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Die Ursache des Einschlagens vom Blitze:§ 14

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Die Ursache des Einschlagens vom Blitze ab S. 38
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§. 14.

Wir finden ferner bey den Würkungen der Wetterschläge eine gewisse Richtung. So bemerket Herr Delaval[1], daß der Blitz am Brigittenthurme in London bey den Stangen an der Ost- und Nordostseite keine Würkung gezeiget, |[39] da er die Stangen an der gegenüberstehenden Seite unbeschädiget gelassen, so wie auch aus den querliegenden Rosten im Thurme, nach Osten oder Nordosten, und nicht nach Nordwesten herausgefahren sey und Stein weggesprenget habe. – Ist diese Richtung des Blitzes beständig nach einer Weltgegend, oder ist sie aus verschiedenen Ursachen veränderlich? Die Naturforscher werden diese Frage einer Untersuchung nicht unwerth finden *). Herr |[40] Delaval machet nur bey dem angezeigten Falle die Folgerung, daß ein Wetterstrahl das Ei|[41]senwerk, oder anderes Metall an der einen Seite des Gebäudes noch beschädigen könnte, wenn |[42] gleich die andere Seite durch eine Ableitung geschützet wäre, welche das meiste des Strahls, was auf die Spitze fiele, herunter zöge. Er will daher, daß die metallene Ableitung, welche von oben herunter gehet, auch mit andern Stücken Metall, die hie und da im Gebäude liegen möchten, eine Verbindung haben sollte *). Ich rathe freylich zur Vorsicht an allen vier Ecken des kupfernen Thurmdaches, darinn sich gewiß ohne Schaden genug |[43] vom Blitze vertheilen kann, Ableitungen herunter gehen zu lassen. Alsdann aber glaube ich, hat man nicht zu befürchten, daß ein Blitz mitten am Thurme auf ein Stück Metall fallen werde *). Man möchte vielmehr meiner Meynung nach, lieber die Anker **), oder was sonst von Metall am Gebäude lieget, wie auch die Zieferscheiben †), mit der von oben herun|[44]tergehenden Ableitungen ganz vorbey gehen, und diese vielmehr, wo möglich, davon entfernen, damit der Blitz gar nicht darauf reflectire und etwas dadurch ins Gebäude geführet würde, welches die anliegenden Theile, oder wenigstens Menschen, die sich daselbst aufhalten, beschädigen könnte *). Denn, obgleich der Blitz, wenn er aussen einen freyen Abzug zur Erde hätte, nicht davon abspringen und Gewalt äussern würde, so müßte doch alles dieses Metall in dem Augenblicke, da das äussere getroffen wird, mit von der Materie angefüllet werden.

|[39]*) Es ist dieses ein Gedanke, darauf ich durch meinen sel. Vater Hrn. Prof. Reimarus[2], bey Erwähnung der obbemeldeten Fälle von Wetterschlägen, geführet bin. Ich habe mich demnach um Erfahrungen bemühet, und die Beobachtungen, welche ich bisher zusammenlesen können, scheinen zu bekräftigen, daß der Schlag zwischen Süden und Westen hergekommen und zwischen Norden und Osten hingefahren sey. So geschahe es zu Southweald und im Brigittenthurme, (Phil. Trans. Vol. LIV. p. 212.213[3]) wie auch in der Essex-Strasse in London. (S. oben §. 3. 5. 9.) Die Spuren eines Blitzes, welcher bey Ludgvan in Cornwall in einen Felsenhügel geschlagen, gehen auch grossentheils von Südwesten und Westen nach Osten. Der Wind aber war hie auch west- und westnordwestlich (Phil. Trans. Vol. XLVIII. P. I. p. 86.[4]) In einem Hause zu Norwich, welches alleine stand, ging der Weg eines Wetterstrahles nach Nordosten, wie ausdrücklich beschrieben wird. (ib. Vol. LI. P. I. p. 38.[5] sqq.) und eben so in einigen Häusern in Southwark. (ib. p. 286. 291.[6] sq.) So ist auch der Blitz im königl. Schlosse zu Upsal, Im Jahr |[40] 1760. von Südwesten nach Nordosten durchgefahren (Phil. Trans. Vol. LIII. p. 99.[7]) Zu Oxford hatte ein Wetterstrahl in allen Zimmern des Gebäudes, wo er eingeschlagen, eben den Strich genommen, da doch der Wind nordostlich gewesen. (ib. Vol. LV. p. 273.[8]) Bey unserer Nicolaikirche war der Blitz auch zwischen Norden und Osten ausgefahren. Ich habe damals nicht bemerket, wo der Wind oder der Zug der Gewitterwolke hergekommen. Aber, wie oben (§. 8.) erwähnet ist, es waren schon zu mehrernmalen die Wetterschläge bey dieser Kirche denselben Strich herabgefahren. Den Schlag beym Petri Thurme (§. 13. not. *) will ich hier nicht einmal anführen. Bey verschiedenen Privatgebäuden entsinnet man sich, eben dergleichen Richtung eines Wetterstrahls wahrgenommen zu haben. Die electrische Erschütterung scheinet auch nicht so beschaffen zu seyn, daß sie sich nach dem Winde, oder dem langsamen Zuge der Wolken richten könnte. Ich wünsche demnach, daß man uns bey genauen Beobachtungen von Wetterschlägen, sowohl den Windstrich, als den Zug der Gewitterwolke, und endlich, so viel möglich, den Strich des Blitzes im Gebäude bemerken möge. Man siehet leicht, daß einige Umstände, z. E. Metall, dadurch der Blitz geleitet würde, die Sache verändern können: ferner, daß man nicht die etwa in Südwesten zerschmetterten Dinge dagegen anführen müsse, wenn der Blitz gleich beym Einfahren daselbst zerstreuetes Metall, als die Nägel bey den Schindel- oder Schiefer|[41]dächern, angetroffen: noch auch den Weg, den die nach aussen abgesprengten Stücke geflogen, wie solches nach allen Enden in der Richtung geschiehet, wo der wenigste Widerstand angetroffen wird. Wir müssen auf solche Beyspiele sehen, wo der Strahl, von dem obern Theile des Gebäudes an, seinen Strich hie oder da hin mit gleicher Anlockung oder Widerstande hätte nehmen können. Fände sich die Muthmassung meines Vaters gegründet, so könnten vielleicht wichtige Folgen daraus gezogen werden, und es wäre eine noch unbemerkte Aehnlichkeit der electrischen Materie mit der magnetischen, deren schon einige andere in der Schrift: De similitudine vis electricae atque magneticae. Petrop. 1758. 4. (welche im Hamb. Magaz. XXII. B. p. 227. übersetzt ist) und in dem Tentamine theoriae Electricitatis & Magnetismi. Petrop. 1759. 4. von dem scharfsinnigen Hrn. Aepinus[9] angezeiget worden. Ich kann nicht umhin, hiebey auch die Erfahrungen zu erwägen, da vom Blitze die Magnetnadeln umgekehret worden, so, daß der Südpol sich nach Norden gewendet, davon wir verschiedene Beobachtungen haben. (Phil. Trans. N. 127. p. 647.[10] N. 157. p. 520.[11] N. 492. p. 111.[12]) Ich glaube zwar mit Aepinus, daß dieses bloß von der Erschütterung hergekommen sey, und nicht eigentlich magnetisches in der electrischen Materie anzeige: allein, ich sehe hier nur auf die Richtung der Erschütterung. Denn, wenn man einen Stahl streichet, so wird allemal das Ende, da man anfänget, zum Nordpol. Da |[42] also bey den in ihrer Stellung sich befindenden Compassen, der Südpol zum Nordpol geworden, so scheinet dieses anzuzeigen, daß der Blitz von Süden nach Norden durchgefahren sey. Man vergleiche damit, daß Hr. Franklin[13] es durch die künstliche Electricität schon einigermassen nachgemachet, indem er dadurch seinen Nähnadeln eine Richtung nach den Polen gegeben, und die Richtung, welche sie hatten, umgekehret hat. Das letztere ist ihm zwar noch nicht gelungen, wenn die Nadel von Süden nach Norden hin gestellet war: allein wenn sie von Westen nach Osten lag, so ward das Ende, wo der electrische Schlag hinein gieng, zum Nordpol, und er vermuthet, daß jenes nur gefehlet, weil er den electrischen Schlag nicht stark genug machen können. (S. seine Exp. and Obs. Lett. 5. p. 50. sq.) Wenn anderes Eisen vom Blitze magnetisch gemacht ist, (als davon (Phil. Trans. N. 437 p 74,75.[14] N. 459. p. 614[15]) so wünschte ich, daß man auch die Stellung anmerkte, darin das Ende gelegen, welches zum Nordpol geworden.

*) Phil. Trans. Vol. LIV. p. 232.[16]

|[43]*) Im Brigittenthurme wurden, so weit die Helmstange herunter reichte, die 5 obern von den 7 Schichten Quadersteinen, ob sie gleich eben wie die untern mit eingelötheten Eisen zusammengefügt waren, nicht beschädiget (Phil. Trans. Vol LIV. p. 216).

**) Was die Anker und Klammern betrifft, so wäre zu wünschen, daß man so bauen möchte, daß sie wenig in den Gebäuden gebrauchet würden. Ausser der Gefahr, welche sie bey einem Gewitter verursachen, erwehnet Herr Watson[17] am oben angeführten Orte Vol. LIV. p. 218[18] beyläufig noch einer andern. Es mußte nämlich zu London vor einigen Jahren eine Thurmspitze von gehauenen Steinen bloß deswegen abgenommen werden, weil die Anker, welche zwischen den Steinen steckten und mit ihren Enden an der freyen Luft lagen, so vom Roste geschwollen waren, daß sie die Schichten der Steine aufgehoben, und dadurch die Spitze aus dem senkrechten Stande gebracht hatte. Man schliesse hieraus, wie ungereimt bey Mauern, die im Wasser liegen, Ankereisen zur Festigkeit angebracht werden, davon sich die schlechten Würkungen genug äussern.

†) Ich gestehe zwar, daß der oben (§. 13.) ange|[44]führte Fall vom Nicolai Thurme die Sicherheit der Verbindung des Daches mit den metallenen Zeigerscheiben, und also auch der Ableitung mit anderm (wenigstens nicht eingeschlossenen) Metalle am Gebäude, zu erweisen scheinet. Ich wünsche aber, daß man die Umstände von der Lage des Zieferblattes der Uhr und der Glocken noch bey mehrern Thürmen, die vom Blitze getroffen sind, vergleichen möge, ehe ich mich getraue, mit Gewisheit davon zu urtheilen.

*) Der unsicherste Auffenthalt auf unsern Thürmen, so wie sie itzt beschaffen sind, ist da, wo etwas Metall, darauf der Blitz von aussen fallen kann, nach innen hinein gehet, als bey der Uhr, den Glocken und Dräthen, welche damit zusammenhängen, und, wo der Thurm Absätze hat, die mit Metall beschlagenen Zwischenböden: der sicherste aber der übrige innere Raum einer mit Metall gedeckten Spitze.

Anmerkungen (Wikisource)

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  1. Herr Delaval – Edward Delaval (1729–1814), englischer Universalgelehrter, auf Vermittlung Benjamin Franklins ab 1759 Mitglied der Royal Society; entwickelte im Auftrag der Royal Society 1769 gemeinsam mit Franklin einen Blitzschutz für die Londoner Saint Paul’s Cathedral.
  2. durch meinen sel. Vater Hrn. Prof. ReimarusHermann Samuel Reimarus
  3. Phil. Trans. Vol. LIV. p. 212.213 – William Watson: Observations upon the Effects of Lightning, with an Account of the Apparatus Proposed to Prevent Its Mischiefs to Buildings, More Particularly to Powder Magazines; Being Answers to Certain Questions Proposed by M. Calandrini, of Geneva, to William Watson, M. D. F. R. S., in: Philosophical Transactions 54 (1764), S. 201–227, hier: S. 212f.
  4. Phil. Trans. Vol. XLVIII. P. I. p. 86. – William Borlase: An Account of a Storm of Thunder and Lightning, Near Ludgvan in Cornwall, in a Letter from the Rev. Mr. Wm. Borlase, M. A. F. R. S. to the Rev. Dr. Lyttelton, Dean of Exeter, in: Philosophical Transactions 48 (1753/1754), S. 86–93.
  5. Vol. L I. P.I. p. 38. – Samuel Cooper / Joseph Warner: An Account of a Storm of Thunder and Lightning at Norwich, on the 13th of July 1758. By Mr. Samuel Cooper. Communicated by Mr. Joseph Warner, Surgeon of Guy's Hospital, and F. R. S., in: Philosophical Transactions 51 (1759/1760), S. 38–40.
  6. p. 286. 291. – William Mountaine: An Account of Some Extraordinary Effects of Lightning, in a Letter to Dr. Gowin Knight: By Mr. William Mountaine, F. R. S., in: Philosophical Transactions 51 (1759/1760), S. 286–299.
  7. Phil. Trans. Vol. LIII. p. 99. – Torbern Bergman: Observations in Electricity and on a Thunder-Storm: In a Letter from Mr. Torbern Bergman, to Mr. Benjamin Wilson, F. R. S. Acad. Reg. Upsal. Soc., in: Philosophical Transactions 53 (1763), S. 97–100.
  8. Vol. LV. p. 273. – Griffith: Some Account of the Effects of a Storm of Thunder and Lightening in Pembroke College, Oxford, on June 3, 1765: In a Letter from Mr. Griffith, of the Said College, to the Rev. John Swinton, B. D. F. R. S., in: Philosophical Transactions 55 (1765), S. 273–279.
  9. von dem scharfsinnigen Hrn. Aepinus – …
  10. Phil. Trans. N. 127. p. 647.An Extract of a Letter etc. from Dublin May the 10th, 1676, in: Philosophical Transactions 11 (1676), S. 647–653.
  11. N. 157. p. 520.A Relation of the Effect of a Thunder Clap on the Compass of a Ship on the Coast of New England, in: Philosophical Transactions 14 (1684), S. 520–521.
  12. N. 492. p. 111. – John Waddell / Gowin Knight: A Letter from Captain John Waddell to Mr. Naphthali Franks Merchant, concerning the Effects of Lightning in Destroying the Polarity of a Mariners Compass; To Which Are Subjoined Some Remarks Thereon, by Gowin Knight, M. B. F. R. S., in: Philosophical Transactions 46 (1749/1750), S. 111–117.
  13. Her Franklin – …
  14. Phil. Trans. N. 437 p 74,75. – Pierce Dod: An Account of an Extraordinary Effect of Lightning in Communicating Magnetism. Communicated by Pierce Dod, M. D. F. R. S. from Dr. Cookson of Wakefield in Yorkshire, in: Philosophical Transactions 39 (1735/1736), S. 74–75.
  15. N. 459. p. 614 – …
  16. Phil. Trans. Vol. LIV. p. 232. – Edward Delaval: An Account of the Effects of Lightning in St. Bride's Church, Fleet-Street, on the 18th of June 1764: In a Letter to Mr. Benjamin Wilson, F. R. S. from Edward Delaval Esq; F. R. S., in: Philosophical Transactions 54 (1764), S. 227–234, hier S. 232.
  17. Herr WatsonWilliam Watson (1715–1787), englischer Apotheker, Arzt und Naturforscher. Als Mitglied der Londoner Royal Society führte Watson ab 1744 zahlreiche Experimente zur Elektrizität durch. Besondere Bekanntheit erlangte er für seine Forschungen zur sogenannten „Leidener Flasche“, der frühesten Bauform eines Kondensators. Aufbauend auf den Experimenten Benjamin Franklins veröffentlichte er 1764 einen eigenen Vorschlag zum Schutz von Pulvermagazinen vor Blitzen.
  18. Vol. LIV. p. 218 – William Watson: Observations upon the Effects of Lightning, with an Account of the Apparatus Proposed to Prevent Its Mischiefs to Buildings, More Particularly to Powder Magazines; Being Answers to Certain Questions Proposed by M. Calandrini, of Geneva, to William Watson, M. D. F. R. S., in: Philosophical Transactions 54 (1764), S. 201–227, hier S. 218.