Die Gartenlaube (1878)/Heft 42

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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum: 1878
Erscheinungsdatum: 1878
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[689]
Lumpenmüllers Lieschen.
Von W. Heimburg.
(Fortsetzung.)


4.

Zwei Jahre und einige Monate waren darüber in’s Land gegangen. Nun war es ein Abend im Mai. Durch das geöffnete Fenster drang eine weiche berauschende Luft in das kleine Zimmer der Muhme; der Wind bewegte die jungen Blätterranken des Weines, der das Fenster einrahmte, und der Mond warf sein weißes Licht hell auf die sauberen Dielen, auf die einfachen Möbel des traulichen Stübchens und beleuchtete voll das runzlige Gesicht der alten Frau, welche, die fleißigen Hände in den Schoos gelegt, am Fenster saß und in den Garten hinaus schaute, in dem just die Apfelbäume und der Flieder in vollster Blüthe standen. Die Muhme hielt ihr Feierstündchen; Licht durfte jetzt an den längeren Abenden nicht mehr angezündet werden; das war alter, guter Brauch in ihrer Heimath, und der Mensch ruht doch auch gern einmal, nicht nur mit seinen Händen, auch mit den Gedanken. Eigentlich ruhten diese nun wohl nicht, denn sie schweiften weit hinaus in die Vergangenheit, in ferne, schöne Tage, und das war eine Freude, eine Erholung, wenn nach des Tages Last und Hitze nun die Dämmerstunde kam. Im Hause war Alles wohl beschickt und besorgt; die Gegenwart verschwand an diesem duftigen Frühlingsabend vor den Blicken der alten Frau, und die Jugendzeit tauchte vor ihr auf, duftig und mondbeschienen, wie die Welt da draußen.

Die Muhme faltete die Hände und wandte den Kopf zurück nach dem Zimmer; ihre Blicke richteten sich auf ein Bildchen über der Kommode, das im hellen Mondeslichte die Silhouette eines Männerkopfes zeigte.

„Ja, ja, mein Christian,“ flüsterte sie leise, „wir Beide haben uns lieb gehabt, sehr lieb, und wenn es auch nur eine kurze Zeit gewesen, da Du bei mir warst, vergessen habe ich sie nicht, und ich bin Dir treu geblieben bis heute. Daß das auch so kommen mußte mit Dir – so traurig! Du lieber Gott im hohen Himmel, was thut man nicht alles erleben in dieser kurzen Spanne Zeit! Es sind doch kaum ein paar vergnügte Jahre, die der Mensch hat; dann kommt der Kummer scheffelweise. – Gott, was waren wir doch ein paar lustige Mädchen, meine Lisett und ich, und just wie wir dachten, es ist am schönsten in der Welt – da ging das Weinen an. Du lieber Gott, meine Lisett und mein guter alter Christian!“ Sie nickte traurig mit dem Kopfe, denn vor ihren Augen tauchten zwei grüne, rasenbewachsene Hügel auf, da drüben im Schatten der Kirchhofs-Linden.

Da flog ein blühender Fliederzweig durch das Fenster und fiel ihr gerade auf den Schooß. Neckisches Lachen tönte herauf.

„Na, wart! Das ist die Liesel,“ sagte die Muhme, und ein schelmischer Zug verscheuchte die traurige Miene; nun saß sie ganz still und drückte sich in den Sorgenstuhl zurück. Gleich darauf tauchte ein Mädchenkopf mit dunklem Flechtenkranze vor dem Fenster auf und bog sich spähend hinein.

„Nicht da!“ sagte sie wie ärgerlich; dann schrie sie aber erschrocken auf, denn die Muhme machte in ihrem Stuhle eine schnelle Bewegung und fuhr dem Mädchen mit dem Fliederzweige sanft über das verblüffte Gesicht.

„Pfui! Wie abscheulich, Muhme, mich so zu erschrecken!“

„Ei, was! Wer wohl zuerst erschrocken war?“ erwiderte die Alte. „Warte, Du Bösewicht, willst wohl gar noch beleidigt thun?“

Das Mädchen antwortete nicht darauf, sondern fragte: „Sind Vater und Mutter schon zurück aus der Stadt?“

„Noch nicht; wird auch wohl elf werden, Kindchen. Geh’ ruhig schlafen! Ich bleibe ja wach.“

„Aber, Muhme, was denkst Du denn?“ rief das junge Mädchen. „An diesem wundervollen Abend? Komm’ doch ein bischen heraus, riech’ doch nur ein einziges Mal, wie es duftet von all dem Flieder! Du glaubst ja nicht, wie prächtig es in dem Garten ist.“

„Ach, Kind, das ist nichts mehr für mich; alte Leute sind bös jung machen; es ist doch feucht draußen, und – meine dumme Gicht – aber bleib’ Du nur draußen und genieß’ den schönen Abend!“

„Dann, Muhme, komm’ ich herein zu Dir. Darf ich? Ich kann heute Abend nicht allein sein, um die Welt nicht.“

„Nun, da komm’, Du närrisches Ding!“

Das Köpfchen verschwand vom Fenster, und bald darauf öffnete sich die Stubenthür, und die schlanke hochgewachsene Mädchengestalt im hellen Kleide trat in’s Zimmer.

„Da bin ich, Muhme!“ rief sie heiter und setzte sich auf ein Bänkchen zu Füßen der Alten. Der Mondschein fiel voll auf ein ovales Gesichtchen und zeigte ein paar wunderbar tiefe, blaue Augen, die wie bittend zu der alten Frau empor blickten.

„Muhme,“ sagte sie dann leise, „erzähle mir heute Abend einmal etwas, bitte –“

„Ei! Soll ich einem großen Mädchen Märchen erzählen?“

„O, nicht doch! Etwas aus deiner Jugend, Muhme.“

[690] „Aus meiner Jugend? Aber was denn nur?“

„Ach, Muhme, erzähl’ mir einmal, wie es war, als Du – als Du Deinen Schatz zum ersten Mal gesehen hattest!“ –

„Ei Du – neugierig Ding! Alles zu wissen bist Du noch viel zu jung. Wozu soll ich Dir das erzählen?“

„Ich bin aber siebenzehn Jahr, Muhme, andere Mädchen haben dann längst einen Bräutigam, und –“

„Ei, sieh’ mal an! Du möchtest am Ende gar auch schon Einen haben, – ei, ei, wenn ich das der Mutter erzähle –“

„Das thu’ nur, Muhme!“ rief lachend das junge Mädchen. „Mutter hat mir erst neulich ach! soviel Leinenzeug gezeigt und gesagt: ‚Das ist Alles für Deine Aussteuer, Liesel.‘“

„Na, das muß ich sagen! Aber was wolltest Du wissen?“

„Du sollst mir einmal erzählen, wie es war, als Du Deinen Seligen zum ersten Male gesehen hast?“

Die alte Frau erstaunte, und das Kind vor ihr sah mit den großen feuchtschimmernden Augen erwartungsvoll zu ihr empor. Es war so still rings umher; nur das Brausen des Wassers, das über’s Wehr floß, klang in leisen einförmigen Melodien von draußen herein.

„Drei Lilien, drei Lilien, die pflanzet auf mein Grab!“ sang eine frische Mädchenstimme dort unten im Garten. „Da kam ein fremder Reitersmann und brach sie ab.“

Die Muhme hob den Kopf. „Das ist die Dora; wie sie singen kann, und hat erst heute Schelte bekommen! Lieben und Singen läßt sich nicht zwingen.“

„Ach Reitersmann, ach Reitersmann, laß Du die Lilien stehn! Die soll mein Schatz, mein allerliebster Schatz noch einmal sehn,“ klang es wehmüthig feierlich durch den stillen Abend.

„Das Liedel hab’ ich auch oft gesungen, als ich noch jung war,“ sagte die Muhme und nickte, „hab’ auch dort unten gesessen in der Jasminlaube mit der Lisett und aus Herzenslust gesungen, und sie konnt’s auch so wunderschön, – aber Du wolltest ja wissen“ unterbrach sie sich rasch, „wo ich ihn zum ersten Male gesehen? Guck, da gehe ich einmal an einem Abend, es war so schön wie heute, nur etwas später im Jahr, im Juli ungefähr, den Weg hinunter, der am Park entlang führt, und singe: ‚Er ist kein Kaiser; er ist kein König; er ist Soldat, er ist Soldat.‘ Da kommt aus dem Schatten der Lindenallee ein Mensch herausgetreten und fragt: ‚Na Jungfer, muß es gerad ein Soldat sein?‘ und weil ich so erschrocken war, hab’ ich gar nicht geantwortet und bin rasch weiter geschritten. Er aber hinter mir drein und hat höflich um Verzeihung gebeten, und wie ich ihn mir dann genauer anschaute, da sah ich in ein so gutes liebes Gesicht mit ein paar ehrlichen treuen Augen, daß ich mich gar nicht mehr fürchtete; da sind wir denn langsam zusammen weiter gegangen und er hat mir erzählt, daß er auf dem Schlosse Reitknecht sei bei der jungen Frau Baronin, was jetzt die Großmutter ist von Army und Nelly, die dazumal grad’ hingekommen war, und daß er schon oft nach mir geschaut, wenn er an der Mühle vorbei geritten, denn Du weißt ja, ich hab’ hier gedient bei Deiner Urgroßmutter selig. Und ich hab’ ihm auch erzählt von mir, und daß ich keinen Vater und Muttern mehr hätt’, und dann haben wir uns drüben am Mühlensteg die Hände gereicht und er hat gesagt: „Gute Nacht, Mariechen!“ und dann haben wir nichts mehr gesprochen, sondern sind stumm neben einander gestanden eine ganze Weile, und ich bin fortgelaufen über die Brücke, so rasch ich konnte – –“

„Wie war Dir denn zu Muthe, Muhme?“

„Ja, das weiß ich gar nicht mehr genau, Liesel,“ sagte die alte Frau, „ich weiß nur, daß es mir vorkam, als habe der Mond noch nie so golden auf die alte Mühle geschienen, und als sei der Himmel noch nie so hoch gewesen; ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen und war doch am andern Tage gar nicht müde, und die Worte: ‚Gute Nacht, Mariechen!‘, die schwirrten mir immer durch den Kopf.“

Die Alte sah zu dem jungen Mädchen hinüber, dessen Augen in Thränen schimmerten. „Sag mir nur, Liesel, was ist mit Dir eigentlich?“

„Ach, gar nichts, Muhme!“ erwiderte diese. „Weißt Du, ich gehe noch ein wenig hinaus vor die Thür; Vater und Mutter müssen gleich kommen. Gute Nacht, Muhme!“

„Gute Nacht, Liesel! Behüt’ Dich Gott! Höre aber, Kind, wenn Du morgen früh wieder Spargel stichst, da laß nicht wie heute die Hälfte stehen, sonst muß ich es künftig wieder selbst besorgen, so sauer es mir wird. Gute Nacht!“

Und nun war die alte Frau wieder allein in ihrem Stübchen. Sie schloß das Fenster und ging kopfschüttelnd zur Kommode; sie sah sich ihres Christian’s Bildniß an; die Strahlen des Mondes waren weiter geglitten; sie konnte das kleine Bild nicht recht erkennen, aber sie wußte ja so genau, wie es aussah.

„Ja, so war es,“ flüsterte sie, „dort draußen am Mühlsteg, da fing es an. Lieb’ hat ein gut Gedächtniß[WS 1]; ich weiß es heut’ Abend wieder so genau, als hätten wir gestern dort gestanden. Die Liesel ist schuld daran. Was sie nur eigentlich wollte, das närrische Ding? –“ – –

Lieschen hat sich draußen unter die Linde gesetzt, und der Mühlbach rauscht an ihr vorbei. Ihre Augen sind auf den Weg jenseits des Wassers geheftet, der zum Schlosse führt, und dort drüben hinter den dunklen Wipfeln, dort ragen die stolzen mondbeglänzten Thürme empor in den Nachthimmel, wie sie es schon so oft gesehen, so unzählige Male – wie war ihr nur heut’ so sonderbar zu Muthe?

Das machte ein unverhofftes Wiedersehen. Army war auf einmal in die Laube getreten, in der Nelly und sie gesessen und sich etwas vorgelesen. Ganz unvermuthet stand er da und schloß lachend die Schwester in die Arme, die, vor Freude dunkelroth, gar nicht sprechen konnte, und dann hatte er ganz erstaunt zu ihr hinübergesehen und sie endlich „Fräulein Lieschen“ angeredet. „Fräulein Lieschen“! Wie das klang! Sie mußte lachen und er lachte mit, oder er blieb doch dabei, sie so zu nennen. Er war größer und stattlicher geworden seit jenem Winterabende, wo sie ihn zum letzten Male unter der alten verschneiten Linde sah, und jetzt lag über dem frischen Munde ein keckes Schnurrbärtchen; wie hübsch war er doch! Und nun war der Abend von Nelly’s Geburtstag so rasch vergangen; sie hatten alte Kindererinnerungen aufgefrischt, und er war so lustig, so vergnügt gewesen; das Gesicht seiner Mutter hatte wie verklärt geleuchtet, und dann, als sie fortgehen mußte, da hatte er sie begleitet; sie waren zusammen die alte Lindenallee entlang gegangen und dann den Weg bis zum Mühlsteg, ebenso wie damals die Muhme mit dem Christian; sie hatten von ihrer Kinderzeit geplaudert, und am Mühlensteg war er stehen geblieben. „Gute Nacht, Fräulein Lieschen!“ Sie hatte wieder lachen müssen; „Gute Nacht, Herr Army!“ hatte sie sagen wollen, aber es kam nicht über die Lippen; sie hielt ihm nur unsicher die schlanke Hand hin, die er wie ein alter Bekannter ergriff, und dann wandte er sich ab und ging, und sie bog sich über das Geländer und sah in das Wasser, auf dem der Mondschein in silbernen Streifen zitterte, und hörte die Nachtigall singen in den alten Linden – wie im Traume.

„Ob er wohl diesmal in die Mühle kommen wird?“ fragte sie sich jetzt und sah hinüber zum Schloß. „Ach ja, sicher! Wenn nur Mutter nicht gerade morgen den längst besprochenen Besuch bei der Frau Oberförsterin machen will!“ dachte sie. „Nein, das wäre doch zu schade, und mitgehen müßte ich auf jeden Fall.“

Und so saß sie und träumte unter der alten Linde in der Frühlingsnacht, und der Mond lächelte still hernieder, als wolle er sie nicht stören in diesen seligen Jugendträumen; er weiß es ja, der alte Geselle, daß sie so leicht, so leicht verwehen. – –

Drüben im Schloß schimmerte noch bis spät in die Nacht gelber Lichtschein aus den Fenstern der alten Baronin. Sie saß in ihrer schwarzen Robe in den Sessel zurückgelehnt, und ihre Hände spielten mit dem weißen Tuche auf ihrem Schooße.

„Und Du sagst, Army,“ begann sie forschend zu dem jungen Officier, der ihr gegenüber saß, „Tante Stontheim habe selbst den Wunsch geäußert, daß Blanka uns hier besuchen soll?“

„Nein, liebste Großmama, das wäre zu viel gesagt,“ erwiderte dieser; „Tante Stontheim ist eine eigenthümliche Frau, einen Wunsch äußert sie eigentlich nie; sie sprach davon, daß die Fatiguen des Winters Blanka angegriffen haben, und richtete die Frage an mich, ob die Luft unserer Wälder gut sei, worauf ich natürlich, den Wink verstehend, sofort unsere Gastfreundschaft anbot.“

„Sehr übereilt, mein lieber Army! Ich muß gestehen, eine junge verwöhnte Dame hier in diesem öden einsamen Schlosse einigermaßen zu unterhalten, das dünkt mich eine schwierige Aufgabe. Es ist tactlos von der Stontheim, Dein Anerbieten anzunehmen, und noch dazu für diese Blanka. Sie kann nachher [691] ihrem Herrn Vater erzählen, wie Schloß Derenberg seine Gäste aufzunehmen vermag.“ Die Alte lachte bitter.

Army schwieg; er beobachtete einen Schmetterling, der um die Glaskuppel der Lampe flatterte.

„Wie sieht sie eigentlich aus, diese Blanka?“ fragte die Großmutter nach einer Pause.

Ueber Army’s Gesicht flog es plötzlich wie Sonnenschein. „Wie soll ich Dir das beschreiben, Großmama? Ich kann Dir nur sagen, Blanka ist eine außergewöhnliche Erscheinung; man ist geblendet, wenn man sie zum ersten Male sieht, und je öfter man sie erblickt, desto mehr Fesselndes entdeckt man an ihr.“

„Das ist ja die Ausdrucksweise eines Verliebten,“ bemerkte die alte Dame kühl; „meines Wissens hat sie nie Anlage zur Schönheit gehabt.“

Army wurde glühend roth unter den kalten Blicken der großen dunklen Augen.

„Sie ist eigentlich nicht schön; sie hat so etwas –“

„Genug!“ unterbrach ihn die Baronin ungeduldig, „sage mir lieber, wie denkt man über das Verhältniß der Tante zu Blanka und was diese zu hoffen hat?“

„Sie gilt für die einzige Erbin der Tante. Von großer Herzlichkeit der Beiden gegen einander habe ich übrigens in den vierzehn Tagen meines Dortseins zum Weihnachtsfest und zum Geburtstage der Tante nichts bemerkt.“

Die Baronin zuckte verächtlich die Schultern.

„Hast Du schon Deiner Mutter von dem zu erwartenden erfreulichen Besuch Mittheilung gemacht?“

„Nein, weder der Mama noch Nelly; sie waren nicht allein – die Kleine aus der Mühle war bei Nelly.“

„Natürlich! Es ist unbegreiflich! Ich habe mir ihre Gegenwart ein für allemal verbeten, aber leider ist sie das A und das O bei Deiner Mutter und Schwester, die in ihr einen Engel von Güte und Schönheit erblicken. – Aber, Army, wo um Alles in der Welt soll diese Blanka wohnen? Woher soll ich die Bedienung nehmen?“

„Ich hatte an die Zimmer neben den Deinen gedacht, Großmama, und das Thurmzimmer zur Wohnstube ausersehen; die Bedienung bringt Blanka mit, eine Kammerjungfer.“

„Das Thurmzimmer? Nimmermehr!“ rief die alte Dame auffahrend; ihr ohnehin bleiches Gesicht hatte in diesem Augenblick etwas beinahe geisterhaft Blasses.

Army blickte sie erschreckt an. „Wie Du willst, Großmama!“

„Mach’ das mit Deiner Mutter ab!“ fügte sie hastig hinzu, „laß die Blanka wohnen, wo sie will! Das Thurmzimmer bleibt verschlossen, so lange ich lebe. – Geh jetzt zur Ruhe! Morgen sprechen wir weiter.“

Army beugte sich auf ihre Hand und ging dann hinaus. Draußen auf dem hallenden Corridor lag der Mondschein, der durch die vielen kleinen Scheiben der hohen Fenster voll auf die weißen Steinfließen fiel.

„Noch immer das alte Lied.“ sagte er leise, „was das nur wieder heißen soll mit dem Thurmstübchen? Und ich hatte mir so reizend ausgemalt, es für Blanka einzurichten –“

„Für Blanka!“ Er stand einen Moment still; seine Gedanken flogen zurück in die große Stadt, zu der eleganten Villa mit den hohen Spiegelscheiben und der blumengeschmückten Veranda; dort oben im zweiten Stock hinter den spitzenduftigen Vorhängen, da lag sie wohl jetzt und schlief. Er trat in sein Zimmer; die Fenster waren geöffnet, und die Zugluft trug ihm einen Strom von Blüthenduft entgegen; er sah in den mondbeglänzten Park hinaus. Es überkam ihn die Erinnerung an einen Winterabend, an dem er hier in demselben Zimmer geweilt, noch unbekannt mit dem Leben, bange vor der Zukunft, und wie ihm dann der alte Spruch dort am Kamin so überraschend Hoffnung und Lebensmuth brachte. „An Gott nit verzag! Glück kombt all Tag“. War das Glück ihm gekommen? Ach nein, das Glück selbst noch nicht, aber seine Strahlen hatten ihn schon getroffen. Im Geiste sah er sich der Tante Stontheim gegenüber, in dem eleganten Zimmer.

Er war damals auf die Einladung der alten Dame zum Weihnachtsfeste in D. eingetroffen, und als er ihr die Hand küßte, die sie ihm zum Willkommen gereicht hatte, da hatte er gar nicht freundlich ausgesehen. Es wurde ihm Thee servirt, und das Gefühl, als müßte es nun unsäglich langweilig werden, legte sich wie ein Alp auf seine Brust. Da waren auf einmal die Thürvorhänge zurückgeschlagen worden, und vor ihm hatte eine Mädchengestalt gestanden, wie hereingeweht in’s Zimmer. Der Kronleuchter, der von der Decke herabhing, warf sein blendendes Licht auf ein Geschöpfchen, das elfenhaft zierlich erschien in dem wie aus Duft gewobenen blaßgrünen Kreppkleide, das sie in durchsichtigen Wogen und Wellen umrauschte. Blendend weiße zarte Schultern tauchten aus diesen Wellen auf, und über der weißen schmalen Stirn flimmerte es goldig und wallte auf den Rücken hernieder in mächtiger Fülle – üppiges rothes wundervolles Haar.

Er war aufgesprungen und hatte sie angestarrt, als sähe er eine Spukgestalt. Die junge Dame warf das prachtvolle Bouquet aus weißen Camelien auf den Tisch, eilte an ihm vorüber und begrüßte die Tante.

„Agnese!“ klang es in ihm, „die schöne Agnese Mechthilde aus dem Ahnensaal zu Hause!“

„Ist es schon so spät?“ fragte die Tante, einen prüfenden Blick über die reizende Gestalt werfend, und dann auf ihn deutend, sagte sie: „Liebe Blanka, Dein Vetter Armand von Derenberg, der für die Feiertage unser Gast sein wird!“

Die junge Dame hatte aus ein Paar dunklen Augen einen raschen Blick auf ihn geworfen; er sah sie noch immer an; er konnte nicht anders; vor ihm stand sie ja, die schöne Agnese Mechthilde, als sei sie eben aus ihrem vergoldeten Rahmen gestiegen. – Ja gewiß, er hatte sich sehr linkisch benommen; das Blut stieg ihm noch jetzt siedend heiß in den Kopf, wenn er daran dachte. Dann hatte er auf der Tante Wunsch über Hals und Kopf Toilette gemacht, saß den Damen in seidegepolstertem Wagen gegenüber und trat in feenhaft erleuchtete Säle; er war mit Blanka im Tanze über spiegelglattes Parquet geflogen, hatte mit ihr geplaudert und ihr erzählt, daß daheim im Schlosse ein Bild im Ahnensaal hänge, das ihr so ähnlich sähe und vor dem er als Knabe stundenlang gestanden in nimmersattem Schauen.

Sie hatte darob gelächelt und gemeint, sie möchte wohl einmal die Probe machen und sich daneben stellen, um zu sehen, ob es nicht viel Einbildung mit der Aehnlichkeit sei. – Freilich, die Augen, die tiefen traurigen Augen, die hatte sie nicht; wohl waren sie auch dunkel, aber dieser unergründliche Schmerz lag nicht darin; wie war das auch möglich? War sie doch so jung, so heiter, so gefeiert! – Er folgte ihr mit den Blicken, wenn sie im Tanz an ihm vorüberschwebte; wie ein goldschimmernder Schleier umwob das aufgelöste Haar ihr blasses Gesichtchen; er konnte sich nicht satt sehen an diesem wundervollen Schmuck; er beneidete jeden Andern, der mit ihr tanzte, und freute sich auf den heiligen Abend, zu dessen Feier er ja eigentlich gekommen war und den man doch gewiß still im Hause verleben würde. Aber gerade da hatte sie ihm am wenigsten gefallen, nicht daß sie weniger reizend ausgesehen – gewiß nicht; der goldene Schleier lag so wundervoll auf dem dunkelblauen Seidenstoff des Kleides; die Kerzen des Weihnachtsbaumes woben schimmernde Funken darein, aber das strahlende Lächeln fehlte, das ein Gesicht erst wahrhaft bezaubernd macht; die holde Weihnachtsfreude vermißte er gänzlich in Blankas schwarzen Augen.

Und dann folgte wieder Fest auf Fest, und endlich mußte er abreisen, wie schwer es ihm auch wurde. Er bat die Tante, bald wiederkommen zu dürfen, und in der Brusttasche der Uniform trug er ein zierliches Juchten-Etui, ein Vielliebchengeschenk der Cousine; das war sein Kleinod geworden, denn darin lag eine lange Strähne rother weicher Frauenhaare. Sie gab ihm das Haar im Scherz, auf seine Bitte, damit er vergleichen könne, welches goldiger sei, das auf dem Bilde im Ahnensaale, oder das ihre.

Army stand noch immer am offenen Fenster des dunklen Zimmers; er zog hastig das Etui hervor und betrachtete im Mondlicht die Locke, die oben und unten zierlich mit einem blauen Bändchen geknüpft war; er preßte sie an seine Lippen, und eine ganze Reihe wonniger Zukunftsbilder zog an seiner Seele vorüber; er sah sich wieder hier in dem Schlosse seiner Väter; sie stand neben ihm in der Sommernacht; er hielt den Arm um sie geschlungen, und sie schmiegte das goldige Köpfchen an seine Brust; draußen im verödeten Sandsteinboden plätscherte wieder nach langer trauriger Zeit ein frischer Wasserstrahl empor, neues fröhliches Leben verkündend.

Wie schön war dieser Zukunftstraum! Aber es war ja nur ein Traum, und die Wirklichkeit? Army schauerte zusammen; sie [692] stellte Forderungen an ihn, die ihn fast erschreckten, diese öde, unglückselige Wirklichkeit. Woher die Mittel nehmen, um dem schönen Gast die traurige Dürftigkeit im Schlosse Derenberg mit etwas Glanz und Schimmer zu verhüllen? Das Geld, o, das böse Geld!

Er blickte träumend in den Park hinaus. Der Nachtwind hatte sich aufgemacht und bewegte flüsternd die Bäume. „Es ist Schlafenszeit,“ sagte der junge Schwärmer. Leisen Fußes verließ er den Ahnensaal und suchte sein Lager auf. Im Traume erschien ihm die schöne Agnese Mechthilde; sie stand vor ihm in der silbernen Brocatrobe und darüber flog es wie ein goldener Schleier; sie sah ihn an mit ihren großen traurigen Augen und hob warnend die Hand: „Darum nimb war, wasz für Haar! Ist solches roth, hatz groß Gefahr,“ tönte es in sein Ohr.




5.

„Army, wie ich mich freue, auch einmal einen Gast haben zu dürfen,“ sagte am andern Morgen Nelly zu dem Bruder, als er an ihrer Seite durch den thaufrischen grünen Park schritt. „Was wird nur Lieschen sagen? Ich muß es ihr erzählen. Sag’ einmal, Army,“ bat sie dann schmeichelnd und schmiegte sich an ihn, „wie gefällt Dir denn eigentlich Lieschen? Ist sie nicht wunderhübsch geworden?“

„Ich weiß wirklich nicht,“ erwiderte er wie zerstreut, „ich habe gar nicht darauf geachtet; ja, ich glaube wohl, ich erinnere mich kaum mehr –“

„Aber, Army!“ kam es aus dem Munde der Schwester. „Du bist zerstreut, oder gar traurig – ist Dir etwas Unangenehmes begegnet? Kann ich Dir etwa helfen?“

„Nein, Schwesterchen,“ lachte er und strich scherzend mit der Hand über ihr blühendes Gesicht, „Du kannst mir am allerwenigsten helfen; es ist eine fatale Geschichte, ich – fürchte mich, es Mama zu sagen, aber ich kann nicht anders.“

„Ach, sag’ es nicht der Mama, Army,“ bat das junge Mädchen stehen bleibend. Sie legte die kleine Hand auf seine Schulter, und ihre Blicke hingen angstvoll an dem Gesichte des Bruders. „Bitte, nicht! Sie ist so angegriffen und weint so viel, ach bitte, sag’ es nicht, wenn es etwas Unangenehmes ist –“

In den Zügen Army’s lag eine leichte Verlegenheit.

„Ja, mein Gott,“ sagte er, „was soll ich nur thun? An Großmama kann ich mich nicht wenden; es würde vergeblich sein, da sie wirklich nicht im Stande ist, mir –“

„Army!“ flüsterte das Mädchen, den Gegenstand seiner Verlegenheit errathend, und trat näher zu ihm, „ich glaube, ich kann Dir helfen, wart’ einen einzigen Augenblick, oder nein, geh’ weiter bis unter den großen Ahorn am Deiche! Ich bin gleich wieder da.“ Und eilig lief sie den schattigen Weg zurück, die Sonnenstrahlen huschten über ihr helles einfaches Kleidchen und leuchteten über die blonden Locken; bald war sie um die nächste Biegung des Weges verschwunden.

Der junge Mann schaute ihr nach und ging dann weiter. Was wollte sie nur? Sie konnte doch unmöglich wissen – – Er saß dann auf der Steinbank und sah über das klare Wasser hin, in dem sich der blaue Himmel und die hohen Bäume so anmuthig spiegelten. „Wie schön ist es hier!“ sagte er halblaut, „wenn sie nur ein wenig Sinn für Naturschönheit hat, so muß es ihr gefallen.“

Da klangen leichte Schritte hinter ihm, und sich umwendend blickte er in das vor Freude geröthete Gesicht seiner Schwester.

„Da, Army!“ sagte sie, noch röther werdend, und legte ihm ein zierliches seidenes Beutelchen in die Hand. „Ich gebrauche es wirklich nicht, nein, ganz wahrhaftig nicht, wozu auch? Und nun sagst Du der Mama nichts, nicht wahr?“ Die Freude, etwas geben zu können, leuchtete dem lieblichen Mädchen reizend aus den blauen Augen. „Guter, lieber Army!“ bat sie, „ganz geschwind steck’ es ein! Es wird gewiß reichen.“

„Nein, Nelly, nein!“ rief er dunkelroth, „Dein Gespartes –“

Sie hielt ihm die Hand auf den Mund. „Du machst mich bös, Army,“ sagte sie, „wenn sich Bruder und Schwester nicht einmal aushelfen sollen –! Wer weiß, ich komme auch einmal zu Dir! Nun laß uns weiter gehen, sprich nicht mehr davon! Sieh’, was meinst Du, wenn wir hier einen Kahn hätten? Ich habe es mir schon lange gewünscht. Dann könnten wir mit Blanka rudern, und Lieschen – nicht wahr, Blanka wird nicht stolz sein?“

Er antwortete nicht; er kam sich in diesem Augenblicke ganz erbärmlich vor. Hastig wandte er das Gesicht ab.

Die Schwester bemerkte es. „Army,“ sagte sie, „komm bald nach! Ich muß jetzt noch schnell zu Mama, und –“ es fiel ihr nichts ein, was sie bei Mama sollte – „ich habe es eilig,“ rief sie noch zurück und schlug den nächsten Weg zum Schlosse ein.

Er folgte ihr langsam in nie gekannter Beschämung. Er hatte ihr gestern nicht einmal eine Kleinigkeit zum Geburtstage geschenkt, und heute gab sie ihm glückselig ihre ersparten Schätze. Er blieb stehen und öffnete die kleine seidene Börse; ein paar einzelne Thaler lagen darin, und dann noch etwas in Papier gewickelt; er schlug es aus einander und fand ein Goldstück, auch ein paar geschriebene Worte von der Hand seiner Mutter auf dem Papiere: „Zu einem neuen Kleide für meine Nelly,“ las er. Das junge Mädchen hatte offenbar die Worte noch gar nicht bemerkt, sonst würde sie ihm die Beschämung erspart haben; er dachte an das verwaschene Kleid, das sie gestern und heute getragen, und wie sie sich wohl gefreut haben mochte auf ein neues. Ein neues Kleid für fünf Thaler! So viel gerade hatte der Strauß gekostet, den er neulich an Blanka geschickt und den sie vielleicht am Morgen nach der Ballnacht achtlos bei Seite geworfen; er dachte an die zierliche Gestalt, die er nie anders als von schweren Seidenstoffen oder duftigen Kreppwogen umrauscht gesehen hatte – welche Gegensätze bietet doch das Leben! Dort lag das Schloß vor ihm, so imposant mit seiner riesigen Façade, seinen Thürmen, und der Sohn dieses stolzen Hauses besaß nicht so viel, um – nein, es war zum Verzweifeln.

Er wandte sich hastig und schritt zurück; sein Blick schweifte unwillkürlich über den waldigen Grund und blieb an dem spitzen Schieferdache der Papiermühle hängen; er lachte plötzlich laut auf: „Ja, die haben dafür desto mehr,“ sagte er halblaut; „man muß sich nur mit Lumpen und dergleichen einlassen, dann fließt Einem das Geld in vollen Strömen zu, und das Alles wird die Hand des kleinen Mädchens füllen, mit dem ich einst gespielt; Lumpenmüllers Lieschen ist die reichste Erbin im ganzen Umkreise – wahrhaftig zum Todtlachen, wie das so vertheilt ist im Leben.“ In seinen dunklen Augen stand indessen nichts von Lachen geschrieben; er sah unendlich deprimirt aus, der hübsche junge Officier; das Geld der Schwester brannte ihm wie Feuer in den Händen, während er hastig weiter schritt, die Lippen verächtlich auf einander gepreßt. Der schöne Zukunftstraum war vor der drückenden Gegenwart geflohen, und die Unbehaglichkeit seiner pecuniären Lage hatte ihn mit voller Gewalt ergriffen. Er nahm den kleinen Zettel mit den Worten der Mutter und legte ihn in seine Brieftasche; dann schritt er wieder weiter und erblickte, in den Hauptweg einbiegend, den alten Heinrich, der ihm so rasch, als es seine müden Beine erlaubten, entgegen kam.

„Die Frau Großmama lassen den Herrn Lieutenant bitten, gleich zu ihr zu kommen,“ bestellte er, freundlich in das erregte Gesicht des jungen Mannes sehend. –

(Fortsetzung folgt.)




Die deutsche Kunst auf der Pariser Weltausstellung.

Als Deutschland im vorigen Jahre seine Betheiligung an der Pariser Weltausstellung ablehnte, hatte es dazu seine guten Gründe. In München waren kurz vorher die Erzeugnisse der deutschen Kunstindustrie ausgestellt gewesen, und wesentlich Neues konnte man nicht nach Paris schicken. Außerdem meinte man vielleicht, daß das Unternehmen nachträglich aufgegeben oder auf spätere Zeit würde verschoben werden. Die Pariser Ausstellung kam aber zu Stande, versprach glänzend zu werden. Frankreich bedauerte das Fernbleiben Deutschlands lebhaft, und sein Botschafter in Berlin, Graf von St. Ballier, hat wohl zuerst die Anregung zu einer nachträglichen Betheiligung des deutschen Reiches an dem friedlichen Wettkampfe aller Völker gegeben. Unser Reichskanzler

[693]

Der Ausstellungssaal der deutschen Kunst auf der Pariser Weltausstellung.
Für die „Gartenlaube“ nach der Natur gezeichnet von H. Vogel.

[694] ergriff die dargebotene Hand und sagte das Erscheinen Deutschlands auf dem Marsfelde zu. Aber es war zu spät, um die deutschen Gewerbetreibenden zur nachträglichen Betheiligung aufzufordern. So faßte denn Fürst Bismarck einen praktischen, glücklichen Gedanken. Er stellte den Franzosen die Ausstellung der deutschen Kunst in Aussicht, und was er zugesagt, das pflegt er auch zu halten.

Ganz leicht wurde ihm diesmal die Sache nicht. Der Kaiser ging schnell und gern auf den Vorschlag ein, dessen Ausführung die Friedensliebe und das gute Einvernehmen mit dem früheren Feinde bezeugte. Aber die Künstler? Leicht wäre es gewesen, mit dem, was allein Berlin besitzt, den zugewiesenen Raum glänzend zu füllen. Es sollte jedoch nicht die Berliner, sondern die gesammte deutsche Kunst in Paris vertreten sein. Deshalb galt es, die großen deutschen Kunststätten, vor allen München, Düsseldorf, Weimar zu gewinnen. Dazu brauchte man einen zweiten Bismarck, der mit Eifer, Geschick, Thatkraft, unterstützt durch einen Namen von bestem Klange in der Künstlerwelt, die Ausführung leitete, sich durch keine Schwierigkeiten und Hindernisse zurückschrecken ließ. Ein solcher wurde in Anton von Werner, dem jugendlich-genialen Director der Berliner Akademie, gefunden. Es gehörte das Talent eines Feldherrn und das eines Diplomaten dazu, die Aufgabe so meisterhaft, wie es geschehen, zu vollbringen. Nur wenige Wochen vor Eröffnung der Ausstellung wurde die Theilnahme des deutschen Reichs beschlossen. Nur einen kleinen Saal konnte man in dem bereits überfüllten Bau des Marsfeldes unserer Kunst zur Verfügung stellen. Und aus ganz Deutschland sollte in dieser kurzen Zeit, in diesem beschränkten Raume das Beste gesammelt werden, damit wir würdig, der Bedeutung unseres künstlerischen Vermögens angemessen, in Paris auftreten konnten. Dies die eine Seite der Aufgabe. Dann aber galt es mancherlei Bedenken und Vorurtheile zu beseitigen. Der Entschluß war so plötzlich gekommen, daß man in München und Düsseldorf sich nur schwer an den Gedanken seiner Ausführung gewöhnen konnte. Zuerst glaubte man von Berlin überrumpelt worden zu sein und wollte jede Mitwirkung ablehnen. Dann verursachte die Auswahl unglaubliche Schwierigkeiten. Kein Maler von Bedeutung durfte übergangen werden, nicht jedes Bild von jedem derselben aber eignete sich für unsere Ausstellung: denn der beschränkte Raum gebot zunächst die Ausschließung aller gar zu großen Gemälde; schickliche Rücksicht gebot ferner, keins der Kunstwerke nach Paris zu senden, welche die letzten Ruhmesthaten unseres Volkes und des Heeres verherrlichten. Sogar die Bildnisse unserer berühmten Staatsmänner, Feldherren und der Mitglieder der Herrscherfamilien sollten unseren Saal in Paris nicht schmücken dürfen.

Werner ging mit gutem Muthe, mit fester Zuversicht und mit bewundernswerthem Geschick an’s Werk. Er umgab sich mit einem vortrefflichen Generalstabe, in dem auch die andern deutschen Kunstgenossenschaften vertreten waren, und bald hatte er alle Schwierigkeiten überwunden. Er erfaßte seine Aufgabe höher, als sie ihm ertheilt worden war: Er wollte nicht nur den deutschen Saal in Paris mit guten deutschen Kunstwerken füllen, sondern trachtete darnach, durch die Gesammtheit dieser Kunstwerke die deutsche Kunst in ihrer nationalen Eigenartigkeit der Welt zu zeigen.

Als der Kaiser die Theilnahme der deutschen Kunst auf des Grafen St. Ballier Ersuchen und des Fürsten Bismarck lebhafte Befürwortung gestattet hatte, mußte zunächst für einen entsprechenden Raum gesorgt werden. Die beiden Säle, welche man den französischen Staatswerkstätten angewiesen hatte, der Porcellanfabrik von Sèvres, der Bildteppichweberei von Gobelin, wurden vereint den Deutschen eingeräumt.

Alle Eingänge des Raumes waren mit Zäunen vernagelt, selbst die schmalen Thüren verbargen sich hinter Vorhängen. Niemand vermochte einen Blick zu werfen auf das Schaffen der Deutschen. Unsere Arbeiter, die alle Mundarten der deutschen Gaue redeten, waren sehr gewissenhaft und ließen selbst den neugierigen Landsmann nicht ein. Zum Ueberfluß hatten die Franzosen noch einige uniformirte Schutzleute vor die Eingänge gestellt. Länger als zwei Wochen nach der Eröffnung blieb der deutsche Saal verschlossen. Die Neugier der Ausstellungsgäste, besonders der Franzosen, stieg. Wir Deutschen sahen nicht ohne Besorgniß dem Tage entgegen, an dem unsere vaterländische Kunst auf dem Kampfplatze erscheinen würde, zu einem Wettstreite, für den alle Völker, zumeist natürlich das französische, seit Jahren gerüstet hatten. Und wenn man die Fülle, den Werth, die durchschnittliche Vortrefflichkeit der Leistungen, die alle Kunstgallerien der europäischen Länder enthielten, vorurtheilslos betrachtete, so schien diese Besorgniß nicht unberechtigt. Die meisten waren zeitig genug mit ihren Ausstellungen fertig geworden. Nur Belgien, Rußland und die Säle der französischen Bildhauerei blieben noch verschlossen gleich dem unsrigen. Zu sehen gab es also genug.

In der Mitte des Maimonats, an einem Sonnabend, gegen drei Uhr Nachmittags, wurde die Ausstellung der deutschen Kunst mit besonderer Feierlichkeit eröffnet. Anton von Werner und Genossen hatten in der kurzen Zeit Staunenswerthes geleistet, dank besonders der rastlosen Energie des ersteren, welcher überall getrieben, im letzten Moment sogar persönlich Hand angelegt hatte, um das glücklich begonnene Werk rechtzeitig zu vollenden. Es wohnten der deutsche Botschafter, Fürst Hohenlohe, die Vertreter der französischen Ausstellungs-Direction und zahlreiche Mitglieder der deutschen Gemeinde in Paris der Eröffnung bei. Werner, umgeben von den deutschen Künstlern, die ihn unterstützt hatten, wandte sich an den Botschafter in deutscher Rede. Der Auftrag, der ihm geworden, sei heute erledigt, so gut es in der kurzen Zeit möglich gewesen; er übergebe hiermit das kleine Stück Deutschland auf dem Marsfelde dem Vertreter des Kaisers und des Reiches. Der Fürst stellte den deutschen Saal unter den Schutz der französischen Ausstellungsbehörde; diese dankte durch ihren Commissar, Herr Berger, für das Erscheinen unseres Vaterlandes auf dem Marsfelde, und die deutsche Ausstellung war eröffnet.

Aller Zweifel, alle patriotische Sorge war auf den ersten Blick gehoben. In der gesammten Anordnung, in der Auswahl und in der Zusammenstellung der Kunstwerke, durch die Gesammtheit dieser Ausstellung hat Werner bewiesen, daß er ein großer Künstler ist. Man empfindet sofort das Allgemeine des Eindrucks, die vornehme Ruhe, die wohlthuende Behaglichleit, den künstlerischen Athem, den das Ganze ausströmt, ehe man noch daran denkt, sich nach Einzelheiten umzusehen. Man fühlt sich nicht in einer Ausstellung, sondern könnte sich eher in einem Saale wähnen, den ein vermögender und geschmackvoller Kunstfreund, ein Kunstfreund mit warmem Herzen und tiefem Gemüth, ausgestattet hat mit seinen Lieblingen. Da drängt und drückt kein übermäßig großes Gemälde auf uns ein und stellt alle bescheideneren Nachbarn in Schatten, da sehen wir nicht jeden Zollbreit Wandfläche ausgenutzt, da schädigt der eine Künstler den anderen nicht; jeder findet bequem Platz. Man hätte gewiß noch ein Dutzend Bilder mehr aufhängen, den knappen Raum also gründlicher ausbeuten können. Daß man dies nicht gethan, das verdient ganz besondere Anerkennung, denn dadurch wird der vornehme heitere Eindruck des Ganzen entschieden begünstigt.

Der deutsche Saal ist etwas länger als breit, erhält sein Licht von oben und hat in der Mitte der beiden schmäleren Wände je eine Pforte. Man hat sich in der baulichen Gestaltung und in der inneren Einrichtung an Vorbilder aus jener Zeit vor etwa 300 Jahren gehalten, als in Deutschland Kunst und Kunstgewerbe in höchster Blüthe standen, auf der die Meisterwerke der Kunsttischlerei, der Teppichweberei, des Hausrathes stammen, die wir noch heute bewundern. Die beiden Pforten sind, nach einem Entwurfe des Münchener Bildhauers Hedon, eingerahmt von Säulen, Gesimsen und Krönungen von schwarzem Holze, das man an den unteren Theilen der Säulenschafte mit rothbraunem Sammt überkleidet hat. Ein feines Spiel von nachgeahmten Elfenbeineinlagen belebt die etwas ernsten, schwarzen Säulenpforten freundlich. Ueber denselben steht als Schild der deutsche Reichsadler auf goldenem Felde, und „Deutsches Reich“ leuchtet in lebhafter Schrift von der Höhe des Portals an die Weite. Ein schwerer, alter Teppich, ein Kunstwerk aus jener Zeit der kunstgewerblichen Blüthe, hängt vor den hohen Eingangsthore und wird nur so weit aufgezogen, daß man bequem darunter hinweggehen kann. Drinnen umläuft ein Gesims die Wände und grenzt etwa drei Viertel ihrer Höhe ab. Dort, auf einer braunvioletten matten Tapete mit breiten Atlasstreifen, sind die Gemälde aufgehängt, so daß das Auge jedes bequem erreichen und betrachten kann. Dieser untere, von dem breiten Leistengesimse abgeschlossene Theil der Wände ist allein benutzt worden; nur wenige größere Gemälde, die auch aus weiterer Ferne gesehen werden können, ja [695] eigentlich gesehen werden müssen, wie Henneberg’s „Jagd nach dem Glück“, lehnen oberhalb auf der Leiste des Gesimses an der Wand, die hier eine bräunlich grüne Farbe trägt. Durch weiße Zelttücher, die in weichen Falten über dem Mittelraum schweben, wird das grelle Licht angenehm gedämpft; es strömt völlig gleichmäßig und sonnenlos auf den ganzen Saal.

Dieser Saal enthält in der Mitte eine reizende Zusammenstellung, die, ohne die Aussicht zu beschränken oder beengend zu wirken, ein kleines Gemach bildet. Das formt sich scheinbar absichtslos aus zwei niedrigen spanischen Wänden, an denen die Meisterwerke der beiden Achenbach, des alten Menzel, von Gebhardt’s, des Münchener Leibl Plätze gefunden haben, an den beiden Langseiten. Die kurzen, den Eingängen zugekehrten Grenzen dieses Mittelgemachs deuten nur Bildhauerwerke an, Gruppen, Bildnißköpfe, kleine Gestalten, die sich alle der Mitte zuwenden. Dieser also leicht umschlossene Raum wird ausgefüllt durch einen Tisch, prachtvolle alte Lehnstühle, die rings um ihn stehen, durch Polstersitze zu Füßen der auf hohen Sockel gestellten Bildwerke und durch zierliche Staffeleien, auf denen die besten Aquarellen des alten Menzel zu sorgfältigster Betrachtung einladen. Die Fußgestelle der Bildhauerarbeiten verbergen sich in vollen Gruppen von Tropenlaub, und ähnlich grüner Blattschmuck umgiebt auch den Fuß der Säulenpforten.

So sieht es in dem Saale der deutschen Kunst auf der Pariser Weltausstellung aus. Der einladende Mittelbau bestimmt zumeist seinen Charakter. Er erscheint wohnlich; Alles athmet hier heitere Behaglichkeit, verbunden mit würdigem Ernste und künstlerischer Pracht. Auf den dicken Teppichen hört man das Rücken der sammetgepolsterten Lehnstühle kaum, wenn man an dem Tische Platz nimmt, um in den Prachtwerken zu blättern, die hier in großer Zahl ausliegen. Wir finden unter ihnen ziemlich Alles, woran der Sinn unseres Volkes sich erfreut. Die Blätter, durch welche Goethe’s Faust, Schiller, Shakespeare geschmückt sind von Kreling, Liezen-Mayer und Piloty, die Sammlung, die uns Gustav Freytag’s Dichtungen gestaltenreich vorführt, die bilderreiche Reisewerke vom Rhein, aus der Schweiz, aus Italien, die „Pletschbücher“, die reizenden Skizzen Hendschel’s, die Zeichnungen des Altmeisters Menzel zu Kleist’s „Zerbrochenem Krug“ – Alle sind da, nur Einen vermissen wir, und zwar einen der Bedeutendsten: Anton von Werner fehlt. Die Bilderreihe zum „Gaudeamus“, zum „Trompeter von Säckingen“ und manches Andere, das den Künstler zuerst bekannt und berühmt gemacht, hat er aus übertriebener Bescheidenheit vom Büchertische der deutschen Kunst ausgeschlossen.

Nicht die Pracht, nicht allein die sorgsame Auswahl und Anordnung der Kunstwerke zeichnen den deutschen Saal vor allen anderen aus. Es ist vorzugsweise die Gesammtstimmung, der künstlerische Gedanke, dem dieselbe entsprungen, was uns sofort fesselt und anmuthet. Diese von den Ordnern geschaffene Gesammtstimmung ist durchaus keine willkürliche, künstlich hineingetragene. Sie wird bedingt durch den Inhalt des Saales, durch den Charakter der deutschen Kunst. Unsere Maler sind nicht gewöhnt, strenge akademische Fesseln zu tragen. Jeder schafft frei aus sich heraus, folgt dem Zuge des Herzens als ein Wesen für sich. Von Malerschulen kann man in Deutschland eigentlich kaum reden, von Schulen wenigstens nicht, die mehr als das Malen selbst lehren. Diese Freiheit der künstlerischen Entwickelung läßt vielleicht das mittelmäßige Talent in seiner Ausbildung und seinen Leistungen etwas zurückbleiben gegen den gleich begabten Franzosen. Das Genie aber, die wahrhafte poetische Kraft wird bei uns das Höchste leisten, uns jene seltenen Weihestunden der Erhebung bereiten, die wir nur echten Kunstwerken verdanken. Bei all ihrer Tüchtigkeit und Reife lassen die französischen Maler uns kühl, werden auf die Dauer mitunter fast langweilig. Die deutschen, selbst die weniger großen, sprechen beinahe immer zu unserem Gemüthe; oft fordern sie den Tadel heraus, aber sie langweilen niemals. Denn trotz ihres Auseinandergehens, Jeder nach seiner persönlichen Richtung, besitzen sie doch ein Gemeinsames: die Seele, das Gemüth, den Humor. Dieser gemeinsame Zug hat das in schöner künstlerischer Freiheit weit aus einander gehende künstlerische Schaffen äußerlich in feste Grenzen, in einen geschlossenen Rahmen gefügt, in den Jeder sich einordnen muß. Innerhalb dieser Grenzen nun athmet Alles Heiterkeit, Gemüthswärme; hier spüren wir das Walten einer Seele, das Wehen des warmen erquickenden Hauches, den fast jedes gute deutsche Kunstwerk ausströmt. So glauben wir das Walten der schaffenden und ordnenden Kräfte in unserer Ausstellungshalle zu verstehen, und darin offenbart sich ihre eigene Künstlerschaft. Einerlei ab bewußt oder unbewußt, der deutsche Saal wirkt auf Jeden gleich.

Nicht nur umfangreiche Gemälde, auch das große Geschichtsbild überhaupt fehlt in diesem Raume ebenso, wie die Darstellungen aus dem Kriege und die Verherrlichung der Siege. Dennoch herrschen die gestaltenreichen Zeit- und Sittenbilder über die Landschaften vor. Alle unsere Besten, die auf diesem Gebiete schaffen, finden wir hier. Knaus erscheint da wieder als der größte unter allen, nicht nur der unserigen. Keiner sonst vermag wie er den Menschen tief in’s Herz zu sehen, mit ihnen zu lachen und zu trauern. Das Kindergemüth, kindliche Lust, die kleinen Aengste und Schrecken, die drolligen Erscheinungen des jugendlichen Lebes beschäftigen ihn am liebsten. Deshalb durfte das Gastmahl der Kleinen hier nicht fehlen, diese Gesellschaft von Kindern, in deren possirlichem Gebahren uns eine ganze Welt des gesundesten, feinsten Humors entgegenlacht. Den Ernst des Lebens weiß dieser Meister mit derselben Kraft des Gemüthes zu erfassen. Aber nicht das Bauernbegräbniß, nicht die Gruppe von Landleuten, selbst nicht die schmausende Kinderschaar ziehen die Besucher vorzugsweise an, sondern zwei andere Bilder des Meisters, vor denen sich stets ein dichter Knäul von lachenden Menschen zusammendrängt. Auf dem einen sehen wir einen älteren jüdischen Handelsmann, der den Sohn, einen langen rothhaarigen Bengel, in der Kunst des Handelns unterweist. Halb dämlich, halb verschmitzt hört der Junge auf die Lehren und macht sich dabei offenbar seine eigenen Gedanken. Das zweite Bild zeigt uns den Burschen allein. Er hat sein erstes gutes Geschäft gemacht, ein besseres vielleicht, als der Vater daheim erwartet. Denn er läßt schmunzelnd ein Geldstück in die Tasche gleiten; Alles lacht an ihm, und wir können nicht umhin, mitzulachen. Ist Knaus der vielseitigste unter unseren deutschen Sittenmalern und Humoristen, so steht ihm eine große Anzahl anderer, die sich ein bestimmtes Gebiet des Schaffens erwählt haben, auf diesem gleich. Defregger führt uns unter die Tiroler Bauern, Grützner in den Klosterkeller zu zechenden Mönchen, Leibl unter politisirende Landleute, Altmeister Menzel in einen Ballsaal während der Pause, wo die alten Glatzköpfe sich um die schöne weibliche Jugend drängen, um mit ihr zu plaudern; Fr. Werner, der einzige, dessen preußische Soldaten Zutritt auf der Ausstellung gefunden haben, zeigt uns vier Grenadiere mit Puderlocken und spitzen Mützen, die durch ein Parkgitter mit zwei Kindermägden scherzen und dabei so aus vollem Halse lachen, daß der Beschauer sofort davon angesteckt wird. Ueberall, ob das Leben der Familie, ob Bauern, Kinder, Mönche, turnende Jugend, vornehme Damen, ob eine durch den Zusammenbruch der Volksbank in Schrecken gerathene Gesellschaft die Künstler beschäftigen, überall spricht aus diesen ihren Schöpfungen Humor, Gemüth, Seele, ziehen sie uns an durch Wärme der Empfindung, überzeugen sie uns durch Wahrheit, erregen sie, weit entfernt blos äußerlich zu befriedigen, unser Inneres.

Fast mehr noch ist dies der Fall bei den Gemälden, die ernste Stoffe behandeln. Ein Bild wie „Die Taufe des Neugeborenen“ von Hoff vermag heute wohl nur ein deutscher Künstler zu malen. Von Gabriel Max, ohne den die deutsche Ausstellung nicht vollständig gewesen wäre, hat man „Die Erweckung der Tochter des Jairus“ hingelehnt. Da die ästhetische Abtheilung das bleiche „Christenmädchen“ von ihm enthält, welches, in den Löwenzwinger geworfen, mit einem letzten rührenden Blick dem Spender einer Rose dankt, die ihr von einem Freunde hinabgeworfen worden, so war dieses blasse und schlummernde Kind, das die edle Gestalt des Heilands zum Leben erweckt, jedenfalls die glücklichste Wahl. Biblische und religiöse Gemälde enthält unsere Ausstellung nur sehr wenige, und sie alle wenden sich vorzugsweise an unser menschliches Empfinden, wie das rührende „Abschiedsmahl“ von K. Gerhardt und „Die Mutter“ von Krug. Der gespenstische „Zug des Todes“ von Spangenberg, die „Meeresidylle“ von Böcklin, „Die Jagd nach dem Glück“ von Henneberg, Gemälde, die nicht das wirkliche Leben schildern, sondern phantastischen Vorstellungen Gestalt geben wollen, hat man wohl nicht ganz ohne Absicht oberhalb der Gesimsleiste ausgestellt, also dem Beschauer etwas in die Ferne gerückt, um in die Gesammtstimmung des abgeschlossenen Bilderfeldes keinen [696] fremden, etwa gar störenden Zug zu bringen. Vielleicht aus gleichem Grunde, vielleicht auch um es den fremden Gästen recht nahe vor Augen zu führen, hat Menzel’s großes „Walzwerk“ seinen Platz an der kleinen spanischen Wand gefunden. Zuerst gingen die Leute meist an diesem eigenartigen Kunstwerk vorüber, achteten der dunklen Gesellen wenig, die mitten im rothen Feuer ihr heißes Tagewerk vollbringen. Mehr und mehr aber erwirbt das Bild sich Freunde, zwar nicht unter dem großen Haufen wohl aber seitens der Kenner, die immer wieder zurückkehren und diese meisterhafte Schilderung der harten, sauren Arbeit bewundern.

Die Bildnißmalerei unserer Landsleute zeigt mehr als jeder andere Zweig dieser Kunst, wie sehr die Wege unserer Besten aus einander gehen. Der geistvolle, liebenswürdige Gustav Richter, der sinnige, fesselnde, gemüthstiefe Fr. Kaulbach, der kräftige, fest die Wirklichkeit erfassende, mit unerbittlicher Treue sie wiedergebende Gussow, dann Lenbach, Schrader, Biermann, alle sind sie unter einander gänzlich verschieden; Jeden erkennt man sofort an seiner eigenen Weise, und jeder ist in ihr ein Meister. Auch Karl Becker durfte hier nicht fehlen. Er giebt dem deutschen Saale einen Zug von Feststimmung durch die „Dichterkrönung Ulrich’s von Hutten“ und das „Ehrenmahl Albrecht Dürer’s“, und Scheurenberg’s „Plaudernde Damen“, das „Mädchen“ von Wünnenberg, welches sich über das auf der Schleppe ihres Seidenkleides spielende Kätzchen freut, verstärken denselben. Nur wenig, wohl nur um zu beweisen, daß wir auch solche Gebiete zu beherrschen wissen, hat man das Leben, die Sitten, die Art fremder Völker in der Auswahl künstlerischer Darstellungen berücksichtigt, die den knapp gemessenen Raum der deutschen Abtheilung füllen. Gentz und Joseph Brandt, jener der Maler des Orients, dieser sich Stoffe aus dem Leben der slavischen Heimath holend, vertreten diese Gattung auf’s Würdigste. Ungetheilte Bewunderung erregen Brandt’s „Kosaken aus dem 17. Jahrhundert“, die mit hellem Jubel, mit Musik und Gesang ihre geliebte Steppe begrüßen.

Selbst in der Thiermalerei und der Landschaft der Deutschen verrathen sich ihre beiden charakteristischen Eigenschaften sofort deutlich. Jeder malt anders. Da treten wir zu Paul Meyerheim, dem köstlichen Humoristen, der das Leben der Thiere mit so treuem, liebevollem Auge studirt, wie Knaus das der Kinderwelt, zu Gebler, dessen Schafe neugierig ihr Bild beschnuppern, welches der Maler im Stalle hat stehen lassen, zu Steffeck, Brendel, Hierymsky, zu Volz und Mali, die weit aus einander gehen und sich doch zusammenfinden in dem, was den echten Künstler macht, in Wahrheit und treuer Beobachtung der Natur. Die Landschaft tritt zurück gegen die anderen Gebiete der Malerei. Da man zur Enthaltsamkeit genöthigt, war es sehr weise, diese gerade hier zu üben. Was wir leisten können, bezeugen Vertretungen aller landschaftlichen Schulen unserer deutschen Kunststätten, die allerdings wieder ebenso viele verschiedene Richtungen vertreten. Lier aus München, Max Schmidt aus Königsberg, Scherres aus Berlin, Leu aus Düsseldorf, dann Lessing, Kalkreuth und vor Allen die beiden Achenbachs genügen, um der ganzen Welt zu zeigen, was die deutsche Landschaftsmalerei vermag. Nennen wir nun noch Riefstahl, dessen Bilder sich in keine bestimmte Gattung einordnen lassen, erwähnen wir eine wundervolle antik-römische Architektur des verstorbene Harder, so werden wir zwar lange nicht alles Vortreffliche, was der deutsche Saal aus diesem Kunstgebiete enthält, berührt, hoffentlich aber genügend berichtet haben, um den Eindruck zu charakterisiren, welche der Besucher in dieser Beziehung erhält.

Unser Saal ist der einzige, wo bei der Vereinigung von Bildern und Marmorwerke das Eine das Andere nicht stört. Bleibt man im mittleren Raume, in der Nähe des Tisches und der Polstersitze, so bemerkt man die Gemälde an den Wänden kaum, dann gehört alle Aufmerksamkeit den aus dem Laubdickicht sich erhebenden Bildwerke. Wir sind mit diesen etwas weniger glücklich gewesen als mit den Gemälden. Das aber liegt zumeist an den Verhältnissen und gebotenen Rücksichten. Das Beste, was die deutsche Bildhauerkunst geleistet, sind die Denkmale und Ehrensäulen, die man verdienten Männern oder den Ruhmesthaten des Volks errichtet hat. Was neu entstanden, betrifft fast ausschließlich den Krieg, und das durfte man hier nicht ausstellen. Das Luther-Denkmal von Worms, das Maximilian-Denkmal von München sind schon auf früheren Weltausstellungen vorgeführt worden. Die bewegten Gruppen, ein Raub der Sabinerinnen, das Volkslied und die Dichtkunst, Liebesgötter, tanzende Bacchanten, die Bildnißköpfe von Begas und von dem Münchener Bildhauer Waagmüller sind zwar meisterhaft, aber nur in der großen, der Denkmals-Kunst überragen wir die andern Völker. In diesen mehr malerischen, spielende Gebilden kommen uns die Franzosen, die Italiener, die Dänen gleich.

War die Schaar der Besucher sichtlich befriedigt, ja entzückt von dem deutschen Saale, so war die Wirkung auf die Kunstgenossen der nächsten Nachbarschaft eine ganz andere. Unseren Krupp, unseren Moltke, allenfalls noch unseren Bismarck will man uns zugestehen, sonst aber sind wir Barbaren, Hinterwäldler. Nun kamen diese Barbaren in allerletzter Stunde, kamen ohne jede Vorbereitung, nur um doch auch den Franzosen noch Ehre und Huldigung zu erweisen, ihren Ruhm mehren, ihren Triumph vergrößern zu helfen, und siehe da! ihr kleiner Saal wurde der schönste der gesammten Kunstausstellung aller Völker. Das war unbestreitbar. Mochte man über die einzelnen Kunstwerke noch so verschiedener Meinung sein, als Ganzes, in seiner edlen Würde, seiner geschmackvollen Einrichtung und Ausstattung, seiner einladenden freundlichen Stimmung übertraf er die ganze lange Reihe der Nachbarn. Das schlug ein wie eine Bombe.

Die Engländer blieben ruhig. Sie besaßen wenigstens Teppiche, Vorhänge, Polstersitze. Auch Italien, Oesterreich, Dänemark und alle die kleinen Kunstländer waren so verständig, nichts mehr zu rühren und zu bessern. Nur die Franzosen stürmten wider ihre Commission. Klagen, Angriffe, Vorschläge wurden laut. So kahl, so nüchtern, so unbehaglich durfte es in den französischen Sälen nicht bleiben. Die Stimme des Volks, auch des Kunstvolks, ist nicht ohne Macht und Einfluß in Frankreich. Man hörte auf sie auch hier. Ueber Nacht suchte man ihr den Mund zu stopfen. Vor die Eingänge mußte der Tapezierer schleunigst Vorhänge von rothem Sammet mit goldenem Getröddel hängen. Das sah wenigstens prächtig aus. Auf dem Fußboden fanden sich Decken, in die Mitte der langen Säle wurden einige Polster gestellt; die derben Holztäfelchen an dem Fuße der Wände, die Durchgänge von einem Saal zum andern bekleidete man unschön genug mit billigen rothen Wollenstoffen. Man hätte sich mit den Sitzen und Fußdecken begnügen sollen, dann wäre dem Bedürfnisse Rechnung getragen gewesen; der Versuch des Schmückens war entschieden mißlungen. Besser waren die früher bezeichneten Ausstellungskörper daran, die ihre Kunsträume noch geschlossen hatten. Dort wurde die bereits festgesetzte Eröffnung von einem Tage zum andern aufgeschoben. Bei den Belgiern, die uns schon wochenlang durch offene Thüren und Zaunspalten in ihre nahezu vollendete Kunstausstellung blicken ließen, ward plötzlich wieder Alles abgesperrt und vernagelt. Es begann dort zu kribbeln, wie in einem Ameisenhaufen. Man schleppte rothe Stoffe, Polster, Teppiche zusammen. Auch die Säle der französischen Bildhauerei blieben gesperrt. Aber das half alles nicht viel. Bessere Feldherren sind oder haben wir Deutschen nun doch allemal. Das beweist auch diese Ausstellung. Daheim ist in sorgfältiger Berathung, mit genauester Rücksichtsnahme auf Raum und Zweck tagelang der Plan festgestellt, seine Ausführung vorbereitet worden. In festbestimmter, wohlberechneter Schlachtordnung sind wir hier erschienen. Was die Andern kopfüber in größter Eile gethan, um uns, wenn nicht zu schlagen, so doch zu erreichen, hat sich als wenig wirksamer Nothbehelf erwiesen. Die Wände in den französischen Bildhauersälen sind mit alten Bilderteppichen bekleidet, auf denen Jagden, Liebesgeschichten, Blumen, Früchte, Helden und Götter in matten Farben prangen. Das paßt wenig zu dem Inhalt der Räume, eint sich gewiß nicht mit ihm zu irgend einer Harmonie. Die dunkelrothen Wollenhüllen, die weichen Sitze der belgischen Abtheilung nehmen wir dankbar hin; wir würden sie aber kaum bemerkt haben ohne ihre besondere Vorgeschichte.

So hat unser Deutschland auch hier unter schwierigen Verhältnissen, auf hart bestrittenem Boden einen glänzenden Sieg errungen mit dem kleinsten Heere. Aber es sind Kerntruppen, die wir auf das Marsfeld gebracht, und geführt hat sie ein besonnener, kluger, aber darum nicht minder muthvoller, siegesgewisser Feldherr: Anton von Werner.

Fritz Wernick.

[697]

Burg Nimmersatt.[1]
Von Rudolf Loewenstein.

War ein Geschlecht von Recken,
Gefürchtet in Dorf und Stadt,
So einst geherrscht mit Schrecken
Auf Veste Nimmersatt.

Es hauste sonder Schonen
Mit Schwert und Speer und Geschoß;
Der Bauer mußte frohnen,
Der Bürger zinsen dem Schloß.

Und Wehe, dreimal Wehe,
Wenn droben der Thürmer blies,
Dem Kaufherrn, der in der Nähe
Der Burg sich blicken ließ! –

Heut ziehn nicht Ritter noch Knappen
Auf Raub mehr aus und Gefecht.
Zerschellt ist dein Schloß und Wappen,
Du nimmersattes Geschlecht!

Die Recken sind all vergessen,
Die hier geschwungen das Schwert,
Und im Burgfrieden indessen
Ist Friede eingekehrt.

Ja, Friede liegt gebreitet
Rings um das verfallne Haus;
Kein Edelfräulein mehr reitet
Zur Reiherbeize hinaus.

Das wissen die klugen Reiher –
Kein Falk ist zu fürchten mehr –
Lustwandelnd schreiten am Weiher
Und fischend sie einher.

Und in der Eichen Geäste
Spottdrossel sich hören läßt:
„Schlaf fest, vesunkenen Veste,
Du Ritter- und Räubernest!“





August Petermann.

„Rasch tritt der Tod den Menschen an,
Es ist ihm keine Frist gegeben;
Er stürzt ihn mitten in der Bahn,
Er reißt ihn fort vom vollen Leben.“

So ist August Petermann in Gotha im besten Mannesalter, in rüstiger Arbeitskraft, im nur sechsundfünfzigsten Altersjahre aus dem Leben geschieden. Rasch und unerwartet hat der Tod am Morgen des 25. September dem künstlerisch geschmackvollsten Kartenzeichner den Griffel entwunden, den kritischen Schriftsteller einer Zeitschrift von Weltruf, den Leiter eines Theils des größten und vortrefflichsten geographischen Instituts in Deutschland aus dem Leben dahingerafft.

Seit dem Tode Alexander von Humboldt’s und Karl Ritter’s (1859) hatte die geographische Wissenschaft in Deutschland in Oscar Peschel ihren beredtesten Lehrer und Förderer verloren – in August Petermann verlor sie in Deutschland, vielleicht in der ganzen civilisirten Welt, den internationalsten Geographen.

Petermann’s Studirstube war das Reservoir, in welches alle Ströme und Quellen der verschiedensten geographischen Studien und Forschungen zusammenflossen, um hier von ihm in Wort und Kartenbild geklärt und befruchtend wieder in alle Welt geleitet zu werden. Petermann’s Studirstube war das Centralbureau für die ersten Berichte über wissenschaftliche Reisen und geographische Entdeckungen, über geographische Forschungen und Arbeiten aller Art in den fernsten Ländern und Meeren, die von hier aus gesichtet, verarbeitet und in alle Welt weiter verbreitet wurden. Seine außerordentlich umfangreiche, sorgfältig erhaltene Korrespondenz ist für die Geschichte der geographischen Wissenschaft in den letzten Jahrzehnteten eine eigenartige, überaus reiche Quelle authentischer Mittheilungen, wie sie kein Privatmann

[698] ähnlich besitzt. Petermann’s Studirstube enthielt die reichste Sammlung seltener, oft gar nicht käuflicher Kartenwerke, zahlreiche handschriftliche Skizzen und Entwürfe, die ihm von Behörden, Autoren und Reisenden überlassen waren. So enthielt die Sammlung beispielsweise das kartographische Material über Australien in einer Vollständigkeit, wie sie kaum in amtlichen englischen Sammlungen zum zweiten Male angetroffen werden dürfte.

August Petermann wurde am 18. April 1822 in Bleicherode bei Nordhausen am Harz geboren. Die Vermögensverhälnisse des Vaters, eines untergeordneten Gerichtsbeamten, gestatten diesem nicht, für den Unterricht seiner vier Kinder besondere Kosten zu verwenden. Erst im vierzehnten Altersjahre kam Petermann auf das Gymnasium zu Nordhausen, um vielleicht dereinst als Stipendiat Theologie zu studiren. Aber nur zwei flüchtige Jahre blieb er in der gelehrten Schule. So entbehrte der mittellose Knabe den besseren Unterricht einer höheren Schule. Ein guter Genius vergütete ihm das trübe Entbehren durch eine hohe Geistesgabe, durch ein seltenes Talent für die zeichnende Kunst. Schon seit früher Kindheit hatte der Knabe eine hervortretende Neigung zum Zeichnen, welche ihn später zur Kartographie führte.

Ein Zufall gab dem Lebenswege des sechszehnjährigen Jünglings eine glückliche Wendung.

Damals war es, daß auf Anregung Alexander von Humboldt’s mit Unterstützung König Friedrich Wilhelm’s des Dritten in Potsdam eine geographische Kunstschule eröffnet wurde. Humboldt, Ritter, Heinrich Berghaus, damals die Triumvirn der geographischen Disciplin in Berlin, hatten dieselben in fruchtbare Gährung gebracht, und Berghaus, der berühmteste Kartenzeichner jener Zeit, ward oberster Leiter der Kunstschule. Auf dem malerischen Brauhausberge gelegen, hatte die Schule in der Umgebung anmuthig-wechselnder Hügel- und Waldlandschaft, weiter schöner Havelseen die anregendsten, instructiven Vorlagen für Uebungen in der höhern Feld- und der Höhen-Meßkunst, in der graphischen Darstellung der Gewässer auf der Erdoberfläche (Hydrographie) und in der Bestimmung der Höhenverhältnisse nicht weit von einander entfernter Punkte (Nivellirung). Und hierbei sollten die Schüler vorzugsweise im Entwerfen, Construiren und Compiliren von Landkarten und selbst im Lithographiren und Kupferstechen geübt werden.

Die Bekanntmachungen der Eröffnung dieser Potsdamer Kunstschule und des Lehrplans hatten Ostern 1839 den Vater Petermann’s veranlaßt, dem Professor Berghaus Zeichnungen von seinem Sohne einzureichen, in denen der erfahrene Kartenzeichner das höchst beachtenswerthe Talent erkannte, und – A. Petermann wurde nicht nur Zögling der geographischen Kunstschule, sondern alsbald auch Haus- und Familiengenosse seines Lehrers, der die Arbeiten seines Schülers so zu verwerthen wußte, daß sie die für den Jüngling unerschwinglichen Unterrichtskosten mehr als vollständig deckten.

Petermann’s Fortschritte und Leistungen übertrafen alsbald die höchsten Erwartungen des Lehrers. So kam es, daß letzterer, als Humboldt ihm die Copirung und Vervollständigung seiner „Carte de l’Asie centrale“ auftrug, diese Arbeiten von Petermann ausführen ließ. Berghaus selbst berichtet hierüber in seinem Briefwechsel mit Alexander von Humboldt:

„Die schön und sauber ausgeführte Copie erntete Beifall. Ich nahm Gelegenheit, Humboldt zu erinnern, daß er unter die Karten zum Atlas seiner amerikanischen Reise die Namen der Zeichner, wie Friesen, Michaelis etc., gesetzt habe, als Anerkenntniß auch ihrer Thätigkeit an seinen Werken, und an diese Erinnerung die Bitte zu knüpfen, mit dem Anfertiger der Reinzeichnung der Carte de l’Asie centrale es ebenso halten zu wollen, was für den jungen Mann eine große Aufmunterung sein werde. Humboldt war ohne weiteres bereit, meinen Wunsch zu erfüllen; ich mußte ihm den Zeichner nennen, dessen Vor- und Zuname er sogleich aufschrieb. In dem erstern muß er mich mißverstanden haben, denn er hat auf der Karte aus August einen Karl Petermann gemacht!“

So hatte Petermann schon früh die Anerkennung Humboldt’s gefunden. Er war auch der thätigste Zeichner und Mitarbeiter an Berghaus’ berühmtem und epochemachendem physikalischen Atlas, der damals bei Perthes in Gotha erschien. Aber das Haus des väterlichen Lehrers war für ihn mehr als bloße Zeichenschule. Die reiche Bibliothek, die er unbeschränkt benutzen durfte, der lebhafte Briefverkehr Berghaus’ als Redacteur der „Annalen der Erd-, Völker- und Staatenkunde“, der damals wichtigsten geographischen Zeitschrift in Deutschland, die vielseitige, äußerst gewandte schriftstellerische Thätigkeit, die er in nächster Nähe sah und zu der er herangezogen wurde, – alles dies übte auf das Talent, die Neigung und den Fleiß des jugendlichen Geographen einen fruchtreichen, begeisternden Einfluß. Petermann hatte im Hause Berghaus’ zu Potsdam die gediegenste Schule, das vielseitige Vorbild zu dem, was er in noch ausgezeichneterem Maße werden sollte. Und derselbe gute Genius, der ihn von der Schulbank zu Nordhausen nach Potsdam geführt hatte, führte ihn auch nach sechsjährigem Aufenthalt 1844 von hier noch England.

Berghaus’ physikalischer Atlas hatte nämlich auch in England so viel Beifall gefunden, daß Keith Johnson, der Besitzer einer kartographischen Anstalt in Edinburgh, im Jahre 1844 mit Berghaus zu einer englischen Ausgabe seines Werkes in Verbindung trat. Petermann ging zur Ausführung dieser Unternehmung dorthin.

Zwei Jahre fesselten ihn die Arbeiten an dem physikalischen Atlas in Edinburgh, während welcher Zeit er auch persönlich mit dem gelehrten geographischen Fachmännern in freundschaftliche Verbindung trat.

Anfang Juni 1847 ging Petermann indeß nach London. Ueberraschend schnell wurde er hier heimisch und der Sprache vollkommen mächtig, sodaß er nicht lange nach seiner Uebersiedelung eine Reihe von geographischen Berichten schrieb, die, hauptsächlich in dem Londoner „Athenäum“, der „Times“ und in anderen Journalen und Werken erschienen, ihm einen europäischen Ruf erworben und die Aufmerksamkeit der gelehrten Welt auf ihn hinlenkten. Gleichzeitig bearbeitete er und gab auf seine eignen Kosten heraus zwei prächtige größere Kartenblätter der britischen Inseln, die eine zur Darstellung der hydrographischen Verhältnisse (Flußgebiete, Canalnetze, einschlägige klimatische Elemente, wie Regenvertheilung), die andere zur Darstellung der statistischen Verhältnisse, beides Musterblätter in ihrer Art und noch bis heute unübertroffen. Diese Arbeiten brachten ihm sofort die höchste Anerkennung bei den ersten wissenschaftlichen Männern Londons und auch bei Behörden. Darauf folgte sein Physikalischer Atlas in sechszehn Blättern, der beim englischen Publicum sehr vielen Beifall fand, so daß er ermuthigt wurde, in London eine von ihm mit Erfolg geleitete geographische Anstalt zu gründen. Bei solchen Leistungen kam es, daß dem deutschen Fremdling Petermann eine für einen Ausländer höchst ehrenvolle Stellung und reiche Verbindungen mit Regierungsbehörden, mit der königlichen geographischen Gesellschaft, den ersten Männern der Wissenschaft, den angesehensten Tagesblättern, Journalen und Verlagshäusern rasch zu Theil wurde.

Schon damals entbrannte seine Neigung, Entdeckungs- und Forschungsreisen zu fördern und in’s Leben zu rufen, und zwar waren es vor allen die nach Afrika und in die Polargegenden.

Petermann’s Ruf veranlaßte mehr die umsichtigen Besitzer der Buchhandlung von Perthes in Gotha, Wilhelm und Bernhard Perthes, ihn im Jahre 1854 nach Gotha zu berufen. Perthes’ geographisches Institut war schon damals das größte derartige in Deutschland. Die Arbeiten der bedeutendsten Geographen, wie die von Stiele, Berghaus, Stülpnagel, Sydow und von anderen waren schon aus demselben hervorgegangen.

Nach zehnjährigem Aufenthalte in England trat Petermann im zweiunddreißigsten Altersjahre am 1. August 1854 in das Gothaer Geographische Institut. Er kam mit fachmännischen Kenntnissen, reicher Erfahrung, einem geschärften Blick, voller Kenntniß der englischen Sprache und einem hochgeachteten Namen und fand in Gotha einen Boden, in welchem sich seine Bestrebungen schnell zu den Blüthen und Früchten entwickelten, die seinen Ruhm bei allen Culturvölkern verbreitet haben. Die in England angeknüpften Verbindungen brachten zahlreiche Briefe und Mittheilungen über die neuesten geographischen Ereignisse, und so reifte denn auch alsbald der Plan zur Herausgabe der „Mittheilungen aus Justus Perthes’ Geographischer Anstalt“ etc. In dem Vorwort zum ersten Bande vom 15. Februar sagt Petermann:

„Unsere ‚Mitheilungen‘ sollen sich dadurch von allen ähnlichen Schriften unterscheiden, daß sie auf sorgfältig bearbeiteten [699] und sauber ausgeführten Karten das Endresultat neuer geographischen Forschungen zusammenfassen und graphisch veranschaulichen. Nie wird deshalb eine Nummer unsere Schrift ausgegeben werden, ohne eine oder mehrere Kartenbeilagen, und diese werden mit besonderer Rücksicht darauf entworfen werden, daß sie allen Besitzern von Stieler’s ‚Handatlas‘, Berghaus’ ‚Physikalischem Atlas’‘ und anderen aus der Anstalt hervorgegangenen Kartenwerken ein fortlaufendes leicht zugängliches Supplement in handlicher Form gewähren. Wir werden es uns angelegen sein lassen, besonders wichtige neue Entdeckungen immer sofort, oder möglichst schnell unseren Lesern vorzulegen.“

Schon nach dem Erscheinen der ersten Jahrgange sagte Sir R. Murchison, der Präsident der „Geographischen Gesellschaft“ zu London, in einem seiner Jahresberichte: „Die Fortschritte der geographischen Wissenschaft werden gegenwärtig so vollständig durch die Mittheilungen von Dr. Petermann verbreitet, daß es unnöthig ist, mehr zu thun, als die Aufmerksamkeit auf diese methodische und gut illustrirte Zeitschrift hinzulenken.“ Nachdem er hierauf weitläufig auseinander gesetzt, wie der Umstand, daß die Berichte von Reisenden, welche in englischen Diensten ständen, viel eher in diese Zeitschrift, als in englischen erschienen seien, zu mannigfachen Unzufriedenheiten englischerseits geführt hätten, fährt er fort: „Indem ich also alle Eifersucht verbanne und die Ausdauer und Geschicklichkeit solcher Zeitgenossen bewundere, muß ich mit billiger Offenherzigkeit gestehen, daß die Mittheilungen einen mächtigen und heilsamen Einfluß auf den Fortschritt unserer Wissenschaft üben.“

Und fast ein Vierteljahrhundert haben die „Mittheilungen“ in den dreiundzwanzig bisher erschienenen Bänden an Gediegenheit und Interesse fort und fort zugenommen. Das Material für dieselben strömte in solcher Fülle herbei, daß dasselbe in Ergänzungshefte gebracht werden mußte, die bereits zwölf Bände füllen. Auch Brehm’s vortreffliches „Jahrbuch“ ist als selbstständiges Werk aus den „Mittheilungen“ hervorgegangen.

War Petermann’s Interesse für die beiden Probleme der geographischen Entdeckungen in Afrika und der an der Polorzone schon in England lebhaft gewesen, so wurde es alsbald auch in Gotha auf das Höchste gesteigert, und es ist sehr wesentlich sein Verdienst das Interesse für solche Unternehmungen auch in Deutschland gehoben und gestärkt und zu einem Nationalgefühl begeistert zu haben. Petermann war der geschickteste und eifrigste Agitator, Reisen im Dienste der Wissenschaft zu Stande zu bringen. In ihm vereinigte sich eine agitatorische Thätigkeit, wie sie in ganzen geographischen Gesellschaften nicht zu finden war.

Wie unermüdlich warb er bei Regierungen und Vereinen, bei Privaten und Fachleuten, wenn er einen unternehmenden und mit den nöthigen Eigenschaften eines Entdeckungsreisenden wohl ausgerüsteten Mann gefunden hatte, den es nun zu unterstützen galt! Wie ist er da umher gereist, wie viel hunderte von Briefen hat er geschrieben, bis er die Mittel zusammengebracht hatte, um seinen Schützling einen Vorstoß in das Unbekannte machen lassen zu können!

Wie er schon in England die Reisen Barth’s, Vogel’s und Overweg’s gefördert, so agitirte er in Deutschland für die Reisen des unglücklichen Moritz von Beurmann nach dem Sudan, so gab er den Anstoß dazu, daß Rohlfs nach seiner gefahrvollen marokkanischen Wanderung sich wiederholt dem Innern Afrikas und der Libyschen Küste zuwandte: so hat er für Karl Rauch’s Reisen in Südafrika das Geld zusammengebracht, und wohl mag es wenige unter den heutigen Afrikareisenden geben, welche sich nicht bei ihm Raths erholt und namhafte Hülfe gefunden haben.

Denselben Eifer widmete er den Polarunternehmungen. Die Schicksale Franklin’s, seiner Gefährten und der Franklinsucher prägten sich Petermann schon in London unauslöschlich ein.

Er stand doch mitten in der Bewegung; er zeichnete persönlich die Karten und Entwürfe, welche sich auf das damals noch kaum in seinen äußersten Umrissen bekannte Inselgewirr des arktisch-amerikanischen Archipelagus bezogen, und wie oft mag sein Stift suchend und vorweg zeichnend damals die Vollendung der Küstenlinie versucht haben, gerade so, wie er auch jetzt wieder in den letzten Jahren mit kühnem Federzug die Verlängerung Grönlands über den Nordpol hinaus vermuthet und skizzirt hat! Vor allem aber ist es Petermann’s Verdienst, daß auch Deutschland in neuester Zeit seine drei Nordfahrten zu verzeichnen hatte, unter Werner (1865), Koldewey und Hildebrandt (1868), Koldewey und Hegemann (1869 bis 1870).

Wir nahen dem Schluß, haben aber noch von denjenigen Arbeiten Petermanns zu reden, die seine zahlreichsten, und zumeist auch dem größten Kreise unserer Leser bekannt sind, von seinen Landkarten. In höherem Maße nämlich, als auf die eben geschilderte Thätigkeit Petermann’s, gründete sich sein Ruhm und sehr hohes wissenschaftliches Ansehen auf seine ausgezeichneten, umfassenden kartographischen Arbeiten. Ist schon die große Zahl derselben Epoche machend, da die dreiundzwanzig Jahrgänge und elf Ergänzungsbände der „Mittheilungen“ allein fünf- bis sechshundert einzelne Tafeln enthalten mögen, die theils von ihm selbst, zum größten Theil aber wenigstens unter seiner persönlichen Aufsicht und Leitung bearbeitet und gezeichnet, gravirt, gedruckt und colorirt worden, so ist es mehr noch die Art der Ausführung derselben.

Ganz abgesehen von der wissenschaftlichen Vortrefflichkeit der Karten, die allseitigste Anerkennung fand, sodaß beispielsweise die Regierungen der Vereinigten Staaten und der Colonie Australiens Petermann’s Landkarten ihrer Staaten und Gebiete als die zuverlässigsten und besten bezeichnet haben, zeichnen sich dieselben durch die durch und durch ästhetische Behandlung des oft recht spröden Stoffes aus. Die Blätter werden von einen seltenen künstlerischen Geschmack durchweht, der die einzeln Kartenelemente mit unübertroffener Harmonie zusammenfügt, sodaß die oft verlockend schönen Blätter immer von Neuem den Beschauer fesseln. So sind z. B. die beiden vorerwähnten Karten der britischen Inseln, die nicht nur von ihm gezeichnet, sondern auch von ihm selbst in Kupfer gestochen wurden, wahre Kunstblätter und mustergültig für jeden Fachmann. Was Wunder, daß er so zum Vorbild wurde nicht nur in seinem Vaterlande, sondern fast mehr noch überall im Auslande, wo das Interesse für Geographie und Kartographie fördernde Pflege gefunden hat.

So begann mit Petermann eine wahrhaft neue Epoche für die Kunst des Landkartenzeichnens. Perthes’ geographisches Institut wurde unter Petermann’s Leitung die hohe Schule der Kartographie im weitesten Sinne, der Zeichner und Kupferstecher, Lithographen und Drucker, sowie endlich der Coloristen, aus der eine namhafte Anzahl tüchtiger Männer hervorgegangen ist, die selbstständig in eigenen Instituten im Geiste des Lehrers Vortreffliches leisten.

Bei solchen Verdiensten konnte es nicht fehlen, daß Petermann von allen Seiten die höchste Anerkennung zu Theil wurde. Wie er in England den Ehrentitel: der Geograph der Königin (Geographer of the Queen), und von der Geographischen Gesellschaft in London die große goldene Medaille, die in der Regel nur Entdeckungreisenden für außerordentliche Erfolge gegeben wird, erhalten hatte, so ehren ihn auch überall Fürsten, Akademien, gelehrte Gesellschaften mit ihren höchsten Ehren und Würden.

Während Petermann’s Leben in Gotha wurde das Perthes’sche Institut, man kann sagen ganz Gotha, der Mittelpunkt des höchsten geographischen Interesses. Fast alle namhaften Forschungsreisenden sprachen bei Petermann vor, um ihm die Erstlinge ihrer Arbeiten darzubringen oder von ihm Informationen, Instructionen und Belehrungen vielerlei Art entgegenzunehmen.

Petermann’s Leben war ein reißender Strom rastloser Thätigkeit, außerordentlicher Erfolge. Sein Name wird wie ein elektrisches Licht fort und fort in der Geschichte der geographischen Wissenschaft leuchten. – Leider haben seiner hohen Begabung, seinen seltenen Vorzügen auch mancherlei psychische Schatten zur Seite gestanden, welche die Ursache seines jähen, verhängnißschweren Heimgangs wurden, aber die Wehmuth hierüber und die Gedanken an seine Vorzüge haben die Erinnerung an jene Schatten verlöscht.[2]

J. Loewenberg.
[700]
Das Leben und Treiben auf dem Meeresgrunde.
Bilder aus dem Aquarium zu Neapel.
Von G. H. Schneider.
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II.
Lauernde Grundfische. – Mütterliche Fürsorge des Katzenhais. – Väterliche Wachsamkeit der Schwarzgrundel. – Liebeswerbung und Eifersucht des Lippfisches.

Am häufigsten und bekanntesten von den Grundlaurern unter den Fischen sind die auf dem Tische sehr geschätzten Flachfische, also die Schollen, Butten und Zungen. Sie geben eines der schönsten Beispiele, wie die Natur die Form und Farbe der Thiere der Umgebung, das heißt dem gewöhnlichen Aufenthaltsorte derselben angepaßt, sodaß man erstere nur schwer dort zu bemerken vermag, wodurch sowohl die Angriffe auf nichtsahnende Beutethiere erleichtert sind, als auch zugleich ein Schutz gegen hungrige Feinde gegeben ist, also eine doppelte Zweckmäßigkeit für die Thiere. An der plattgedrückten Form wird der Laie, wenn die Fische auf dem Teller servirt werden, zunächst nichts Auffälliges finden; beobachtet man dieselben aber in ihrem Elemente, in ihrem Leben und Treiben auf dem Seegrunde, dann sieht man zu seiner Ueberraschung, daß gerade diese Form das beste Schutzmittel für diese Thiere ist, ohne welches sie bald zu Grunde gehen würden. Sie bewegen sich wie ein Band dicht am Boden hin, legen sich dann flach auf, und ihr Rand schmiegt sich so vollkommen an alle Unebenheiten des Grundes an, daß der Fisch mit denselben vollkommen eins zu sein scheint. Dazu kommt, daß die obere Flachseite immer genau so gefärbt ist, wie der Aufenthaltsort des Fisches, sodaß man das Thier nur mit der größten Aufmerksamkeit von seiner Umgebung zu unterscheiden vermag.

Sobald der Flachfisch sich vor Verfolgern noch nicht ganz sicher fühlt, macht er eine eigenthümliche schüttelnde Bewegung, durch welche er sich ganz mit Sand bedeckt; er scheint dann verschwunden zu sein. Giebt man aber weiter auf ihn Acht, so bemerkt man bald, wie die Augen, die allein noch bloß liegen, und die sich beide auf der einen Seite des Fisches befinden, sich nicht nur nach allen Seiten drehen, sondern sich auch unheimlich langsam emporheben, sodaß sie zuletzt auf einem Stiele zu sitzen scheinen und einen ganz freien Ueberblick über die nächste Umgebung haben. Dabei bewegen sie sich beide unabhängig von einander, wie beim Chamäleon. – In den zoologischen Werken ist gewöhnlich angegeben, daß außer dem Chamäleon nur die Flachfische dieses Vermögen haben, das ist aber ganz unrichtig. Ich habe die unabhängigen Augenbewegungen fast bei allen Fischen des Neapolitaner Aquarium sehr deutlich beobachtet.

Erscheint irgend ein Feind in der Nähe des Flachfisches, so werden die Augen schnell wieder eingezogen und bleiben unbewegt, sodaß nichts Lebendes mehr dort zu vermuthen ist; hat sich der Gefürchtete entfernt, so heben sie sich wieder langsam empor, drehen sich hin und her, fast im Kreise herum, und spähen nach Beute. Kommen nun kleine Fische, Krebse oder andere Leckerbissen in die Nähe, dann schießt der lauernde Räuber wie ein Blitz auf und packt die Opfer. Er würde diese nicht erlangt haben, hätte er es nicht verstanden, sich ganz unsichtbar zu machen, und hätte er als Mitgift zu seinem Dasein nicht die dazu so äußerst zweckmäßige Form und Farbe erhalten.

Die nach oben gekehrte Flachseite des Thieres hat hellere und dunklere Flecken, die von weitem ganz wie verschieden gefärbte Steinchen und Muschelschalenstückchen aussehen. Diese Flecken sind größer bei den Thieren, welche sich auf einem Grunde mit grobem Sande und größeren Steinchen aufhalten, kleiner bei solchen, welche auf feinerem Sande leben, und die Färbung ist ein eintöniges Grau oder Braun bei den Thieren, welche mehr Schlammgegenden bewohnen, ganz als hätte die Natur Alles überdacht, um die Thiere so gut wie möglich vor den Blicken Anderer zu verbergen. Diese Täuschung wird noch vollkommener durch die Eigenschaft dieser Fische, die Farbe oder Lichtstärke verändern und sie einer anderen Umgebung anpassen zu können. Läßt sich der Fisch auf hellerem Grunde nieder, so wird nach wenig Augenblicken auch seine Färbung heller, schwimmt er wieder nach einem dunkleren Gebiete, so nimmt er die vorherige dunklere Farbe wieder an.

Für den Beobachter hat es zuerst den Anschein, als ob dieser Farbenwechsel ein willkürlicher wäre, wer aber diese so häufig im Thierreiche vorkommende, für das Thier höchst zweckmäßige Erscheinung kennt und studirt, kommt bald zu der Ansicht, daß dieser Lichtwechsel nicht Wirkung des Willens, sondern eine rein physiologische Folge der äußeren Beeinflussung, der Lichteinwirkung ist, wovon das Thier jedenfalls eben so wenig merkt, als es uns zum Bewußtsein kommt, wenn sich die Pupille unseres Auges verengert oder erweitert, je nachdem wir in eine lichtvolle oder lichtarme Umgebung treten.

Bei anderen Thieren, bei vielen Eidechsenarten, dann bei fast allen Baumfröschen, ferner bei den Kopffüßlern (Cephalopoden) also beim Polypen (Kraken), bei der Sepia (den Tintenfisch) und auch bei anderen Fischen, insbesondere bei der Bachforelle findet dieser Wechsel der Farben- und Lichtwirkungskraft in viel auffälligerer Weise statt, ist viel mannigfacher und erfolgt weit rascher, so daß er bei diesen Thieren weit mehr den Eindruck der willkürlichen Thätigkeit macht als bei den Flachfischen. Und dennoch geht aus den neueren Untersuchungen über den Farbenwechsel des Chamäleons hervor, daß derselbe unwillkürlich und ein einfacher Lebensvorgang in Thierkörper ist. Man müßte im andern Falle auch bei diesen Thieren eine Licht- und Farbenunterscheidung annehmen, wie wir solche nur bei höheren Wirbelthieren, den Vögeln und Säugethieren kennen lernen.

Derartige an sich zweckmäßige Eigenschaften, wie wir sie an der Scholle kennen lernen, sind aber nicht vereinzelt. Alle Thiere, die wir kennen, sind zu ihrer Erhaltung und Fortpflanzung zweckmäßig gebaut; sonst wären sie eben nicht vorhanden. Wir können diese individuelle Zweckmäßigkeit gleich noch mehr bewundern. Im Aquarium zu Neapel giebt es immer ein oder mehrere lebende Exemplare von dem Sterngucker (Uranoscopus). Dieser Fisch hat sein Maul nicht vorn, sondern oben; es ist nicht horizontal, sondern vertical, und seine Augen stehen nicht seitlich, sondern ebenfalls oben, sind ihm auf den Rücken gewachsen. Die Lebensweise dieses Fisches erklärt seine Organisation. Er lauert in Sand und Schlamm auf Beute und vergräbt sich dazu so tief, daß nur die Augen noch über dem Boden hervorragen und der verticale Mund nun, wenn er etwas geöffnet ist, eine senkrechte Spalte bildet, die im Schlamme zu sein, aber keinem lebenden Wesen anzugehören scheint. Das Thier ist in dieser Lage vor feindlichen Spähern und Angriffen vollständig gesichert; das ist für ihn selbst zweckmäßig, für seine Verfolger unzweckmäßig. Seine Augen können trotz dieses Versteckes das Gebiet überschauen und nach Beute suchen, und sein eigenthümlich gestalteter Mund ist auch in dieser Lage, wenn der Fisch ganz im Sand vergraben ist, befähigt, die armen Opfer zu packen; das ist wieder eine Zweckmäßigkeit für ihn und zugleich eine Unzweckmäßigkeit für Andere.

Liegt nun der Fisch auf der Lauer und verspürt Hunger, und es zeigen sich in der Nähe kleinere Fische, so scheint es plötzlich, als kröche ein Wurm langsam aus der Erde heraus und krümme sich hin und her; die kleinen Fische, denselben bemerkend, umschwimmen ihn mit gierigen Blicken; bald nähert sich dieser, bald jener, endlich schnappt einer zu, und was geschieht? Fisch und Wurm verschwinden zu gleicher Zeit in den Grund, und zwar in die vermeintliche Schlammspalte, das heißt in den Rachen des Räubers. Dieser scheinbare Wurm ist ein langer walzenrunder Hautlappen im Munde des Sternguckers, ist seine Angel und sein Köder für die Beute, womit er dieselbe durch wurmförmige Bewegungen anlockt und, sobald sie anbeißt, verschlingt.

Ganz ähnlich wie der Sterngucker treibt es der Seeteufel, ein Fisch, der bei schmutzig brauner Schlammfarbe nur aus einem großen platten Kopf mit einem riesigen mit Zähnen reich besetzten Maule zu bestehen scheint, und dieses letztere hat bei der Länge von fünf Fuß, welche der Fisch erreicht, dann mindestens anderthalb bis zwei Fuß Breite. Das ganze Thier

[701]

Luftiges Spielzeug.
Originalzeichnung von O. Schulz in Weimar.

[702] macht den Eindruck eines Teufelswerkes, eines fürchterlichen Fangapparates zum Vernichten alles Lebens, das in seine Nähe kommt. Auch der Seeteufel wühlt sich bis auf die hervorstehenden Augen in den Schlamm ein, schaut mit seinen großen Argusaugen rings umher und späht nach Beute. Hat er solche entdeckt, so beginnt er zu angeln; er erhebt langsam eine lange Flossenstrahle, die am Ende einen Fleischzipfel hat und bewegt diesen Lockapparat hin und her; die armen hungrigen und nichts Böses ahnenden jungen Fischchen können nicht widerstehen; sie schwimmen auf den gefährlichen Bissen zu, umkreisen ihn erst ein wenig, und beißen endlich an, und in demselben Momente sind sie auch in dem fürchterlichen Rachen des Grundräubers verschwunden.

Die Italiener nennen den Seeteufel dieser seiner Gewohnheit halber pescatrice (Fischerin). Je nach Umständen fischt er auch in anderer Weise zu gleicher Zeit. Das Riesenmaul ist an beiden Lippen mit Bärteln, das heißt kleinen Hautlappen reich besetzt, die er ebenfalls zum Anlocken der Beute hin- und herbewegt oder die schon durch das Einathmen des Wassers bewegt werden. Die kurze, am Kopfe sehr verbreiterte Körperform, das unverhältnißmäßig große Maul, das mit feinen hechelförmigen Zähnen einer teuflischen Foltermaschine des Mittelalters gleich, die Hautfetzen, welche dasselbe umgeben, die mächtigen Augen, welche, obgleich sie sie in einer weiten Höhle liegen, doch weit hervorstehen und unregelmäßig von Höckern und Gruben umgeben sind, und endlich die schmutzige Schlammfarbe geben dem Thiere das Gepräge der abschreckendsten Häßlichkeit. –

Diesen Beispielen des Nahrungserwerbes durch Ueberwindung Anderer will ich einige interessante Beobachtungen über mütterliche Fürsorge und zärtliche Liebe gewisser Fische beifügen. Der Katzenhai legt große länglich viereckige Eier, welche an den vier Zipfeln in vier lange Fäden auslaufen; und an diesen Fäden findet man die Eier immer zwischen Korallenstauden, zuweilen auch zwischen frei aufgehängt und gut befestigt. Wenn nämlich das Ei heraustreten will, so sucht der Hai nach einem passenden Orte, etwa nach einer Korallenstaude, umher. Es erscheinen zuerst zwei dieser Fäden; das unverhältnißmäßig große Ei sieht man in der Oeffnung. Hat das Thier passende Stauden oder kalkige Korallenstücke gefunden, so umschwimmt es sie einige Male langsam zur Musterung und Ueberlegung über die zweckmäßigste Anlage, zu welcher es zwei dicht beisammen stehende Stauden oder Zweige braucht. Plötzlich dreht sich der Hai rasch im Kreise um eine Staude herum, sodaß die beiden Fäden an derselben aufgewickelt werden. Indem er nun eine Schwimmanstrengung nach vorn macht, zieht er das Ei an den aufgewickelten Fäden vollends heraus. Nur die beiden anderen Fäden befinden sich noch im Leibe; jetzt dreht er sich auch rasch um die daneben stehende Staude oder um den andern Zweig herum, und wickelt die beiden anderen Fäden ebenfalls auf. Das Ei hängt nun fest angewickelt zwischen den Korallen, sodaß es kein Meerbewohner abzulösen vermag und nach zwei bis drei Wochen sieht man durch die Schale hindurch den jungen Haifisch, wie er, noch mit Dotter verbunden, unaufhörlich die Bewegungen des Schwimmens macht. Nach einigen Monaten schlüpft das junge Thier auf der einen Seite, wo sich das Ei von innen leicht öffnet, aus demselben heraus, tummelt sich frei im Wasser herum und beginnt bald das räuberische Handwerk seiner Eltern. Findet der Hai nicht zwei beisammen stehende Stauden, sodaß er das Ei horizontal zwischen denselben aufhängen kann, sondern nur eine einzelne, dann wickelt er zwei Fäden oben und zwei unten an und giebt dem Ei eine senkrechte Stellung. Fräulein Johanna Schmidt hat in der neuen Auflage von Brehm’s „Thierleben“ eine sehr hübsche und naturgetreue Abbildung von einem horizontal aufgewickelten Haifischei geliefert. Im Neapolitaner Aquarium findet man immer mehrere solcher Eier mit dem unermüdlich sich hin- und herkrümmenden Embryo zwischen den Korallenstöcken aufgehängt. An diesen Eiern kann man mit bloßen Augen das Keimesleben eines Thieres beobachten.

Was hat nun die Fürsorge der Haimutter für einen Zweck? Sie bedingt das Leben des Kindes. Alle Fische des Meeres haben ein großes Bedürfniß nach sauerstoffreichem Wasser. Alle anderen Fisch-Eier schwimmen entweder frei im Wasser umher oder werden an Felsen angeklebt, wo die Wassercirculation niemals mangelt. Der größte Theil derselben wird dabei, da sie aller anderen Nahrung vorgezogen werden, von anderen Fischen wieder gefressen. Der junge Haifisch ist durch die sehr feste Eischale und dadurch, daß Andere das Ei nicht loszulösen vermögen, vor dieser Vertilgung geschützt. Fiele das Ei nun zu Boden, so würde es, wenn nicht von hungrigen Räubern verschlungen, doch leicht in den Schlamm einsinken, von diesem bedeckt werden, und der Mangel einer guten Wassercirculation würde gar bald den Tod des Embryo zur Folge haben. Frei aufgehängt, hat dasselbe immer frisches Wasser, denn das Ei hat zum Durchlaß desselben besondere spaltförmige Oeffnungen, und der junge Embryo erzeugt durch seine Schwimmbewegungen einen immerwährenden Strom, der ganze und einzige Zweck, wie es scheint, seiner embryonalen Turnübungen. Warum ist es für die Haifamilie aber nothwendig, daß dei Eier so gepflegt werden, während andere Fischfamilien, von deren Eiern neunzig und mehr Procent gefressen werden, doch ganz gut bestehen? Antwort: Weil diese Fische eine Unzahl von Eiern in’s Wasser fallen lassen, sodaß es zur Erhaltung der Art schon genügt, wenn ein ganz geringer Procentsatz derselben erhalten bleibt, während dagegen die Haie nur sehr wenig Eier, nur eines auf einmal, legen, von denen kein großer Procentsatz zu Grunde gehen darf, wenn die Art noch weiter existiren soll. Darum hat sich bei anderen Fischen, welche wenig Eier legen, die Gewohnheit ausgebildet, dieselben an Felsen zu kleben und zu bewachen, wie es die Schwarzgrundel macht.

Nach früheren Berichten soll dieser Fisch, das heißt das Männchen, ähnlich wie der Stichling, der Panzerwels und andere, ein förmliches Nest und zwar aus Algen machen, das Weibchen zur Eierablage dort hineintreiben und die Eier dann bewachen. Obgleich man nun im Aquarium zur Grundel Algen in das Bassin gesetzt hatte, habe ich doch nie beobachten können, daß sie versucht hätte, ein Nest zu machen, allein nachdem das Weibchen die Eier an den Felsen angeklebt hatte, legte sich das Männchen tagelang daneben und schoß mit Wuth auf jeden Fisch los, der irgendwie räuberische Absichten zeigte. Zuweilen versteckte es sich unter den Algen; das benutzten dann die kleinen Seejunker, welche sich in demselben Bassin befanden, aber sich immer in respektvoller Entfernung gehalten hatten, sofort und versuchten die Eier aufzufressen. Sobald das die Grundel bemerkte, erschien sie wieder bei den Eiern und verjagte die Räuber, die dann, so lange erstere wachte, sich immer an der entgegengesetzten Seite des Bassins auf hielten; dabei wurde das Grundelmännchen stets zwar nicht roth, aber schwarz vor Zorn, wie denn überhaupt Fische und Kopffüßler bei Erregung dunkler, bei Beruhigung blasser werden.

Auch die Meergrundel legt verhältnißmäßig wenig Eier, und soll diese Art erhalten bleiben, so müssen die wenigen mindestens bewacht werden, damit sie nicht umkommen. Um sie aber bewachen zu können, dürfen sie nicht einfach in’s Wasser gelegt werden, um dort frei herumschwimmen zu können, wie das bei den meisten anderen Fischen der Fall ist, sondern sie müssen irgendwo zusammen gehalten werden, was das Weibchen auch ganz gut besorgt. Wie man sieht, geht alle sogenannte Zweckmäßigkeit auf die Erhaltung der Art hinaus, und irgend eine Einrichtung oder Handlung kann auch nur in Rücksicht auf diese Erhaltung zweckmäßig genannt werden; die Erhaltung der Art bestimmt den Zweckmäßigkeitsbegriff, ohne jene wäre der Begriff gar nicht vorhanden. –

Zärtliche Liebe und grenzenlose Eifersucht, wie ich sie bei Fischen nie vermuthet hätte, habe ich bei dem Lippfisch (Labsus) beobachtet. Das Männchen folgte seiner Geliebten tagelang nach jedem Winkel, nöthigte sie dann in ein Bassin und suchte sie am Herausschwimmen aus demselben zu verhindern. Aber in demselben Bassin befanden sich noch andere schöne Werber, die der Angebeteten ebenfalls gefolgt waren; diese verfolgte der Eifersüchtige unaufhörlich und trieb sie schließlich alle zum Bassin hinaus. Dann nahm er der Verbindungsthür gegenüber lange Zeit Posto, und sobald sich ein Nebenbuhler an derselben blicken ließ, schoß er wüthend auf ihn zu und jagte ihn in die Flucht. Dabei unterschied der Fisch zwischen solchen Gesellschaftern, welche seiner Liebe gefährlich waren, und denen, welche es nicht waren, verjagte nur die Männchen seiner Art und ließ andere, wie die Meerbrassen, welche in der Nähe seiner Geliebten herumschwammen, ganz in Ruhe; andererseits wußten diese auch ganz gut, wem die Zornesausbrüche des Verliebten galten, und erschraken nach einiger Zeit nicht im mindesten mehr, wenn dieser aus seinem Wachtwinkel hervorschoß. Fühlte sich das Männchen sicher, dann [703] schwamm es zur Geliebten hin, umschwamm sie und liebkoste sie. Solches Liebesspiel dauerte über acht Tage, während welcher Zeit sich dieses Männchen als unumschränkter Herrscher im Bassin behauptete.

Es ist interessant zu beobachten, wie bei sämmtlichen Wirbelthieren, von den Fischen bis zum Menschen herauf, die Liebeswerbungen immer in derselben Weise erfolgen. „Erröthend folgt er ihren Spuren,“ das könnten dichtende Fische von ihres Gleichen ebenso gut singen, wenn sie die Sprache hätten, wie Schiller. Das Aufsuchen und Nachfolgen der Geliebten, das Werben durch allerlei Bewegungsspiele und Liebkosungen, die Eifersucht auf Nebenbuhler, die Vertreibung derselben und die Kämpfe dabei: all diese Scenen sind schon bei den Fischen, Lurchen, Reptilien, insbesondere aber bei den Vögeln und Säugethieren ganz allgemein, und der Mensch macht keine Ausnahme von dieser Regel.




Blätter und Blüthen.

Wilhelm Schröder. Wenn wir unseren Lesern berichten, daß Wilhelm Schröder in der ersten Octoberwoche in Leipzig gestorben, so werden nicht wenige fragen: wer war denn der Mann? Diese Alle erinnern wir an jenen Abend, wo sie am Familientische zum ersten Male das plattdeutsche Volksmärchen lasen, das mit den zuversichtlichen Worten beginnt:

„Disse Geschicht is lögenhaft to vertellen, Jungens, awer wahr is se doch. Denn mien Grootvader, van den ick se hew, plegg jümmer, wenn he se mi vortüerde, dabi to seggen: ‚Wahr mutt se doch sien, mien Söhn, anners kunn man se jo nich vertellen.‘“

Wie lauschte dann Alt und Jung, wenn nun im treuherzigen Tone der plattdeutschen Zunge das merkwürdige „Wettloopen twischen den Haasen un den Swinegel up de lütje Heide bi Buxtehude“ ihnen vorgeführt wurde! Wie folgten Alle dem Papa Swinegel so gern in seine Hütte, wo er mit aller hausväterlichen Würde des kleinen Bauern der Haidegegend auftritt und zugleich alle Bauernlist entwickelt, die hinter der ländlichen Einfalt so sicher versteckt ist! Und wenn nun daß Swinegelische Ehepaar den Sieg über den Hasen, „de up siene Wies’ en vörnehmer Herr was, und grausahm hochfahrtig dabi“, glücklich errungen hat und mit dem Wettpreise: „en goldne Lujedor un ’n Buddel Brannwien“ den Heimweg antritt, so beherzigen wir auch den ermahnenden Schluß des Erzählers:

„De Lehre awer uut disser Geschicht is, eerstens, dat Keener, un wenn he sick ook noch so vörnehm dücht, sick sall bikommen laten, over’n geringen Mann sich lustig to maken, un wöör’t ook man ’n Swinegel; un tweetens, dat et gerahden is, wenn Eener freet, dat he sick ’ne Fro uut sienem Stande nimmt, un de jüst so uutsüht, as he sülvst. Wer also en Swinegel is, de mutt tosehn, dat siene Fro ook en Swinegel is; un so wieder!“

Und der Dichter dieses Volksmärchens ist Wilhelm Schröder. Freilich ist es wohl von Tausenden gelesen worden, ohne daß sie den Namen des Verfassers dabei erfahren hätten, denn es gehört zu jenen glücklichen Griffen in der Volksdichtung, die so rasch zum Gemeingut werden, daß, wie bei unzähligen Volksliedern, Märchen und Sagen, der Name des Verfassers darüber verloren geht. Wir aber wollen das Recht unseres Volksdichters wahren und seinen Namen mit seinem gelungensten Märchen untrennbar verbinden. Schröder hat dasselbe in seinem „Hannöverischen Volksblatt“ (Jahrg.1840, Nr. 51) zum ersten Male drucken lassen; Firmenich nahm es in „Germaniens Völkerstimmen“ (Bd. 1. S. 210) mit der Anmerkung: „Erzählt von W. Schröder“ auf, und in Grimm’s Märchenbüchern fand es endlich die weiteste Verbreitung, wurde ins Holländische, Dänische, Schwedische, ja sogar in’s Französische und Russische übersetzt und in Deutschland so oft nachgedruckt, daß sein Verfasser, selbst beim geringsten Honorar, hätte ein wohlhabender Mann werden müssen, wenn man überhaupt noch an ihn gedacht hätte.

Wir haben ein Dichterloos von der altgewohnten Art vor uns, wenn wir einen Blick auf W. Schröder’s Lebensgang werfen. Wilhelm Schröder wurde am 23. Juli 1808 in Oldendorf bei Stade geboren. Sein Vater war der Schullehrer des Orts, ein Mann von entschiedenem Patriotismus und in dieser Tugend des Vorbild des Sohnes. A1s im Jahre 1813 im Königreich Westfalen der Landsturm gegen die Franzosen auftrat, stand der Vater Schröder mit an der Spitze dieser kühnen Bewegung in seiner Gegend. Das augenblickliche Mißlingen desselben brachte ihn in die äußerste Gefahr. Er war bereits zum Tode verurtheilt, wurde jedoch glücklich vor der Füsilirung gerettet. Den Sohn hatte er zu einer wissenschaftlichen Laufbahn bestimmt. Er erschwang die Mittel, ihm den Besuch des Gymnasiums in Stade und dann den der Universität Leipzig zu ermöglichen. Leider schied er aus dem Leben, als Wilhelm noch in der Mitte seines Studiums der Philologie und Philosophie stand, und so rief das Schicksal schon dem Jüngling das „Selbst ist der Mann“ zu. Durch literarische Arbeiten und Unterrichtertheilen erwarb Schröder das Nöthige; auch gewann er sich dankbare Anerkennung durch den Muth, mit welchem er in den Leipziger Unruhen während der Nacht vom 4. September 1830 durch seine entschlossene Ansprache an einen Volkshaufen, der gegen das berühmte F. A. Brockhaus’sche Geschäftsgebäude anstürmte, die Ruhe herstellte. Auch Männer wie Richard Wagner, Osw. Marbach, Otto Wigand u. A. wurden in jener Zeit seine Freunde.

Mit guten Kenntnissen ausgerüstet, ging er 1837 nach Hannover. wo er im Jahre 1840 das oben genannte „Hannöverische Volksblatt“ begründete. Nicht blos den Patriotismus, auch den Lehrtrieb hatte er vom Vater geerbt: sein Ziel war die Belehrung des Volks durch die Schrift. Zunächst hatte er allerdings das Volk seiner engeren Heimath im Auge, aber sein sehender Blick schweifte schon höher, und als die höchste Aufgabe schwebte ihm die des deutschen Volksschriftstellers vor. Sein Unternehmen war vom Glück begünstigt, seine Zeitschrift fand Anklang und wurde zugleich für ihn der Grund und Boden eines sicheren Erwerbs, einer angesehenen Lebensstellung.

Da kam das Unglück mit zwei Schlägen über ihn: 1854 starb seine Gattin, und das Jahr 1866 zertrümmerte ihm das Glück des Lebens, indem es ihm Hab und Gut für immer nahm. Offen und mannhaft für Preußen eintretend, verlor er die Mehrzahl seiner Zeitungsleser; das Blatt und mit ihm seine Erwerbsquelle ging zu Grunde, nach und nach mußte Schröder Haus und Hof und zuletzt seine werthvolle Bibliothek verkaufen und den heimischen Boden verlassen. Vergebens wartete er in Berlin auf irgend eine Anstellung, die ihn für seine Verluste hätte entschädigen können. Der alternde Mann war auf seine Feder angewiesen und hat, als „Pflüger mit dem Geiste“, einen schweren Lebensabend fortgeführt, bis seine letzte Nacht ihm endlich Ruhe und Frieden wiederbrachte. Er starb in Leipzig, bis zum letzten Athemzuge von seinem lieben Kinde, seiner einzigen Tochter Johanna, mit aufopfernder Liebe gepflegt, am 4. October 1878. Am Morgen des 8. geleiteten zwei seiner Söhne und ein kleiner Zug treuer Freunde und Verehrer den alten wackeren Kämpfer zu Grabe.

Kommen wir auf sein Wirken und Schaffen zurück, so müssen wir neben seinen plattdeutschen Werken auch seiner dramatischen gedenken. Die letzten plattdeutschen Schriften Wilhelm Schröders sind in einer Gesammtausgabe in fünf Bändchen bei Lipperheide in Berlin 1871 erschienen, einzelne Bändchen bereits in zweiter Auflage. Sie sind der Beachtung der Freunde plattdeutscher Dichtung werth und geeignet, noch viele Menschen zu erfreuen. Auch ein „Plattdeutscher Sprüchwörterschatz“ ist von ihm herausgegeben (Leipzig, 1874). – Mit seinen dramatischen Werken machte er den ehrenwerthen Versuch, Bilder aus einer erhabenen Zeit der Studentenwelt durch diese selbst auf die Bühne zu bringen, und der große und edle Theodor Döring war es, der dieses Unternehmen durch sein empfehlendes Wort wirksam unterstützte.

Seine Mahnung an die Studenten von Berlin: „Durch Ihre Aufführung für ein Reuter-Denkmal haben Sie Löbliches vollbracht, aber Sie könnten noch Löblicheres thun, wenn Sie dazu beitragen, den Lebensabend eines noch unter uns wirkenden, verdienten Schriftstellerveteranen zu zieren und zu sichern“ fand die würdigste Aufnahme. Schröder’s beide vaterländische Schauspiele: „Studenten und Lützower“ und „Eine Tochter Hamburgs“, jenes Bilder aus der Zeit der Befreiungskriege, dieses aus der deutschen Bewegung in Folge der Julirevolution darstellend, sind in Berlin, Hannover, Bremen, Jena, Halle, Greifswald, Leipzig, Breslau und anderen Orten zur Aufführung gekommen und haben es wohl verdient, daß auch in der Studentenwelt der Name „Wilhelm Schröder“ in frischer dankbarer Erinnerung fortlebt. Mit der Veröffentlichung seines Bildnisses, wie es die letzten Jahre des greisen Mannes zeigten, hat die „Illustrirte Zeitung“ (1876, 5. Februar) noch den Lebenden vor zwei Jahren erfreut. F. H f m.




Seltsames Phänomen aus dem Leben der Wandervögel. „Bald nach meiner Ankunft in Kairo,“ schreibt uns Adolf Ebeling,[3] „begrüßte ich unter den Vögeln, die ich im Palmengarten unseres Hôtels bemerkte, verschiedene alte Bekannte aus Deutschland. Zuerst natürlich den Spatz, den frechen Proletarier … Socialdemokraten hätte ich beinahe gesagt, weil heutzutage alle Welt dieses böse Wort im Munde führt; er schien mir sogar im Pharaonenlande noch unverschämter zu sein, denn er flog ungenirt auf unsern Frühstückstisch und holte sich Krumen und Brocken von jedem unbewachten Teller. Sonst ist aber nichts Besonderes von ihm zu erzählen. Nach den Spatzen kamen die Schwalben. Diese freundlichen Vögel sind schon poetischer, und es war uns immer wie ein Heimathgruß, wenn wir sie, noch dazu im December und Januar, durch die krystallklare, lichtblaue Luft hin- und herschießen sahen oder sie früh Morgens in den blühenden Nil-Akazien zwitschern hörten. Aber auch sie boten uns keinen Stoff zu besonderen Beobachtungen. Diese wendeten wir dafür den Bachstelzen zu, und zwar zunächst deshalb, weil uns ihre Anwesenheit im Morgenlande sehr überraschte, denn wir wußten damals noch nicht, daß auch die Bachstelzen Meereszugvögel sind, sondern meinten, wie übrigens auch viele von ihnen thun, sie [704] zögen im Winter nur nach dem südlichen Europa und höchstens bis nach Sicilien und den Griechischen Inseln. Daß sie bis nach Afrika und speciell nach Aegypten kommen und von da weiter bis nach Nubien und Abessinien, war uns damals noch unbekannt. Verwunderlich, ja beinahe unglaublich erschien uns dies hauptsächlich wegen des eigenthümlichen Fluges der Bachstelze, die ja bekanntlich immer nur in kurzen Absätzen und in kürzeren oder längeren Bogenlinien durch die Luft schießt und, scheinbar wenigstens, diesen Flug alle Augenblicke unterbricht, um sich wieder zu setzen und weiter zu „wippen“. Aber das Factum war da und ließ sich nicht wegleugnen: überall in den Gärten von Kairo sah man Bachstelzen, auch unter den Palmen der Nilufer und gleichfalls in den großen Alleen, die nach den Pyramiden führen, ja an den Pyramiden selbst, also inmitten der Wüste. Und dort war es auch, wo ich zuerst von dem seltsamen Phänomen hörte, über das ich kurz berichten will.

Wir saßen nämlich eines Abends am Fuße der Cheopspyramide bei einer Schale Mokka, den uns die Beduinen bereitet hatten, und bliesen unter heiterem Geplauder die blauen Rauchwolken unserer Korani-Cigarretten in die Luft – die einzigen Wolken, nebenbei bemerkt, die zu sehen waren, denn der Himmel war, wie fast immer in Aegypten, völlig wolkenlos und von einer so durchsichtigen Helle, wie wenn er aus einer immensen Glaskugel bestände; wir warteten nur auf den Untergang der immer tiefer sinkenden Sonne, um unsere Rückfahrt nach Kairo anzutreten. Das tiefe Schweigen der uns umgebenden Wüste hatte etwas ungemein Feierliches, es wurde nur von Zeit zu Zeit durch den heiseren Geier hoch über uns unterbrochen, und noch höher kreisten die Pelikane, deren Flug, so schwerfällig sie auch in der Nähe aussehen, an Majestät von keinem andern Vogel erreicht wird. Dicht vor uns tänzelten und wippten einige Bachstelzen, die ganz zutraulich waren, hin und her flogen aber immer wieder in unsere Nähe kamen. Ich äußerte bei dieser Gelegenheit, daß ich nicht recht begreifen könne, wie die Vögel im Stande seien, die weite Reise über das Mittelmeer zu machen. Das hörte der Scheich Ibrahim, dem unser Dragoman davon sprach. Der alte Beduine wandte sich in einem Gemisch des Arabischen und Französischen folgendermaßen an mich, und der Dragoman half zu besserem Verständniß aus:

‚Weißt Du denn nicht, hadretak (hoher Herr), daß diese kleinen Vögel von den großen über das Meer getragen werden?‘

Ich lachte, und die Freunde gleichfalls; denn anfangs glaubten wir, falsch verstanden zu haben. Aber nein! Der Alte erzählte ganz unbefangen weiter:

‚Das weiß ja bei uns jedes Kind. Diese assafihr (kleinen Vögel) sind viel zu schwach, um aus eigener Kraft die lange Seereise machen zu können. Das wissen sie auch sehr gut, und deshalb warten sie auf die Störche und Kraniche und andere große Vögel, auf deren Rücken sie sich setzen; sie lassen sich so über das Meer tragen. Die tijuhr (großen Vögel) thun es gern, denn sie haben die kleinen Gäste sehr lieb, die ihnen noch dazu auf der langen Reise durch ihr lustiges Gezwitscher die Zeit vertreiben.‘

Das schien uns unglaublich; wir riefen ein paar braune Beduinenknaben herbei, zeigten ihnen die Bachstelzen und fragten sie:

‚Wißt Ihr, wie die kleinen Vögel hierher gekommen sind?‘

‚Gewiß,‘ antworteten sie, ‚der Abu Saad (der Storch) hat sie über das Meer getragen.‘

‚Da hörst Du, daß ich Dir die Wahrheit berichtet habe,‘ sagte der alte Ibrahim nicht ohne Selbstgefühl und hielt mir zugleich seine braune Hand mit einer leichtverständlichen Bewegung entgegen. Ohne Bakschisch, das heißt ohne Trinkgeld, geht es nun einmal nicht in Aegypten. –

An der Abendtafel im ‚Hôtel du Nil‘ erzählte ich dann Allen die es hören wollten, die seltsame Geschichte, fand aber natürlich nur ungläubige Ohren.

Der Einzige, der weder lachte noch spottete, war der Hofrath Heuglin, der berühmte Afrikareisende und (mit Brehm) wohl der bedeutendste Ornithologe unserer Zeit, wenigstens für die afrikanische Vogelwelt. An ihn wandte ich mich nach Tische und klagte ihm meine Enttäuschung. Der gute Hofrath lächelte in seiner feinen kaustischen Weise und zwinkerte dabei mit den Augen, wie er gewöhnlich zu thun pflegte, wenn man ihn in einer wissenschaftlichen Frage zu Rathe zog. Dann sagte er: ‚Lassen Sie die Andern nur lachen! Sie verstehen ja doch nichts davon. Ich lache ganz und gar nicht darüber, denn auch mir ist die Sache bekannt. Ich hatte sogar längst bei irgend einer Gelegenheit in meinen Schriften etwas darüber gesagt, wenn ich nur einen schlagenden Beweis dafür gehabt und zwar aus eigener Anschauung. Unsereiner muß sich mit solchen Dingen weit mehr in Acht nehmen, als der blos erzählende und unterhaltende Schriftsteller; wir müssen für alles den Beweis haben. Für möglich halte ich übrigens den Fall, aber, wie gesagt, ich kann ihn nicht verbürgen.‘ – So der gute Heuglin, der nun auch schon zu den Todten gehört.

Meine Entdeckung, wenn ich sie so nennen darf, behielt ich übrigens, nachdem Heuglin sich so darüber ausgesprochen hatte, für mich, und würde auch noch heute über dieselbe schweigen, wenn ich nicht kürzlich eine neue Autorität dafür gefunden hätte.

Ich lese nämlich in der zweiten Ausgabe von Petermann’s großem Reisewerke:[4]

‚Professor Roth aus München erzählte mir in Jerusalem, daß der bekannte schwedische Reisende Hedenborg, der sich auf der Insel Rhodus niedergelassen, folgende interessante Beobachtung gemacht habe. Er hörte öfter, wenn die Züge der Störche im Herbst über das Meer nach Rhodus kamen, Gesang von Singvögeln, ohne daß er diese entdecken konnte. Einst ging er den Zügen der Störche nach und sah, als sie sich niederließen, daß von ihren Rücken kleine Vögel aufflogen, welche sich auf diese Weise über das Meer tragen ließen. Die Größe der Entfernung hatte ihn verhindert zu bemerken, welche Gattung von Singvögeln dies gewesen.‘

So schreibt der berühmte Geograph.[WS 2] Hedenborg und Roth sind durchaus glaubwürdige Gewährsmänner. Daß Ersterer die Gattung der kleinen Vögel nicht näher bezeichnen konnte, ist in Bezug auf das Factum an sich nur von untergeordneter Bedeutung und schließt auch jedenfalls die Bachstelzen nicht aus, vorzüglich wenn man damit die Erzählung des alten Ibrahim in Verbindung bringt. Interessant wäre es aber, wenn sich, durch diese Mittheilung angeregt, andere Kenner und Sachverständige darüber aussprechen möchten; wir bekämen vielleicht auf diesem Gebiete noch ganz andere und weit seltsamere Dinge zu hören. Ist doch das Instinctleben der Thiere, trotz aller Beobachtungen und Erfahrungen noch in so vieler Beziehung ein Buch mit sieben Siegeln.“

  1. Die Ruine Nimmersatt befindet sich bei dem Dorfe gleichen Namens im Kreis Bolkenhain im Regierungsbezirk Liegnitz, dabei Schlucht „Augustwinkel“ und Colonie „Bettelfichte“. Die Burg gehörte lange Zeit zu den gefürchtesten Raubnestern Schlesiens.
  2. Ein wohlgetroffenes Bildniß August Petermann’s theilte die „Gartenlaube“ ihren Lesern in Nr. 50 des Jahrgangs von 1868 mit, wo mit ihm Capitain Karl Koldewey und Obersteuermann Richard Hildebrandt in einer Gruppe als Gründer und Führer der ersten deutschen Nordpolexpedition dargestellt sind.
    D. Red.
  3. Aus einem noch ungedruckten „Aegyptischen Tagebuche“.
    Bei dieser Gelegenheit theilen wir unsern Lesern mit, daß von demselben Verfasser, der sich bereits früher durch seine „Bilder aus Paris“ einen so großen und dankbaren Leserkreis, namentlich in der Frauenwelt erworben hat, soeben ein Werk über Aegypten unter dem Titel „Bilder aus Kairo“ erschienen ist. Die „Gartenlaube“ zählt den Verfasser schon seit längeren Jahren zu ihren Mitarbeitern und brachte von ihm auch schon mehrfach interessante Schilderungen aus dem Pharaonenlande und, speciell aus der märchenhaften Khalifenstadt. Die „Bilder aus Kairo“ sind sehr ansprechend und gut geschrieben, ganz in der bekannten Ebeling’schen Manier, voll von kleinen novellistischen und humoristischen Episoden und dabei überaus decent, sodaß wir dieselben aus voller Ueberzeugung als, ein wirklich gutes Buch empfehlen können. D. Red.
  4. Reisen im Orient von H. Petermann. Zweite Ausgabe. I. Bd. S. 41.





Berichtigung. In Gustav Weck’s Gedicht „Im Paradiese“ (Nr. 39) hat sich in einem Theile unserer Auflage ein Druckfehler eingeschlichen; es ist dort in der ersten Strophe, zweite Zeile statt „hellen Raum“ zu lesen: „stillen Raum“.





Kleiner Briefkasten.

J. Sch. in H. W. Heimburg. Verf. von „Aus dem Leben meiner alten Freundin“ ist, wie wir auch bereits angezeigt, allerdings identisch mit der Autorin der gegenwärtig durch unser Blatt laufenden Erzählung „Lumpenmüllers Lieschen“. Die mit so vielem Beifall aufgenommene ersterwähnte Novelle erschien seinerzeit in der „Magdeburgischen Zeitung“ und ging dann als Buch in den Faber’schen Verlag in Magdeburg über. „Aus dem Leben meiner alten Freundin“ ist ein in seinen Linien gehaltenes Seelengemälde von eigenthümlichem poetischem Reiz, das wir durchaus Ihrer Beachtung empfehlen dürfen. Was duftiges Colorit und stimmungsvolle Situationsmalerei betrifft, erreicht das treffliche Buch nahezu die Rangstufe der gleichartigen novellistisachen Erzeugnisse des mit Recht gefeierten Theodor Storm.

B. J. in Bremen. Episches bringt die „Gartenlaube“ grundsätzlich nicht.




Für unsere von zwiefachem Unglück heimgesuchten Oesterreicher

gingen ein: Verlagshandlung der „Gartenlaube“ M. 300; Alexander Wiede M. 50; eine mitleidige Frauenseele M. 2; S. in Chemnitz M. 1; F. W. M. 3; aus Hainichen M. 10; Alfred L. in W. M. 10; J. Z. in Dresden M. 10.5; Gustav Hanneck in Braunschweig M. 3.5; Karl C. D. in Bamberg M. 10; G. Pl. in Chemnitz M. 5; J. L. Braunsberg in Frankenthal M. 5; P. B. in Reichenbach M. 10; W. Ellen in Magdeburg M. 20; aus Berlin M. 6; Johmae in Soldin M. 10; M. A. L. in Erfurt M. 3; Fed. Fischer in Buchholz M. 10; E. G. in Bremen M. 3; A. Leon in Schlochan M. 5; F. T. Rbg. a. S. M. 3; aus Coburg M. 10; F. G. in Bremen M. 3; Dr. Becker in Altkirch M. 3; H. H. H. in Cassel M. 10; P. Scheren in Zittau M. 10; E. J. in S., Ober-Lausitz M. 3; Ungenannt in Dresden M. 40; vier Leser der „Gartenlaube“ in Weißstein M. 10; Dr. Z. V. M. 15; C. Hermann Schmidt in Pösneck M. 10; F. S. in Ulm M. 5; aus Völklingen M. 5; L. B. M. 4; R. R. in Detmold M. 5; R. B. in Cassel M. 8; Ungenannt in Durlach M. 8.5; C. Damnitz in Hamburg M. 5; A. Brühl in Gellendorf M. 3; Frau P. B. in Harzgerode M. 6; A. Quelmalz in Oberfrohna M. 6; Regierungsrath Kuntze in Grabitz M. 5; D. K. in Schlitz M. 5; C. Ks. in Suhl M. 10; G. Zechmeyer in Nürnberg, für Briefmarken, M. 1.70; ein Leser der „Gartenlaube“ seit 1855 in Cassel, der noch so glücklich ist, ein trautes Heim zu haben, M. 30; D. R. in Heidelberg, vier Briefmarken à 20 Pf. (nicht M. 1.) 80 Pf.; R. R. in Borna M. 30; Ertrag einer Sammlung in Pösneck M. 5; J. W. Lang in Gotha M. 10; Stadtbaumeister Aug. Ilg in Ueberlingen M. 5; J. B. M. M. 20.5; Geheimrath Sattig in Görlitz M. 10; Hugo Arnoldi in Barmen M. 3; T. und H. S. in O. M. M. 10; Dr. Otto Just in Zittau M. 4; K. in Glogau M. 10; L. Sch. in Peine M. 3; G. Roeder in Frankenthal M. 6; ein Dienstmädchen in Hamburg M. 1; eine Wittwe und ihre zwei Töchter in Detmold M. 5; Max May in Freiburg M. 5; T. B. Schmitt, kgl. Billeten-Exped. in Gunzenhausen M. 2.80; Ludw. Bobsin in Boizenburg M. 15; M. K. in Danzig 40 Pf.; G. L. in Gotha M. 3; M. R. H. M. 10; Oberförster Schmidt in Morgenröthe M. 10; F. A. und E. Schumann M. 25; Fr. M. B. in Kassel M. 30; A. Sch. in Göppingen M. 2; S. M. in Prenzlau M. 1.50; Oberger. Anw. Gravenhorst in Lüneburg M. 30; Bertha S. in Herischdorf M. 6; Krieger, Ulrich, Jordans M. 2.50; Prof. Ht. in Aachen M. 10; ein armer Reisender in Freiburg in Haan M. 10; E. St. in Schweinfurt M. 5; H. in Posen M. 5; Ld. Gdt. in Ffurt. M. 25; aus Roensahl M. 5; von einem Dienstmädchen M. 5; Kränzchen M.- A. M. 15; Dr. Erler in Stollberg M. 5; Ferd. D. in Hanau M. 5; aus Landsberg a. W. M. 1.; aus Rußland M. 9.40; G. in Paris M. 8.20; W. E. D. in Oldesloe M. 5; E. H. in München M. 5; Frau W. in Freiburg i. B. M. 10; Duttenhofer in Rottweil M. 20; Advocat Naumann in Neustadt M. 10; August D. in Schwabing M. 6; H. B. in Taura M. 5; Frl. Gebhard in Brandenburg M. 2; aus Leobschütz M. 10; ein langjähriger Leser der „Gartenlaube“ in Meldorf M. 5; P. H. und F. H. in Minden M. 5.50; M. M. 1; Emilie M. 3; G. B. M. 1; Schlag. und Schw., Orgelbauer, in Schweidnitz M. 3; B. B. in Gotha M. 6; P. P. in Kempten (Baiern) M. 3.10; G. Gottschalk in Bernburg M. 3; O. M. 5; Stammgäste der Jüngling’schen Wirthschaft in Frankfurt a. M. M. 16.55; K. M. 10; „Das ist mein Oesterreich.“ M. 5; aus Schievelbein M. 1; T. S. in Kassel M. 9; Jul. Körner M. 10; O. R. in W. M. 12.50; M. R. in Eisleben M. 10; Ella Riedel M. 4; K. D. in Kassel M. 6; L. H. in Potsdam M. 5.

Die Redaction.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Gedächniß
  2. gemeint ist nicht der Geograph August Heinrich Petermann, sondern der Orientalist Julius Heinrich Petermann, vergl. Kleiner Briefkasten (Die Gartenlaube 1878/48)