Die Gartenlaube (1881)/Heft 17

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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum: 1881
Erscheinungsdatum: 1881
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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No. 17.   1881.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.


Wöchentlich  bis 2 Bogen. Vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig.



Bruderpflicht.
Erzählung von Levin Schücking.
(Fortsetzung.)


„Von wem ich jetzt rede, Aurel?“ fragte der alte Lanken, „nun, eben von diesem Schwachkopfe, diesem Titelkupfer für ‚Knigge’s Umgang mit Menschen‘. – Will Dir nur erst sagen, daß ich den vorigen Winter – natürlich mit Lily – in Brooklyn zubrachte. Ward dem armen Kinde zu still da hinten auf der Farm in Michigan – wollte ein wenig in die Welt hinaus und unter Culturmenschen; konnte es ihr nicht verdenken – gingen für den Winter nach Brooklyn – so eine Art Vorstadt, Nebenstadt von New-York, weißt Du – schöne Gegend, Wasser, Inseln, Waldhügel, gesellschaftliche Excitements aller Art. Nun wohl, hatte immer ein Gefallen an Brooklyn – also wir gehen dahin. Will das Unglück, daß im Bordinghause neben uns der besagte Windhund –“

„Das Titelkupfer?“

„Das Titelkupfer für ‚Knigge’s Umgang mit Menschen‘ zu sitzen kommt, Bekanntschaft anknüpft, den Liebenswürdigen spielt, sehr angenehm plaudert und uns von den Reisen erzählt, die er gemacht hat. Ist am andern Tage wieder da, und am folgenden auch, und so weiter. Erzählt uns, daß er Officier ist, langen Urlaub hat, ein wenig leidend gewesen, brustleidend, Aerzte haben ihm eine längere Seereise empfohlen; nun wohl, ist gleich nach Hinterasien gegangen – von da nach Australien, über’s stille Meer nach San Francisco, von da herüber mit der Pacificbahn, ist frisch und gesund geworden dabei, will sich aber in Brooklyn noch etwas ausruhen, bis er ostwärts heimsegelt.“

Aurel hatte, während sein Vater diese Angaben machte, in wachsender Spannung immer größere Augen auf ihn geheftet, und jetzt erregt die Hand auf seinen Arm legend, rief er aus:

„Und der Name, Vater, der Name des jungen Mannes?“

„Der Name? Was den Namen angeht, so war nichts Besonderes daran, ein Name wie andere auch – aber das Wunderliche war, daß er just aus diesem unserem alten Neste stammte und dahin zurückkehren wollte – der Name war Ludwig von Gollheim –“

„Ich wußte es, ehe Du ihn nanntest,“ rief Aurel in höchster Erregung aus.

„Du wußtest es? Woher wußtest Du es?“ fragte Lanken, seinen Sohn scharf und forschend ansehend. „Kennst ihn, hast Dir von ihm erzählen lassen?“

„Ich kenne ihn – aber erzählen lassen hab’ ich mir nichts – ich hatte nicht die leiseste Ahnung von seiner Beziehung zu Dir, zu –“

„Zu Lily? In der That nicht?“

„Nicht die leiseste.“

„Aber seine Schwester – hat sie ebenfalls keine Ahnung davon, daß ihr Bruder Ludwig sich in Brooklyn –“

„Seine Schwester? Regina Gollheim? Wie könnt’ ich das wissen?“

„Ich denke, Du müßtest es wissen – man trägt mir ja hier zu, Du, Aurel, Du seiest verlobt mit ihr.“

Aurel schüttelte, seinen Vater groß ansehend, verneinend den Kopf.

„So hat man Dir Etwas zugetragen, was unwahr ist,“ antwortete er – „wenigstens bin ich nicht der Verlobte Regina Gollheim’s – das ist unwahr.“

„Unwahr? Desto besser dann!“

Aurel wandte das Gesicht ab. Dann, wie seiner Erregung nicht mehr Herr, sprang er auf. Er ging hastig im Zimmer auf und ab; er murmelte einige Worte für sich hin, die sein Vater nicht verstand, und endlich sich wieder zu diesem wendend, rief er aus:

„Weshalb vollendest Du nicht – was ist mit Ludwig Gollheim, mit dieser Lily?“

„Was ist mit ihnen? Eine alltägliche Geschichte. Sie haben sich mit einander verlobt, verheirathet, sind an die Seeküste gegangen, um da die Flitterwochen zuzubringen – ich unterdeß heim nach Michigan, um da meine Farm zu verkaufen – hatte keine Lust, da in der Einsamkeit mich weiter zu plagen – habe auch einen Käufer gefunden und ein gut Stück Geld dafür bekommen – wollte damit irgend ein Grundstück im alten Lande kaufen – wenn Lily hier diesseits des Wassers war, wollte auch ich – na, kannst das begreifen. Die jungen Leute haben in der Zwischenzeit abgemacht, daß Gollheim voraus hierher gehen soll, um seine Heirath seinem Alten klar zu machen – soll ein schlimmer Aristokrat sein, der Alte; Lily sollte nachkommen und in Hamburg warten, bis Gollheim hier für gut Wetter gesorgt habe und sie abhole, um sie seinen Leuten zuzuführen. Sie reisen also auch ab – er zuerst – nach drei Wochen sie – aber in Hamburg findet sie verzweifelte Briefe von ihm – der Alte hat den unsinnigen Einfall gehabt, sich in den Grafenstand erheben zu lassen – ein Majorat zu errichten – der Sohn soll Titel und Güter erben, wenn er eine Adlige heirathet, sonst nicht; der Alte hat mit der ganzen Sache, die er längst eingefädelt, erst Ernst gemacht, als er über die Gesundheit seines Sohnes beruhigt worden; wird [274] nun aus Wuth diesen todtschießen oder selber den Schlag bekommen, wenn er hört, was sein Sohn gethan – wird den Spott der Welt über sein neugebackenes Grafenthum, das so bald in die Brüche gegangen, absolut nicht ertragen; wird wüthen wie ein Berserker; ist nichts zu thun, als still sein, warten, für’s Erste sich nicht rühren. Das steht in Gollheim’s Briefen. Solche Dinge muß das arme Kind, die Grasmücke, lesen, als sie kaum in Hamburg angekommen. Soll warten! Ich bitte Dich, auf was? Soll still sein – bis sie vergessen ist etwa? Natürlich schreibt sie mir Alles, sendet mir die Briefe des jungen Herrn – ich kann ihr nicht auf der Stelle zu Hülfe kommen, muß drüben in New-York den Tag abwarten, an welchem mir contractlich der Kaufschilling für meine Farm zu bezahlen ist, aber was thut das, ich weiß ja Dich hier, bist Advocat, wirst es verstehen, dem Junker und seiner Sippe die Zähne zu zeigen – so schrieb ich der Lily – schrieb ihr: still sitzen, warten, sich’s gefallen lassen, bange werden? Nichts da! Reisest augenblicklich hinein in das alte Nest, logirst dort bei Schallmeyer, meinem alten Freund, und läßt Dir Deinen Bruder, den Aurel, holen – der wird schon das Richtige anzugeben wissen. Sobald ich kann, komm’ ich selber. Sie gehorcht mir auch, das gute Kind, reist hierher, kehrt bei Schallmeyer ein, und dann – dann befällt sie die Angst. Du, Aurel, Du bist ein großes Thier geworden, muß sie hören – ein Minister! Gehörst selbst zu der vornehmen Bande, und, was noch schlimmer, Schallmeyer will wissen, daß Du mit der Schwester des Junkers verlobt seiest – ist wie ein Wetterschlag für die arme Grasmücke. Weiß nichts zu thun, als an ihren Ludwig zu schreiben – den aber überfällt ebenfalls die Angst, wagt nicht, zu ihr zu kommen, fleht sie nur an, stille zu sitzen; wenn es sein muß, will er auf und davon gehen, irgend wohin, in die Berge, die Alpen, will sie dann nachkommen lassen – wovon sie dort leben wollen, sagt er nicht, der Windhund – so lange soll sie schweigen, warten …“

„Er ist nicht zu ihr gekommen?“ fragte Aurel dazwischen.

„Hat’s nicht gewagt, und deshalb – magst Du, Aurel, mit seiner Schwester verlobt sein oder nicht, Minister sein oder nicht – jetzt bin ich da – und der alte Lanken, weißt Du, läßt sich nicht bange machen, weder durch kleine, noch durch große Thiere. Und nun, da Du Alles weißt und ich Dich auf den Boden des Sackes habe sehen lassen, schenk mir noch einmal von Deinem Burgunder ein – mir ist von dem vielen Sprechen die Kehle trocken geworden.“

„Und mir,“ versetzte Aurel, halblaut und mehrmals tief Athem holend, während er nach seinem Tuche griff, „mir ist die Stirn davon feucht geworden.“

Dann schenkte er seinem Vater das Glas voll; seine Hand zitterte dabei nervös; er füllte so rasch, daß das Glas überfloß, setzte die Flasche hin und ging schweigend auf und ab.

Der alte Republikaner war anscheinend beschäftigt, sich zu einer neuen Cigarre zu verhelfen; darüber fort beobachtete er scharfen Auges seinen Sohn. Dieser blieb endlich stehen. Die Hände auf dem Rücken, das Haupt gesenkt, bohrte er, in Gedanken versunken, mit der Fußspitze in eine grüne Knospe in dem Teppichmuster auf dem Boden, als ob er sie zertreten wolle.

Der alte Lanken lehnte sich, als er seine Cigarre in Brand gesetzt hatte, in den Divan zurück, streckte die Beine weit aus und sagte:

„Nun, Minister – was beschließest Du? Ich habe Dir meine Karten offen gelegt. Was spielst Du jetzt aus?“

Aurel fuhr aus seinen Gedanken empor.

„Um ein Spiel handelt es sich nicht, Vater,“ sagte er, „sondern um sehr ernste Pflichterfüllungen. Ihr habt dort drüben – ich bedauere, Dir das sagen zu müssen – eine todesernste Sache viel zu sehr als Spiel behandelt, eine Sache, bei der ich nicht ganz begreife, wie Du nicht vorher festere Bürgschaften für das Glück Deines Kindes, für die Aufnahme, welche Lily hier finden würde, verlangt hast –“

„Bürgschaften! Verlangen! Hatte gut verlangen! Drüben hat das junge Volk seinen eigenen Willen …“

„Nun ja – drüben mag Manches in anderem Lichte erscheinen. Hier aber handelt es sich jetzt, wie gesagt, um strenge Pflichterfüllungen. Du hast Deine erste gethan, indem Du zum Schutze Deines Kindes über’s Meer gekommen bist – hierher. Ich werde die meine thun, als der Bruder meiner Schwester. Zuerst will ich sie sehen. Und das sogleich. Willst Du mich zu ihr führen?“

„Gewiß, in jedem Dir beliebigen Augenblick.“

„So laß uns gehen! Gleich jetzt!“

Aurel klingelte dem Bedienten und ließ sich Hut und Handschuhe bringen. Der alte Lanken leerte sein Glas, und Vater und Sohn gingen.




5.

Als sie in Schallmeyer’s Hotel garni angelangt waren und der alte Herr einem jungen Stubenmädchen, das ihnen öffnete, gesagt hatte, sie wünschten bei „Mistreß Brown“ gemeldet zu werden, versetzte das damenhafte junge Wesen mit einem ganz überflüssigen heitern Aufleuchten ihrer Miene, welches Aurel auffiel, die englische Dame gehe im Hausgärtchen lustwandeln. Dann öffnete das Mädchen eine unter dem Treppenabsatze am Eude des Hausganges befindliche Thür und deutete auf die Gestalten von zwei jungen Leuten, die im Rahmen der geöffneten Thür, weitab im Hintergrunde des Gartens ein ganz anmuthiges Tableau bildeten. Lily, die Grasmücke, oder „Mistreß Brown“, wie sie hier im Hause hieß, saß da, angethan mit einem hellen Kleide, allerlei Blumen und grünes Blätterwerk im Schooß haltend und sich damit beschäftigend, als ob sie einen Strauß daraus zu binden vorhabe, wobei sie sehr oft ihr lockig über den Nacken hinabfließendes Haar, das durch ein schmales blaues Band über der Stirn festgehalten ward, über die Schulter zurückwarf; sie that das mit einer unnachahmlich anmuthigen Bewegung ihrer kleinen Hand. Sie saß auf einer Gartenbank, die an den Sockel einer alten verstümmelten Steinfigur geschoben war, einer Figur, die eine alte griechische Göttin von jedenfalls den besten Intentionen für die sterbliche Menschheit darstellte; denn sie streckte einen Arm wie schützend, segnend oder irgend eine Gabe bringend aus, nur daß man nicht mehr sagen konnte was; denn dem Unterarme war die Hand abgeschlagen. An den Sockel mit der linken Schulter gelehnt, die Hände auf die Rücklehne der Bank stützend, beugte sich ein junger Herr über Lily, der einen kurzen blauen Morgenrock und ein hellrothes Halstuch mit flatternden Zipfeln trug, was ihm, in Verbindung mit seinem sommerlichen Strohhut, etwas Schäferliches gab.

Er redete sehr eifrig auf Lily ein – die Gruppe war jedenfalls so, daß sie in einem nichtsnutzigen Stubenmädchen Gedanken erwecken konnte, wie sie soeben der verständnißinnige Blick der die Thür öffnenden Schönen verrathen hatte. Der alte Lanken und Aurel näherten sich mit raschen Schritten dem Paare. Lily hatte die Kommenden mit einem leisen Ausruf der Ueberraschung wahrgenommen, fixirte einen Augenblick den durch ihre Anmuth ganz frappirten Aurel und erhob sich dann, mit beiden Händen die Blumen aus ihrem Schooße fortschiebend; sie ging dem Vater und dem, der Niemand anders als ihr Bruder sein konnte, entgegen – ein wenig langsam, ein wenig mit wankenden Schritten, ein wenig furchtsam vor dem viel besprochenen vornehmen Bruder.

Dieser aber streckte ihr bewegt beide Hände entgegen und sagte mit vor Rührung unterdrückter Stimme:

„Lily, theure Schwester!“

„O, Sie sind mein Bruder Aurel! O, Sie sehen so gut und lieb aus – Sie werden Ihrer armen Schwester gut sein. Bruder, werden Sie?“

„Wer würde nicht einem so lieben Wesen gut sein, Lily, wenn es außerdem noch seine Schwester ist?“ entgegnete Aurel, die schmale Hand der „Grasmücke“ zwischen seinen beiden haltend und in ihre hellen, andächtig zu ihm aufschauenden Augen blickend. Er begriff jetzt, weshalb sein Vater sie die „Grasmücke“ nannte; sie sah so hell und lustig aus den Augen und es war etwas so Duftiges, Leichtes in der ganzen Erscheinung – man mußte bei ihrem Anblick in der That an einen kleinen Vogel denken. Und wie ein leichtbeschwingter Vogel war sie ja jetzt auch dahergekommen, über’s Meer herübergeflogen, als ob das für sie gar keine Sache wäre, gar nicht der Rede werth.

„Daß wir so lange gelebt haben, ohne von einander zu wissen!“ fuhr Aurel fort.

„Was hätte Euch das ‚von einander wissen‘ genützt,“ fiel hier der alte Lanken ein, der bis jetzt mit den Augen dem jugendlichen Schäfer mit dem rosenrothen Halstuch gefolgt war, welcher bei dem Kommen der beiden Herren still und bescheiden bei Seite getreten war und eben in dem Buschwerk verschwand, welches den Hintergrund des Gartens hinter der menschenfreundlichen Statue ausfüllte – „was hätte es Euch genützt, so lange Ihr so etwas wie Antipoden [275] waret? – Nebenbei. wer ist denn der junge Herr, der Dir die Unterhaltung machte, Lily?“

„Ein junger Kaufmaun – Buchhalter hier in einem Geschäft.“

„Das seinen Buchhaltern erlaubt, die Vormittagsstunde zu einem angenehmen Verkehr mit jungen Damen zu verwenden?“

„Was weiß ich?“ sagte Lily. „Er wohnt hier im Hause – das ist Alles, was ich von ihm weiß, und daß er sagt, er sei der Sohn eines reichen Kaufmanns am Rhein, sei nur hier, weil der Brauch wolle, einmal ein Jahr lang sich auch in einem anderen Geschäft umzusehen.“

„So, er wohnt hier im Hause? Was dieses alte Känguruh von Schallmeyer nicht alles für Babies in seinem Beutel hat!“

Aurel hatte sich unterdeß auf die Bank gesetzt und Lily neben sich gezogen.

„Etwas wie Antipoden,“ sagte er, auf des alten Herrn Ausdruck zurückkommend, „dem Orte nach waren wir es, Lily, aber wir werden es gewiß nicht unserem Fühlen und Denken nach sein, jetzt, wo wir uns gefunden.“

„O ganz gewiß nicht,“ antwortete Lily, ein wenig schüchtern zu ihrem Vater aufblickend, da sie nicht recht wußte, ob dieser sie so viel werde solch einem Minister einräumen lassen. „Wir werden uns gewiß recht gut verstehen,“ fuhr sie fort, „wenn Sie Nachsicht mit einem jungen Geschöpf haben, das sich hier so fremd, so furchtbar fremd fühlt.“

„Jetzt noch, wo Sie Vater und Bruder hier haben?“

„O, nun nicht mehr – nun nicht mehr, denke ich.“

„Der Bruder wenigstens wird Alles thun, um Ihnen zu zeigen, daß Sie wirklich einen Bruder an ihm hier haben.“

Aurel empfand einen warmen Druck der kleinen Hand, die fortwährend in der seinen ruhte.

„Wie gut Sie sind, Aurel, wie gut! Und ich hatte mich doch so sehr vor Ihnen gefürchtet. So schrecklich! Ich dachte, Sie ließen sich gar nicht anders sehen, als in einer goldenen Kutsche mit sechs Pferden davor. Und Sie müßten so stolz und so böse aussehen wie ein Oger. Nun sehen Sie, welch ein Kind ich bin!“

„Ein Kind unseres Papas da, der als ein grimmiger Republikaner einem Minister, wenn auch nicht sechs Pferde, doch sicherlich wenigstens einen Pferdefuß andichtet,“ sagte Aurel lächelnd.

Der alte Herr, der sich, die Hände auf dem Rücken breit vor ihnen hingepflanzt hatte und mit einer Miene eigenthümlicher Zufriedenheit auf seine beiden Kinder blickte, nickte mit dem Kopfe:

„Einen Pferdefuß habt Ihr Leute auch sammt und sonders,“ sagte er „aber der Teufel ist nicht so schlimm, wie man ihn an die Wand malt, das ist sicher, und was Dich angeht, Aurel, so sehe ich wenigstens, daß Du ihn im Familienleben abschnallen kannst, den Pferdefuß.“

„So lassen wir hier ihn und den Minister bei Seite! Und da Sie mich nun nicht mehr fürchten, Lily – nicht wahr, Sie fürchten mich nicht mehr?“

„O, nicht im Geringsten!“

„Ist auch sonst viel weniger der Grasmücke Sache, das Fürchten, als die kleine Kokette sich stellt,“ fiel der alte Lanken ein. „Weiß, daß sie eine freie amerikanische Bürgerin ist.“

„Nun wohl, da es so ist, lassen Sie uns jetzt damit beginnen, als Geschwister uns Du zu nennen!“

„Hatte schon längst meinen Spaß an Eurem verzwickten: Sie,“ lachte der alte Lanken auf.

„Gewiß, sagen wir Du, Aurel!“ nickte, leis erröthend, Lily.

„Und dann,“ fuhr Aurel fort, „soll ich nicht für ein besseres Heim für Euch sorgen? Dem Vater verbietet seine puritanische Charakterstärke, im Hause eines Ministers zu wohnen; ich bin weit entfernt, mich gegen diese Gesinnungstüchtigkeit aufzulehnen, aber Ihr habt es hier im Hause Schallmeyer’s wenig behaglich und bequem, sehr wenig comfortable, wie Ihr es nennt.“

„Na, der Comfort ging schon an,“ sagte Lanken. „Wär’ nur die alte Beutelratze von Schallmeyer nicht ein so hirnverbrannter Lump von Socialdemokraten geworden, und schliche nicht die graue Katze so unheimlich im Hause herum.“

Lily hatte lebhaft ihren Kopf bei diesem Thema erhoben; lächelnd sagte sie jetzt:

„Die graue Katze wird mich nicht verschlingen, wenn Du mich auch immer eine Grasmücke nennst, alter Pa-, und was den Herrn Schallmeyer angeht, so ist er ja, wie Du mir schriebst, Dein einziger Freund, den Du hier noch hast.“

„Heißt das, daß Du hier zufrieden bist, Lily?“ fragte Aurel.

„Ziemlich zufrieden,“ versetzte sie mit gleichgültigem Tone; „ich habe mich eingewöhnt und möchte mich nicht umquartieren – es giebt so viel Last!“

„Und dem jungen Buchhalter wäre es vielleicht eine Störung, wenn er für seine Vormittagsstunden keine Verwendung mehr fände – durch einen kleinen Speech mit Dir,“ sagte sarkastisch der alte Thierarzt, seine Tochter fixirend.

„Ueberlassen wir die Sache ganz Lily!“ fuhr Aurel fort; „ich möchte sie in einer eleganteren Wohnung sehen – aber ganz wie es ihr behagt!“

„Wie es dem Vater behagt,“ versetzte Lily, mit offenem Blicke zu ihm aufschauend.

„Ueberlaßt es mir, Kinder!“ meinte dieser jetzt, vom Stehen ermüdet sich neben Lily setzend. „Es stände einer solchen Excellenz wie Dir, Aurel, doch verdammt schlecht an, wenn sie in der Stadt umherliefe, um Wohnungen zu besehen.“

„Und kann ich sonst was für Dich thun, Lily?“ fragte Aurel. „Ich werde Dir wenigstens Deine Wohnung zu schmücken suchen, Dir Blumen senden, Bücher. Welcher Art Bücher liebst Du?“

Oh! I like love-stories most,“ sagte Lily, als ob sie’s im Deutschen nicht so naiv offen aussprechen wolle.

Aurel wußte nicht recht, welche Art der zeitgenössischen Literatur sie damit als die von ihr bevorzugte bezeichnen wolle; sein Vater aber fiel ein:

Love-stories, Liebesgeschichten! Das ist nun wieder eine rechte Grasmücken-Antwort. ‚Fudge‘ sagt Mr. Burchill im ‚Vicar‘. Glaub’s Ihr nicht, Aurel! Sie liest weder Liebesgeschichten noch andere Bücher. Auf der Farm gab’s zu viel zu thun. Und ich bitte Dich, woher soll man die Bücher bekommen? Zuweilen ein altes Journal von der vorigen Woche ....“

„Hast Du Musik getrieben – liebst Du Musik, Lily?“

„O gewiß,“ antwortete sie „die Deutschen haben so schöne Musik – wir hatten in Brooklyn eine Bande deutscher Musikanten, die wundervolle Strauß-Walzer spielte. Und Offenbach … ich liebe Offenbach so.“

„Sie hat in Boston auch Musikstunden genommen – ein ganzes Jahr lang,“ sagte Vater Lanken stolz.

„Ja, aber es ermüdete mich so – es war so – langweilig!“

„Sodaß ich Dir keinen Flügel senden zu lassen brauche!“ meinte mit mildem Lächeln Aurel.

„Nein, das brauchst Du nicht, Aurel – aber für Blumen werde ich Dir dankbar sein.“

Aurel versprach, ihr Blumen zu senden. Er fragte dann nach ihrem früheren Leben auf der einsamen Farm, und ließ es sich mit all seinen Eigenthümlichkeiten schildern, mit seiner seltsamen Mischung von patriarchalischem Charakter und wunderlichen Hypercultur-Elementen, mit dem Firniß großer Weltstadtsitten, die über eigenthümlich damit contrastirenden Naturzuständen liegen.

So blieb er noch lange im Gespräche mit Vater und Tochter, meist dem Geplauder Lily’s lauschend und nur ein wenig überrascht, daß diese mit keinem Worte ihre eigentliche Lage, den Zweck ihres Hierseins und ihr Verhältniß zu Ludwig Gollheim berührte. Es war wohl angeborener weiblicher Tact, daß diese erste Stunde ganz dem neugefundenen Bruder gehören sollte. Es war ihm, obwohl er ihr gern, was er in der Angelegenheit zu thun entschlossen angedeutet hätte, doch auch eine Herzenserleichterung, daß er nicht davon zu sprechen gezwungen war. Nur als die Mittagsstunde nahte und er sich aufzubrechen anschickte, nahm er den Vater bei Seite und sagte, indem er sich durch den Mittelpfad des Gartens dem Hause zuwandte:

„Bevor ich etwas thue in Lily’s Interesse, muß ich doch einen Blick auf die Dokumente werfen, welche sie über ihre Trauung mit Ludwig Gollheim besitzt. Du hast doch solche Dokumente?“

„Sicherlich hab’ ich sie.“

„So laß sie mich sehen!“

„Sehen? Glaubst Du mir etwa nicht?“

„Welcher Vorwurf! Ich glaube nur, daß ein Actenmensch wie ich scharfsichtiger ist für etwaige Formfehler oder dergleichen, was uns hier Schwierigkeiten bereiten könnte, wenn wir, was ich nicht hoffe, zu gerichtlichen Schritten gedrängt würden – scharfsichtiger, als Du es sein kannst.“

[276] „Da fürchte nichts,“ versetzte Vater Lanken; „ich bin, was Rechtssachen angeht, drüben auch ein smart fellow geworden. Aber Du sollst sie sehen.“

Er ging mit Aurel in’s Haus und in sein Zimmer hinauf; hier schloß er seinen Secretär auf, aus dem er eine mit Papieren gefüllte Brieftasche nahm. Daraus holte er zwei gestempelte und halb bedruckte, halb beschriebene Papiere hervor. Das eine war eine mit dem Siegel eines „Court of common Pleas“ und der Unterschrift eines Gerichtsbeamten versehene Licenz und Erlaubniß zur Heirath, ausgestellt für Ludwig Baron Gollheim und Lily Lanken, „Spinster“; das andere war eine vom „Minister of the Gospel“ an einer der lutherischen Kirchen zu Brooklyn ausgestellte Bescheinigung über die am 11. April des Jahres 187. stattgefundene Trauung der beiden jungen Leute.

Dawider war nichts zu sagen; Aurel bemerkte nur, daß beide Documente vielleicht zurückgeschickt werden müßten, nun die Beglaubigung von Seiten der deutschen Diplomatie drüben zu erhalten – doch werde sich das später herausstellen. Er gab dem Vater die Blätter zurück und ging, sich von Lily zu verabschieden. Er versicherte ihr, daß er bald zurückkehren werde, was Lily hocherfreut, ihm ihre Stirn zum Kuß bietend, aufnahm.

Als Aurel das Haus Schallmeyer’s verlassen hatte, wandte er sich der um diese Stunde immer sehr einsamen Stadtpromenade zu, um auf ihr, welche den Ort umkreiste, wieder zu seinem „alten Schloß“ zurückzugelangen.

Er ging langsam, die Hände auf dem Rücken und trübsinnig zu Boden blickend, vorwärts. Es war eine dunkle Stunde in sein Leben getreten, trotz der heiteren, reizenden Erscheinung, welche so plötzlich seinen Lebensweg gekreuzt und den Reichthum seiner Gemüthswelt mit der Gabe einer Schwester, der Liebe einer Schwester vermehrt hatte; denn gekreuzt hatte Lily doch auch im eigentlichsten Wortverstande seinen Lebensweg; sie hatte seine eigenen persönlichsten Gefühle plötzlich wie durchschnitten, und grausam, ohne daß Lily es ahnte, bedrohte ihre Erscheinung seine schönsten Lebenshoffnungen mit Vernichtung. Eine wunderliche verwirrende Lage war es, in die er gebracht worden. Diese unvermuthete Rückkehr seines Vaters hatte ihn erst erfreut, dann auch wieder erkältet wegen der wunderlichen Marotten des alten Herrn, bei denen er mit Schrecken daran gedacht hatte, wie Graf Gollheim sie aufnehmen würde, bis am gestrigen Abend noch ein Brief Regina’s ihm gesagt hatte, wie diese Aufnahme ausgefallen – viel, viel ärger noch, als er gefürchtet! Aber Regina’s Brief hatte ihn auch getröstet; das charakterstarke, edle junge Mädchen, das er so leidenschaftlich, mit der ganzen Gluth des gereiften Mannes liebte, hatte ihm deutlich genug ausgesprochen, daß sie kein Wanken und keinen Wechsel ihrer Gefühle kenne, und so hatte er während einer schlaflosen Nacht noch mit hoffender Zuversicht in die Entwickelungen der Zukunft schauen und ihnen eine günstige Wendung in seinem und Regina’s Schicksal anheimstellen können.

Aber dann war sein Vater an diesem Morgen mit seinen furchtbar überraschenden Enthüllungen gekommen, Enthüllungen, die das ganze Gebäude seiner Glückshoffnungen über den Haufen geworfen, und ihm nichts übrig ließen, als Fassung zu suchen bei dem Gedanken, daß ihm keine Wahl übrig gelassen sei, bei dem Gedanken des Muß, des kategorischen Imperativs der Pflicht. Es war ja noch ein Glück, daß sie so klar, so unausweichbar, so verzweifelt einfach vor ihm lag, daß er sich das Hirn nicht zu zerquälen brauchte mit Suchen, mit Fragen, mit Ausklügeln von Auskunftsmitteln. Nein, er mußte seine Pflicht thun. Seine Schwester war Ludwig Gollheim’s Weib geworden. Er war ihr Bruder. Er mußte für ihre Rechte eintreten. Mochte er den Grafen Gollheim sich zum Todfeinde machen, weil er ihn zwang, geschehene Dinge als geschehen hinzunehmen, mochte er dadurch eine ewige Scheidewand aufrichten zwischen sich und Regina, denn eine gewisse aristokratische Denkungssart, ein Adelsbewußtsein, das für ihren Bruder, den Stammhalter der ganzen Gräflichkeit, eine andere Verbindung forderte, lag doch auch wohl in Regina – es war da kein Ausweichen, kein Drehen und Deuteln an dem, was Pflicht war: er mußte die Rechte der Schwester schützen, sich auf die Seite, seines Vaters stellen, auf die Seite, wohin ihn die Natur gestellt hatte. Die Natur – ja! Es ist die Natur der Liebe, daß sie treibt, Vater und Mutter zu verlassen und – dem Weibe zu folgen. Und mit seinem innersten Wesen, mit seinem Gedanken- und Gefühlsleben gehörte er Regina an, seine ganze Seele war bei ihr, folgte ihr. Er war erst so spät im Leben dem Wesen begegnet, das er lieben konnte, in dem er täglich mehr jene platonische Seetenhälfte, die ihn bisher niemals aus den Augen eines jungen Mädchens angeschaut hatte, zu finden geglaubt. Und hatte doch auch Regina mit ihren Charakterernst, ihrem scharf den Schein vom Wesen trennenden Verstande die Jahre an sich vorübergehen lassen, ohne daß eines ihr den Bewerber, dem sie ihr Schicksal hätte anvertrauen mögen, gesandt hatte. Aber nun war den beiden ernsten Menschen das Gesicht für einander desto mächtiger gekommen, nun hatte es desto mehr von ihrem ganzem Wesen an sich gerissen, und sie jener Sclaverei des Herzens unterworfen, zu der die Leidenschaft so leicht im reiferen Gemüth erstarkt.

Aber Regina war noch nicht sein Weib, nicht einmal seine erklärte Braut. Es war keine Wahl: er mußte die Natur, die ihn zum Sclaven machen und ihm sein Opfer als eine Unnmöglichkeit erscheinen lassen wollte; in sich zu besiegen wissen. Es darf für den Mann keine Unmöglichkeit einer Pflichterfüllung geben. Er war auf einen Platz im Leben, in ein Amt gehoben worden, dessen idealer Gehalt nichts anderes war, als Schutz und Wahrung des Rechts im Staate – dieser Gedanke mußte seine Kraft stählen bei dem schweren Schritt, den er zu thun im Begriff stand: noch heute, spätestens morgen, wollte er eine Unterredung mit dem Grafen Gollheim suchen.

(Fortsetzung folgt.)




Thomas Carlyle.

Von Rudolf von Gottschall.

Ein deutsches Volksblatt hat nicht die Pflicht, aller ausländischen Größen zu gedenken, wohl aber derjenigen, welche deutschem Geist und deutschem Wesen mit Begeisterung gehuldigt und zur Anerkennung desselben bei fremden Nationen beigetragen haben. Ein solcher Vermittler der deutschen Literatur mit der englischen, ein solcher begeisterter Verehrer unserer großen Denker und Dichter ist der jüngst verstorbene Schotte Thomas Carlyle, zugleich einer der orginellsten Schriftsteller des neuen England, ein Selbstdenker von großer Unabhängigkeit und Kühnheit, ein Historiker von dem glänzendsten Colorit, ein Autor, der von Einigen als ungenießbar und als phantastischer Wirrkopf verschrieen, von Anderen gepriesen wird als einer der genialsten Anwälte des Idealismus in einem, wie er selbst sagt, „mechanischen“ Zeitalter.

Thomas Carlyle war am 4. Dec. 1795 in Ecclefechan, im Süden Schottlands, geboren, als Sohn eines Farmers, eines Mannes von Verstand und Witz. Zuerst besuchte er die Dorfschule, dann das Gymnasium zu Annan; seine Lehrer waren Pedanten; so schildert er sie in seinem „Sartor resartus“, einem Werk, in welches so Vieles über seine Jugendjahre und seine eigene geistige Entwickelung hineingeheimnißt ist. Auch die Professoren der Universität Edinburgh, die er 1809 bezog, waren von demselben Schlage. Carlyle sollte Theologie studiren; doch seine Neigung zog ihn zur Mathematik, zu Sprach- und Literaturstudien, und auf der Bibliothek war er bald besser zu Hause, als ihre Pfleger. Lange schwankte er in der Wahl seines Berufs; eine Zeit lang, im Jahre 1814, war er Gymnasiallehrer der Mathematik in Annan, dann in Kirkaldy am nördlichen Ufer des Firth of Forth. Innerlich machte er religiöse Kämpfe durch und konnte sich zuletzt nicht für die theologische Laufbahn entscheiden, obschon die Sittenstrenge und der Ernst des schottischen Puritanismus für ihn viel Anziehendes hatte und auch seinem Naturell keineswegs fremdartig war. Wir finden ihn dann als Privatlehrer in Edinburgh; mit Stunden und Uebersetzungen verdiente er sich seinen Lebensunterhalt.

Unentschlossen über den zu wählenden Beruf, lebte Carlyle dann wieder in der ländlichen Stille seines Geburtsortes. Ein weitgereister Freund, der in Deutschland gewesen war, weihte ihn in die deutsche Sprache ein: das wurde entscheidend für seine nächste literarische Thätigkeit. Mit wahrem Feuereifer gab er sich

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T. Carlyle
Nach einer Photographie auf Holz gezeichnet von Adolf Neumann.

jetzt dem Studium der deutschen Literatur hin. Ein Exemplar von Schiller’s Werken ließ er sich von einem schottischen Schiffsherrn besorgen; Goethe’s „Wilhelm Meister“ fand er auf der Edinburgher Universitätsbibliothek. Dieses, als das Evangelium harmonischer Lebensbildung, machte einen großen Eindruck auf ihn; immer mehr reifte in ihm der Plan, sich dem literarischen Beruf zu widmen, den er stets im höchsten priesterlichen Sinne auffaßte. In Edinburgh, wo eine so angesehene Zeitschrift wie die „Edinburgh Review“ erschien, wo sich um den gefeierten Walter Scott viele jüngere Dichter sammelten, fehlte es nicht an den lebendigsten Anregungen. Carlyle trat mit Abhandlungen über französische Schriftsteller, über Montesquieu und andere, ja mit mathematischen Essays auf; dann aber, und fast ein Jahrzehnt hindurch, war er in Artikeln, in selbsständigen Werken, in Uebersetzungen und Sammlungen unermüdlich thätig für die Propaganda der deutschen Dichtung in England: eine Thätigkeit, die für seine Weltanschauung und sein Schaffen von durchgreifender Bedeutung werden sollte.

Im Jahre 1824 erschien zuerst seine Uebersetzung von Goethe’s „Wilhelm Meister“, dann sein „Leben Schiller’s“: so begann er mit einer Huldigung für unsere beiden dichterischen Dioskuren. Die Uebersetzung war ebenso vortrefflich wie die Biographie, obschon beide damals nicht nach Verdienst anerkannt wurden, da die englische Kritik von deutscher Dichtung noch eine geringschätzige Meinung hegte; erst Carlyle und die Nachstrebenden brachen einem gerechteren Urtheil, der Begeisterung und Bewunderung des jüngeren Geschlechtes die Bahn. Noch lebte damals der hochbejahrte Olympier in Weimar und freute sich, wenn das Gewölk, das ihn umgab, auch für die anderen Nationen [278] immer durchsichtiger wurde. Die Weltliteratur erschien unserm Goethe als die Losung der Zukunft; er ermuthigte alle, die sich dem „freien geistigen Handelsverkehr zwischen den Nationen“ widmeten, so auch den jungen Schotten, zu dessen „Leben Schiller’s“ er ein Vorwort schrieb; er erwähnte, daß diese Biographie uns kaum etwas Neues bringen könne. „Was aber den Verehrern Schiller’s,“ schrieb er, „und einem jeden Deutschen, wie man kühnlich sagen darf, höchst erfreulich sein muß, ist, unmittelbar zu erfahren, wie ein zartfühlender, strebsamer, umsichtiger Mann über dem Meere in seinen besten Jahren, durch Schiller’s Productionen berührt, bewegt, erregt und nun zum weiteren Studium der Literatur angetrieben worden. Mir wenigstens war es rührend zu sehen, wie dieser rein und ruhig denkende Fremde selbst in jenen ersten, oft harten, fast rohen Productionen unseres verewigten Freundes immer den edeln, wohldenkenden, wohlwollenden Mann gewahr ward und sich ein Ideal des vortrefflichsten Sterblichen an ihm auferbauen konnte.“

Doch so groß Carlyle’s durch literarische Thaten bewiesene Verehrung für Goethe und Schiller war, so haben doch gerade diese Dichter keinen Einfluß auf seine Darstellungsweise ausgeübt, am wenigsten Goethe’s klarer, durchsichtiger Stil und die von seinem Geschmack geregelte Harmonie seiner Schöpfungen; es war ein anderer deutscher Schriftsteller, der mit seiner scharf ausgeprägten Eigenart, die im Grunde jede Nachahmung ausschließt, den verwandten Geist Carlyle’s ganz in seinem Bann hielt und den Stil desselben ein gleichartiges Gepräge aufdrückte; es war Jean Paul Friedrich Richter, welchen Carlyle nicht minder bewunderte, als Goethe und Schiller. „Jean Paul’s Fähigkeiten,“ sagte er, „sind alle von gigantischer Form, massenhaft, schwerfällig in ihrer Bewegung, mehr groß und glänzend, als harmonisch und schön, aber dennoch zu lebendiger Einheit verbunden und alles an allem von außerordentlichem Umfang und seltener Kraft. Er hat einen unbändigen, schroffen, unwiderstehlichen Verstand, der die härtesten Probleme in Stücke schlägt, in die verborgensten Combinationen der Dinge eindringt; eine vage, düstere, glänzende oder erschreckende Einbildungskraft, welche über den Abgründen des Daseins brütet, die Unendlichkeit durchschweift und in ihrem verschwimmenden religiösen Lichte glänzende, feierliche oder schreckliche Gestalten heraufbeschwört; eine Phantasie von beispielloser Fruchtbarkeit, die ihre Schätze mit einer Verschwendung ausstreut, welche keine Grenze kent; aber tiefer als alle diese liegt der Humor, seine herrschende Fähigkeit, gleichsam als Centralfeuer, das sein ganzes Wesen durchdringt und belebt. Er ist Humorist in seiner innersten Seele, denkt, fühlt, dichtet und handelt als Humorist.“

Wir könnnen dieses glänzende Lob Jean Paul’s nicht ohne Wehmuth lesen: ist doch dieser bedeutende Dichter für die jetzige Generation fast zu einem noli me tangere geworden. Fülle von Geist und Phantasie gilt ja heutzutage als ein erschwerender Umstand, der die Popularität eines Schriftstellers hemmte zu den Lieblingen der Mode gehören Schriftsteller, die „ihre Armuth zu Rathe halten“ und deren Sauberkeit nur durch ihre Seichtigkeit übertroffen wird. Unser Jean Paul wurde indeß für Carlyle nach einer Seite hin verhängnißvoll; er wandte die geniale springende Manier dieses Autors auch in seinen wissenschaftlichen Werken an, diese Darstellungsart, die er selbst in Wahrheit eine wilde verwickelte „Arabeske“ nennt; er wurde ein jeanpaulisirender Historiker, und dies that der ruhigen Haltung und geschmackvollen Fassung seiner Geschichtswerke nicht unwesentlichen Eintrag.

Auch von Jean Paul übersetzte Carlyle Mehreres in der vierbändigen Sammlung: „German Romance (1827)“, in welcher er neben Goethe auch Tieck, Amadeus Hoffmann, Mussäus und andere romantische Schriftsteller Deutschlands in’s Englische übersetzte.

Ueber diese Sammlung finden sich bei Goethe ebenfalls anerkennende Aufzeichnungen; er rühmt die jedem Autor vorgesetzten Notizen, die Sorgfalt, mit welcher die Lebenszustände eines jeden, sowie sein individueller Charakter und die Einwirkung desselben auf die Schriften dargestellt sind; er rühmt die ruhige, klare, innige Theilnahme Carlyle’s an dem deutschen poetisch-literarischen Beginnen, an dem eigentümlichen Bestreben der Nation. Mit Goethe unterhielt Carlyle einen Briefwechsel, dem wir einige interessante Mittheilungen über sein Leben verdanken. Er hatte sich im Jahre 1827 mit Miß Welsh, der Tochter des Dr. Welsh, verheirathet und in ihr eine hochgebildete und treue Lebensgefährtin gewonnen. Welsh, ein vermögender Arzt, machte den Neuvermählten ein Landgütchen, Craigenputtock, zum Geschenk, und hier wohnten sie mehrere Jahre, bis zur Uebersiedelung nach London 1832. Ueber diese schottische Idylle schreibt Carlyle an Goethe:

„Unser Wohnort liegt fünfzehn Meilen von Dumfries entfernt, zwischen den Granitgebirgen und den schwarzen Moorgefilden, welche sich westwärts durch Galloway meist bis an die Irische See ziehen. In dieser Wüste von Haiden und Felsen stellt unser Besitzthum eine grüne Oase vor, einen Raum von geackertem, theilweise umzäuntem und geschmücktem Boden, wo Korn reift und Bäume Schatten gewähren, obgleich ringsum von Seemöven und hartwolligen Schafen umgeben. Hier, mit nicht geringer Anstrengung, haben wir uns eine reine, dauerhafte Wohnung erbaut und eingerichtet; hier wohnen wir, in Ermangelung einer Lehr- oder andern öffentlichen Stelle, um uns der Literatur zu befleißigen, nach eigenen Kräften uns damit zu beschäftigen. Wir wünschen, daß unsere Rosen- und Gartenbüsche fröhlich heranwachsen, hoffen Gesundheit und eine friedliche Gemüthsstimmung um uns zu fördern. Die Rosen sind freilich zum Theil noch zu pflanzen, aber sie blühen doch schon in Hoffnung.“

Mit der Uebersiedelung Carlyle’s nach London beginnt eine neue Epoche in seinem literarischen Schaffen: die Zeit der geistigen Vermittelung zwischen den Nationen lag hinter ihm; auch die literarische Kritik trat in den Hintergrund; er lenkte jetzt als Denker und Geschichtsschreiber die Aufmerksamkeit auf sich.

Das Werk, das er schon als Manuscript nach London mitbrachte, „Sartor resartus“ ist eine seiner barocksten, aber auch genialsten Schöpfungen und trägt ganz die Signatur des Jean Paul’schen Genius: eine theils sprungweise, theils in einander geschachtelte Darstellung, barocke Namengebung, sonderbares humoristisches Detail, gemischt mit einer Fülle glänzender und großartiger Ideen. An der Universität Weißnichtwo lebt der Gelehrte Diogenes Teufelsdröckh als Professor der Dinge im Allgemeinen; er hat ein Werk herausgegeben unter dem Titel „Die Kleider, ihr Werden und Wirken“. In die Biographie dieses Professors hat Carlyle zahlreiche Confessions aus seinem eigenen Leben verwebt. Die Philosophie der Kleider selbst hat eine tiefsinnige Grundlage; denn die ganze Erscheinungswelt ist dem Philosophen nur ein irdisches Gewand der ewigen Ideen; von unserer Gegenwart aber behauptet er, daß sie sich in veralteten Zeitgewändern der Kirche, des Staates und der Gesellschaft umherschleppe. Den ganzen Garderobewechsel der Weltgeschichte vom Feigenblatte des Paradieses bis zum Modecostüm der neuesten Dandies beleuchtet er mit glänzendem humoristischen Lichtern oder läßt darauf die Schlagschatten der Satire fallen.

Dieses Werk war der einzige Trumpf den sein selbstgenügsamer Humor ausspielte; in seinen übrigen Schriften und Vorträgen giebt der Humor nur die Arabesken her für idealen Gedankenflug oder historische Darstellung; in der That haben wir Carlyle nach diesen beiden Seiten als Philosophen und Historiker in’s Auge zu fassen, obwohl er weder den landesüblichen Begriff des einen noch denn des andern deckt. Die systematische Beweisführung des Fachphilosophen war ihm so fremd, wie die objective Darstellung des Geschichtsschreibers; er war ein genialer Kopf, der an die Gedankenwelt wie in die Welt der Thatsachen mit einer ganz aparten Diogenes-Laterne hineinleuchtete.

Kein größerer Gegensatz als zwischen ihm und seinen Freunde John Stuart Mill! Und doch hatten Beide, der schwärmerische Idealist mit seinen phantasievollen Illusionen, und der unerbittliche Logiker mit der Klarheit und Correctheit eines wohlgeschulten Denkers, einen gemeinsamen Zug: sie hatten Beide kühne Reformgedanken gegenüber den bestehenden Zuständen.

Thomas Carlyle hat mehr die Miene des Propheten, als die des Philosophen, und der puritanische Strafprediger löst oft den Denker ab. Den englischen Zuständen gegenüber ist er von einem so schwarzsehenden Pessimismus, daß ihm die „satanische Schule“ darum beneiden könnte, doch bei ihm ist die triumphirende Skepsis nicht Selbstzweck, nicht Zweifel und Verzweiflung am Leben das letzte Worte: ein Idealismus von seltener Leuchtkraft, der alle Labyrinthe des Lebens zu erhellen vermag, wohnt in seiner Brust. In seiner Schrift über den Chartismus schildert er das Elend und die Armuth großer Classen der englischen Bevölkerung mit den düstersten Farben; in „Past and Present“ (1843) stellt er die tüchtige Arbeit alter Zeit der schwankenden Haltlosigkeit und Windbeutelei der Gegenwart entgegen und verherrlicht mit schwunghaftem Pathos das Evangelium der Arbeit.

[279] In den „latter day pamphlets“ (1857) sitzt er, wie schon der Titel der Schrift andeutet, mit weltrichterlicher Wage zu Gericht über den Dingen dieser Welt, geißelt die heutige Staatskunst als verworrene Routine, das ganze Gewebe von halben Wahrheiten und ganzen Lügen in Staat und Religion, den Moloch des öffentlichen Redens, die Nutzlosigkeit des Parlamentarismus; er verdammt die Scheinhelden der neuen Zeit, die Eisenbahnkönige wie Hudson, sieht den Jesuitismus, allgemeine Entartung, Falschheit und Heuchelei auch auf dem Gebiete der Kunst hereinbrechen, kurz, er giebt ein Rembrandt’sches Gemälde der Gegenwart.

Doch nicht blos als Schriftsteller, auch als Vorleser trat Carlyle in London auf, ohne indeß wie Thackeray ein besonderes Gewerbe aus solchen Vorträgen zu machen. Wenn seine hohe Gestalt auf der Tribüne erschien, sein volles und weiches Organ ertönte, befanden sich die Hörer sogleich im Banne seiner ernsten und bedeutenden Persönlichkeit; obschon er sich Notizen zu machen pflegte, sprach er doch frei und mit jener hinreißenden Wärme, die auch seiner Unterredung im Privatverkehr einen so seltenen Reiz verlieh. Von diesen Vorlesungen machten den größten Eindruck diejenigen über „Heldenverehrung“ (hero-worship, 1840). In den Heroen sah Carlyle die Vertreter der ewigen Vernunft in der Menschheit; er fand sie unter den Propheten und Dichtern, unter den Priestern, Schriftstellern und Königen; er proclamirte den Cultus des Genies und zwar in einer Zeit, der es an großen Männern fehlte und deren Strömung nach der entgegengesetzten Richtung ging, nach der Verherrlichung der Masse. Damals stieß dieser Cultus auf den lebhaftesten Widerspruch: man glaubte nicht mehr an das Genie des Einzelnen als an eine bewegende Macht der Geschichte. Seitdem haben sich die Zeiten geändert: der Cäsarismus, zunächst als Selbstcultus der Napoleone, wurde eine Thatsache, dann eine Sache der Mode. Seit den letzten Kriegen steht der Heroencultus wieder in vollster Blüthe, und im Fürsten Bismarck sieht die Welt, vor Allem das deutsche Reich, den Heros als „Staatsmann“, wie ein Carlyle es ausdrücken würde.

Wir sind weit davon entfernt, die geschichtlichen Werke Carlyle’s als Muster der Geschichtschreibung anzusehen; gleichwohl sind sie in ihrem Streben nach lebendiger Anschaulichkeit ein sehr bemerkenswerthes Ferment derselben; denn die Historiker, besonders die deutschen, beschäftigen sich mehr damit, die geschichtliche Uhr gleichsam auseinander zu nehmen, um das feinste Räderwerk der Motive zu studiren, als uns ihren lebendigen Gang vorzuführen: sie legen größeren Werth auf die Macht und den Zwang der Verhältnisse, als auf die Eigenart der Charaktere und ihren bestimmenden Einfluß. Bei Carlyle ruht gerade darauf der Nachdruck; wir sehen die Persönlichkeiten, die Ereignisse vor uns, ein bewegtes, oft wildes und stürmisches Leben, das sich auch in der stilistischen Darstellung spiegelt, versetzt uns ganz in die Atmosphäre der geschilderten Zeit. Dies gilt namentlich von seiner „Geschichte der französischen Revolution“ (3 Bände, 1837), welche bei ihrem Erscheinen durch die seltene Farbenpracht der Darstellung, durch glühende Schilderung, frappante Charakteristik, durch überraschenden Tiefblick in Bezug auf die Motive der Ereignisse und ihren inneren Zusammenhang, sowie durch rückhaltlosen Freimuth großes Aufsehen erregte. In der That ist sie wohl Carlyle’s bestes Geschichtswerk, und ihre Vorzüge sind so groß, daß man darüber das Buntscheckige und Tumultuarische der Darstellung wohl übersehen darf; ja selbst ihre Einseitigkeit war ein wirksamer Gegenschlag gegen die Farblosigkeit der Darstellung, in welcher deutsche Geschichtschreibung eine gewisse gelehrte Würde suchte. Der Standpunkt Carlyle’s ist nicht der eines feinspürigen Geschichtsforschers, der die diplomatischen Verwickelungen auseinander zu wirren sucht; es ist der eines Denkers, der die Revolution als eine blutige, aber segensreiche Krisis betrachtet, welche mit Naturgewalt die unhaltbar gewordenen Verhältnisse zertrümmert. Gerade das Elementarische in ihr weiß er nachzufühlen und schwunghaft darzustellen.

Im Jahre 1847 gab Carlyle die „Briefe und Reden Oliver Cromwell’s“ heraus (4 Bände), aber diese sorgfältig gesammelten Actenstücke waren in eine glänzende Zeit- und Charakterschilderung verwebt, die in ihrem eigenthümlichen biblischen Colorit eine treue Localfarbe für jene Epoche hatte. Denn Puritanerthum war Carlyle geistesverwandt; es war auch in ihm etwas von dem predigerhaften Feuereifer der Rundhüte.

Zu seinem letzten großen Geschichtswerke über Friedrich den Großen machte Carlyle die umfassendsten Vorstudien: zweimal reiste er nach Deutschland, besuchte Berlin und die Schlachtfelder des siebenjährigen Krieges. Auf sein Haus in Chelsea ließ er ein Stockwerk aufsetzen mit einem großen Saal, der zugleich Bibliothek- und Arbeitszimmer war: die Bibliothek bestand nur aus Schriften über Friedrich den Großen. So schien Carlyle selbst Aehnlichkeit zu haben mit einer seiner typischen Figuren, dem Dryasduft, dem im Staub der Actenstücke und im Tabaksqualm vergrabenen Gelehrten, dem geistlosen Sammler. Und in der That, so wenig es dieser Biographie (6 Bände, 1858 bis 1865) an großen Perspectiven, an glänzenden Schilderungen von Charakteren, Sitten und Schlachten fehlte, so hatte doch hier die arabeskenhafte Mosaik der Carlyle’schen Darstellung ihren Höhepunkt erreicht und die Notizenfülle des Sammlers war dem Geschichtsschreiber verhängnißvoll geworden. Auch war die Beleuchtung nicht eine gleichmäßige; so ließ seine Vorliebe für Sittenstrenge auch auf den preußischen Soldatenkönig Friedrich Wilhelm den Ersten ein allzuglänzendes Licht fallen. In seinem jeanpaulisirenden Stil als humorisischer Geschichtsschreiber steht Carlyle in der That einzig da.

Aus seinem Leben sind noch zwei verschiedenartige Auszeichnungen zu berichten, die dem greisen Gelehrten zu Theil wurden. Die Edinburgher Studentenschaft, die alljährlich ihren Lord-Rector wählt, dachte ihrem Landsmann für das Jahr 1865 bis 1866 diese Würde zu; er wurde mit einer Mehrheit gewählt, die ihm den Sieg über seinen Rivalen Disraeli verschaffte. Glänzend war der Empfang, der ihm in Edinburgh zu Theil wurde; in der überfüllten Musikhalle hielt er seine Antrittsrede; er setzte in gedrängter Form den Kern seiner Weltanschauung auseinander. Das junge Schottland jubelte dem gefeierten Landsmann zu.

Die zweite Auszeichnung war der Orden pour le mérite, welchen der deutsche Kaiser und das Ordenscapitel dem greisen Gelehrten, dem Geschichtsschreiber Friedrich’s des Großen verliehen. Doch nicht dieses Werk allein hatte den Anlaß zu solcher Verleihung gegeben: während des deutsch-französischen Krieges hatte Carlyle in zahlreichen Artikeln auf das Lebhafteste die Partei der Deutschen ergriffen, während die öffentliche Meinung in England unentschieden hin und her schwankte, ja sich bei mehreren Wendepunkten des Krieges zu Gunsten des westmächtlichen Alliirten erklärte.

So hat der alte Carlyle die Sympathien, die der junge dem Genius Deutschlands schenkte, treu bewahrt. Sein Tod, der am 5. Februar in Folge eines Fiebers in London erfolgte, mag die Deutschen mahnen an den Verlust eines mit dem Geiste ihrer großen Männer genährten Mitkämpfers für die gute Sache des Idealismus, der trotz aller Schwankungen und rückgängigen Bewegungen der jüngsten Zeit das Palladium des deutschen Geistes bleiben wird.



Der Culturkampf in der protestantischen Kirche.

1. Die geschichtliche Vorbereitung des Kampfes.
Vom Prediger Dr. Kalthoff.[1]

Culturgeschichte und Religionsgeschichte stehen unter einander in so engem Zusammenhange, daß die eine ohne die andere kaum denkbar ist; denn die einzelnen Erscheinungen in dem Culturleben einer Zeit lassen sich ihrem wahren Gehalte nach nur würdigen, wenn sie aufgefaßt werden als die Symptome eines fortgehenden, in der Tiefe des Volkslebens stattfindenden geistigen Processes. Dieser geistige Proceß steht aber immer in mehr oder weniger directer Verbindung mit dem religiösen Leben der Zeit.

Auch die Gegenwart läßt sich nur recht begreifen, wenn wir auf ihren religiösen Herzschlag lauschen; findet doch das geistige [280] Ringen unserer Zeit seinen elementarsten, weil allgemein menschlichen, Ausdruck in den Gegensätzen des religiösen Lebens, und von diesen Gegensätzen ist wohl kaum eine einzige der bestehenden Religionsgemeinschaften völlig unberührt geblieben. Selbst aus dem fernen Orient erhalten wir seit einiger Zeit Kunde von religiösen Kämpfen, die auffallend viel Aehnlichkeit mit denjenigen haben, die uns bewegen. Am gewaltigsten gährt es indeß augenblicklich ohne Zweifel, wenn auch vielfach noch im Verborgenen, in der protestantischen Kirche. Der religiöse Kampf zeigt hier am deutlichsten seinen inneren Zusammenhang mit dem gesammten Culturleben; unter dem Gegensatze verschiedener, sich unter einander befehdender theologischer und kirchlicher Parteien verbirgt sich ein Principienkampf, der recht eigentlich darauf angelegt ist, ein Culturkampf zu werden. Die unerbittliche Consequenz der Geschichte hat diesen Kampf vorbereitet, und so wird uns die Geschichte auch den besten Aufschluß über die Mächte geben können, welche sich in demselben gegenüberstehen.

Die Entwickelung des Protestantismus hat einen fast wunderbar dramatischen, in seinen einzelnen Acten deutlich erkennbaren Verlauf genommen. Der erste Act ist die Reformation. Wie Frühlingsodem weht es uns entgegen, sobald wir den Vorhang heben und das Bild jener Zeit an uns vorüberziehen lassen, in der zuerst der Reformationsgeist sich mächtig zu regen beginnt. Da ist eine neu entdeckte Welt, welche den Gesichtskreis erweitert und für Handel und Gewerbe neue Bahnen eröffnet. Die Buchdruckerkunst ist erfunden, durch die auch dem Volke die Theilnahme an den höchsten geistigen Fragen ermöglicht wird. Die Feuerwaffe nöthigt den Adel, von seinen bisher für unbezwingbar gehaltenen Burgen herniederzusteigen und sich, wenn auch erst nach langen Kämpfen und mit verhaltenem Grolle, in den immer fester werdenden inneren Verband des Staates einzugliedern. Von Italien her ergießt sich ein Strom neuen geistigen Lebens, und während das Studium der alten Sprachen wieder auflebt, werden die alten Classiker mit Begeisterung aus dem Staube hervorgesucht. In ihnen verjüngt sich die Philosophie, welche im Zeitalter der kirchlichen Scholastik ein mehr als kümmerliches Dasein gefristet hatte. So konnte Ulrich von Hutten seine Zeit mit dem classischen Worte begeistern: „O Jahrhundert! Die Studien blühn; die Geister erwachen. Es ist eine Lust zu leben.“ Und doch wäre diese „Lust zu leben“ bald wieder vergangen, wenn nicht gleichzeitig der fühlbare Bann, den die Kirche auf die Gewissen gelegt hatte, wenigstens für kurze Zeit gesprengt worden wäre.

Vor neuen Entdeckungen und Erfindungen, selbst vor Pulver und Blei, ist der Kirche nie bange gewesen. Sie ist noch weit erfinderischer als alle Erfinder. Meisterhaft verstand sie von jeher die Kunst, Mittel ausfindig zu machen, um sich jede neue Errungenschaft zu unterwerfen und dieselbe „zur größeren Ehre Gottes“ zu verwerthen.

Eine Kirche, welche die Gewissen der Menschen beherrscht, wird auch immer Macht genug finden, um jede unbotmäßige Regung der Wissenschaft zum Gehorsam zu bringen und aller Cultur schließlich wieder den clericalen Stempel aufzudrücken. Der im Namen der Religion auf die Gewissen geübte Druck konnte deshalb nur durch eine religiöse That durchbrochen werden, indem das Gewissen sich ebenfalls im Namen der Religion gegen die clericale Tyrannei auflehnte und sich in seiner eigenen Selbständigkeit erfaßte. Im Namen der Religion war der Fluch gelegt worden auf alle Cultur, die nicht in den Kirchenmauern selber entstanden oder wenigstens nicht kirchlich sanctionirt war. Im Namen der Religion mußte auch der Fluch gehoben, das Profane heilig gesprochen und der Gottesdienst aus der Klosterzelle in das Gebiet des sittlichen Lebens verpflanzt werden. Beides hat die Reformation gethan. Sie hat das persönliche Gewissen als die oberste Instanz für alle religiösen Fragen eingesetzt und Alles für heilig erklärt, was aus ernstem, sittlichem Streben geboren wird, gleichviel ob der Priester es segnet oder verdammt.

Hierdurch ist das Programm des Protestantismus, das die Reformation mit der Flammenschrift religiöser Begeisterung in die Geschichte hineingeschrleben hat, gegeben. Die Verwirklichung desselben ist nun Sache der weiteren geschichtlichen Entwickelung.

Jede weltbewegende Idee findet ihre Schranken an der Persönlichkeit der Männer, von denen sie getragen wird. So dürfen wir uns nicht wundern, daß auch der Protestantismus nur allmählich zum Verständniß seines eigenen Wesens gekommen ist, und daß auch in der protestantischen Kirche gerade die beschränkten Seiten des Mannes, dessen Name auf ewig mit der deutschen Reformation verknüpft bleibt, zunächst ihre Nachwirkungen übten. Auf das Zeitalter der Reformation folgte in grellem Farbenwechsel das Zeitalter des orthodoxen Lutherthums. An die Heldengestalten der Reformation reihten sich die Epigonen derselben, die Männer, welche Lessing kurzsichtige Starrköpfe nennt, die Luther’s Pantoffel in der Hand, aber Luther’s Geist verkennend, den von ihm gebahnten Weg schreiend, aber gleichgültig daher schlendern.

Luther, der einst so kühn alle religiöse Ueberlieferung, auch die der Bibel, vor das Forum seines protestantischen Gewissens gezogen hatte, war schließlich in dem Streite mit Karlstadt und Zwingli doch wieder an der Autorität eines geschriebenen Wortes: „Das ist mein Leib“, hängen geblieben. So war die Bibel nicht mehr Urkunde der Religion, sie war Autorität geworden, und die lutherische Orthodoxie hatte nichts Eifrigeres zu thun, als diese Lehre von der unbedingten Autorität der Bibel zum kirchlichen Dogma zu erheben. Es gab jetzt wieder heilige und profane Wahrheit. Was irgend ein namenloser oder pseudonymer Schriftsteller geschrieben hatte, galt, sofern die Kirche seine Schrift canonisirt hatte, als absolute Wahrheit, als Wort Gottes. Was aber die Heroen des classischen Alterthums, was die Denker und Dichter der eigenen Nation geschaffen hatten, war Menschenwort, wenn nicht gar, sobald es dem Buchstaben der Bibel widersprach, ein Erzeugniß des Teufels.

Luther hatte einst den Glauben an die Heiligen der Kirche, als an übernatürliche Heilsvermittler, abgeschüttelt. Aber in einem Punkte hatte er diesen Glauben nicht zu überwinden vermocht, in dem Glauben an das stellvertretende Verdienst des Gottmenschen. Der kirchliche Christus nahm für das orthodoxe Lutherthum dieselbe Stelle ein, die früher die kirchlichen Heiligen eingenommen hatten. Der Glaube an das den Gläubigen zugerechnete überverdienstliche Leiden und Sterben des Gottmenschen sollte den Menschen rechtfertigen, wie dieses früher die überverdienstlichen Werke der Heiligen hatten thun sollen.

So schuf die Orthodoxie eine neue Glaubensautorität, die Bibel, und eine neue kirchliche Leistung, die Anerkennung des Dogmas von dem stellvertretenden Opfertode des Gottmenschen. Die alten Stützen der mittelalterlichen Kirche waren in neuer Form wieder aufgerichtet. War aber einmal eine unfehlbare Autorität in Glaubensfragen vorhanden, so war auch ein besonderer Stand nöthig, um diese Autorität zu handhaben und auszulegen. So kam die Kirche unter die Herrschaft der orthodoxen Pastoren, die in ihrem hierarchischen Amtsbewußtsein ebenso intolerant, ebenso anmaßend wurden, wie der mittelalterliche Clerus es gewesen.

Wozu brauchte diese Orthodoxie wissenschaftliche Studien? Die Kenntniß der reinen Lehre war ja die Hauptsache. Wozu brauchte sie Früchte des sittlichen Lebens? Ein fremdes Verdienst sühnte ja alle Schuld, und die guten Werke erschienen ja sogar der Glaubensgerechtigkeit hinderlich. Die auf actenmäßigem Material basirenden Schilderungen, die ein kirchlich durchaus unanfechtbarer Theologe, Tholuck, von dem kirchlichen Leben des siebenzehnten Jahrhunderts entworfen hat, geben grausige Beispiele von den Verwüstungen, welche die Orthodoxie in dem einen Jahrhundert ihrer Alleinherrschaft angerichtet hat.

Es konnte nicht ausbleiben, daß durch die immer laxer werdenden sittlichen Grundsätze der Orthodoxie und ihrer Heißsporne eine kräftige Gegenströmung hervorgerufen wurde. Diese Gegenströmung trat in der Geschichte der protestantischen Kirche auf unter dem Namen des „Pietismus“. Man darf bei diesem Namen nicht an das denken, was man heutzutage als Pietismus zu bezeichnen pflegt; denn ursprünglich war der Pietismus eine kirchliche Reformbewegung, hervorgegangen aus dem Bestreben, die Kirche von den Verirrungen der Orthodoxie zu reinigen.

Den Anstoß zu der pietistischen Bewegung gab Spener im Jahre 1678 durch seine Schrift: „Pia desideria, das ist: herzliches Verlangen nach gottgefälliger Besserung der wahren evangelischen Kirche, sammt einigen dahin einfältig abzweckenden christlichen Vorschlägen“. Er beklagt darin auf’s Tiefste den Verfall des christlichen Lebens, die theologische Streit- und Verketzerungssucht. Er will an die Stelle des Lehrchristenthums das Christenthum der That setzen, da nicht das Wissen, sondern das gottselige Leben die Religion ausmache.

Ein gewaltiger Sturm erhob sich gegen diese vom Standpunkt

[281]

Raubritter.
Nach dem Gemälde von W. Dietz auf Holz gezeichnet von V. Weißhaupt.


der Orthodoxie aus unerhörte Ketzerei. In Leipzig, wo man den Anhängern Spener’s zuerst den Spottnamen „Pietisten“ beilegte, wurden mehrere Magister, welche im Spener’schen Sinne lehrten, vertrieben, unter ihnen auch Aug. Hermann Franke, der spätere Stifter des Waisenhauses zu Halle. Aber trotz aller Verfolgung griff die Bewegung schnell um sich. Gegenüber der geistigen Oede der Orthodoxie erschien die praktische Frömmigkeit des Pietismus offenbar zunächst als das Bessere, und das Zeugniß ist jedenfalls richtig, welches Gustav Freytag den pietistischen Predigern des achtzehnten Jahrhunderts ausstellt: es seien, sagt er, zum großen Theil würdige, sittenreine Männer, treue Seelsorger mit weichem, herzgewinnendem Wesen gewesen, die von den Frauen, den Juden und den Armen der Stadt verehrt worden seien. Die Orthodoxie dagegen gab den Pietisten vor Allem die Mißachtung der reinen [282] Lehre und die Leugnung der sogenannten „Amtsgnade“ schuld, und noch 1840 wirft Hengstenberg dem Pietismus Geringschätzung des Predigeramtes und der reinen Lehre, das Uebergewicht der praktischen Frömmigkeit über die Rechtgläubigkeit vor.

Wenn aber etwas geeignet ist, ein günstiges Vorurtheil für den älteren Pietismus zu erwecken so ist es das abfällige Urtheil des Mecklenburger Kirchenfürsten Kliesoth: Der Pietismus habe die lutherische Kirche zerrissen; mit Spener beginne der große Krieg gegen die lutherische Kirche, der zuerst Frömmigkeit, dann Toleranz, endlich Union genannt worden sei; Spener habe mit seinem wohlgelungenen Zersetzungswerk nicht dem Christenthum, sondern dem Antichristenthum in die Hände gearbeitet.

Indeß hatte der Pietismus nur als Opposition gegen die Orthodoxie einige Bedeutung, und sobald es galt, das religiöse Leben selbstständig zu gestalten mußte auch seine ganze Einseitigkeit zu Tage treten. Wenn die Orthodoxie durch ihren Wahn, daß die Religion in einem abgeschlossenen System von Glaubenslehren bestehe, die geistige Weiterentwickelung des Menschen hemmt, so übersieht der Pietismus, indem er in der Religion die einzelne That als die Hauptsache betrachtet, daß auch auf sittlichem Gebiet das Beste am Menschen sein Streben nach immer höherer sittlicher Vollkommenheit ist. Dieses tiefere, in der Gesinnung wurzelnde Streben fehlte dem Pietismus. Er gerieth dadurch in sittliche Stagnation, die ihn immer mehr vergiftete. Das Merkmal des Frommen wurde zuletzt in äußerlichen Dingen gesucht. Man sollte den Frommen schon durch seine Haltung, Kleidung und Miene von dem „Weltkinde“ unterscheiden, und alles Natürliche wurde als „weltlich“ geächtet. An den Freuden des Lebens mußte der Pietist mit geschlossenen Augen vorübergehen. Aber das Fleisch, das ertödtet werden sollte, rächte diese Mißhandlung gelegentlich durch um so cynischere Ausbrüche seiner Begierden. Aus dem Pietismus wurde Pharisäismus, der die Frömmigkeit in dem Armensündergesicht, im schwarzen Nock, in der Weltscheu suchte; aus dem Pharisäismus wurde Heuchelei, und aus der Heuchelei entstanden jene widerwärtigen Caricaturen die der Volksmund als „Muckerthum“ gebrandmarkt hat. Der Pietismus zeigte sich ebenso wenig wie die Orthodoxie befähigt, das Erbe der Reformation anzutreten.

In den bisherigen Erscheinungen der protestantischen Kirche war eine Macht noch nicht zur Geltung gekommen, welche in den Anfängen der Reformation eine wesentliche Rolle gespielt hatte, die Vernunft. Die unitarischen Bewegungen im Anfange des siebenzehnten Jahrhunderts waren freilich wesentlich aus einem rationellen Interesse hervorgegangen, aber die orthodoxe Kirche hatte dieselben noch als ketzerisch von sich auszustoßen vermocht. Das Denken, durch die Reformation allerdings principiell von dem Gängelbande kirchlicher Bevormundung befreit, war doch in sich noch nicht hinlänglich erstarkt, um von vornherein seinen reformatorischen Einfluß aus die Kirche selbst zu üben. Aber während aus den protestantischen Kanzeln gegen die Vernunft geeifert wurde, war außerhalb der Kirche, in der Philosophie und den exacten Wissenschaften, das wissenschaftliche Denken allmählich zu einer Macht herangereift, der sich die Kirche zuletzt nicht mehr verschließen konnte, zumal nachdem die pietistische Bewegung eine unverkennbare Gleichgültigkeit gegen die sogenannte „reine Lehre“ erzeugt hatte. So fing der Nationalismus in der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts an, den Maßstab der allgemeinen Denkgesetze an die Voraussetzungen der Kirchenlehre zu legen. Er fragte vor allen Dingen, ob es außer den in der Vernunft und dem natürlichen Licht geoffenbarten Wahrheiten noch übernatürliche Offenbarungen durch Wunder und Weissagungen gebe.

Die Wirkung dieser Operation war eine überraschende. Das ganze kirchliche Lehrgebäude, das mühsame und kunstreiche Werk von anderthalb Jahrtausenden, war in wenigen Jahrzehnten niedergerissen; Lehren, um die man sich noch vor einem Jahrhundert mit der ganzen Wuth der Theologen gestritten hatte, wurden selbst von den Theologen belächelt. So schnell hatte der Strom des allgemeinen Zeitbewußtseins mit der kirchlichen Orthodoxie aufgeräumt. - Man würde indeß den Nationalismus falsch beurtheilen, wenn man in ihm nur ein negatives Princip sehen wollte. Er enthält selbst in seinen ersten, oft noch seichten und oberflächlichen Anfängen schon die Elemente zu einem positiven kirchlichen Neubau Er zerstört die kirchlichen Dogmen, aber er thut es nur, um die humane Seite der Religion dafür in den Vordergrund zu stellen. Das Jahrhundert der Aufklärung ist ja zugleich das Jahrhundert der Toleranz, in der die Humanitätsidee neue Wurzeln zu schlagen beginnt. Von hier aus datirt eine Reform des Erziehungswesens; hier bildet sich der Begriff der allgemeinen Menschenrechte, vielleicht der fruchtbarste, den die politische und sociale Entwickelung der modernen Zeit zu verzeichnen hat. Während die orthodoxe Kirche das dogmatische Element als Basis hatte, gründet sich die rationalistische Kirche auf das humane Element der Religion und sucht den Begriff der Humanität immer tiefer zu erfassen, immer reiner zur Darstellung zu bringen.

Die rationalistische Kirche fing von vornherein an, sich in achtunggebietender Weise zu entwickeln. Kant eroberte der Humanitätsreligion das in der orthodoxen Kirche so bedenklich verkümmerte sittliche Moment zurück; ihm ist Religion die Anerkennung unserer Pflichten als göttlicher, das heißt unbedingter Gebote. Alle kirchlichen Statuten und Uebungen, die nicht einen moralischen Inhalt haben, dienen dem Religionswahn, dem kirchlichen Frohndienste und dem Pfaffenthum. Der reine, das heißt moralische Religionsglaube, der im Grunde nur einer ist, er ist die Norm, nach der aller historische Kirchenglaube ausgelegt werden muß, und es ist nach Kant die Aufgabe aller religiösen Entwickelung, den historischen Kirchenglauben mit seinen Satzungen und Observanzen immer mehr in die moralische Religion, die in der Herzensgesinnung zu Beobachtung aller Menschenpflichten als absoluter Gebote besteht, aufgehen zu lassen.

War schon bei dieser Auffassung der Weg gebahnt, um auch dem Historischen in der Religion das die Orthodoxie kritiklos als göttliche Ueberlieferung annahm, zu seinem wahren Recht zu verhelfen, so geschah dies noch bestimmter bei Lessing. Die geschichtliche Form der Religion wird direct von der ihr innewohnenden Wahrheit unterschieden. Wohl können zufällige Geschichtswahrheiten gegen nothwendige Vernunftwahrheiten nichts beweisen. Eine Religion ist nicht wahr, weil Apostel sie lehrten, sondern die Apostel lehrten eine Religion vielmehr, weil sie wahr war. Aber das Geschichtliche in der Religion ist darum nicht überflüssig; denn es dient zur Erziehung des Menschengeschlechts. Erst muß das historisch Gewordene in seinem thatsächlichen Bestande ausgemittelt werden, bevor es möglich ist, in einen lebendigen Zusammenhang mit der Geschichte der Menschheit einzutreten und eine speculative Religionswissenschaft anzubahnen. So ist hier auch die historische Kritik in ihr Recht eingesetzt; sie erscheint als ein wesentlicher Factor der Humanitätsreligionen.

Noch war indeß eine Seite des Menschen nicht zu ihrem Recht gekommen, die zu seinem ureigensten Wesen gehört: das Gefühl. Das Verstandesinteresse des Nationalismus hatte zeitweilig das Gefühl gerade aus der Position verdrängt, die seine unveräußerliche Domäne ist, aus der Religion. Das mißhandelte Gemüth flüchtete sich deshalb in eine zügellose Romantik, bis Schleiermacher dasselbe auch in der Religion zu Ehren brachte, indem er in ihm den eigentlichen Sitz der Religion, das Band zwischen dem endlichen Menschen und dem unendlichen Weltgeiste entdeckte.

Auf den Schultern dieser drei Männer, Kant’s, Lessing’s, Schleiermacher’s , steht nun die ganze Entwickelung der modernen protestantischen Kirche, die wir im Unterschiede von der orthodoxen Kirche die rationalistische nennen können. Innigkeit und Tiefe des Gefühls, Ernst der sittlichen Gesinnung, Freiheit des kritischen und speculativen Denkens, das sind die drei Hauptelemente, die diese Kirche zu pflegen sucht.

So erscheint die rationalistische Kirche als das legitime Kind der Reformation. Sie verhält sich aller religiösen Ueberlieferung gegenüber kritisch, also frei; sie sucht mit Hülfe der im Menschen selber liegenden geistigen Kräfte das Menschheitsideal zu verwirklichen also nicht magisch, das heißt auf dem Wege des Wunders, sondern moralisch, das heißt auf dem Wege des sittlichen Bewußtseins. Demgegenüber tritt nun eine geschlossene Macht, welche diese rationalistische Kirche haßt und mit aller Erbitterung bekämpft. Zuerst regte sie sich in Preußen im Anfange der Regierung Friedrich Wilhelm’s des Zweiten, während der berüchtigten Wöllner’schen Aera; sie wurde nach wenigen Jahren aus dem Felde geschlagen erhob aber kurz nach den Befreiungskriegen in der Hengstenberg-Stahl’schen Aera von neuem ihr Haupt, und heute steht sie drohender als je vor uns.

[283] Es ist die Macht der Reaction.

War es in den früheren Regungen der Reaction nur die große Lüge von der allein seligmachenden Kraft der kirchlichen Dogmen, dieser schlechteste, durch die Geschichte und das Gewissen gerichtete Bestandteil der Orthodoxie, welche gegen alle freien humanen Bestrebungen und gegen eine freie Geistescultur in’s Feld geführt wurde, so verbindet sich die Reaction der Gegenwart zugleich noch mit den schlechtesten Bestandteilen des Pietismus. Das geistige Unvermögen und die Gemüthsleere der starren Orthodoxie soll durch eine um so forcirtere pietistische Vereinsbetriebsamkeit verdeckt werden. Kirchliche Rechtgläubigkeit und pietistische Modefrömmigkeit reichen sich heute die Hand, um das Volk mit einem Netz von Bestrebungen zu umgarnen, die mehr oder weniger direct darauf abzielen, der clericalen Propaganda und den orthodoxen Parteiinteressen zu dienen.

Dabei übernimmt die kirchliche Reaction auch heute wieder wie ehemals die Führerschaft für die politische Reaction. Sie will der Welt einreden, daß der Bestand des Staates und der menschlichen Gesellschaft von dem Glauben an ihre Glaubensartikel abhänge, daß durch freie Entfaltung der menschlichen Geisteskräfte die nationale Sittlichkeit gefährdet werde. Sie fordert deshalb die Schule, die Familie, den Staat unter ihre Herrschaft zurück.

Und für diese plumpe Unwahrheit finden sich nur zu viele offene Ohren. Vergebens hat vor fünfzig Jahren Schleiermacher vor den düsteren Larven gewarnt, die auskriechen würden um jede Forschung außerhalb der engen Umschanzung des Buchstabens für satanisch zu erklären. Vergebens haben Männer wie Friedrich von Sallet, Georg Herwegh und alle die andern Ritter vom Geist der traditionellen Verlogenheit und der clericalen Gewissenstyrannei so muthig den Fehdehandschuh hingeworfen. Dem Volke selbst bleibt der Kampf gegen die Macht der Reaction nicht erspart. Ob es denselben würdig und siegreich zu Ende führen wird, das wird wesentlich davon abhängen, ob es die Bedeutung des Kampfes richtig erfaßt.




Das Kleinod des deutschen Ostens.

Ein Ruf zur Wiederherstellung der Marienburg.

Die Marienburg, der ehemalige Sitz des einst im Weichsellande so mächtigen deutschen Ordens, über den die „Gartenlaube“ bereits früher (Jahrgang 1859, Nr. 6) ihren Lesern einen illustrirten Artikel geboten hat, ist nach dem Urtheile aller Sachverständigen ein geradezu einzig in seiner Art dastehender Profanbau der gothischen Baukunst, die Perle des deutschen Nordens und Ostens, wie die Alhambra der Edelstein Spaniens ist. Die Marienburg hat seit ihrer Begründung an der Nogat (1274 bis 1276) so mannigfache wechselvolle Epochen durchlebt, wie sie wohl kein anderer deutscher Kunstbau, mit Ausnahme vielleicht vom Kaiserpalatium in Goslar, zu überstehen gehabt hat. Einst eine uneinnehmbare Feste, der glanzreiche Sitz des von Kaiser und Reich gefürsteten Hochmeisters des deutschen Ordens und zugleich der Ziel- und Sammelpunkt aller deutschen Kreuzfahrer und Colonisten, fiel sie nach dem selbstverschuldeten Sturze des Ordens dem polnischen Aar anheim; sie blieb zwar noch Mittelpunkt des dem deutschen Orden entrissenen Weichsellandes und Sitz der antinationalen Regierung, aber sie war doch nur ein Schatten ihres früheren Glanzes – eine gesunkene Größe. Schwer hatte sie zu leiden unter den militärischen Bewegungen, die im sechszehnten, siebenzehnten und achtzehnten Jahrhundert von Seiten der Polen, Schweden, Sachsen, Russen, Oesterreicher das arme Land durchtobten, und als die Burg endlich wieder in deutsche Hände übergegangen war (1772), fiel sie, damit das Maß ihres Elends voll würde, einem schmählichen Vandalismus zum Raube. Der dort stationirte leitende „Sachverständige“ sah in Unkenntniß der charakteristischen Baukunst des deutschen Ordens in dem kunst- und stilvollen Baue der Marienburg nichts Anderes als eine kostbare Fundgrube von – Baumaterial!

Arme Marienburg! Unbarmherzig wurden deine mit kunstvoller Mosaikarbeit, feingegliedertem Fries und kleinen gotischen Fenstern gezierten Mauern durchlöchert und dir dafür ein widerwärtiges, kattunartig angepinseltes Kleid angezogen. Im Innern wurden die herrlichen gotischen Gewölbe ausgeschlachtet, die geschliffenen Granitsäulen entfernt, die einst den Ordenszwecken dienenden Malereien und Sinnsprüche der Wände aber in roher Weise übertüncht, bis die fünfhundertjährigen Räume für Speicher- und Magazinzwecke genügend hergerichtet worden waren. Nur die Marienkirche mit dem großen Mosaikbilde und der circa sechszig Meter hohe, schlank und zierlich das ganze Zerstörungswerk überragende Thurm der Burg entzogen sich dem niederen Geschmacks-, aber hohen Zerstörungssinn des „Sachverständigen“; beide blieben unversehrt und unzerstört, der Nachwelt ein warnendes und wachendes Ausrufungszeichen.

Dieser abenteuerliche Vandalismus erregte denn auch in Stadt und Land eine allgemeine Entrüstung; die Bewohner der ganzen Gegend fühlten, daß durch die Zerstörung der ehrwürdigen Marienburg ein Stück aus dem Herzen des Landes gerissen wurde. Unser begeisterter Dichter, Max von Schenkendorf, war es, in dem die allgemeine Mißbilligung einen mächtigen Widerhall fand und der noch in letzter Stunde der Zerstörung einen Einhaltbefehl erwirkte, wodurch Einiges gerettet wurde (1804). Damals nahm sich der Minister und Oberpräsident Th. von Schön, ein Kind der Provinz, der Sache an, aber leider lähmten die jetzt eintretenden Kriegsverhältnisse alle Bestrebungen, der unglücklichen Marienburg zu Hülfe zu kommen; erst nach dem Friedensschlüsse konnte Schön für die Sache der Marienburg thatkräftig eintreten. Ihn unterstützten Männer, wie Professor Johannes Voigt-Königsberg, Bau-Inspector Gersdorf-, Pfarrer Haebler- Marienburg und als Mächtigster unter ihnen der Kronprinz von Preußen, der nachherige König Friedrich Wilhelm der Vierte.

Das war ein rühriger Wetteifer! Nach vollständiger Organisation der Staats- und Privatbetheiligung steuerte Hoch und Niedrig zu dem echt vaterländischen Werke bei. Erlöst von dem Banne der letzten Jahrhunderte, erstand allmählich das mittlere Haus, jener Theil der Burg, in dem einst der Hochmeister residirt hatte – darunter die herrlichen Empfangs- und Prachtsäle („Remter“ genannt) – lauter Räume, in denen die gotische Gewölbeentwickelung mit Beihülfe polirter Granitsäulen, gemalter Fenster und Wände etc. wahrhaft Schönes geleistet hat. Nun wurden auch noch andere, viel Mühe, Zeit und Geld erfordernde Arbeiten in der nächsten Umgebung dieses Theiles der mittlern Burg ausgeführt, um wenigstens äußerlich einige Uebereinstimmung zwischen den zerstörten und wiederhergestellten Theilen zu erzielen. Es war ein herrlicher Anfang der Restauration für dessen Durchführung jeder Deutsche jenen Männern, die sich diesem Werke unterzogen haben, nicht genug Achtung und Dankbarkeit zollen kann; denn nirgends, soweit die deutsche Zunge klingt, ist ein solches Bauwerk mehr zu finden.

Die Wiederherstellung der Marienburg forderte mehr als ein Menschenalter, und so starben die Männer, die sich den Neubau der Burg zur Lebensaufgabe gemacht hatten, über dem halbvollendeten Werke dahin. Nachdem die Wiederherstellungsarbeiten am mittleren Hause bereits aufgehört hatten, tauchte eine Hoffnung zu Restauration des „hohen Hauses“ auf, jenes mächtigen Vierflügelkolosses, der den mittleren Theil des Hauses an Bedeutung weit überragt. Dies geschah durch König Friedrich Wilhelm den Vierten, der sich zur Herstellung eines würdigen Aufgangs in die Marienkirche durch Herrn von Quast ein Promemoria zur Wiederaufführung des früheren zweistöckigen Kreuzganges rings um den Hof des „hohen Hauses“ aussarbeiten ließ. Zur Ausführung kam es leider nicht. Dagegen rückte die Kenntniß dieses scheinbar ungelenkigen Kolosses durch die exacten Durchforschungen des Herrn von Quast, und durch die späteren Untersuchungen des jetzigen Bauraths der Stadt Berlin, Blankenstein, ein mächtiges Stück vorwärts. Freilich wurde das äußere Aussehen des Hauses dadurch momentan nicht gehoben, da man zur genaueren Erforschung des früheren Zustandes der Wandungen unter dem jetzigen roth und weiß carrirten Kattunkleide den Wandputz an den verschiedenen Stellen abhacken mußte und nunmehr – ein widerlicher Anblick – Alles bunt durch einander zum Vorschein kam: so z. B. die kleinen wieder freigelegten gotischen Fenster neben den unheimlichen dunklen Magazinluken.

[284] Und diesem wüsten Aeußeren entsprach ein nicht minder wüstes Innere.

In solchem Zustande befand sich das „hohe Haus“, als 1872 das erste Säcularjahr der Wiedervereinigung der Weichsellande mit Preußen herannahte. Ehe noch das große Festcomité in Danzig zusammengetreten war, erschien in der „Nationalzeitung“ ein Artikel „Das Hochmeisterhaus in Marienburg“ von dem Verfasser dieser Zeilen, worin auf die kläglichen Mißstände, die bei dem bevorstehenden Feste um so greller hervortreten würden, aufmerksam gemacht wurde. Gleichzeitig wurde bei dem Comité in Danzig der Antrag gestellt, dasselbe möge die Wiederherstellung der Marienburg anzustreben suchen, und das Comité nahm auch diesen Punkt in sein Programm auf, es scheinen aber keine Verhandlungen mit der Staatsregierung über denselben stattgefunden zu haben.

Die drei Festtage des September, 12., 13., 14., brachen herein; Marienburg, als der frühere Fürstensitz, als der Mittelpunkt der Ordenslande, war als Ort der Festlichkeiten ausersehen, und es wurde nun vom Comité Alles aufgeboten, was sich überhaupt aufbieten ließ. Der frühere Glanz, wie er in der goldenen Aera des großen Hochmeisters Winrich von Kniprode bei der Anwesenheit fürstlicher Gäste sich zu entwickeln pflegte,

Die Marienburg: Stadtflügel.
Auf Holz gezeichnet von H. Heubner.

schien sich zu wiederholen, als unter den Fanfaren von den Zinnen der Burg der historische Ritterzug aus dem Portal hervor und um den Denkmalsplatz Friedrich’s des Zweiten zog, als Kaiser Wilhelm in dem Speiseremter des Hochmeisters mit den Notabeln der Provinz die Ehrentafel hielt. Ueberall in Burg und Stadt war Freude und Jubel; Illumination und bengalische Beleuchtung fanden hier an den architektonisch schönen Verhältnissen der Burg und der charakteristischen Bauart der Privathäuser der Stadt ein ungemein günstiges Feld für ihre Wirkungen, und namentlich erregte auch der himmelanstrebende Thurm des, „hohen Hauses“ durch sein wechselvolles Farbenspiel und elektrisches Licht allgemeine Bewunderung.

Aber in diesem strahlenden Festglanze machte sich ein dunkler Punkt schmerzlich bemerkbar. Das war das „hohe Haus“ mit seinen unheimlichen Magazinluken, aus denen ab und zu der schrille Ruf von Käuzchen und Eulen erscholl. Hatte es wirklich nicht, wie die übrigen Theile, vermöge seiner ursprünglichen Bestimmung und Ausstattung dasselbe Recht am Feste? Umschloß es nicht gerade alle jene Räumlichkeiten, in denen sich das ganze Leben des Ordens und seiner weltlichen und geistlichen Brüder abspielte? Waren nicht in ihm, dem „hohen oder rechten Hause“, die Räume, in denen der Jungherr seinen schweren Dienst antrat? Empfing hier nicht unter dem unverbrüchlichen Gelübde der Armuth, der Keuschheit, des Gehorsams der Ritter einst den Ritterschlag? Lagen hier nicht die einzelnen Zellen wie die großen gemeinsamen Schlafsäle, der große elffenstrige Conventsremter, die Wohnungen für den Hauscomthur, für den Tresler mit den drei Schatzkammern? Schmückten endlich diesen Theil nicht die Haupträume, die heiligsten Räume der ganzen Burg, des ganzen Landes? Hier war der mit Malereien und Sinnsprüchen geschmückte Capitelsaal; hier war es, wo unter der mit dem Bilde der heiligen Jungfrau geschmückten Marienkirche, in der Begräbnißcapelle der Hochmeister für den todten Bruder das letzte requiescat gesungen wurde. Und wo fanden die Brüder, wenn sie nicht auf einem schweren Winterfeldzuge im Kampf mit den Preußen, Lithauern ober Polen ein rühmliches Ende gefunden hatten, ihre letzte Ruhestätte ? Ebenfalls hier, und zwar die Hochmeister in der unter der Begräbnißcapelle gelegenen Begräbnißgruft und die übrigen Brüder aus dem von der Begräbnißcapelle rings um das „hohe Haus“ sich ziehenden Wallgang, Parcham genannt.

Dieses im Leben aller Ordensbrüder so hochwichtige, bedeutungsvolle Haus erlebte 1876 zugleich mit der Stadt Marienburg das sechshundertste Gründungsjahr, aber abgesehen von einer kurzen Notiz über das für die Provinz wichtige Ereigniß in der „Danziger Zeitung“ trat Niemand als Anwalt für die gesunkene Größe öffentlich auf. Die im nächsten Jahre stattfindende Enthüllungsfeier des Denkmals Friedrich’s des Zweiten unter Anwesenheit des Kronprinzen brachte zwar wiederum eine Menge von hohen und niederen Gästen nach Marienburg, doch für das „hohe Haus“ keine bestimmte Aussicht auf Erweckung aus seinem Schlafe; nur hörte man unter der Hand, daß der Kronprinz ein warmes Interesse für Marienburg gezeigt habe. Um dieses Interesse aber mehr und mehr und in weiteren Kreisen anzuregen, veröffentlichte der Verfasser dieses Artikels kurz vor jenen Festtagen eine Broschüre unter dem Titel. „Das hohe oder rechte Haus“, worin eine geschichtliche Uebersicht der baulichen Verhältnisse der Burg bis in die neueste Zeit gegeben wurde. Die Veröffentlichung einer solchen Schrift schien um so wünschenswerter, als die in dem Häbler’schen Tagebuche enthaltenen Mittheilungen, sowie die hochinteressanten Notizen von Quast’s den Wenigsten zugänglich geworden und diejenigen Blankenstein’s gar nicht unter die Leute gekommen sind.

Es war um die Zeit, als das schönste aller Kirchenbauwerke gothischen Stils im Westen Deutschlands, der Kölner Dom, seiner Vollendung entgegenging. Aller Aufmerksamkeit richtete sich, selbst inmitten politischer und kirchlicher Wirren, auf dieses durch die vereinten Kräfte des deutschen Volkes in Gemeinschaft mit dem Willen des hohen kaiserlichen Protectors möglich gewordene Werk. Die Freunde und Verehrer der Marienburg sahen in der Vollendung jenes westlichen Bauwerkes einen Stern für das Werk im Osten aufgehen und traten daher im Frühjahr 1879 in Marienburg selbst zu einem Comité zur Wiederherstellung des „hohen Hauses“ zusammen; sie kamen zu der Ansicht, daß jetzt der geeignete Zeitpunkt sei, eine Petition an den k. Cultusminister des Inhaltes zu richten: derselbe möge die nunmehr durch die Vollendung des Kölner Domes flüssig werdenden Staatsgelder behufs Wiederherstellung des „hohen Hauses“ der Marienburg auf den nächsten Etat bringen.

Da aber inzwischen der Cultusminister Dr. Falk zurück- und an seine Stelle Herr von Puttkamer getreten war, so wurde die Petition an den Letzteren mit einer etwas veränderten Ansprache abgesandt, und schon nach einigen Wochen ging an den Vorsitzenden des Comités ein günstiges Antwortschreiben des Ministers ein.

Diesem folgte auch sehr bald die That, indem eine Ministerialcommission, bestehend aus den Geheimen Bauräthen Spieker und Adler, Baurath Blankenstein und Regierungsrath Ehrhardt, am 17. October 1879 in Marienburg eintraf, um das „hohe Haus“ einer [285] genauern Untersuchung zu unterwerfen und festzustellen, ob dasselbe der Wiederherstellung würdig sei. Der Beschluß war für den altehrwürdigen Bau trotz seiner äußeren und inneren kläglichen Veränderung günstig, und die Commission hatte nunmehr die Aufgabe, den Restaurationsplan anzufertigen, und zwar zuerst für die Marien-Kirche nebst Capitelsaal und den die beiden schönen Eingangsportale (darunter die sogenannte goldene Pforte) verbindenden zweistöckigen Kreuzgang vor dem nordöstlichen Flügel. Die Arbeiten der betreffenden Mitglieder der Commission rückten indessen nur langsam vor, da dieselben durch ihre laufenden Geschäfte schon hinreichend in Anspruch genommen waren; das Comité wandte sich daher mit einem wiederholten Schreiben an den Cultusminister.

In seinem Antwortschreiben aber erklärte dieser, daß er für die Wiederherstellung des Hochschlosses den günstigen Zeitpunkt noch nicht gekommen glaube, und daß man vorläufig den Abschluß der schwebenden Verhandlungen über die zeitgemäße Restauration der Kirche abwarten müsse.

Seit Anfang September des vorigen Jahres ist denn auch im Auftrage des Cultusministeriums ein königl. Baumeister in Marienburg anwesend, um weitere Nachforschungen in der Marien-Kirche anzustellen, und haben Ende October Baurath Blankenstein und der neuernannte Conservator der Alterthümer, Geheimrath von Daehn-Rothenfels behufs eigener Information einige Tage dort verweilt. Diese Thätigkeit in einer Sache, in der bisher nichts geschah und für die überhaupt kein Interesse in den leitenden Kreisen vorhanden zu sein schien, ist nicht genug anzuerkennen. Möchten diese leitenden Kreise das nunmehr in Angriff genommene nationale Werk mit Umsicht und Thatkraft durchführen! Möchte aber auch das deutsche Volk, wenn im gegebenen Augenblicke zur Krönung dieses Werkes an seine Opferwilligkeit appellirt werden sollte, der großen Idee eine große Gesinnung entgegen bringen! Die weitesten Kreise mit der Sache der Wiederherstellung der Marienburg rechtzeitig bekannt zu machen und sie für dieselbe zu erwärmen – das vor Allem ist der Zweck dieses Aufsatzes.

Die Marienburg: Capellenflügel.
Auf Holz gezeichnet von H. Heubner.

Wäre die Marienburg nur eine von den unzähligen romantisch gelegenen, poesie- und sagenumwobenen Burgen und Bergfesten Mittel- und Westdeutschlands, nun, dann hätte es ja unter den jetzigen schweren Zeiten nicht so große Eile mit ihrer Restauration, aber hier handelt es sich ja um ganz andere Interessen.

Die Marienburg ist ein Profanbauwerk von großartigstem Umfange und schönster, genialster Durchführung auf dem Gebiete der gothischen Baukunst, wie es kein zweites gegeben hat.

Die Marienburg war als Sitz des gefürsteten Hochmeisters des Ordens der deutschen Brüder derjenige Stützpunkt in dem fernen Preußenlande, durch den die Gewinnung jener östlichen Provinz für das deutsche Vaterland und dadurch die Zurückdrängung des slavischen Elementes von der Ostseeküste möglich geworden ist; sie war durch die Schaffung von „Neudeutschland“ im eigentlichen Sinne des Wortes „die Wacht im Osten“.

Die Marienburg ist die Wiege des preußische Namens; denn von dem Namen der Bewohner des neuen deutschen Landes ging er auf das Herzogthum Preußen, das Königreich Preußen und damit auf jenen großen Theil Deutschlands über, der heute die glorreiche Führung aller deutschen Stämme übernommen hat.

Und diesen Bau haben wir in einer unglückseligen Zeit selbst zur halben Ruine gemacht. Die Wiederherstellung der Marienburg ist eine deutsche Ehrenschuld. Man fange nicht etwa mit der Kirche an und höre mit der Kirche wieder auf! Die wiederhergestellte Burg soll uns ein treuer Spiegel des äußern und innern Lebens ihrer Gründer und Bewohner, ein Spiegel der erhabenen Idee werden, für die der Orden aus allen deutschen Gauen Vertreter an sich zog und durch die er auch so Großes erreichte. Die der Marienburg zu Grunde liegende Idee war edel und würdig; darum möge die Burg in allen ihren Theilen aus ihrem tiefen Fall wieder erstehen zur Ehre ihrer Erbauer, zur Aufforderung für die Zukunft zu gleichen edlen und würdigen Thaten und Werken!
Dr. Marschall.[2]     


  1. Wir eröffnen mit obigem Artikel eine Serie geistvoller Beleuchtungen des heutigen kirchlichen Lebens aus der Feder des bekannten freisinnigen Theologen (vergl. Nr. 11, S. 184 d. Jahrg.), der hiermit als ständiger Mitarbeiter in die Reihe unserer Autoren eintritt. D. Red.     
  2. Leider der Name eines Todten, dessen letzte Arbeit in dem obigen dankenswerthen Artikel vorliegt! Sanitätsrath Dr. Marschall ist in seiner Westpreußischen Heimath als ein für die Sache der Wiederherstellung der Marienburg warm begeisterter und um dieselbe hochverdienter Mann allgemein geschätzt. Möge dieser der Lieblingsidee seines Lebens gewidmete Ruf zur Wiederaufrichtung der alten Preußenburg jetzt, nach seinem vor einigen Monaten in Leipzig erfolgten Tode, das Werk seiner Sehnsucht vollenden helfen, das seine Augen nicht mehr schauen sollten! D. Red.     




Charles Darwin's neue Beobachtungen über das Bewegungsvermögen der Pflanzen.

Von Carus Sterne.
(Schluß.)


Wenden wir uns nunmehr von der im vorigen Abschnitt (Nr. 14) besprochene Thätigkeit der Hauptwurzel, die, wenn sie verletzt wird, sich durch eine Nebenwurzel ersetzt, zu dem über die Erdoberfläche hervortretenden Pflänzchen selbst! Schon bei seinem Emporkeimen treten merkwürdige Bewegungserscheinungen auf. Wie die Wurzel circumnutirend in den Boden dringt, so schraubt sich die junge Pflanze ringsumneigend empor, und zwar durchbricht sie die Erdschicht über ihr meistens in Gestalt eines steilen Bogens, dem umgekehrten U (∩) vergleichbar.

Sämling des persischen Alpenveilchens.

Als Beispiel möge die Abbildung eines Sämlings des persischen Alpenveilchens dienen, bei welchem c das noch unentwickelte Samenblatt, h den Wurzelstock und r die Seitenwürzelchen bezeichnet. Man erkennt den Vorzug dieser zuerst von dem deutschen Botaniker Haberlandt ausführlicher erörterten Art des Hervorkeimens der meisten Gewächse, wenn man bedenkt, daß durch diese Krümmung nicht allein die zarten, über den Boden zu hebenden Samenblätter oder Knospen vor Verletzungen geschützt werden, sondern daß auch durch das gleichzeitige Wachsthum der beiden senkrechten Bogenschenkel die bedeckende Erdschicht mit verdoppelter Kraft durchbrochen wird.

[286] Da dieser Bogen außerdem wie alle andern wachsenden Endtheile der Pflanzen in beständiger Circumnutation begriffen ist, so lockert er sich durch diese Drehung den Boden von selbst, worauf nach dem Hervorbrechen der Bogen sich gerade streckt und die sich entfaltenden Samenblätter oder, falls diese unter der Erde bleiben, das Knöspchen frei erhebt.

Darwin vergleicht diese von ihm noch genauer studirte Art des sich Hervorarbeitens der Keimpflanze aus dem Boden den Bewegungen eines Menschen, der durch eine auf ihn gefallene Ladung Heu mit ausgestreckten Armen zu Boden geworfen und auf die Seite gefallen ist. Derselbe wird unter der aus ihm liegenden Last zuerst versuchen, auf Händen und Knieen gestützt, seinen krummen Rücken in die Höhe zu bringen, um durch beständige Bewegungen den Zusammenhang der auf ihm lastenden Heumassen zu lockern. Erst dann wird er versuchen, den Oberkörper völlig aufzurichten. Diejenigen Pflanzen, welche mit einem einzigen, spitzen, das Knöspchen einschließenden Blatte emporkeimen und darnach Einblattkeimer (Monokotyledonen) genannt werden, also unsere Getreidearten, Tulpen, Lilien, Narcissen etc., bedürfen eines solchen Katzenbuckels nicht, wenn sie die Oberwelt begrüßen, da sie mit ihrem dolchartigen Keimblatt, dessen Klinge an der Spitze obendrein gehärtet ist, ohne Mühe den Boden durchbohren.

Keimling des Eierkürbisses

Mitunter haben die Keimlinge, bevor sie aus der Erde hervortreten können, und da Niemand sich ihrer annimmt, noch andere Schwierigkeiten durch Selbsthülfe zu besiegen. Da sollen die Keimblätter z. B. um sich zu befreien harte Samenschalen sprengen und sie abstreifen, um sogleich im Lichte Nahrung aufnehmen zu können und nicht wie die griechischen Dioskuren mit den Eierschalen auf dem Kopfe dazustehen. Bei solchen der Trennung Widerstand leistenden Samenschalen ist dann der sich gerade streckende Keimbogen zuweilen mit besonderen Zäpfchen und Vorsprüngen versehen, welche dazu dienen, die Samenschalen aus einander zu brechen. Wir sehen in der beistehenden Figur diese merkwürdige, von dem französischen Botaniker Flahault zuerst bei verschiedenen Gurken- und Kürbisgewächsen beobachtete, von Darwin auch bei andern Gewächsen nachgewiesene Vorrichtung bei dem Keimling des Eierkürbisses (Cucurbita ovifera) in ihrer ohne Weiteres verständlichen Wirkungsart dargestellt. Der Zapfen wird dabei immer auf der Seite entwickelt, die bei der Krümmung des Keimlings nach innen zu liegen kommt, wo er allein nützen kann; bei andern Keimlingen tritt ein an unsere Austernbrecher erinnernder Haken auf, und bei noch andern ist es eine querlaufende Kante, oder ein um den Hals des Keimlings laufender Kragen, der seine Befreiung aus den Samenschalen vollenden hilft. Der freie Keimling fährt natürlich in seinen schon in der Bogenform begonnenen Ringsumbeugungen fort, und ebenso verhalten sich junge, aus der Erde kommende Farnwedel und bereits die jungen Triebe der niedrigsten Pflanzen. Bei den höheren Pflanzen benehmen sich schon die Samenblätter ziemlich ähnlich in ihren Bewegungen, wie die eigentlichen Laubblätter, und bei vielen Pflanzen legen sie sich sogar des Nachts zusammen, wie bei dem sogenannten Schlaf der erwachsenen Pflanzen. Ja bei einigen Arten sind die Keimblätter bereits mit eben solchen Gelenkpolstern versehen, wie diejenigen spätern Blätter, die sich über ihre Wachsthumsperiode hinaus schließen und öffnen. Darwin hat nun auf das Klarste gezeigt, daß diese Schlafbewegungen der Samen- und Laubblätter nichts anderes sind, als durch den Wechsel von Tag und Nacht herbeigeführte vorteilhafte Abänderungen der allgemeinen Circumnutation der Blätter. Wie er in vielen Uebergangsformen beobachtete, findet das Schließen und Oeffnen der Blätter genau so statt, wie die Ringsumneigung, nur mit dem Unterschiede, daß diese sonst mehr gleichmäßige Bewegung sich mit dem Herannahen des Abends oder Morgens durch den Reiz des ab- oder zunehmenden Lichtes und der Wärme periodisch beschleunigt.

Kretischer Schotenklee.
A am Tage.   B in der Nacht.

Es ist ferner nicht schwer, jenen Nutzen zu erkennen, durch welchen sich diese Bewegungen nach den bekannten Darwinschen Gesetzen der natürlichen Auslese und Zuchtwahl zur vollständigen Zusammenfaltung gesteigert haben können, sofern die Blätter durch das dichtere Aneinanderlegen offenbar vor einer zu starken und das Leben des Gewächses bedrohenden, nächtlichen Wärme- Ausstrahlung geschützt werden. Diese Ausstrahlung ist natürlich viel stärker, wenn die Blätter horizontal gegen den Himmel ausgebreitet bleiben, wie sie es am Tage sein müssen, wenn sie möglichst viel Licht aufsaugen wollen. Wir sehen z. B. die wie gewöhnlich am Tage horizontal ausgebreiteten Blätter des hierneben abgebildeten kretischen Schotenklees (Lotus creticus) gegen Abend sich senkrecht in die Höhe richten und eng zusammenschließen, indem die Rebenblätter (s) mit den eigentlichen Blättern ein einziges Packet bilden, wodurch die Abkühlung durch Ausstrahlung der Eigenwärme gegen den klaren Nachthimmel bedeutend vermindert wird. Darwin hat eine Anzahl von Keimlingen und erwachsenen Pflanzen durch künstliche Befestigung verhindert, ihre Blätter in kalten Nächten zusammenzufalten, und mehrere solche Pflanzen, deren Blätter während der Nacht im Freien wagerecht befestigt waren, litten mehr oder weniger von der Nachtkälte, während zur Controlle daneben gestellte Exemplare derselben Pflanzenart, die ihre Blätter ungehindert zusammenschließen konnten, von der Kälte gar nicht litten. Dies ist die wahre Ursache des „Pflanzenschlafs“, der, wie schon kürzlich in der „Gartenlaube“ (1880, S. 528) erwähnt wurde, mit dem Schlaf der Thiere keinerlei Vergleichspunkte bietet. Daher treffen wir die ausgebildetsten Schlafbewegungen der Blätter auch in den tropischen Ländern, woselbst der Unterschied zwischen der Tages- und Nachttemperatur in der Regel viel größer ist, als bei uns in der gemäßigten Zone, und namentlich die nächtliche Wärmeausstrahlung gegen den klaren Tropenhimmel Grade erreicht, daß z. B. in Indien Wasser gefriert, wenn man es in Erdgruben der nächtlichen Wärme - Ausstrahlung gegen das Firmament in flachen Gefäßen überläßt. So ist es begreiflich, daß auch die Samenblätter vieler Pflanzen, obwohl sie durch ihre dicke und fleischige Beschaffenheit vielleicht weniger als andere Blätter von der Nachtkälte zu leiden hätten, sich des Nachts schließen; denn sie haben zwischen sich die empfindliche junge Knospe zu behüten.

Das Laub mancher tropischen Pflanzen mit gefiederten Blättern ist gegen den Lichtwechsel so empfindlich, daß es sich schon zusammenzulegen beginnt, wenn Wolken den Himmel am Tage bedecken. Indessen dient die Licht-Ab- und Zunahme den Pflanzen wahrscheinlich nur als ein Signal für die jahraus, jahrein damit verbundene Wärme-Ab- und Zunahme gegen Abend und Morgen. Einzelne Pflanzen falten die Blätter in trockener Jahreszeit bei Tage zusammen, wohl um nicht stark zu verdunsten.

Alle diese Schutzbewegungen können nun aber auf sehr verschiedene Weise ausgeführt werden, und während wir die Blätter bei dem kretischen Schotenklee und vielen anderen Pflanzen des Abends sich heben sehen, senken sie sich bei anderen Pflanzenarten hernieder, wie z. B. bei der auf Seite 287 abgebildeten Cassia corymbosa. Außerdem ist zu bemerken, daß es sich hierbei nicht um ein einfaches Heben und Senken der Blättchen handelt, sondern es finden dabei allerlei weitere Bewegungen statt; in dem letzteren Falle richten sich zugleich die Blattstiele steiler empor und die gesenkten Blätter schließen sich dichter an einander, wobei sich das Endpaar erheblich nach rückwärts wendet, und zugleich hat eine Drehung der einzelnen Blättchen stattgefunden, wodurch die unteren Blattflächen, welche sich weniger empfindlich gegen die Ausstrahlungskälte zeigen, [287] als die oberen, nach außen gekehrt werden. In allen diesen Fällen wird die einer zu starken Abkühlung, Besonnung, Ausdünstung etc. periodisch ausgesetzte Lauboberfläche durch das Zusammenfalten der Blättchen erheblich verkleinert, und mitunter

Cassia corymbosa.
A am Tage.   B in der Nacht.

kann das so weit gehen,daß die Pflanzen bei Tag und Nacht ein bis zur Unkenntlichkeit verschiedenes Aussehen darbieten, wie das Beispiel der hierneben abgebildeten Acacia Farnesina zeigt.

Acacia Farnesina.
Dasselbe Blatt A am Tage.   B in der Nacht.

Ebenso wie diese Schutzbewegungen der Blätter offenbare und durch viele Zwischenstufe verknüpfte Abänderungen der regelmäßigen Circumnutationen aller Blätter sind, so stellen sich die auffälligeren Bewegungen der windenden und kletternden Pflanzen als in Folge ihres Vortheils weiter ausgebildete Erweiterungen der Grundbewegung der Stengelspitzen dar. Man kann die Bewegung der meisten Pflanzen zum Lichte hin, und die seltnere einiger Schattenpflanzen (z. B. des Epheus) aus dem Bereich allzu grellen Lichtes hinweg, Erscheinungen, die man treffend als Heliotropismus und Apheliotropismus (zu deutsch etwa. Sonnensüchtigkeit und Sonnenflüchtigkeit) bezeichnet, als durch ihren Nutzen gezüchtete Abänderungen der allgemeinen Circumnutation betrachten. Auch über diese Eigenschaft der Pflanzen hat Darwin eine Reihe sehr lehrreicher Versuche angestellt und gezeigt, daß Keimpflanzen z. B. vom Canariengrase so lichtempfindlich sind, daß sie sich in einem dunklen Raume nach einer fünfzehn bis zwanzig Fuß entfernten Oellampe richten und sich in wenigen Stunden haarscharf auf einen dünnen Spalt einstellen, durch den ein Strahl Tageslicht auf sie fällt.

Bei den Keimpflänzchen dieses Grases und verschiedener Getreidearten ergab sich dabei außerdem die überraschende Thatsache, daß die Empfindlichkeit für das Licht nur in der obersten Spitze des Keimlings wohnt, also ganz entsprechend der auf die Wurzelspitze beschränkten Empfindlichkeit für die Schwerkraft, für Licht- und Feuchtigkeitseinwirkungen und für die Berührung mit harten Körpern. Blieb die Keimspitze im Dunckeln so konnte der übrige Theil des Keimlings nach Belieben beleuchtet werden, ohne daß er sich nach der Lichtquelle hinwendete; der Reiz überträgt sich somit hier in ganz ähnlicher Weise von der Keimspitze auf die tieferliegenden Theile, wie er sich von der Wurzelspitze auf die höher liegenden fortpflanzt und dort Bewegungen anregt. Man erkennt also auch an dem Verhalten der Keimspitze, daß die Empfänglichkeit für äußere Einwirkungen bei den Pflanzen in ähnlicher Weise centralisirt ist, wie bei den Thieren, aber da die Pflanze nach oben und unten fortwächst und nach beiden Richtungen den vortheilhaftesten Bedingungen für ihre Existenz nachzugehen hat, so bedarf bereits die Keimpflanze zweier derartiger Empfindlichkeits-Mittelpunkte, die heranwachsende, verästelte Pflanze, die sich einem zusammengesetzten Thier z. B. einem Korallenstock vergleichen läßt, deren noch mehr, da wohl jeder einzelne Sproß mit einem solchen versehen sein muß. Nerven, welche dazu bestimmt wären, die empfangenen Eindrücke weiter zu leiten, sind hier ebenso wenig, wie bei den niederen Thieren vorhanden, da die Reize aber bei beiden offenbar ohne Nerven weitergeleitet werden, so scheinen besondere Nervenbahnen eben nur für höhere Grade der Empfänglichkeit für äußere Reize erforderlich zu sein.

Daß aber der Vorzug, den einzelne Pflanzen in ihren Lebensverhältnissen durch Erweiterung der gemeinsamen Bewegungsfähigkeit in bestimmter Richtung empfangen, dieselbe durch Ueberleben des Passendsten gesteigert hat, spricht sich auch darin aus, daß die höhere Nützlichkeit einer Bewegung jedesmal untergeordnete Nützlichkeitsgrade entgegenstehender Bewegungen überwältigt und unterdrückt. So würden z. B. die Schlingpflanzen in ihrer nach einer Stütze suchenden Bewegung sehr gestört werden, wenn sie für seitlich einfallendes Sonnenlicht ebenso empfänglich wie andere Pflanzen wären und dadurch zu Gunsten einer einzigen Richtung von ihrer Ringsumbewegung abgelenkt würden. Ebenso sind die insectenfressenden Pflanzen wenig heliotropisch, da sie eben ihr Leben auf ganz anderer Grundlage geordnet haben, als andere Pflanzen, und es für sie zuerst darauf ankommt, ihre Blätter für den Insectenfang in der günstigsten Stellung bereit zu halten.

Indem Darwin eine große Anzahl auffälliger Bewegungen der Pflanzen aus einer allen Gewächsen und Pflanzentheilen gemeinsamen, einfacheren Grundbewegung herleitete, hat er wiederum in einer für seinen Scharfsinn und seine geistige Eigenart höchst bezeichnenden Weise unzählige von ihm selbst wie von anderen Naturforschern angestellte Versuche und Beobachtungen zu einem allgemeinen, das dunkle Gebiet merklich erhellenden Gedanken verbunden, und aus einem Felde, auf welchem bereits sein Großvater thätig gewesen, die ersten Grundsteine einer tiefergehenden Erkenntniß gelegt. Wer sein Buch zur Hand nimmt, wird leicht die ungeheure Arbeit erkennen, die zu diesen scheinbar einfachen Schlüssen geführt hat; er wird zugleich die beste Anleitung zu eigenem Weiterarbeiten auf diesem dankbaren und Jedermann offenliegenden Forschungsgebiete finden. Denn die meisten dieser weittragenden Schlüsse wurden aus sehr einfachen, wenn auch mit höchster Sorgfalt angestellten Versuchen gezogen. Es braucht kaum besonders erwähnt zu werden, daß die Schlüsse mit der den britischen Forscher kennzeichnenden Vorsicht und Zurückhaltung gezogen wurden und daß er keineswegs glaubt, alle Pflanzenbewegungen aus jener einzigen Quelle abgeleitet zu haben. Er weist selbst auf mehrere Reizbewegungen sogenannter sensitiver und insectenfressender Pflanzen hin, bei denen ihm dies nicht wahrscheinlich ist.

Zweierlei heimelt uns bei der Lectüre des Buches noch ganz besonders an, erstens die genaue, in sehr zahlreichen Citaten dargelegte Kenntniß der einschlägigen botanischen Literatur Deutschlands, woselbst am meisten auf dem betreffenden Gebiete gearbeitet wurde, und dann die ungemeine Einfachheit und Bescheidenheit, mit welcher uns die wichtigsten Ergebnisse dargeboten werden.



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Blätter und Blüthen.


W. Hoffmann's Nähstuhl. Wie oft haben schon Aerzte erkrankten Frauen und Mädchen gegenüber das Verdict erlassen müssen. „Bewegen Sie keine Nähmaschinen!“ Fallen diese Worte in wohlhabenden Bürgerhäusern, so haben sie nicht viel zu sagen hier sind sie leicht zu befolgen; anders liegt es bei dem Kleinbürger, in der Mansardenstube der armen Näherin und in den Werkstätten der Wäsche- und Kleiderfabrikanten. Hier hat dieser ärztliche Rath nur zu oft die Bedeutung. „Gieb Dein Brod auf!“

Dutzende von Aufforderungen und selbst Preisausschreiben sind schon erlassen worden, um einen billigen und leicht zu handhabenden Motor für die Nähmaschinen zu erhalten, und die Frauen von der nervös-aufreibenden Arbeit des Nähmaschinentretens zu befreien. Man construirte elektrische Motoren und benutzte die Druckkraft der Wasserleitungen, man baute große Uhrwerke mit gewaltiger Federkraft und setzte Heißluftmotoren in Betrieb - nichts davon hat sich bis jetzt dauernd das Weltbürgerrecht erobern können. Der elektrische Motor producirt sich nur hier und da noch im Schaufenster einer Nähmaschinenhandlung; die Kraft einer Wasserleitung kann nur Wenigen zu Gute kommen, am allerwenigsten aber der armen Näherin in der Mansarde, die heute hier, morgen dort wohnt und die kostspielige Anlage nicht mit fortnehmen kann. Das Uhrwerk beanspruchte die Muskeln eines Hausknechts zum Aufziehen, und dann nähte es zehn Minuten lang mit der ätherischen Kraft eines kränklichen Backfischchens. Der Heißluftmotor hat vielleicht noch eine Zukunft; nur müßte er sich sehr verbessern und im Betriebe vereinfachen. Die altbewährte Dampfkraft kann leider hier nicht in Frage kommen; sie gleicht dem Grossisten und kann sich auf Detailkram nicht einlassen.

Der Mechaniker Wilhelm Hoffmann in Mühlhausen in Thüringen hat nun eine uralte Kraft zu dieser Dienstleistung neu herangezogen, die Anziehungskraft der Erde.

Sein Werk stellt den hier im Bilde wiedergegebenen Sessel dar; vor sich zu Füßen hat man einen Hebeltritt (g), der nach der Gliederlänge der Nähenden kürzer oder länger gestellt werden kann.

Man drückt mit beiden Füßen auf diesen beweglichen Fußschemel; damit hebt man den Sitz des Schemels sammt seiner eigenen Person etwa zwölf Zentimeter empor. Die aufgewendete Kraft ist nun gleichsam bei der Schwerkraft der Erde auf allmähliche Rückzahlung angelegt worden. Die Körperlast drückt auf eine Zahnstange (c), die ein erfindungsreiches und doch sehr einfaches Räderwerk in Bewegung setzt; dieses treibt die Riemenscheibe (d), welche ihrerseits die Kraft auf die Nähmaschine (A) überträgt. In sanftem Tempo sinken wir in zwölf bis fünfzehn Secunden wieder auf den alten Punkte die Glieder, die inzwischen ausgeruht haben würden, wenn überhaupt eine Anstrengung stattgefunden hätte, drücken nun auf's Neue auf den Hebel, während der ganze Mechanismus ruhig seinen Gang weiter geht. Für sofortigen Stillstand der Maschine sorgt die Ausrückvorrichtung b.

Auch ohne vorausgegangene Uebung fanden sämtliche von mir consultirte Näherinnen das sanfte Auf- und Niedergehen der ganzen Person bei der Arbeit nicht störend. Bei feinen Zierarbeiten mag wohl Vorübung unerläßlich sein. Der Proceß des Nähens wird durch die Vermehrung des Betriebsmechanismus zwar um ein Weniges umständlicher; das soll und darf nicht verschwiegen werden. aber das kann den Vortheilen gegenüber kaum in Frage kommen. Am Trittbrett müssen die Füße in der Secunde zwei Mal drücken, am Nähstuhl in zwölf bis fünfzehn Secunden nur ein Mal. Dieser eine' Druck erfordert bei nur einiger Uebung kaum mehr Kraft, als ein Druck auf das Trittbrett, und die berüchtigte zitternde Bewegung des Körpers, die Ursache des „Nähmaschinenleidens“, fällt gänzlich weg. Das Nähen selbst kann langsam, aber auch mit rasender Schnelligkeit betrieben werden, je nachdem man die Füße während des Niedergehens leicht oder fest auf den Hebel aufsetzt. Jede Nähmaschine, mit und ohne den stets wünschenswerthen Nähtisch, gleichviel, welches Systems sie auch sei, kann durch unwesentliche Veränderung für den Nähstuhl hergerichtet werden. und um die Verschiedenheit des Körpergewichts auszugleichen, sind an der Riemenscheibe mehrere Schnurläufe angebracht, die kleineren dienen für Personen unter hundert Pfund. Geht der Riemen im kleinsten Schnurlauf, so genügt die Last eines dreijährigen Kindes, um den Stuhl nach abwärts zu drücken und die Nähmaschine in Bewegung zu setzen. Selbstverständlich muß der Mechanismus gut mit Oel bedacht werden.

Wir sehen, ganz entlastet sind die Näherinnen noch nicht, aber durch die Hoffmann'sche Erfindung ist ein wesentlicher Fortschritt erzielt worden, der hoffentlich dazu beitragen wird, die Nähmaschine noch populärer zu machen, als sie schon ist, ihre Segnungen zu verallgemeinern und die Schatten dieser herrlichen Erfindung zu verwischen.




Raubritter. (Zu dem Bilde auf Seite 281.) Eine Scene, welche, wie traurig im Grunde, doch des Humors nicht entbehrt. da hält der hergekommene Sprößling eines alten Adelsgeschlechtes, eine wahre Don Quixote-Gestalt auf einem Rößlein, dessen Alter zu würdigen man nicht erst nach den Zähnen zu suchen braucht. Dabei die Mähre des würdigen Knappen, welcher Biedermann soeben den Tragkorb eines heulenden Bauerweibes auf Beute untersucht. Werthvolles ist dabei freilich nicht zu holen, aber auf dem elenden Eulenneste, welches die beiden Strauchdiebe beherbergt und sich „Burg“ so und so – wahrscheinlich ein sehr pompöser Name – benennt, ist Schmalhans Küchenmeister, und was irgend für den Hunger hilft, wird mitgenommen. Ein Schinken und ein paar Flaschen Bier, welche die ersten Griffe lohnen, sind nicht zu verachten; leider ist der Eierkorb dem Entsetzen der Alten zum Opfer gefallen. er entsank den zitternden Händen, und der Eierkuchen, welchen man etwa von dem geretteten Inhalte auf Burg so und so backen wird, dürfte so mager aussehen wie der Burgherr selber. Das struppige Unterholz der Waldparcelle, auf der die ganze Tragikomödie spielt, vervollständigt den Eindruck des Verfalls und der Verkommenheit. Eine beißendere Satire auf das gesunkene Ritterthum, als diese Scene, ist kaum zu denken. Und doch ist sie keine Caricatur, sondern ein Stück Wirklichkeit aus dem Mittelalter, in welchem Meister Wilhelm Dietz, der sie gemalt, wie kaum ein College von ihm zu Hause ist. Eine Anzahl kleiner Burgherren und Adeliger, die Verschwendung ihrer Vorfahren mit kläglichster Armuth büßend und doch außer Stande, sich ehrlich aus der Noth zu helfen, weil sie nichts gelernt hatten, fiel dem Stegreif anheim und verband mit dieser erbaulichen Schmarotzerthätigkeit den glühendsten Haß gegen das behäbig aufblühende Bürgerthum.

Manche Ritter trieben den Rand in großem Stil und per Compagnie, andere so kläglich dürftig, wie unser Ritter von der traurigen Gestalt, vielleicht selbst obdachlos „hin und wider trabend“, Straßenräuber in unverfälschtester Form, welche den heiligen Georg als „Rottmeister“ ihres Reiterordens um gut Wetter anflehten und um Errettung vor allem strengen Recht, wenn sie „im Feld umjagen, das Gütlein zusammen tragen.

„Kaufleut sind edel worden,
Das spürt man täglich wol;
So kummt der Reitersorden
Und macht sie reisig vol:
Man soll sie außer klauben
Aus ihren mardren Schauben
Mit Brennen und mit Rauben
Die selbig Kaufleut gut,
Das schafft ihr Uebermuth -“

singt ein aus diesem Kreise überliefertes Lied. Wie schwer es hielt, dem wuchernden Unfug zu steuern, wieviel Burgen gebrochen, wieviel Köpfe dem Henker überliefert werden mußten, ehe ein heilsamer Schrecken in diese Gesellschaft fuhr. lehrt die Geschichte.

Der treffliche Künstler, welcher uns hier ein wenig erbauliches Stück Mittelalter in so drastischem Beispiele vorführt, gehört jetzt zu den gesuchtesten Meistern der Piloty'schen Schule und wirkt als Professor an der Akademie zu München. Er ist ein geborener (1839) Baireuther und erregte zuerst mit Illustrationen zu Schiller's „Geschichte des dreißigjährigen Krieges“ Aufsehen. Der Werth seiner Bilder liegt, abgesehen von der Feinheit der Charakteristik, der großen Lebendigkeit in der Composition und der naturwahren, sicheren Farbengebung , also den Vorzügen des tüchtigen Kunstwerks, in dem culturgeschichtlichen Gehalt derselben; nach Idee wie Detailausführung beruhen sie auf solidem Studium der Vergangenheit. So urechte Arbeiten wie unser Stegreifritter, sind eben nicht – aus dem Stegreif zu malen.





Vier deutsche Kinder in Italien verwaist. Aus Dillenburg im Nassauischen kommt uns eine jener Bitten zu, für deren Erfüllung wir stets offene Herzen und Hände gefunden haben: Der Mühlenbauer Ebner folgte mit Gattin und Kindern der Einladung niedrerer Schweizer zur Leitung eines Mühlengeschäfts in der Nähe von Neapel. Dort befand sich die Familie in guten Verhältnissen bis zum Ausbruche des Vesuv von 1872, bei welcher Gelegenheit die Gattin Ebner’s durch die furchtbare Aufregung – die Familie irrte drei Tage und Nächte, vor dem Aschenregen fliehend, auf freiem Felde umher – sich eine schwere Krankheit zuzog. Nach ihrer Herstellung wollte Ebner mit den Seinen nach Deutschland zurückkehren; da erkrankte auch er, und die gesparten Mittel zur Heimreise wurden aufgezehrt. Ebner würde mit den Seinen in die bitterste Noth gerathen sein, wenn nicht ein braver Mann in Teano ihn und seine Familie zu sich genommen hätte. Da aber brach das Unglück im August 1880 herein: in sechs Tagen starben das jüngste Kind, die Mutter und der Vater. Hülflos standen an den Särgen dieser drei Todten der vierjährige Adolf, die siebenjährige Minna, der neunjährige Emil und die vierzehnjährige Marie. Die verlassenen Kinder sehnen sich nun nach der Heimath, da aber die Reisemittel fehlen – so läßt sich der Inhalt unserer Bitte leicht errathen. Ist es guten Menschen unter den Lesern der „Gartenlaube“ gelungen, die verlassene Thüringerin (vergl. Jahrgang 1879., Nr. 31 u. 45) aus der Walachei wieder in ihre Heimath zu befördern, so werden mit Hülfe solcher edlen Herzen sicherlich auch die armen Nassauer das Land ihrer Geburt wiedersehen.





Berichtigung. In einem kleinen Theile der Auflage unserer Nr. 15 hat sich leider in dem Gedicht Zum Trost von Ernst Scherenberg ein sinnstörender Druckfehler eingeschlichen. Man lese dort in der ersten Zeile der zweiten Strophe nicht „Macht“, sondern „Nacht“!