichster Geräuschlosigkeit vollkommen unbefangen zu erscheinen.

Während der Doctor für einige Minuten das Zimmer verließ, um ein Buch zu holen, kam die Tante Diakonus herein mit einem Präsentirteller in den Händen, und sofort verbreitete sich ein köstliches Thee-Aroma, das selbst den starken, scharfen Duft der Eau de Cologne niederkämpfte. Auf dem Brett lag eine glänzend weiße Damastserviette vom feinsten Gewebe; die Tassen waren von altem Porcellan und die silbernen Löffel altväterisch massiv und dick, lauter Erbstücke einer respectablen Familie. Und das rothe Sonnenlicht verklärte die alternde Frauengestalt, wie sie so, in wahrhaft holländischer Sauberkeit leuchtend, mit dem edlen, friedfertigen Gesicht unter dem aschblonden, ungelichteten Scheitel vor die Braut in der Fensterecke trat und ihr freundlich die Erfrischung bot.

„Selbstgebackene Waffeln?“ fuhr Flora aus ihrer halbliegenden Stellung empor. „Ach ja, der Schmorduft kam vorhin von der Küche her, bis zu mir in diese Ecke. Wie appetitlich!“ Sie schlug die Hände zusammen wie in naiver Bewunderung. „Mein Gott, wer, wie ich, so völlig talentlos für häusliches Wirken ist, der begreift absolut nicht, wie solch ein kleines Kunstwerk zu Stande kommen kann. Wie viel Geduld, aber auch wie viel Zeit mag dazu gehören!“


(Fortsetzung folgt.)




Menschenaffen.


Von Brehm.


II. Häusliches und geselliges Leben.


Unsere Kunde von den Menschenaffen ist fast in jeder Beziehung dürftig und lückenhaft, zumal soweit es sich um das Freileben der betreffenden Thiere handelt. Von Hanno und Plinius an sind Jahrtausende vergangen, bevor wir wieder etwas vernommen haben über die „wilden Menschen“, mit denen die Karthager zusammen trafen, oder über die „Satyrn“, welche uns Plinius schildert als „sehr bösartige Thiere mit einem Menschengesicht, welche auf den indischen Bergen leben, bald aufrecht, bald

[161] 

Schimpanse.
Eine Studie nach der Natur von G. Mützel.

[162] auf allen Vieren gehen und wegen ihrer Schnelligkeit nur dann gefangen werden können, wenn sie alt oder krank geworden sind.“

Erst um die Mitte des siebenzehnten Jahrhunderts verlautet wiederum etwas über diese Thiere und zwar zunächst über den Orang-Utan. Der naturkundige Arzt Bontius berichtet aus eigener Anschauung. Er hat, wie er erzählt, diese „Waldmenschen“ einige Male gesehen. Sie gingen aufrecht und geberdeten sich ganz wie andere Menschen. Namentlich ein Weibchen benahm sich bewunderungswürdig, schämte sich, wenn es von unbekannten Leuten betrachtet wurde, bedeckte Gesicht und Blöße mit den Händen, seufzte, vergoß Thränen und übte überhaupt alle menschlichen Handlungen aus, so daß man wohl behaupten durfte, nur die Sprache habe ihm gefehlt, um ein Mensch zu sein. Es unterliege auch keinem Zweifel, daß die Waldmenschen wohl reden könnten, wenn sie wollten, es aber aus dem Grunde nicht thäten, weil sie befürchteten, zur Arbeit herangezogen zu werden. Daß sie aus einer Vermischung von Affen und indianischen Weibern herstammten, sei ganz sicher. Schouten, welcher später schreibt als Bontius, bereichert diese Angaben durch einige Entführungsgeschichten, in denen die Waldmenschen die Rolle des angreifenden, malaiische Mädchen die des leidenden Theiles spielen. Nach Angabe fast aller Berichterstatter geht der Orang-Utan stets auf den Hinterbeinen, und nur einer meint, daß er auch im Stande wäre, auf allen Vieren zu laufen.

Abgesehen von Pyrard, welcher Anfangs des siebenzehnten Jahrhunderts eine kurze Mittheilung über Schimpansen giebt, erhalten wir über die „wilden Menschen“ Hanno’s erst um hundert Jahre später eingehendere Nachrichten. Andreas Battell erzählt von den furchtbaren Waldungen der Loangoküste, welche so überfüllt sind von Pavianen, Meerkatzen, Affen und Papageien, daß Jedermann sich fürchtet, in denselben zu reisen. Namentlich zwei Ungeheuer machen den Wald im höchsten Grade unsicher: das eine dieser Scheusale heißt „Pongo“, das kleinere „Ensego“. Der Pongo hat den Gliederbau eines Menschen, ähnelt aber eher einem Riesen; sein Gesicht gleicht zwar dem eines Mannes, aber hohlliegende, von langen Brauenhaaren überdeckte Augen geben ihm einen furchtbaren Ausdruck. Der ganze Leib ist mit düsterfarbigen Haaren bekleidet, und nur durch diese und die wadenlosen Füße unterscheidet er sich vom Menschen. Stets geht er auf seinen Füßen, hält sich aber dabei mit Hülfe der im Nacken zusammengeklammerten Hände im Gleichgewichte. Seine Nahrung besteht aus Waldfrüchten; denn Fleisch ißt er niemals. Sprechen kann er nicht, und sein Verständniß ist nicht größer als das eines Viehes. Oft vereinigen die Pongos sich zu Gesellschaften, und diese tödten manchen Neger im Walde, können überhaupt nur durch vergiftete Pfeile erlegt werden. Hierauf folgt die späterhin in alle Kinderbücher übergegangene Geschichte von der Freude, welche diese Thiere beim Anblicke eines von Menschen angezündeten Feuers empfinden, wie sie sich um dasselbe scharen und sich wärmen, sich dabei höchst behaglich fühlen, aber aus Unverstand vergessen, Holz nachzulegen und dann jämmerlich aufschreien, wenn das Feuer ausgeht. Unser Berichterstatter meint offenbar den Gorilla.

Von der vorher angegebenen Zeit an wird die Naturgeschichte des Orang-Utan in rascher Folge durch mehr oder minder ausführliche Berichte gefördert; bis zum Jahre 1847 aber dauert es, bevor wir über die afrikanischen Menschenaffen weitere und eingehendere Mittheilungen erhalten. Die Berichte einzelner Beobachter sind jedoch noch nicht genügend bestätigt, die Erzählungen anderer noch nicht hinlänglich von übernommenen und selbsterfundenen Fabeln geklärt: es läßt sich daher noch immer nicht ein Lebensbild zeichnen, von dem man sagen könnte, daß jeder Strich an die rechte Stelle gesetzt, jeder Zug entsprechend ausgedrückt wäre. Wir wissen etwa Folgendes:

Alle Menschenaffen sind Waldbewohner und finden sich innerhalb ihres Verbreitungsgebietes um so regelmäßiger und häufiger, je mehr der Wald dem allgemein verständlichen Begriffe des Urwaldes entspricht. Obwohl vom Gorilla wie vom Schimpanse, Battell’s Angaben bestätigend, gesagt wird, daß Beide sehr viel auf dem Boden sich bewegen, dürfen wir sie doch zu den Baumaffen im eigentlichen Sinne des Wortes rechnen, mindestens nicht zweifeln, daß der größere Theil ihres Lebens in den Kronen dichtbelaubter Bäume verläuft. Vom Inneren ihrer Urwaldungen aus unternehmen sie allerdings Wanderungen und bequemen sich, kürzere oder längere Strecken auf dem Boden zurückzulegen; so lange ihnen aber die Möglichkeit geboten ist, von einem Zweige zum anderen überzugehen, kommen sie selten freiwillig auf den Boden herab. Maßgebend oder bestimmend für mehr oder minder strenges Baumleben ist die Länge ihrer Arme, d. h. diejenigen, welche mit den längsten Armen ausgerüstet sind, verlassen die Bäume am seltensten, diejenigen, welche die verhältnißmäßig kürzesten Arme haben, am häufigsten. Ihre Bewegungen unterscheiden sich wesentlich von denen der Ordnungsverwandten, und man darf, ohne zuviel zu sagen, behaupten, daß sie denen des Menschen mehr ähneln als jenen. Namentlich wenn sie klettern, lassen sie sich nur mit dem Menschen, nicht aber mit anderen Affen vergleichen. Hunds-, Neuwelts- und Krallenaffen klettern laufend und springend, d. h. indem sie beim Abgehen längerer Aeste in wechselseitiger Folge ein Bein um das andere bewegen und mit mehr oder minder mächtigen Sätzen von einem Aste auf den in’s Auge gefaßten springen, dabei oft Entfernungen bis zu zehn Meter wie ein fliegender Vogel oder fallender Körper durchmessen; die Menschenaffen hingegen klettern turnend, übertragen ihren Vordergliedern den größten Theil der Arbeit und gebrauchen die hinteren in der Regel als Stütze, obwohl sie recht gut im Stande sind, mit ihren eingebogenen Oberschenkeln oder selbst mit ihren Zehen kopfunterst an einem Aste sich aufzuhängen und die nun frei gewordenen Arme und Hände nach Belieben zu benutzen.

Ausgedehnte, gleichmäßig hohe Urwälder sind für das Wohlbefinden der Menschenaffen Bedingung. „Solche Wälder,“ sagt Wallace, „bilden für den Orang-Utan ein offenes Land, in welchem er sich nach jeder Richtung hin und zwar mit derselben Leichtigkeit bewegen kann, wie ein Indianer durch die Steppe oder ein Araber durch die Wüste zieht. Er geht hier von einem Baumwipfel zum anderen, ohne jemals auf den Boden herabzusteigen, würde auch in mehr gelichteten Gegenden, in denen nur Gras oder niedriges Dickicht wächst, weit größere Gefahren auszustehen haben als in seiner luftigen Höhe. Es ist ein seltsamer und fesselnder Anblick, einen Orang-Utan gemächlich seinen Weg durch den Wald nehmen zu sehen. Umsichtig läuft er einen der stärkeren Aeste entlang, halb aufrecht sich haltend, weil ihn hierzu die bedeutende Länge seiner Arme und die verhältnißmäßige Kürze der dünnen Beine nöthigen und er wie seine Verwandten mit den Knöcheln der Finger, nicht mit der Handsohle sich stützt. Stets scheint er solche Bäume zu wählen, deren Aeste mit denen des nächststehenden verflochten sind, streckt, wenn er nahe ist, seine langen Arme aus, faßt die betreffenden Zweige mit beiden Händen, scheint ihre Stärke zu prüfen und schwingt sich dann bedächtig hinüber auf den nächsten Ast, auf welchem er wie vorher weiter geht. Nie hüpft oder springt er, niemals scheint er auch nur zu eilen, und doch kommt er fast ebenso schnell vorwärts, wie Jemand unter ihm durch den Wald laufen kann. Seine langen und mächtigen Arme befähigen ihn, mit Leichtigkeit die höchsten Bäume zu erklimmen, Früchte und junge Blätter von dünnen Zweigen, welche sein Gewicht nicht aushalten würden, zu pflücken und Blätter und Aeste zu sammeln, um ein Nest zu bauen.

Ganz in ähnlicher Weise klettern auch wohl die afrikanischen Menschenaffen, Schimpanse und Tschego bestimmt so, wie wir dies an gefangenen wahrnehmen konnten. Daß der Schimpanse ebenfalls den größten Theil seines Lebens auf Bäumen zubringt, berichtet Savage und, übereinstimmend mit ihm, unser trefflicher Schweinfurth. Malerisch schildert er in seinem ausgezeichneten Werke: „Im Herzen Afrikas“, die Waldungen des wirklich im Herzen Afrikas gelegenen Niamniamlandes, welche der Italiener Galerienwaldungen genannt hat. Bäume mit gewaltigen Stämmen und von einer Höhe, welche alles bisher im Gebiete des Nil Gesehene, die Palmen Aegyptens kaum ausgeschlossen, weit in den Schatten stellen, bilden dichtgedrängte, lückenlose Reihen, in deren Schutze sich minder überwältigende im wirrsten Gemenge stufenweise abgliedern. Im Inneren dieser Uferwälder gewahrt man Säulengänge, ägyptischen Tempelhallen ebenbürtig, in besonders tiefen Schatten gehüllt und von aufeinander gelagerten Laubdecken oft dreifach überwölbt. Von außen betrachtet, erscheint Alles wie eine undurchdringliche Wand des dichtesten Blattwerkes, im Innern öffnen sich dagegen überall Laubengänge unter Säulenhallen, [163] voll murmelnder Quellen und Wasseradern. Die durchschnittliche Höhe des obersten Laubdaches beträgt fünfundzwanzig bis dreißig Meter und scheint nirgends unter zwanzig Meter herabzusinken. Mächtige Gewächsformen, welche unsere ältesten Baumriesen an Gewaltigkeit des Stammes weit übertreffen, erheben sich über alle anderen; großblättrige Baumgestalten treten dazwischen; sperrig verzweigte Sträucher, deren zum Theil riesiges Laub die Düsterheit des Kronendunkels vermehrt, verdecken dem Auge fast die höheren Wipfel, und undurchdringliche Staudenmassen füllen die übriggebliebenen Lücken in diesem großartigen Laubgewölbe. Endlos gefiederte Wedel wunderbarer und riesig entwickelter Farne scheinen gleich leichten Schleiern über die unendlichen Schätze in diesem großen Füllhorn der Natur geworfen zu sein und verleihen dem Ganzen einen bezaubernden Wechsel greller Gegensätze. Unzählige Schlingpflanzen verketten und verschlingen Bäume und Zweige dieser über alle Beschreibung prachtvollen, paradiesischen Wälder. Die Luft, welche man einathmet, ist die eines Treibhauses; denn bei einer Wärme von zwanzig bis fünfundzwanzig Grad herrscht hier eine beständig dumpfe Feuchtigkeit, von dem Hauche des Lebens selbst erzeugt, welcher zu entweichen man nicht vermag. Diese Waldungen sind es, welche eine bevorzugte Heimstätte des Schimpanse bilden, und in ihnen kommt er ebenso wenig wie der Orang-Utan zum Boden herab: sie bevorzugt er vor allen übrigen des uns bis jetzt bekannten Nilgebietes, unzweifelhaft einzig und allein aus dem Grunde, weil sie ihm ein fast ausschließliches Baum- und Kletterleben ermöglichen.

Auf dem Boden sind die Menschenaffen zwar nicht fremd, bewegen sich hier auch keineswegs plump, täppisch und langsam, aber doch nicht entfernt so geschickt und bei weitem weniger ausdrucksvoll und selbstbewußt als im Gezweige. Allerdings können sie sich zu ihrer vollen Höhe erheben und aufgerichtet auf beiden Füßen allein eine Strecke gehen, thun dies jedoch immer nur ausnahmsweise. Falls die uns bis jetzt gewordenen Berichte wahr sind – und unsere durch sorgfältige Zergliederung gewonnene Kenntniß des Leibesbaues dieses Riesenaffen scheint jene Berichte zu bestätigen – geht der Gorilla am leichtesten aufrecht. Unter den drei übrigen, welche ich sämmtlich wenigstens als gefangene Thiere habe beobachten können, ist der Tschego der beste, der Orang-Utan, wie seine langen Arme vermuthen lassen, der schwerfälligste Fußgänger. Dem Tschego genügt es, zur Erhaltung des Gleichgewichts beim aufrechten Gehen die Arme zu kreuzen; der Schimpanse muß schon die im Armgelenke abgebogenen Hände seitlich vom Kopfe ab und nach oben wenden, um das Gleichgewicht herzustellen; der Orang-Utan geht, ungereizt, blos dann aufrecht, wenn er sich mit den Händen an höheren Zweigen festhalten kann, gebraucht dann aber niemals einen Stock, wie viele Abbildungen uns glauben machen wollen. Beim Durchmessen weiterer Strecken gehen alle Menschenaffen auf Händen und Füßen, dann aber, so holperig ihr Gang auch aussieht, immerhin schneller als der Mensch. Dieses Gehen geschieht mit schiefer Richtung des Leibes, indem sich der Affe mit den Händen auf die eingeschlagenen Knöchel, mit den Füßen mehr auf die äußere Kante als auf die Sohle stützt und entweder ein Hinterbein zwischen die Vorderarme und eins außerhalb derselben setzt, oder beide Hinterbeine zwischen den Vorderarmen durchschiebt. Je länger seine Arme sind, um so mehr richtet sich der Vorderleib auf, um so wackeliger und schwankender aber wird auch der Gang. Ungeschickt bleibt er immer.


(Schluß folgt.)




Blumenzucht im Zimmer.


Im vorigen Jahrgange dieser Blätter gab ich in Nr. 17 allgemeine Vorschriften, wie und unter welchen Vorbedingungen Pflanzen in bewohnten Räumen gezogen werden können. Anknüpfend an dieselben, will ich heute einige der wichtigsten Verrichtungen besprechen, auf welche es bei der Blumenzucht vorzüglich ankommt und wobei am meisten gefehlt wird. „Ich habe keine glückliche Hand,“ heißt es, wenn die Blumen nicht gedeihen. Es sollte aber lieber heißen: „Ich gebe mir keine Mühe, verlange, daß die Blumen sich fügen, wie ich will, statt die natürlichen Gesetze zu befolgen, welchen sie unterworfen sind.“

Das Wichtigste bei der Blumenpflege ist das Begießen. Begießen heißt hier soviel wie die tägliche Nahrung reichen und die in der Erde enthaltenen, theils schon in den Zellen der Pflanze abgelagerten Nahrungsstoffe löslich machen. Aber das Wasser macht nicht nur Nahrung löslich, sondern ist zum Theile selbst Nahrung und bildet einen wesentlichen Bestandtheil der Pflanze. Was wir bei den Blumen Saft nennen, ist nichts Anderes, als Wasser, zuweilen ziemlich rein, häufiger mit Salzen und Kohlensäure etc., im Rücklaufe (absteigendem Safte) mit Kohlenstoff (Holzstoff) vermischt. Der aufsteigende Saft bildet aus dem abgelagerten Reservestoffe in den Knospen Blätter, Blüthen etc., nimmt durch die Blätter, im Austausche gegen den bei Sonnenlicht an die Luft abgegebenen Sauerstoff, Kohlensäure auf und wird so zum Bildungsstoff (Cambium), welcher, abwärts steigend, das Wachsthum in die Stärke bewirkt, wie wir an den alljährlich sich bildenden Holzringen am deutlichsten sehen. Hieraus geht hervor, wie wichtig im Pflanzenleben das Wasser, bei unseren Zimmerblumen das Begießen ist.

Die erste Bedingung bei dem Begießen ist, daß das Wasser von guter Beschaffenheit sei. Dies bezieht sich sowohl auf die Temperatur, wie auf die chemische Zusammensetzung desselben. Man verwende nie Wasser, welches eine niedrigere Temperatur, als die Luft hat, nie kaltes, sogenanntes frisches Wasser. Es ist ein unseliger Irrthum, daß Wasser, welches Menschen und Thiere durch seine Frische erquickt (wenn es ihnen auch recht oft schadet), auch die Pflanzen erfrischen müsse. Im Gegentheile: je abgestandener, je lauer das Wasser, desto zuträglicher ist es für die Pflanzen. Wasser von über fünfzehn Grad, ja über fünfundzwanzig bis zu dreißig Grad ist zum Begießen besser geeignet, als kälteres. Durch kaltes Wasser kann man Pflanzen sofort krank machen, um so eher, je wärmer die Luft, je durchwärmter die Erde in den Töpfen ist. Man begieße daher auch im Sommer mit Wasser, welches eine Zeit lang gestanden hat, und wenn solches nicht vorhanden ist, mit durch Zugießen von heißem Wasser erwärmtem. Eine Temperatur, welche den eingetauchten Finger angenehm lauwarm berührt, bekommt den Pflanzen am besten. Für Gewächse aus heißen Gegenden ist selbst eine Wärme von über dreißig Grad besser, als von unter zwanzig. Allerdings können manche Pflanzen auch kaltes Wasser vertragen, wenn sie in kühlen Räumen stehen. Aber der im Freien den Winter aushaltende Epheu wird durch Gewöhnung an die Temperatur des Wohnzimmers ebenso wärmebedürftig, wie die Palme. Manche tropische Pflanzen gedeihen nur dann üppig, wenn sie immer mit Wasser über dreißig Grad begossen werden. Dadurch erklären sich die außerordentlichen Erfolge, welche Manche mit Zimmerpflanzen haben. Soll eine Pflanze zu einem gewissen Tage blühen, früher, als sonst zu erwarten ist, so kann dies (freilich nicht sicher) durch regelmäßiges Begießen mit wärmerem Wasser erreicht werden. Möchte man z. B. eine Camellie, welche schon Farbe an den Knospen zeigt, etwa zu einem Geburtstage in vier bis fünf Tagen zur Blüthe bringen, so würde eine Unterbringung der Pflanze in einen viel wärmeren Raum das Abfallen der Knospen bewirken, ein Begießen mit warmem Wasser dagegen meistens zum Ziele führen. Es sei jedoch ausdrücklich bemerkt, daß das Gießwasser für Pflanzen in nur frostfreien Räumen gestanden zu haben, aber nicht warm zu sein braucht.

Die chemische Beschaffenheit des Wassers kommt nur insofern in Betracht, als stark kalk- und gypshaltiges, sogenanntes hartes Wasser zum Begießen für zahlreiche Pflanzen, z. B. Azaleen, Camellien, Haiden, untauglich ist, gewöhnlichen Blumen aber, als Fuchsien, Geranien, selbst Palmen, nur dann schadet, wenn Kalk im Uebermaße darin ist. Wer kein anderes Wasser haben kann, begieße die genannten und ähnlichen Pflanzen nur mit abgekochtem oder einige Tage der Luft ausgesetzt gewesenem, besser mit fließendem (Bach-, Fluß-) Wasser. Rührt man unter einen Eimer harten Brunnenwassers einen Eßlöffel voll Potasche, [164] so wird es ebenfalls tauglicher. Sehr gute Dienste leistet sogenanntes Fleischwasser, d. h. solches, in dem frisches Fleisch abgewaschen wurde. Auch laues Aufwaschwasser ist zu gebrauchen, wenn es nicht zu fett ist, doch verunreinigt es die Gießkanne.

Auf die Zeit des Begießens kommt wenig an, nur darf nicht begossen werden, wenn die Töpfe von der Sonne stark erwärmt sind. Im Sommer empfiehlt sich die Abendzeit, weil dann das Wasser weniger schnell verdunstet.

Die häufig vorkommende Frage, wie oft begossen werden müsse, ob man jeden Tag begießen müsse, kann bestimmt gar nicht beantwortet werden. Die einzig richtige Antwort, mit welcher die Leserinnen aber schwerlich zufrieden sein werden, ist: man begieße die Blumen, wenn sie trocken sind. Es muß zwar jeden Tag nachgesehen werden, ob dies der Fall ist, nicht aber brauchen sie täglich begossen zu werden. In kühlen ungeheizten Räumen genügt es, wenn im Winter wöchentlich zweimal nachgesehen wird. Wer nicht durch Uebung schon vom Ansehen erkennt, ob die Erde trocken ist, erfährt es sicher durch das Gefühl. Bei dem Ansehen ist aber die Farbe der Erde zu beachten. Schwärzliche Erde, wie Walderde (Haideerde), ist, wenn trocken, grau, lehmige Erde, wenn naß, dunkelbraun, wenn trocken, hellbraun bis weißlich. Will man sich bei großen werthvollen Gewächsen zu einer Zeit, wo die Pflanzen wenig austrocknen und daher durch unzeitiges Begießen leicht Schaden leiden, ganz vergewissern, ob die Töpfe trocken sind, so klopfe man mit dem Finger dagegen! Klingt es hell, so kann die Pflanze begossen werden; klingt es dumpf, so ist sie noch naß genug. Das Wasserbedürfniß ist eben nicht nur nach der Art verschieden, sondern auch nach der Lufttemperatur der Jahreszeit und dem Wachsthumszustande der Pflanzen. Bei starker Heizung und Sommerhitze „zehren“ sie mehr, das heißt verdunsten sie mehr Wasser, als bei kühler Temperatur; auch schadet ein Uebermaß im Sommer weniger. Auch das Alter und die Wachsthumsverhältnisse sind von Einfluß. Junge, noch wenig bewurzelte Pflanzen brauchen, abgesehen von der Größe der Töpfe, weniger Wasser, als alte durchwurzelte. Dasselbe gilt für frisch umgepflanzte Blumen. Beim Verpflanzen gehen nämlich Wurzeln verloren, wodurch das Gewächs natürlich leidet. Es ist nun selbstverständlich, daß nach dieser Operation die beschädigten Wurzeln nicht mehr so viel Wasser aufnehmen wie vorher. Dazu kommt die neue Erde, welche, noch von keiner Wurzel durchzogen, weniger austrocknet. Man begieße also umgesetzte Gewächse weniger! Ferner bedarf es keines Beweises, daß Pflanzen, welche im Wachsthum begriffen sind, mehr Wasser verbrauchen, als solche, bei denen ein Stillstand, eine Art Ruhe eingetreten ist. Die absterbende Zwiebel braucht gar kein Wasser mehr, die Fuchsie oder Monatsrose mit abfallenden Blättern im Winter nur wenig, mit Beginn des jungen Triebes aber wieder mehr. Aus demselben Grunde muß kranken Pflanzen Wasser entzogen werden, denn auch bei ihnen ist der Verbrauch auf das geringste Maß beschränkt. Wer eine krankende Blume begießt, ehe sie trocken ist, überliefert sie schnell dem Tode. Das größere oder geringere Wasserbedürfniß, welches gewisse Gewächse haben, ist wohl Allen bekannt, denn Jedermann weiß wohl, daß Cactus und Aloe als Felsen- und Wüstenpflanzen wenig Wasser brauchen, während die Calla im Wasser stehen kann. Der aufmerksame Blumenpfleger wird auch bald aus Erfahrung lernen, welche von seinen Lieblingen besonders durstig sind. So kann man z. B. die Palmen im Sommer stark begießen, selbst ehe sie ganz trocken sind. Als Fingerzeig kann endlich gelten, daß alle Pflanzen mit dicken fleischigen Wurzeln größere Trockenheit ertragen als solche mit sehr feinen Wurzeln.

Nach diesen verschiedenen Verhältnissen hat sich auch die zu spendende Wassermenge zu richten. Es kann jedoch als Regel aufgestellt werden, daß jede Pflanze, wenn sie einmal trocken ist, so lange begossen werden muß, bis das Wasser unten aus dem Topfe herausläuft. Oberflächliches Begießen ist zu vermeiden, damit das Gewächs nicht mit Wasser versehen zu sein scheint, während es unten, wo die Wurzeln sich vereinigen, trocken ist. Es kommt jedoch vor, daß man nur halbe Portionen zu geben braucht, wenn man sieht, daß eine Pflanze zwar noch nicht wasserbedürftig ist, aber nicht bis zum nächsten Begießen aushält. In der Regel wird das Wasser am zweckmäßigsten von oben auf die Erde gegossen, es giebt aber mehrere Pflanzen, denen das Begießen von unten, d. h. von den Untersätzen aus besser bekommt, z. B. den sogenannten Alpenveilchen (Cyclamen), Palmen, Dracänen und anderen großblätterigen Pflanzen, wenn sie im stärksten Wachsthum begriffen sind. Wer sich die Mühe geben wollte, das eine Stunde nach dem Begießen im Untersatze nicht aufgesaugte Wasser abzugießen, könnte alle Gewächse getrost so begießen, denn in dem Stehenlassen des Wassers im Untersatze liegt eben das Schädliche.

Sehr vorsichtig muß man Pflanzen in Gefäßen mit ungenügendem oder gar keinem Wasserabzuge begießen, z. B. Epheu in Holz- oder Blechkästen. Diese dürfen nie so stark begossen werden, daß Wasser am Boden stehen bleibt. Man prüft dies durch ein bis auf den Boden gestecktes glattes Stäbchen. Sollte ein Uebergießen eingetreten sein und bald genug bemerkt werden, dann muß man solche Kästen so umlegen, daß das Wasser ablaufen kann. Unterbleibt es, so ist die Pflanze zuversichtlich gefährdet und kann nur durch rasches Umpflanzen erhalten werden. Hier komme ich zu einem Punkte, in welchem oft gefehlt wird. Es kommt vor, daß Blumen welken, ohne trocken zu sein. Gewöhnlich denkt man, die Erde sei unten noch trocken, und gießt nach. Solche Pflanzen sind bereits durch zu große Nässe verdorben; sie nehmen kein Wasser mehr auf; die Erde ist „sauer“ und längst unfähig zur Ernährung. Hier hilft nur noch schleuniges Umpflanzen mit Entfernen der verdorbenen Wurzeln; bei manchen Pflanzen ist es aber bereits zu spät. Ist ein Gewächs so trocken geworden, daß es welkt und sich auch nach dem Gießen nicht erholen will, so muß es überspritzt oder, wenn es klein ist, in Wasser getaucht werden, damit die Oberhaut erfrischt und die Verdunstung gehemmt wird.

Das Bespritzen ist überhaupt ein vorzügliches Blumenculturmittel und sollte auch im Winter im Wohnzimmer nicht versäumt werden, wenn viel geheizt wird. Daß hierdurch zugleich die Luft für die Bewohner gebessert wird, ist bekannt. Seitdem die oft erwähnten Rafraichisseurs, auch Drosophor genannt, zum Verbreiten von wohlriechendem Wasser im Gebrauche sind, läßt sich das Bespritzen der Blumen leicht ausführen und geht ohne eine Beschmutzung des Zimmers ab. Gärtner und Klempner (z. B. die Gärtnerei J. C. Schmidt in Erfurt) führen auch solche Spritzvorrichtungen von Blech, welche billiger und leichter zu gebrauchen sind.

Gerechtfertigte Sorge macht manchen Blumenfreunden auch das Umpflanzen. Das Bedürfniß des Verpflanzens ist ebenso verschieden, wie das Wasserbedürfniß. Im Allgemeinen wird zu viel verpflanzt, und noch mehr zu unrechter Zeit. Nichts ist gewöhnlicher, als daß Dilettanten ihre Blumen noch im October umpflanzen, um sie besser durch den Winter zu bringen, wie sie meinen. Ein Verpflanzen um diese Zeit ist aber meistens die Vorbereitung zum Tode der Blumen. Im glücklichsten Falle halten sich die so behandelten Pflanzen bis zum Frühling ohne Fortschritt, aber häufiger müssen sie dann nochmals verpflanzt werden, damit man die verdorbenen Wurzeln beseitigen kann. Das Verpflanzen darf nur geschehen, so lange die Pflanze im Wachsthum ist, und kurz zuvor, ehe dasselbe wieder beginnt, also im Frühjahre. Die Hauptverpflanzungszeit ist der April und Mai, doch müssen einige Wohnzimmerpflanzen, z. B. alte Knollen- und Zwiebelgewächse, welche abgestorben waren, schon im Februar und März, Lilien (welche im Winter im Keller stehen) schon im December verpflanzt werden. Im Sommer bis zum September darf man nur junge Pflanzen, um sie im Wachsthum zu fördern, umtopfen. Sie müssen zwei bis drei Mal umgepflanzt werden. Dagegen ist ein Verpflanzen älterer Gewächse in der Regel im Jahre nur einmal nöthig, bei solchen in großen Töpfen erst nach drei bis fünf Jahren, bei Kübelpflanzen noch seltener. Bei dem Umpflanzen werden die größten Fehler begangen. Der schlimmste ist der, daß man zu große Töpfe nimmt, wobei man sich gewöhnlich von der Meinung leiten läßt, der Pflanze auf diese Weise recht viel Nahrung zu verschaffen. Im Sommer überwindet sie zuweilen diesen Fehler und füllt den Topf zur Noth mit neuen Wurzeln aus, aber gewöhnlich bekommt sie, weil sie nicht genug zehrt und austrocknet, faule Wurzeln und muß dann in einen Topf verpflanzt werden, der kleiner ist, als der, in dem sie vor dem Verpflanzen sich befand. Man nehme die neuen Töpfe nur so groß, daß die alten in sie bequem hineinpassen! Sind die Töpfe durchwurzelt, dann giebt man, wenn es nöthig, das heißt wenn [165] die Blüthe nicht schon da ist, nochmals größere Töpfe. Regel ist, daß bei dem Verpflanzen das ganze Wurzelholz am Rande, besonders am Boden, mit einem scharfen Messer abgeschnitten wird. Unterläßt man dies, so verfaulen meistens die sämmtlichen alten Wurzeln in kurzer Zeit und die Pflanze leidet sehr darunter.

Es giebt aber viele Ausnahmen. So werden zum Beispiel Camellien, wenn sie nicht zu stark durchwurzelt sind, besser nicht, Palmen, Ammyllis und andere Blumen nie beschnitten. Man darf eben bei solchen Pflanzen auch nicht warten, bis sie zu stark gewurzelt sind. Junge Gewächse werden umgepflanzt, ehe sie einen Wurzelfilz am Boden gebildet haben, dabei aber nicht beschnitten. Solches Verpflanzen kann jeder Zeit vom März bis September geschehen; wenn der Wurzelschnitt nöthig ist, dürfen die Pflanzen nicht im Trieb sein, das heißt keine Blätter, Blüthen oder Zweige bilden. Kann es nicht vorher geschehen, so muß es später vorgenommen werden. Pflanzen, welche im Winter blühen, verpflanzen die Gärtner gern im August.

Indem ich diese Mittheilungen schließe, will ich nur noch vor Anwendung der glasirten und mit Oel- oder Lackfarbe angestrichenen Töpfe warnen, da sie nicht austrocknen und die Blumen krank machen. Hat man solche, so stelle man lieber die Pflanzen mit gewöhnlichen Töpfen hinein. Sind sie hierzu zu groß, dann müssen die in solchen Töpfen befindlichen Blumen viel weniger begossen werden.

H. Jäger in Eisenach.




Vom deutschen Reichskanzler.

Von Fedor von Köppen.

In dem Leben und Wirken unseres großen Staatsmannes, des deutschen Reichskanzlers Fürsten Bismarck, ist die Neigung zu einer humoristischen Behandlung mancher Fragen, jene liebenswürdige Schnellkraft des Geistes, mit welcher er an Dingen, die mit dem Anspruche von Wichtigkeit sich vordrängen, die lächerliche Kehrseite aufzudecken weiß, nicht zu verkennen. In keiner Epoche aber bot sich ihm mehr Veranlassung zu einer ironischen Betrachtung der Dinge, als während seiner Amtsthätigkeit in Frankfurt am Main zu der Zeit, als der unter den Stürmen des Jahres zu Grabe geläutete Deutsche Bund plötzlich zu einem Scheinleben wieder auferweckt und von den diplomatischen Lobrednern desselben die Behauptung aufgestellt wurde, daß allein diese „wohlorganisirte staatsmännische Schöpfung“ es sei, welche den deutschen Fürsten ihre Rechte, dem deutschen Volke das ihm ersprießliche Maß von Freiheit verbürgen könne.

Die Stimmung, in welcher Freiherr von Bismarck-Schönhausen als neu ernannter preußischer Bundestagsgesandter die „heiligen Hallen“ des Thurn und Taxis’schen Palais in der Eschenheimer Gasse betrat, läßt sich aus den jüngst veröffentlichten Briefen an seine Gemahlin und an seine Schwester Frau von Arnim aus der ersten Zeit seines Frankfurter Aufenthalts erkennen. Während er genöthigt war, an der grünen Tafelrunde im Bundessaale den „ganz unglaublich langweiligen Vortrag eines hochgeschätzten Collegen über die anarchischen Zustände von Ober-Lippe“ anzuhören, ließ er in einem Briefe an Frau von Arnim dem Humor freien Zügel.

„Ich gewöhne mich daran,“ schrieb er, „im Gefühle gähnender Unschuld alle Symptome von Kälte zu ertragen und die Stimmung gänzlicher Wurschtigkeit in mir vorherrschend werden zu lassen, nachdem ich den Bund allmählich mit Erfolg zum Bewußtsein des durchbohrenden Gefühls seines Nichts zu bringen nicht unerheblich beigetragen zu haben mir schmeicheln darf.“

In einem Briefe an seine Gemahlin findet sich unter Anderem die Stelle:

„Ich habe nie daran gezweifelt, daß sie alle mit Wasser kochen, aber eine solche nüchterne einfältige Wassersuppe, in der auch nicht ein einziges Fettauge zu spüren ist, überrascht mich. Schickt den Schulzen X. oder Herrn von ?arsky aus dem Chausseehause her! Wenn sie gewaschen und gekämmt sind, so will ich in der Diplomatie Staat mit ihnen machen.“

In dem bekannten Buche von G. Hesekiel, sowie in der neuerdings erschienenen Biographie des Reichskanzlers vom Verfasser dieser Zeilen[1] sind manche charakteristische Züge aus jener Epoche seines Wirkens überliefert worden. Wir beschränken uns hier auf die Mittheilung einiger bisher weniger bekannter Episoden, welche immerhin Schlaglichter auf die damalige Situation werfen und als Beiträge zur Beurtheilung des bedeutenden Mannes von Interesse sein dürften.

Vielfach verbreitet ist die Erzählung von einer diplomatischen Cigarre, welche Herr von Bismarck, als er dem österreichischen Gesandten Grafen Thun seinen ersten Besuch machte, an dessen glimmender Havanna sich angeraucht haben soll, um das politische Gleichgewicht zwischen Preußen und Oesterreich herzustellen. In der Wirklichkeit hat sich die Sache anders zugetragen. Der österreichische Gesandte, welcher seine Wohnung im Bundes-Palais, dem ehemaligen Palaste des Reichspostmeisters Fürsten Thurn und Taxis, selbst hatte, wachte mit Eifersucht über die „herkömmlichen Vorrechte der Präsidialmacht“ und erlaubte sich, um dieselbe schon in der Form anzudeuten, manche kleinen Freiheiten, die seine Collegen nicht genossen. Es war Gebrauch geworden, daß der Präsidial-Gesandte zu den Sitzungen des Militär-Ausschusses, welcher aus den Gesandten von Oesterreich, Preußen, den vier Königreichen und Hessen-Darmstadt bestand, mit der brennenden Cigarre aus seiner Wohnung in das Versammlungszimmer herabkam und während der Sitzung rauchte, wogegen der frühere preußische Gesandte, General von Rochow, obgleich er ein leidenschaftlicher Raucher war, sich diesen Genuß versagte. Nachdem Herr von Bismarck diese Erscheinung mehrmals beobachtet und erkundet hatte, daß sie auf einem Gewohnheitsrechte beruhe, brachte auch er eine Cigarre mit, und es rauchten nun also die beiden Präsidialmächte. Sei es, daß er diese Frage der Würde zum Gegenstande eines Berichts nach München gemacht, sei es, daß er sich mit dem Grafen Thun benommen hatte – genug, der bairische Gesandte, der bekanntermaßen des Rauchens unkundig war, zog in der folgenden Sitzung eine ungewöhnlich blonde Cigarre hervor, schlug sich klirrend Feuer und rauchte, jedoch nur so lange, bis eine bemerkenswerthe Veränderung seiner Gesichtsfarbe die übrigen Mitglieder des Ausschusses darauf vorbereitet hatte, daß er die Cigarre weglegen würde. In der nächsten Sitzung folgte Hannover seinem Beispiele, nach und nach die anderen Königreiche, sodaß zuletzt der ganze Ausschuß sich der Havanna erfreute mit Ausnahme des hessischen Gesandten, der entweder das Nicotin oder das Bewußtsein seiner staatlichen Inferiorität nicht überwinden konnte.

„Viel Rauch und wenig Feuer“, – das wäre im Allgemeinen die passende Devise für alle Verhandlungen des Bundestages gewesen, mocht’ es sich nun um den kurhessischen Verfassungsstreit, die Execution in Schleswig-Holstein oder um die Vorbereitungen zum Empfang einer durchreisenden Hoheit, um den Vortritt dieses oder jenes Diplomaten bei der Cour handeln. Bismarck aber bekundete auch bei den geringfügigsten Vorgängen eine Haltung, welche jeden Gedanken an eine – wenn auch nur formelle – Unterordnung seines Staates unter die Präsidialmacht zurückwies. Dazu kam seine liebenswürdige Offenheit im Umgange mit den Collegen, sein sicheres und selbstbewußtes Auftreten auf den diplomatischen Parquetböden, die Gastfreiheit, mit welcher er sein Haus an der Bockenheimer Landstraße nicht allein den Officieren und diplomatischen Würdenträgern, sondern auch Künstlern und Dichtern öffnete, – das Alles bewirkte, daß man ihn in Frankfurt bald mit anderen Augen betrachtete, als irgend einen seiner Vorgänger. Schon die Erscheinung des jungen, hochwüchsigen altmärkischen Edelmanns bot manches Ungewohnte. Wenn er auf seiner dunklen Fuchsstute durch die Anlagen trabte zu einem Besuche an den kleinen Höfen oder in den Badeorten der Nachbarschaft, dann waren es nicht nur die vorüberwandelnden Spaziergänger, deren Aufmerksamkeit der [166] elegante Reiter mit der straffen militärischen Haltung erregte, sondern auch aus den Fenstern der Patricierlandhäuser folgten ihm neugierige Blicke. Freilich ahnten die Frankfurter bei den Betrachtungen, die sie über das Auftreten des preußischen Staatsmannes anstellten, noch nicht, welches Schicksal er dereinst der freien Reichsstadt bereiten würde.

In die Zeit seiner Frankfurter Amtsthätigkeit fielen die ersten bedeutungsvollen Begegnungen Bismarck’s mit Napoleon dem Dritten. Paris war damals der Ort, wo die Diplomaten verschiedener Länder und Ländchen sich trafen, und die Vorzimmer von St. Cloud bildeten den Sammelplatz der diplomatischen Welt. Herr von Bismarck war bereits zur Zeit der ersten Pariser Industrie-Ausstellung (1855) dem Kaiser Napoleon durch den preußischen Gesandten Grafen Hatzfeld vorgestellt worden. Die Veranlassung zu einer eingehenden politischen Unterredung mit dem Kaiser bot sich ihm im Frühjahr 1857, als er mit einem besonderen Auftrage König Friedrich Wilhelm’s des Vierten, der sich auf die Angelegenheiten von Neuchâtel bezog, an den Hof der Tuilerien entsandt worden war.

Der Kaiser hatte in dem Neuchâteler Handel ein großes Entgegenkommen gegen Preußen an den Tag gelegt, und das zum Theil deswegen erreichte leidliche Abkommen mit der Schweiz hatte die Aufträge des Herrn von Bismarck erledigt. Ueber die Vorgänge in Berliner Hof- und Regierungskreisen stets wohl unterrichtet, wußte Napoleon offenbar, daß König Friedrich Wilhelm der Vierte mit Bismarck auf vertrauterem Fuße stand, als mit anderen Gesandten, ihn mehrmals als Ministercandidaten in’s Auge gefaßt und einmal das bestimmte Verlangen gestellt hatte, daß er Minister des Auswärtigen werden, Herr von Manteuffel das Präsidium behalten und dazu das Finanzministerium übernehmen sollte, – eine Combination, welche den Beifall weder des Herrn von Manteuffel noch des Herrn von Gerlach gefunden hatte. Der Kaiser, der dies Alles wußte, ließ Bismarck kurz vor dessen Abreise von Paris noch einmal zu sich bitten.

Unabhängig von den beigelegten Neuchâteler Händeln, aber augenscheinlich in der Voraussetzung, daß er für seine Haltung bei dieser Frage auf ein Entgegenkommen Preußens in anderen Dingen zu rechnen habe, setzte der Kaiser seinem Gaste auseinander, wie ungerecht es sei, ihn zu beschuldigen, daß er nach der Rheingrenze strebe. Das linksrheinische Ufer mit etwa drei Millionen Einwohnern würde für Frankreich eine unbequeme, unhaltbare Grenze sein; die Natur der Dinge würde Frankreich dahin treiben, auch Luxemburg, Belgien und Holland zu erwerben oder doch in eine entschiedene Abhängigkeit zu bringen. Das Unternehmen der Rheingrenze würde daher früher oder später Frankreich zu einer Vermehrung um zehn bis elf Millionen thätiger, wohlhabender Einwohner führen. Eine solche Vermehrung der französischen Macht würde von Europa unerträglich befunden werden, „devrait engendrer la coalition – würde eine europäische Allianz hervorrufen“, auch wäre sie schwerer zu behalten als zu nehmen; denn sie wäre „un dépôt que l’Europe un jour viendrait reprendre – ein anvertrautes Gut, welches Europa einst zurückfordern würde“; – ein solcher an Napoleon den Ersten erinnernder Anspruch sei für die gegenwärtigen Verhältnisse zu hoch; man würde sagen, Frankreichs Hand sei gegen Jedermann, und deshalb werde Jedermanns Hand gegen Frankreich sein. Vielleicht werde er unter Umständen zur Befriedigung des Nationalstolzes eine kleine Grenzberichtigung verlangen, könne aber auch ohne eine solche leben. Wenn er wieder eines Krieges bedürfen sollte, würde er denselben eher in der Richtung von Italien suchen. Einerseits habe dieses Land doch immer eine große Verwandtschaft mit Frankreich, andererseits sei das letztere an Siegen zu Lande schon reich genug. Eine viel pikantere Befriedigung würden die Franzosen in einer Ausdehnung ihrer Seegrenze finden. Er denke nicht daran, das Mittelmeer geradezu zu einem französischen See zu machen, „mais à peu près“ (aber beinahe). Der Franzose sei kein Seemann von Natur, sondern ein guter Landsoldat, und eben deshalb seien Erfolge zur See ihm viel schmeichelhafter. Dies allein sei das Motiv, welches ihn hätte veranlassen können, zur Zerstörung der russischen Flotte im Schwarzen Meere zu helfen, da Rußland, wenn dereinst im Besitz eines so vortrefflichen Materials, wie die griechischen Matrosen, ein zu gefährlicher Rival im Mittelmeer werden würde. (Herr von Bismarck hatte den Eindruck, daß der Kaiser in diesem Punkte nicht ganz aufrichtig war, daß ihm die Zerstörung der russischen Flotte leid that und daß er sich nachträglich eine Rechtfertigung für ein Unternehmen zurecht machte, in das er, wie England in den Krimkrieg nach dem Ausdrucke seines auswärtigen Ministers, „wie ein steuerloses Schiff“ hineingetrieben war.) Als Ergebniß eines solchen Krieges denke er sich ein Verhältniß der Intimität und Abhängigkeit Italiens zu Frankreich, vielleicht die Erwerbung einiger Küstenpunkte. Zu diesem Programm gehöre nothwendig, daß Preußen ihm nicht entgegen sei. Frankreich und Preußen seien aufeinander angewiesen; er halte es für einen Fehler, daß Preußen 1806 nicht wie andere deutsche Mächte zu Napoleon dem Ersten gehalten hätte. Es müsse für Preußen wünschenswerth sein, sein Gebiet durch die Erwerbung Hannovers und der Elbherzogthümer zu consolidiren. Für eine solche Combination sei es aber erforderlich, daß Preußen seine Marine verstärke. Es fehle an Seemächten zweiten Ranges, die durch Vereinigung ihrer Streitkräfte mit den französischen das jetzt erdrückende Uebergewicht Englands aufhöben. Eine Gefahr für sie selbst und für das übrige Europa könne darin nicht liegen, weil sie sich ja zu einseitig egoistisch-französischen Unternehmungen nicht hergeben würden. Zunächst wünsche er, sich der Neutralität Preußens für den Fall zu versichern, daß er mit Oesterreich in Krieg geriethe. Herr von Bismarck möge den König über dies Alles sondiren.

Bismarck antwortete, er sei doppelt erfreut, daß der Kaiser diese Andeutungen gerade ihm gemacht habe, einmal, weil er darin einen Beweis von Vertrauen sehen dürfe, und zweitens, weil er vielleicht der einzige deutsche Diplomat sei, der es über sich nehmen würde, diese ganze Eröffnung zu Hause, auch seinem Souverän gegenüber, zu verschweigen. Er bäte den Kaiser dringend, sich dieser Gedanken zu entschlagen; es läge außer aller Möglichkeit, daß der König Friedrich Wilhelm der Vierte auf dergleichen einginge; eine ablehnende Antwort sei unzweifelhaft, wenn demselben die Eröffnung gemacht würde. Dabei bleibe im letzteren Falle die große Gefahr einer Indiscretion, einer – gar nicht übel gemeinten – vertraulichen Aeußerung darüber, welchen großen Versuchungen Preußen widerstanden habe. Wenn irgend eine andere deutsche Regierung in die Lage versetzt würde, über dergleichen Aeußerungen nach Paris zu berichten, so werde das für Preußen so werthvolle gute Vernehmen mit Frankreich gestört werden. „Sie würden den Karren arg verfahren – Vous vous embourberiez“, sagte Bismarck. Der Kaiser fand diesen selten gebrauchten Ausdruck sehr richtig und anschaulich und wiederholte ihn. Die Unterredung schloß damit, daß er Herrn von Bismarck für diese Offenheit seinen Dank aussprach.

Der Leser wolle bemerken, daß sieben Vierteljahre später der bekannte Neujahrsgruß an den österreichischen Gesandten erfolgte.[2]

Auf den Eindruck, welchen diese Unterredung bei Bismarck hinterließ, dürfen wir aus den Zeilen schließen, die er bald nachher im Hôtel de Douvres an Frau von Arnim auf’s Papier warf: „Ich habe fünf Kamine und friere doch, fünf gehende Stutzuhren und weiß nie, wie spät es ist, elf große Spiegel, und die Halsbinde sitzt mir doch immer schlecht.“

Napoleon äußerte einige Zeit später über Bismarck: „Er ist kein Mann von ernster Haltung.“ Diese gründliche Mißkennung des deutschen Staatsmannes sollte ihm üble Früchte eintragen. Es ist bekannt, in wie vielerlei Gestalten die Versuchungen Napoleon’s in späterer Zeit an Bismarck als Ministerpräsidenten und Bundeskanzler herantraten und welchen vernichtenden Gebrauch dieser kurz vor Ausbruch des Krieges von den Napoleon’schen Anträgen machte.

Der frische körnige Humor, welcher Bismarck während seiner Frankfurter Zeit eigenthümlich war und manches geflügelte Wort seinen Lippen entfliehen ließ, hat freilich unter den folgenden ernsten Kämpfen und manchen bitteren Erfahrungen weichen müssen, aber da, wo er sich dem Behagen der Stunde in seiner [167] Familie und im Privatverkehr hingeben darf, da findet sich der Humor als alter Hausfreund bei ihm wieder ein. Zuweilen trägt auch ein fliegendes Blatt mit einigen flüchtig darauf hingeworfenen Zeilen noch die Spuren desselben. Wir waren in der Lage, ein solches Blättchen zu haschen, und können uns den Scherz nicht versagen, dasselbe hier mitzutheilen. Es ist an ein Kleidergeschäft gerichtet und lautet folgendermaßen:

„Varzin, 28. Juli 1872.

Sie haben mir früher Sachen gearbeitet, die gut saßen, aber Sie haben leider die Gewohnheit davon verloren und nehmen an, daß ich mit dem Alter kleiner und dünner werde, was doch selten der Fall ist. Ich bitte Sie, nach meinem alten Maße zu arbeiten, von vor vier Jahren; was Sie mir seit 1870 geschickt haben, ist nicht zu brauchen, und ich habe von einem sonst so intelligent betriebenen Geschäfte, wie dem Ihrigen, nicht erwarten können, daß Sie die Naturgeschichte des menschlichen Körpers so wenig studirt haben.

von Bismarck.“

Wir sehen, daß es nicht allein Fractionspolitiker sind, denen mitunter das rechte Maß verloren geht, mit dem ein Bismarck gemessen werden muß. Freuen wir uns, daß er auch im Alter noch so „mächtig“ geblieben, und hoffen wir, daß er noch lange in geistiger und körperlicher Rüstigkeit die Angelegenheiten des Reiches verwalten möge!




Der Veltliner Protestantenmord.


Von Ernst Ziel.


Zu dem Rüstzeuge, mit welchem die „heilige Kirche“ den Kampf gegen eine vernunftgemäße Welt- und Lebensanschauung führt, hat von jeher in erster Linie der Versuch gehört, die Berechtigung des Ultramontanismus[WS 1] und seiner Tendenzen auf historischem Wege darzuthun. Daß die Geistlichkeit, zumal die katholische, bei diesem gewagten Unternehmen Thatsachen und Daten, ja oft ganze Culturepochen, von der Geschichte verbürgt und verbrieft, in souveräner Willkür und Machtvollkommenheit auf den Kopf stellte und in „verbesserter Ausgabe“ ihren Zwecken dienstbar machte, weiß Jedermann. Ohne solche Fälschungen geht’s hierbei einmal nicht ab; denn jedes Blatt im Buche der Geschichte spricht von Blutthaten der Kirche – und wie sollte die „heilige“ bestehen angesichts solchen Zeugnisses? „Wo die Wahrheit uns nicht paßt, da thun wir ihr eben Gewalt an.“ Auf das Mißverhältniß zwischen dem, was der Ultramontanismus als Wahrheit hinstellen möchte, und dem, was wirklich Wahrheit ist, kann nicht oft genug hingewiesen werden – und diese Erwägung ist die Veranlassung zu der nachfolgenden Schilderung einer der schändlichsten Gräuelthaten des Glaubenseifers, eines Blutbades, dessen Einzelheiten, obgleich nicht weniger empörend als die Frevel der Sicilianischen Vesper, nicht minder gräßlich als die Schrecken der Bartholomäusnacht, doch in weiteren Kreisen verhältnißmäßig noch wenig bekannt geworden sind. Achtundvierzig Jahre nach jener Nacht, in welcher die Sterbeseufzer der Hugenotten die Straßen von Paris erfüllten, vollzog sich auf Befehl der Kirche Roms in einer der anmuthigsten Landschaften des heutigen Italiens, im Thale der Adda, der aus Blut und Unthat zum Himmel schreiende sogenannte Veltliner Protestantenmord.

Es war eine Zeit der Auflösung und Verwirrung, der Gährung und des Schreckens, die Zeit des anhebenden dreißigjährigen Krieges. Ganz Europa kam aus den Fugen. In Staat und Gesellschaft, im wissenschaftlichen und praktischen, zumal aber im religiösen Leben starben die alten Zustände unter gewaltigen Umwälzungen ab, und die Geburt einer neuen Zeit vollzog sich unter welterschütternden Ereignissen. Es war, als wolle die Menschheit mit sich selbst abrechnen über alte, durch Jahrhunderte verpflanzte Irrthümer und Verschuldungen und unter die abgeschlossene Bilanz der Zeit einen blutigen Strich machen.

Auch in Italien gingen die Keime des Neuen auf den Trümmern des Alten auf. Der Geist Luther’s hatte längst die Alpen überflogen und sich auf der italischen Halbinsel eine Heimstätte gegründet. Aber wie überall, so erhob sich auch hier gegen die freiere Lehre des Mönches von Wittenberg ein in den Fangnetzen des katholischen Glaubens verrannter Glaubenseifer, welcher mit Feuer und Schwert zurückerobern wollte, was die siegende Vernunft ihm abtrünnig gemacht hatte. Das Gespenst der Inquisition ging durch ganz Italien und warf die Flammen der Scheiterhaufen in alle Gauen. Kein „Ketzer“ war sicher vor den Schergen Roms, und die Noth war groß. Wohin sollten die verfolgten Protestanten sich wenden? Wo war ein Schirm gegen die Häscher des Papstes? Da winkte ihnen am Fuße der Alpen eine Friedensstatt. Aus allen Provinzen strömten die Schwerbedrohten zu ganzen Schaaren in das Veltlin, Schutz und Unterkommen in den sicheren Thälern der Adda suchend. Die schweizer Bündner gewährten ihnen beides und ließen den Fremdlingen auch freie Religionsübung zu Theil werden. So fand die Reformation allmählich im Veltlin Pflege und Ausbreitung.

Mit scheelen Blicken aber betrachtete Rom das beinahe im Schatten des heiligen Stuhles aufblühende Ketzerthum. Es wurde ein wahres System von geheimen Intriguen gegen die verhaßten Protestanten in Scene gesetzt, und als in Mailand Herzog Alba’s Regiment begann, da trat die Opposition offen hervor. Er, unter den Schildträgern der Inquisition der fürchterlichste, legte etwa um das Jahr 1560 Truppen in die festen Plätze des Addathales. Das ganze Veltlin zitterte. Aber die drohenden Wolken zogen vorüber – das Gewitter entlud sich nicht; um so drückender aber wurde die Schwüle; denn statt der gefürchteten spanischen Soldateska kamen – die Söhne Loyola’s in’s Land. Weit empfindlicher, als die Söldlinge Alba’s das Veltlin hätten bedrücken können, traf die Geißel der Jesuiten die nun in’s geistliche Joch geschlagenen Thalbewohner; denn ein Einziger dieser Jünger Jesu ist, nach dem Sprüchworte, schlimmer als zehn Kriegsknechte. Aber damit war es noch nicht genug; zum Schlimmen gesellte sich das Allerschlimmste: Zur energischeren Bekämpfung des Protestantismus im Thale der Adda gründete der Erzbischof von Mailand, Carlo Borromeo, ein gefügiges Werkzeug des Papstes, im Jahre 1579 in jener Stadt ein Priesterseminar, das Collegium Helveticum, in welchem der orthodoxe Katholicismus den jungen Nachwuchs für die Zwecke Roms erzog. Fünf Jahre später starb Borromeo, und Nicolo Rusca von Lugano, Erzpriester von Sondrio und Schüler Borromeo’s, wurde im Veltlin der geistige Mittelpunkt der Feinde des Protestantismus. Um ihn, der im Volksmunde nicht anders hieß, als der „Ketzerhammer“, schaarte sich Alles, was die Anhänger des neuen Glaubens und die bündnerische Gewalt haßte, die Priester und die großen und kleinen Feudalen. Die Noth der Verfolgten stieg; die Gefahr des freien Glaubens wuchs. Da wurde im Jahre 1618 Rusca vor ein Strafgericht in Thusis gestellt, des Ungehorsams gegen die Landesregierung und verrätherischer Verbindungen mit Spanien angeklagt und der Folter überliefert, auf welcher er starb. Das Blut ihres Oberhauptes spornte die katholische Partei zu verschärften Maßregeln gegen ihre Widersacher an, und so wurde ein bewaffneter Einfall in das Veltlin und die Ermordung der Protestanten beschlossene Sache.

So weit das Vorspiel des Dramas.

Zur Ausführung des fürchterlichen Planes lieh in erster Linie der durch Reichthum und wissenschaftliche Bildung weithin bekannte Ritter Jacob Robustelli zu Grosotto die Hand. Er hatte die Mitverschworenen im Juli 1620 in seiner Wohnung versammelt und richtete daselbst an sie die folgenden historisch gewordenen Worte:[3]

„Die Zeit der weibischen Klagen ist vorüber. Man muß sich empören. Der Krieg ist dem Zustande, in dem wir uns befinden, vorzuziehen. Vaterland, Eigenthum, Gesetze und, was mehr ist, die Religion haben uns die Bündner geraubt oder befleckt. Erschreckt nicht vor dem Worte Rebellion! Der Papst [168] segnet uns; Spanien hilft uns; die Zwietracht der Bündner begünstigt uns. Wie erquickend wird es sein, wenn wir in unseren alten Tagen zu unseren Kindern und Enkeln sagen können: Unser Verdienst ist es, daß ihr frei und katholisch seid.“

„Das rhätische Joch werde abgeschüttelt! Man lasse die Protestanten über die Klinge springen!“ herrschte der Jurist Schenardi.

„Es werden geschlachtet,“ rief, die beiden Vorredner überbietend, Doctor Vincenz Venosta, „bis auf die Letzten alle die dem Satan anheimgefallenen Ketzer, welche mitten in dem Schafstalle Christi leben! Das Volk schmecke einmal die Wollust des Blutes, und diese versiegle das Gelübde ewiger Feindschaft gegen die verruchten Oberherren!“

Robustelli’s Wohnhaus, Versammlungsort der Veltliner Verschworenen in Grosotto.

So redeten im Verborgenen die Häupter der veltliner Ultramontanen mit einander, und was sie geplant, das blieb trotz Vorsicht und Flüsterrede kein Geheimniß in den Thälern und Schluchten des Veltlin. Schnell ging die Kunde von der den Protestanten drohenden Gefahr von Mund zu Mund. Und sie selbst, die treuen Anhänger der Lehre Luther’s? Schärften sie nicht die Schwerter zu Schutz und Trutz gegen die Tücke der Feinde? Nein, im Vertrauen auf ihre gute und reine Sache und in jener Arglosigkeit, welche stets das Eigenthum des Unbescholtenen ist, wollten sie nicht glauben, daß in der That die Verworfenheit ihrer Verfolger zu so blutigen Mitteln greifen könne – und diese Arglosigkeit war ihr Verderben; denn das Blut kam schnell über sie.

Robustelli hatte inzwischen eine Bande von verwegenen Strolchen – ihre Zahl ist nicht mehr zu ermitteln – mit eigenem und spanischem Golde angeworben und versammelte dieselben in der Nacht zum 19. Juli in seinen Kellern und Gewölben. Sich an die Spitze dieses Haufens stellend, ließ er noch vor Sonnenaufgang die Furie des Aufruhrs los und brach nach Tirano auf, wo sich die wilden Gesellen im Hause des Doctors Venosta bis zum Morgen verborgen hielten. Unter dem Schlachtgeschrei „Es lebe der römische Glaube!“ brachen sie mit den ersten Strahlen des Tages aus ihren finsteren Schlupfwinkeln hervor, und nun begann in dem arglosen Tirano eine Metzelei ohne Gleichen. Als erste Opfer fielen der evangelische Pfarrer Antonio Basso und etwa sechszig Gleichgesinnte. Viele Andere, Bürger von Tirano und den benachbarten Weilern, traf dasselbe Loos. Und weiter durch das anmuthige Thal nahm die Mörderrotte ihren Weg. In Teglio, wohin die Wüthenden sich nun wandten, wurde unter den gerade in der Kirche versammelten Protestanten ein grauenvolles Blutbad angerichtet. Man schätzt die hier Hingeschlachteten auf mindestens sechszig Personen. Sieben Männer, sechs Frauen und vier Kinder kamen im Glockenthurme, wo sie Schutz gesucht hatten, im Feuer der brennenden Kirche um’s Leben. Die Flammen von Teglio verkündeten weithin durch das unglückliche Land Entsetzen und Grauen, Tod und Verheerung. Aber rings keine Rettung vor den an Zahl und Gewaltmitteln überlegenen Empörern. Immer weiter, von Dorf zu Dorf, von Weiler zu Weiler, wälzten sich die entmenschten Schaaren und ließen die blutigen Fahnen im Winde wehen.

Als dritte Station des Mordes war Sondrio auserkoren, der Hauptort des Veltlins. Hierher war der Hauptmann Johann Guicciardi, einer der verwegensten Rädelsführer der Verschworenen und neben Robustelli wohl der gefürchtetste unter ihnen, schon in der Nacht zum 20. Juli aufgebrochen. Allein bereits ehe er eintraf, begannen die dortigen Katholiken ein fürchterliches Gemetzel. Todtschlag und allgemeines Sterben auch hier. Aber erhebend und zugleich ein Zeugniß dafür, wie das Bewußtsein des Rechtes, wo es fest und energisch auftritt, auch einer überlegenen Macht gegenüber triumphirt, ist die That des Kanzlers Mingardini. Dieser Edle, von Menschenliebe entflammt, versammelt mitten im entsetzlichen Blutbade von Sondrio etwa zwanzig unerschrockene Männer um sich. Das Leben für nichts achtend, tritt er mit ihnen unter die Bande der Mordgesellen. Die Häupter stolz und kühn erhoben, Ruhe und Verachtung in den Mienen, ziehen die Wackeren, ihre Frauen und Kinder in der Mitte, fast waffenlos durch die Straßen von

[169]

Kampf mit dem Wilderer.
Ein Winterbild von A. Franck in München.



Sondrio. Staunend aber sehen die Feinde die seltsam feierliche Procession; Keiner wagt eine Hand zu erheben gegen die durch Gottvertrauen Gewaffneten, und von Schritt zu Schritt mehrt sich Mingardini’s kleine Schaar. Als endlich das Häuflein auf dreiundsiebenzig gewachsen ist, da führt der Unerschrockene sie zum Thore der Stadt hinaus und von Höhe zu Höhe weit über die ragenden Schneegebirge hinweg, bis er sie Alle hinübergerettet hat nach dem schützenden Engadin, wohin der Arm der Empörer nicht mehr reicht.

Dieser glückliche Auszug der dreiundsiebenzig, vor denen die fanatisirten Mörder die Waffen wie beschämt gesenkt hatten, entflammte die Wuth der Glaubenseiferer, als die Geflohenen in Sicherheit waren, um so mehr, zumal inzwischen Guicciardi’s Söldlinge, „die von Durst nach Blut entbrannten“, wie es in Schriften aus damaliger Zeit heißt, in Sondrio eingetroffen waren. Drei Tage dauerte hier und in den benachbarten Ortschaften die Metzelei. Hier blieb keine Unthat ungethan; hier schlief kein Laster; hier war kein Schreckniß, das sich nicht in [170] seiner ganzen fürchterlichen Gestalt gezeigt hätte. Etwa hundertvierzig Menschen fielen in Sondrio den entmenschten Fanatikern zum Opfer; viele Heldenmüthige unter den Verfolgten, namentlich unter den Frauen, sollen den Tod in den Wellen der Adda freiwillig gesucht und gefunden haben.

Glücklicher als in Sondrio und dessen Umgegend waren die Protestanten zum Theil in den nach dem Comer See hin gelegenen Gemeinden. Von der drohenden Gefahr unterrichtet, gelang es ihnen meistens, sich vor dem nahenden Verderben zu retten. In Morbegno scheint sich unter den Katholiken eine förmliche Opposition gegen das wilde Treiben ihrer Glaubensgenossen gebildet zu haben; denn es ist Thatsache, daß sie die Protestanten ihres Ortes sicher geleiteten, bis diese sich außer dem Bereiche der Gefahr befanden. Dies ist das einzige Zeichen einer menschlichen Regung, welches die Katholiken des Veltlin in jenen schrecklichen Tagen bekundeten. Darum um so mehr Ehre den Morbegnern!

Am 21. Juli waren aus dem ganzen Veltlin vom Fuße der Iuga Rhaetica bis an den Larius die Protestanten vertrieben, oder ihre Leichen deckten das Land. Gegen sechshundert „Ketzer“ hatten ihr Leben unter dem Mordbeil des Fanatismus ausgehaucht.

Die Mörder triumphirten. Sie machten Robustelli zu ihrem Landeshauptmann, Guicciardi zum Statthalter. Aber die Vergeltung war schnell. Bereits zwei Wochen nach dem Protestantenmorde mußten die Veltliner Gewalthaber vor den unter Oberst Guler daherziehenden Bündnern fliehen, und seitdem war das unglückliche Land der Schauplatz der wildesten Kriegsfurie: die Bündner und die Spanier, die Franzosen und die Kaiserlichen schlugen hier ihre Schlachten; eine fürchterliche Pest raffte in den Jahren 1628–1630 zwei Drittel der Einwohner hinweg, und erst mit dem sogenannten „Ewigen Frieden“ im Jahre 1639 kehrten einigermaßen geordnete Zustände wieder in’s Veltlin zurück.

Zum jubelnden Andenken aber an den scheußlichen Protestantenmord bauten die siegreichen Katholiken durch das ganze etwa zwanzig Stunden lange Addathal bei jedem Dorfe, jedem Städtchen eine der Madonna geweihte Kirche, unter ihnen die prächtige der Madonna di Tirano. So verherrlichen – Ironie der Geschichte! – auch die niedrigsten Thaten sich oft in dauernden Werken echter Kunst, eine neue Bestätigung dafür, daß nichts so schlecht, nichts so verworfen ist, daß es nicht, wenn auch unabsichtlich und widerwillig, im Dienste der ewigen Weltordnung der Idee des Guten und Schönen dienen könne und müsse. Das bezeugt die Kirche der Madonna di Tirano.

Zum Schlusse noch einen Beleg für die tiefe Verworfenheit und Entsittlichung der Veltliner Protestantenmörder.

Zu St. Nicolo in einem kleinen Seitenthale des Veltlins ist an die Kirche eine Todtencapelle gebaut, in welcher eine Menge von menschlichen Gebeinen und Schädeln aufgehäuft liegt. Zu den beiden Seiten eines sehr schön und kunstreich geschnitzten Altars sieht man je einen menschlichen Leichnam in knieender Stellung. Die Tradition berichtet über diese Leichen, daß dieselben, die sterblichen Ueberreste zweier in jenen Schreckenstagen ermordeten Protestanten, eines Mannes und eines Weibes, auf dem Friedhofe von St. Nicolo beerdigt gewesen, aber von den Fluthen des reißenden Gletscherbaches Frodolfo wieder aus der Erde herausgewühlt worden seien; Bornirtheit und Aberglaube betrachteten diese Thatsache als einen Fingerzeig Gottes. Das Grab habe die Leiber der Ketzer wieder ausgespieen, meinten die Leute, und pfäffisches Raffinement machte der Kirche diesen Aberglauben dienstbar. Die beiden hart und steif getrockneten Leichname wurden in eine betende Stellung zusammengeknickt und so, dem Protestantismus zum bleibenden Hohne, wie büßend zu beiden Seiten des Altars postirt. „Angesichts des Todes,“ sagten die frommen Knechte Roms, „haben die reuigen Sünder den falschen Glauben abgeschworen und sind sterbend in den Schooß der alleinseligmachenden Kirche zurückgekehrt.“

Diese Rohheit der Gesinnung ist bezeichnend für den vor nichts zurückschreckenden Geist des Glaubenseifers, der den Veltliner Mord heraufbeschwor, wie denn die Juli-Schreckenstage an der Adda überhaupt vor anderen Schandthaten des Fanatismus geeignet sind, das Wesen der kirchlichen Herrsch- und Blutgier in seiner ganzen Nacktheit zu kennzeichnen. Denn wenn in früheren und späteren Religionsattaquen die Politik und andere weltliche Mächte mehr oder weniger die Hand im Spiele hatten, tritt uns hier der Eifer für den „heiligen Glauben“ in seiner unmittelbarsten und unabhängigsten und darum gräßlichsten Form entgegen, der Eifer für „der Seelen Seligkeit“, dessen blutige Fußspuren wir auf den Heerstraßen der Geschichte von Jahrhundert zu Jahrhundert verfolgen können und der noch heute, die Flamme des Fanatismus nährend und schürend, seine Sendboten in alle Lande ausgehen läßt.




Schiller als Humorist.


Von Ferdinand Sonnenburg.


Als zur Eröffnung der erneuerten Bühne in Weimar am 18. October 1798 zum ersten Male Wallenstein’s Lager zur Aufführung gebracht wurde, waren selbst Schiller’s nächste Angehörigen überrascht von der sprudelnden Lebensfülle der wahrhaft homerischen Gestalten, welche ihnen der Dichter vor die Augen führte, und als die ganze Trilogie bei Cotta im Drucke erschien, erhoben viele Stimmen die Behauptung: „Das Lager muß Goethe’s Werk sein; eine solche Dichtung liegt nicht in dem idealen Ideenkreise Schiller’s.“ Goethe erklärte öffentlich, daß nur zwei kleine Verse von seiner Hand herrührten, aber selbst diese Versicherung fand nicht überall Glauben.

Im Kreise der Schiller’schen Dichtungen, wie diese in den gewöhnlichen Ausgaben vorliegen, erscheint allerdings Wallenstein’s Lager in seiner Art sehr vereinzelt, und vergebens suchen wir unter den übrigen dramatischen Werken nach verwandten Gestalten. Es scheint, als ob diese eine köstliche Blüthe auch das einzige Geschenk sei, welches der große Dichter seinem Volke auf dem Gebiete des Humors gespendet habe. Wer Unsterbliches auf dem Felde des Ernsten, des Idealen, des Heroischen leistete, dem muß, so scheint es, der Lärm des bunten Gassenlebens widerstreben.

Und doch trifft dieser Satz bei Schiller keineswegs zu; nur müssen wir, wenn wir den Quell seines Humors aufdecken wollen, in frühere Zeiten zurückgehen, in denen sein Geist noch frei war von den Spuren bitterer Sorgen und schweren körperlichen Leidens, deren Einwirkung selbst ein solcher Heros nicht von sich abwehren konnte. Wir finden diese Zeiten, wenn wir die Jugendjahre Schiller’s in Stuttgart einer näheren Betrachtung unterziehen.

Der Herzog Karl Eugen war Schiller’s Landesherr und der Lage der Dinge nach zugleich sein fast unmittelbarer Aufseher. Das Bild dieses Fürsten bietet arge Flecken, doch es ist nicht so lichtlos, wie es oft dargestellt wurde; in mancher Hinsicht rechtfertigte der Herzog die hohen Erwartungen, welche Friedrich der Große von ihm hegte. Die Karlsschule war eine geniale Schöpfung. Viele große Geister sind aus ihr hervorgegangen, und ihre Schüler wurden keineswegs despotisch geknechtet. An seinen Lehrer Abel, der den Entflohenen sogar in Mannheim besuchte, dachte Schiller stets mit warmer Liebe zurück. In den Räumen der Karlsschule fand Jugendmuth und Frohsinn sogar Muthwille, immer nach Gelegenheit, sich auszubreiten. Shakespeare, Götz von Berlichingen, Klinger’s Dramen, Julius von Tarent konnten heimlich gelesen und ein Dichterbund gegründet werden, der auch das Feld des Humors und der Satire mit Erfolg anbaute und sich zum Gegenstande des gutmüthigen Spottes sogar den militärisch strengen Oberaufseher Nieß auszuwählen wagen durfte. Mit seinem Freunde Haug hielt Schiller einmal einen dichterischen Wettkampf im Preise der Grobheit.

Wenn die Privatunterhaltungen seiner Zöglinge nicht gegen die Regeln der Schule verstießen, so störte Herzog Karl sie nicht; selbst einen dreisten Spaß konnte er wohl ertragen. Ludwig von Wolzogen erzählt in seinen Memoiren:

„Auf der Akademie befand sich ein junger Graf von Nassau, [171] der viel tolle Streiche machte und dem deshalb die Strafanweisungen, Billets genannt, von allen Seiten regneten. Einst mußte er dem Herzoge wieder eine ganze Ladung davon überreichen, als derselbe mit Franziska (seiner Gemahlin) aus dem Garten kam. Herzog Karl las die Sündenregister und fragte dann den unbändigen Zögling: ‚Sag’ Er mir, was würde Er nun thun, wenn Er an meiner Stelle wäre?‘

Der Graf von Nassau, schnell gefaßt, gab der Gräfin Franziska einen herzhaften Kuß und nahm ihren Arm, indem er sagte: ‚Komm’, Fränzel, und laß den dummen Jungen stehen!‘

Zwischen Zorn und Lachen schwankend, machte der Herzog gute Miene zum bösen Spiele, und die Sache hatte dabei ihr Bewenden.“

In der Behandlung seiner Schüler machte Herzog Karl durchaus keinen Rangunterschied; der fleißige Sohn seines Stallknechtes Dannecker galt ihm mehr als ein träger Junge vom Adel. In dieser gesunden Luft gedieh auch Schiller’s Humor, und seine Mitschüler erzählen, daß er auch seine Vorgesetzten mit seinen raschen, witzigen oder sarkastischen Einfällen nicht verschonte.

Die Schulzeit nahm ein Ende. Schiller trat als Regimentsmedicus in das Grenadierregiment Augé ein; mehrere Cameraden blieben gleichfalls in Stuttgart, und nichts hemmte nun den freien, fröhlichen Verkehr. Schiller bewohnte ein Zimmer in der jetzigen Eberhards-Straße. Sein Stubengenosse war der Lieutenant Kapff, ein geistvoller junger Mann, den sein Leichtsinn öfter zu stürmischem Lebensgenusse trieb. Beide führten eine geniale Studentenwirthschaft. Bibliothekar Petersen und Lieutenant Scharffenstein vervollständigten den kleinen Kreis, in dem sprudelnder Humor und ein oft tolles Gelächter zu Hause waren.

Gemüthliche Kneipereien durften nicht fehlen. Im Winter wurde des Abends eine Manille gespielt; im Sommer ging es zum „Ochsen“ auf der Hauptstätterstraße, wo man eine gute Kegelbahn fand. Als Schiller eines Tages vergeblich auf die Genossen wartete, ließ er folgenden Zettel zurück: „Seid mir schöne Kerls. Bin da gewesen, und kein Petersen, kein Reichenbach. Tausendsakerlot! Wo bleibt die Manille heut’? Hol’ Euch Alle der Teufel! Bin zu Haus’, wenn Ihr mich haben wollt. Adies. Schiller.“ Wenn in der Casse Ebbe war, so versammelten die Freunde sich in des Dichters Zimmer und verzehrten als Abendmahlzeit Knackwurst und selbstbereiteten Kartoffelsalat. Konnten sie sich auch einige Maß Wein erlauben, so gehörte ihrer genialen Laune und ihrer brausenden Jugendlust die ganze Welt.

Die Dreibätzer für den Rebensaft lieferte in der Regel Schiller’s Feder. Er war Redacteur eines kleinen Blattes, von dem die Stuttgarter Bibliothek noch ein vollständiges Exemplar bewahrt; er arbeitete an seinen „Räubern“, und schrieb eine flammende, später unterdrückte Vorrede dazu, in welcher wir den Ton von „Wallenstein’s Lager“ an mancher Stelle wiederfinden. Nur eine kleine Probe möge hier eingeschaltet werden. Der Autor schwingt seine Geißel über denjenigen Theil des theaterbesuchenden Publicums, dem die Erkenntniß der Kunst ewig versagt ist. In der anschaulichsten Weise führt er uns die einzelnen Gestalten vor Augen. „‚Mort de ma vie‘! sagt der Eisenfresser, ‚das heiße ich einen Sprung!‘ – ‚Fy, fy!‘ flüstert die Mamsell, ‚die Coiffure der kleinen Sängerin war viel zu altmodisch.‘ – ‚Sacre Dieu!‘ sagt der Friseur, ‚welche göttliche Symphonie! Da führen die Deutsche Hunde dagegen.‘ – ‚Sternhagelbataillon, den Kerl hättest Du sehen sollen das rosenfarbene Mädchen hinter die spanische Wand schmeißen,‘ sagt der Kutscher zum Laquaien, der sich vor Frieren und Langeweile in die Komödie eingeschlichen hatte. – ‚Sie fiel recht artig,‘ sagt die gnädige Tante, ‚recht gustös, sur mon honneur (und spreitet ihren damastenen Schlamp weit aus) – was kostet Sie diese Eventaille, mein Kind?‘ – ‚Und auch mit viel Expression viel submission – Fahr’ zu, Kutscher!‘ – Nun gehe man hin und frage! Sie haben die Emilia Galotti gespielt.“ –

Das ist derb, doch voll des bezeichnendsten Lebens. Die Krone aber von allen kecken Geistesproducten jener Tage ist eine Gedichtsammlung, welche die Freunde herausgaben. Schiller hatte den Löwenantheil daran. Er nannte sie „Sibirische Anthologie“; ihr voller Titel lautet: „Anthologie auf das Jahr 1782. Gedruckt in der Buchdruckerei zu Tobolsko.“

In diesem Buche treffen wir zuerst auf eine gar seltsame Widmung. Schiller eignet die Sammlung „seinem Prinzipal, dem Tod“ zu – eine spöttische Anspielung auf den eigenen ärztlichen Beruf – indem er sich folgendermaßen ausläßt: „Großmächtigster Czar alles Fleisches, allezeit Verminderer des Reichs, unermüdlicher Nimmersatt der ganzen Natur! Mit unterthänigstem Hautschauern unterfange ich mich, Deiner gefräßigen Majestät klappernde Phalanges zu küssen, und dieses Büchlein vor Deinem dürren Kalkaneus niederzulegen. Meine Vorgänger haben immer die Weise gehabt, ihre Sächlein und Päcklein, Dir gleichsam recht vorsätzlich zum Aerger, hart an Deiner Nase vorbei, in’s Archiv der Ewigkeit transportiren zu lassen, und nicht gedacht, daß sie Dir eben dadurch um so mehr das Maul darnach wässern machten, denn auch an Dir wird das Sprüchwort nicht zum Lügner: Gestohlen Brod schmeckt gut. Nein, dediciren will ich’s Dir lieber, so bin ich doch gewiß, daß Du’s – weit weglegen werdest. Doch Spaß bei Seite! – Ich denke, wir zween kennen uns genauer, denn nur vom Hörensagen. Einverleibt dem äskulapischen Orden, dem Erstgeborenen aus der Büchse der Pandora, der so alt ist wie der Sündenfall, bin ich gestanden an Deinem Altare, habe, wie der Sohn Hamilkar’s den sieben Hügeln, geschworen unsterbliche Fehde Deiner Erbfeindin Natur, sie zu belagern mit Medicamenten Heereskraft, aus dem Felde zu schlagen die Trotzige, die Deine Sporteln schmälert und Deine Finanzen schwächt, und auf dem Wahlplatze des Archäus hoch zu bäumen Deine mitternächtliche Kreuzstandarte.“

In diesem Tone, fort und fort gesteigert, geht die Widmung fort; dann folgt ein Vorwort, eine wichtige Satire auf so manche unberufene Poeten. Es schließt mit den Worten: „So geh denn hin, sibirische Anthologie – geh – du wirst manchen Süßling beseligen, wirst von ihm auf den Nachttisch seiner Herzinnigen gelegt werden, und zum Dank ihre alabasterne Lilienschneehand seinem zärtlichen Kuß verrathen. Geh, du wirst in den Assembleen und Stadtvisiten manchen gähnenden Schlund der Langeweile ausfüllen und vielleicht eine Circassienne ablösen, die sich im Platzregen der Lästerung müde gestanden hat. Geh, du wirst die Küche mancher Kritiker berathen; sie werden dein Licht fliehen und sich gleich den Käuzlein in deinen Schatten zurückziehen. Hu, hu, hu! – Schon höre ich das ohrzersetzende Geheul im unwirthbaren Forste, und hülle mich angstvoll in meinen Zobel.“

Die Mehrzahl derjenigen Gedichte, welche Schiller zu der Anthologie beisteuerte – und er schrieb sie fast alle – sind humoristisch oder satirisch. Gleich das erste züchtigt die unberufenen Vielschreiber: Seit Jahren herrscht in der Unterwelt schwerer Wassermangel; der Styx netzt kaum noch die Füße; im Lethe werden Krebse gefangen, und Charon’s Kahn steckt unbeweglich im Schlamme. Um die Ursache dieser Noth zu ergründen, sendet Minos Spione aus, und es gelingt ihnen einen Schwarm deutscher Zeitungsschreiber zu fangen, welche ganz lustig dabei sind, mit ihren Tintenfässern alle Höllenflüsse auszuschöpfen. Der zornige Minos hetzt den Kerberos auf die Verwegenen, der beißt ihnen die Daumen ab, sodaß sie nicht mehr schreiben können.

Ganz köstlich ist ein Zechlied, dessen Ueberschrift „Bacchus im Triller“ heißt. Den Triller oder das Trillhäuschen benutzte man früher in Irrenanstalten. Tobsüchtige wurden darauf gesetzt; durch andauerndes rasches Umdrehen suchte man sie zu betäuben. In unserem Liede wird der Weingott auf den Drehstuhl gesetzt, und zur Vergeltung dafür, daß er so manchen seiner Jünger zum Taumeln gebracht, tüchtig getrillt; der lustige Gesang der Zechenden rings im Kreise hält ihm seine Sünden vor. Es ist ein ergötzliches Register, das sie aufzählen, schadenfroh und schonungslos, während der Vetter – so nennen die Zecher den Weingott – in seiner wirbelnden Pein schwebt. „Jetzt kommst Du übel weg,“ rufen sie, „manchen Kopf fülltest Du mit Dampf, manches kluge Hirn hast Du berülpt und manchen Magen umgestülpt. Unsere Hüte setztest Du uns schief auf, ließest Bäume, Hecken, Häuser und Gassen um uns tanzen, daß wir gar zu Narren wurden. Unsern Witz hattest Du an Deinem Seile; in den Ohren erregtest Du uns ein Sausen, daß Gottes blauer Himmel uns vor den Augen schwand, daß wir die gelbe Sonne für das Heidelberger Faß ansahen und die Thürme der Schlösser für runde Schoppengläser. Jetzt sollst Du’s aber lernen, Du [172] lockerer Specht; in Deinem Käfige sollst Du sitzen, bis Du blind und taub und dumm geworden.“

Und sie halten ihr Wort, die lustigen Brüder. Sie trillen den Weingott, bis seine Ränke und Schwänke an’s Ende gekommen und seine Kniffe gänzlich ausgepumpt sind. Dann lassen sie den Gedemüthigten laufen und rufen ihm nach, er möge den händelsüchtigen Amor warnen, daß nicht auch an ihm ein Exempel statuirt werde.

Dem übel behandelten Weingotte folgt ein Bauersjüngling, der in finsterer Nacht am Fenster seiner Holden steht. Seine Sehnsucht ergießt sich in hochpoetische Ausdrücke. „Mensch!“ ruft er seine Geliebte an, „Mensch, ich bitte Dich, guck heraus! Seit zwei Stunden schon gehe ich mit den Hunden hier, es regnet und stürmt, als solle der jüngste Tag anbrechen; platschnaß – bedenke doch! – sind mein Rock und ach! mein nagelneuer Mantel. Die Laterne hat der Wind mir ausgelöscht – am Himmel giebt es nur Nacht und Graus. Dir zu Liebe bin ich durch Hecken und Gräben gekrochen, habe mir – daß Gott erbarme! – mein Wams zerrissen und mir fast Arm und Bein gebrochen, und steh’ ich noch länger hier, so macht Deine Liebe mir wohl gar Winterbeulen. Beten und Singen vergeht mir. Ei zum Henker, Mensch! guck doch heraus!“

So fleht der beharrliche Dulder in den rührendsten Tonarten, aber – Undank ist der Welt Lohn. Ueber den Liebeheißen ergießt sich plötzlich von oben herab ein Sturzbad, welches einen jähen Umschlag in allen Gefühlen des männlichen jungen Herzens hervorbringt. Die ihm eben noch so lieblich schien, wird nun sofort eine garstige Hexe, ein Teufelskind, und das Ende vom ganzen Liede geben die Worte des nächtlichen Eckenstehers: „Ich geh’ nach Haus.“ –

Kleinere Gedichte, witzige und derbe, deren die Anthologie verschiedene enthält, eignen sich nicht so gut zum Mittheilen. Vortrefflich sind einige Epigramme, besonders die auf Lavater gemünzte

Grabschrift eines gewissen Physiognomen.

Weß Geistes Kind im Kopf gesessen,
Konnt’ er auf jeder Nase lesen.
Und doch – daß er es nicht gewesen,
Den Gott zu diesem Werk erlesen,
Konnt’ er nicht auf der seinen lesen.

Der humoristischen und satirischen Stücke aus Schiller’s Feder giebt es in der Anthologie noch eine nicht geringe Zahl. Von den letzteren zeichnet sich auf’s Köstlichste „Die Rache der Musen“ aus, ein längeres Gedicht, das den bekannten Gegner Schiller’s, den Almanachverfertiger Stäudlin in Stuttgart, mit scharfer Waffe traf.

Wir haben aus dem Büchlein nur die Stücke ausgewählt, die unserem Thema entsprechen. Sie sind die echten Vorläufer von „Wallenstein’s Lager“, und wer sie kennt, wird nicht im Geringsten mehr zweifeln können, daß Schiller’s Begabung für humoristische Poesie sehr bedeutend war.

Wenige Jahre später trat noch ein einzelnes, sehr spaßhaftes Product der bezeichneten Gattung hervor. Als die schmachvolle Behandlung von Seiten des Freiherrn von Dalberg dem Dichter den Aufenthalt in Mannheim unmöglich machte, gewährte bekanntlich eine edle Frau, die Mutter von Schiller’s späterem Schwager Wilhelm von Wolzogen, ihm eine Zuflucht auf ihrem einsamen Gute Bauerbach. Von dort begab Schiller sich oft nach Meiningen zum Bibliothekar Reinwald, der sich später mit des Dichters ältester Schwester vermählte (S. Nr. 20, 1875). Durch Reinwald’s Vermittelung ließ er in den Meininger wöchentlichen Nachrichten ein Gedicht erscheinen, dessen Veranlassung folgende war.

In Meiningen regierte damals der Herzog Georg, ein vortrefflicher junger Fürst; er wurde so schwer krank, daß seine Wiedergenesung kaum möglich schien. Wäre er gestorben, so wäre sein Land an Coburg gefallen, und dieses Haus wartete mit solcher Begier auf das Ableben seines Verwandten, daß der Herzog, oder eigentlich die Herzogin von Coburg, die Milizen aufbot, um sofort in das Meiningensche einmarschiren und Besitz ergreifen zu können. Aber Herzog Georg genas, und dem Coburger und seiner „Liebsten“ wurde nichts zu Theil, als Aerger und Verdruß und das Spottgedicht Schiller’s. Es ist zu lang, um auch nur im Auszuge hier mitgetheilt werden zu können.

Im Verfolge seiner großartigen Laufbahn ist Schiller, wie kein anderer deutscher Dichter, der Stolz des Vaterlandes geworden. Doch selbst im Angesichte seiner unsterblichen Werke läßt sich der schmerzliche Gedanke nicht unterdrücken, daß er noch Größeres hätte leisten können, wenn seine Jugendjahre weniger bitter, sein Leben ein längeres gewesen.




Blätter und Blüthen.


„Hermann, schla Lärm an etc.“ Auf die Frage nach Alter und Herkunft dieses Volksliedchens sind zwölf Antworten eingegangen. Zwei derselben sind geneigt, den Ursprung des Liedes bis auf Armin, den Cherusker, zurückzuleiten; von den übrigen stimmt die Mehrzahl in der Ansicht überein, daß dieses Volks- und jetzt Kinderspielliedchen weit späteren Ursprungs und höchstens auf die Zerstörung der Irmensäule durch Kaiser Karl den Großen zurückzuführen sei. Anderen geht auch dieses noch zu weit. K. Aue in Weimar wiederholt den schon mehrfach von ihm gebrachten Nachweis, daß erst um die Mitte des sechszehnten Jahrhunderts die Namen Armin und Hermann für gleichbedeutend angenommen worden seien, und daß also auch das Lied selbst nicht älter sein könne. Ein Anderer macht auf den Umstand aufmerksam, daß die Trommeln erst durch die Kreuzzüge nach Europa gekommen seien, was ebenfalls Beachtung verdient. Wir stimmen vollkommen dem bei, was „ein Westfale“, Fr. Br. zu Mühlhausen in Thüringen, darüber mittheilt und das wir hier folgen lassen:

„Zwar bemerkt Tacitus bei Gelegenheit der Lebensbeschreibung Armin’s ausdrücklich: ‚noch wird er besungen in Liedern seines Volkes‘, dennoch ist es sehr unwahrscheinlich, daß die in Frage stehenden Verse: ‚Hermann, schla Lärm an! etc.‘ ursprünglich zur Verherrlichung dieses Volkshelden gedichtet und gesungen wurden.

Zu dieser Behauptung werden wir durch eine Erklärung Grimm’s geführt, die er über denselben Reim giebt, den er jedoch in der Form, wie er noch heute in einigen Gegenden Westfalens und Hessens im Munde des Volkes lebt, mittheilt:

Hermen, sla Dermen,
Sla Pipen, sla Trummen,
De Kaiser will kummen
Met Hamer un Stangen
Will Hermen uphangen.

‚Nicht unmöglich,‘ spricht dieser gründliche Kenner unseres deutschen Alterthums, ‚daß sich in diesen, durch die lange Tradition der Jahrhunderte gegangenen und wahrscheinlich entstellten Worten Ueberreste eines Liedes erhalten haben, das zu der Zeit erscholl, als Karl die Irmensäule zerstörte. Auf den noch älteren Arminius und die Römer lassen sie sich viel weniger deuten.‘

Die fraglichen Verse möchten in ihrer jetzigen Gestalt also wohl erst in jüngster Zeit aus jenem Liede entstanden sein, da das Volk, dem das richtige Verständniß desselben im Laufe der Jahrhunderte verloren gegangen war, es sich durch Verwandlung des Ermen in den bekannteren Hermann mundgerecht machte und den jetzt untergeschobenen Grundgedanken durch willkürliche Hinzufügung des letzteren Verses weiter ausführte.“




Der Kampf mit dem Wilderer. (Abbildung Seite 169.) Nichts weniger als gemüthserquickend ist der Anblick der zwei Ringer, welche A. Franck dieser Winterlandschaft zur Staffage giebt, aber wenn er einen der schroffsten Contraste, die das Natur- und Menschenleben bietet, darstellen wollte, so ist ihm dies in hohem Grade gelungen. Des Künstlers Meisterschaft in der Wiedergabe der Schnee- und Eisduftwirkung hat sich hier abermals auf das Glänzendste bewährt. Aus dem hochstämmigen Wald athmet uns die frische Winterluft entgegen; wir waten im Schneegestöber auf dem Waldpfade dahin und können uns an den beschneiten Tannen und Sträuchern nicht satt sehen. Und so geräuschlos treibt selbst der schärfere Wind die Flocken daher, so lauschend still ist rings die ganze in feierlichem Schmuck des blüthenweißen Gewandes prangende Natur, daß es uns selbst ganz feierlich zu Muthe wird. – Da kreischt mitten in diese heilige Stille plötzlich der Wuthschrei zweier Männer, die wilder als reißende Thiere um das Leben kämpfen. Der Forstwart hat den Wildschütz auf frischer That ergriffen; die Jagdbeute liegt noch am Boden. Der Kampf ist entsetzlich; das furchtbare Ringen in der tiefen weiten Waldeinsamkeit – wie wird es enden? Wird der Mann des Gesetzes siegen oder wird der Wilderer ein zweites und das schwerste Verbrechen begehen, das der Schnee bedeckt, bis der kommende Lenz die Decke von dem geheimen Mord hebt? Oder naht bereits ein Warner für Beide, der beider Hände vor vergossenem Menschenblut bewahrt? Jedenfalls hat die Kunst hier ihre Kraft gezeigt, das Herz mächtig zu ergreifen, aber diesmal nicht, um es zu erheben, sondern um es mit dem Fingerzeig, zu was Allem der Mensch fähig sei, niederzudrücken bis zum demüthigsten Gefühl der menschlichen Schwachheit.




Herrn J. Ktzm. in Dresden. Mohren auf der Bühne finden sich außer in den Stücken, die von Gottschall in seiner „Nationalliteratur“ erwähnt werden, in Shakespeare’s „Titus Andronicus“ und „Othello“ und Grabbe’s „Herzog Theodor von Gothland“, noch in den folgenden: „Die Mohren“ von Friedrich Wilhelm Ziegler, lange Zeit eines der beliebtesten Repertoirestücke der deutschen Bühne, „Toni“ von Theodor Körner, „Der Traum ein Leben“ von Grillparzer, ein Stück, in welchem der Negersclave Zampa eine Hauptrolle spielt, und „Toussaint de l’Ouverture“ von Lamartine.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

  1. „Fürst Bismarck, ein Zeit- und Lebensbild für das deutsche Volk, von Fedor von Köppen“. Leipzig 1876, bei Otto Spamer.
  2. Dreizehn Jahre lang war von dieser Unterredung kein Wort über die Lippen Bismarck’s gekommen. Erst in einer der langen Winternächte in Versailles wurde sie einem hohen Herrn erzählt und von einem Begleiter des Fürsten aufgezeichnet, dem der Verfasser sie verdankt.
  3. Siehe Georg Leonhardi’s vortreffliches Buch „Das Veltlin“ (Leipzig, Wilhelm Engelmann), welches hier vielfach benutzt wurde.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Ulramontanismus