Geschichte von Kloster Heilsbronn/Verhaltungsregeln
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waren in lateinischer und deutscher Sprache verabfaßt und gaben in vier Kapiteln folgende Vorschriften: Cap. I. De Pietate, von der Gottesfurcht. Vor Allem sollen die Zöglinge Gott fürchten und nach Gottes Geboten leben; den Namen Gottes nicht mißbrauchen durch Fluchen, Schwören etc.; des Morgens und Abends mit Andacht für eigene und gemeine Noth beten; Aberglauben, falsche Religion, Fabelwerk (futiles nugas de Deo et cultibus divinis) fliehen; des Sonnabends zur Vesper und an Sonn- und Feiertagen rechtzeitig zur Kirche kommen und stille sein, ordentlich je zwei und zwei ohne Getümmel ein- und ausgehen, die Predigt andächtig und ohne Plaudern hören, nachschreiben oder die vornehmsten Punkte daraus merken; vor und nach Tisch, des Morgens und des Nachts soll Einer, den die Ordnung trifft, das Gebet laut sprechen, dem die Anderen mit dem Herzen folgen sollen; den Chor in der Kirche an jedem Tage besuchen und dabei mit Singen, Lesen und Beten Gott mit rechter Andacht dienen; zum Abendmahl sich fleißig halten und sich also halten, daß sie es würdig empfangen. Cap. II. De Studiis. Sie sollen daheim ihre Lektionen fleißig lernen, pünktlich in den Auditorien erscheinen, sich ruhig verhalten, die Studien mit Gebet anfangen, die Präceptores ehren, nicht schwätzen, malen etc., Bücher, Federn etc. stets bei der Hand haben, nicht in die Bücher zwischen die Zeilen schreiben, beim Hersagen nicht in’s Buch sehen und nicht einblasen, fleißig repetiren, die Specimina selbst machen, der Zierlichkeit im Reden sich befleißigen, jeden Tag etwas komponiren und auswendig lernen, ohne Erlaubniß nicht spazieren gehen, spielen, fremde Leute, Mahlzeiten, Hochzeiten oder Tänze besuchen, bei längerem Verzug glaubwürdige [96] Scheine mitbringen, beim Abgang von der Schule von den Präceptoren ehrlichen Abschied nehmen und für empfangene Wohlthat danken. Cap. III. De Moribus. Sie sollen sich guter Sitten befleißigen, die Präceptoren als ihre Väter ehren und ihnen gehorchen, ihre Mitschüler nicht beleidigen, nicht hadern, raufen, balgen, verwunden; Streitigkeiten vor den Rektor bringen, rechtzeitig aufstehen, die Betten sauber zusammenthun, sich waschen, kämmen und die Ohren reinigen; Kleider sauber halten, gefärbte und prächtige Kleider nicht tragen, sondern schlechte, ehrliche Schultracht; die Zellen sauber halten, die Zelleninspektoren nicht schmähen, nicht in andere Zellen schleichen; nichts Unsauberes zum Fenster hinausschütten; keine Dolche noch Degen tragen, sintemal die martialischen Waffen sich übel zum Schulmantel schicken; nicht mit Karten und Würfeln spielen; die Wände nicht bemakeln; ihren Obern auf dem Wege Reverenz erzeigen; nicht zu den Weibspersonen im Kloster gehen; sich nicht in heimliche Ehegelübde einlassen; kein brennendes Licht in der Zelle haben; beim Schlafengehen gedenken, was sie am Tage geredet, gethan, gelernt und morgen zu thun haben. Das Contubernium soll zur bestimmten Zeit auf- und zugesperrt werden. Die Ein- und Ausgehenden soll der Janitor aufzeichnen. Wer diese Statute freventlich übertritt, hat Relegation zu erwarten. Cap. IV. Leges Mensae communis. Der gute Tisch soll die Alumnen reizen, sich der Gottesfurcht und Wissenschaft zu befleißigen. Aus jedem Tisch sind Einige zu wählen, die mit dem Inspektor Ordnung halten. Jeder soll an seinem Platz mit aufgerichtetem Leibe sitzen, über Tisch züchtig sein, nicht geizig fressen noch sich voll saufen, auch nicht die Knochen, wie die Hunde, mit den Zähnen zernagen; sie sollen einander nicht zutrinken, nicht einander die Speisen vom Mund reißen, Tischtücher, Tische, Kannen etc. nicht zerschneiden, während des Bibellesens bei Tisch nicht schreien und pochen, sondern dem Lektor andächtig zuhören; nichts vom Tisch wegtragen, nicht in die Küche gehen; die Aufträger sollen ohne Geräusch auf- und abtragen.“ Jeder Eintretende mußte sich durch Revers verpflichten, dieß Alles zu befolgen.
[97] Gleichwohl herrschte schon von vornherein, von 1582 bis 1631, im Allgemeinen kein guter Geist in der Fürstenschule, wie im IX. Absch. berichtet wurde. Noch weit schlimmer wurde es von 1655 an: die Jugend erwies sich im Allgemeinen nach dem Kriege noch weit zügelloser, als zuvor, trotz der neuredigirten Schulordnung. Schon in den ersten drei Jahren nach Wiedereröffnung der Schule mußten von den 48 Neuaufgenommenen die unter Nr. 17, 23, 37, 45 genannten Zöglinge wegen Unzucht relegirt werden, in den ersten fünf Jahren sieben. Sechs traten aus wegen anderer Ursachen. Die Untersuchungsakten zeigen, daß nicht nur die vier relegirten Fornikanten, sondern auch andere ihrer Mitschüler desselben Lasters schuldig waren; daß alle Zöglinge das sittenlose Treiben ihrer Mitschüler kannten, aber dazu schwiegen; daß die Malefikanten an Eidesstatt betheuerten, mit der Dirne nichts zu thun gehabt zu haben. Letztere entwich und gebahr in Neuses bei Ammerndorf, was der dortige Pfarrer Otho dem Richter Eyermann in Heilsbronn anzeigte. Auch während der folgenden Jahre kamen Relegationen wegen Unzucht und Ehebruch mehrmals vor, weßhalb die Herren Präceptores, wegen schlechter Inspektion, scharfe Rügen von den Regierungen erhielten. Weitere Verhandlungen betrafen den Schüler J. L. Würflein aus Wunsiedel, welcher Hemden, Betttücher, Mantel und Hut an eine liederliche Taglöhnersfamilie verkaufte, aber wegen seiner Jugend auf Fürbitte seines Vaters nicht relegirt wurde. Die Taglöhnersfamilie wurde an Geld gestraft und ausgewiesen. Der Kantor Goldner überreichte eine Beschwerde „über die Alumnos, welche wie die Nachtraben umschwärmten, ihm Obst und Bier raubten und sein Haus zu erbrechen trachteten.“ Hierauf befahl das Konsistorium Bayreuth: „bessere Aufsicht zu halten; die oberen Alumni, welche die Aufsicht führten, sollten diejenigen anzeigen, welche sich Nachts nicht in ihren Zellen befänden; die Übertreter sollten am Leib bestraft, relegirt und die auf sie gewendeten Kosten von den Bürgen erhoben werden.“ Der bayreuther Generalsuperintendent Kasp. von Lilien referirte 1666, im elften Jahr nach Wiedereröffnung der Schule: „Nachdem ich von beiden [98] Herren Markgrafen abgeordnet worden bin wegen höchstnöthiger Eräusser- und Verbesserung des in ziemlicher Abnahme sich befindenden Gymnasii in Heilsbronn, so referire ich: Man hat bisher vielfältig gefunden, wie in dem Gymnasio eine Zeit her gar schlechter Nutz bei der Jugend geschafft worden, so daß ohne Verzug Verbesserung anzustellen ist, damit das Studium sincerae pietatis mit allem Fleiß traktirt und das bisher fast ganz und gar negligirte Studium vitae introduzirt werde. Es ist daher gute Inspektion sowohl auf die Docentes als Discentes zu haben. Es wäre vielleicht gut, die Abtsstelle wieder mit einem wohlqualifizirten Subjekt zu besetzen, oder dem künftigen, dießmal von Bayreuth zu ernennenden Prediger diese Inspektion auszutragen. Ferner sind, wenn auch nicht halbjährliche, doch jährliche Visitationen sehr nöthig.“ Diesem Antrage entsprechend wurde zwar die Abtsstelle nicht wieder besetzt, aber der neuernannte Prediger Gottf. Händel nächst dem Rektor zum Professor und Inspektor ernannt und öftere Visitation angeordnet. Gleichwohl nahm die Zuchtlosigkeit von Jahr zu Jahr mehr überhand, wie der nunmehrige Inspektor Händel selbst berichtete in einem „gehorsamen wohlgemeinten Memorial, das Gymnasium zu Heilsbronn betr. vom 15. Februar 1671,“ sonach im 16. Jahre nach der Wiedereröffnung. Händel berichtete: „1. Ist die Bosheit der Alumnorum gleich Anfangs meiner Hieherkunft (1670) so übermächtig befunden worden, daß solche zu allen Bubereien dergestalt sich verbunden und annoch sich verbunden halten, daß in Begehung Raubens und Stehlens bei nächtlicher Weil, Aussteigens, Tumultuirens, Fluchens, Schwörens, Gotteslästerns, Vollsaufens und Spielens alles offenbar ist. Sie gestehen das Geringste nicht, beantworten mit Lachen oder leichtsinnigem Widersprechen das ihnen Vorgehaltene, verschwören durchgehends sich zusammen, führen einerlei Rede, also daß der Kleinste redet wie der Größte. Wissend, daß man den ganzen Coetum nicht leicht zugleich bestrafen kann, werden sie in ihrem Muthwillen desto mehr bestärkt und trotzig, häufen Leichtfertigkeit auf Leichtfertigkeit, zumal da von den Herren Präzeptoren keine exemplarische und sattsame [99] Strafe gegen sie beschieht, als welche Präzeptores sich entschuldigen, daß sie es nicht thun dürfen, indem man ihnen nie Schutz gehalten, die bösen Buben wider sie allezeit obgesiegt und ihnen Verweis zugekommen, daß sie diese Gesellen nicht recht traktirt hätten. 2. Die bei Wiedereinführung der Schule i. J. 1655 publizirten Schulgesetze sind bisher nicht observirt, auch kein Zwang ergriffen worden, sie zu observiren. 3. Die Lektionen werden nicht eingehalten. 4. Der Ferien sind zu viel. 5. Wird zu viel untereinander traktirt. 6. Die Musik ist völlig ins Abnehmen gerathen, daß man fast kein einziges Stück mehr recht singen kann. 7. Die Knaben kommen gar zu unwissend hieher. 11. Im Collegio will Einer da, der Andere dort hinaus, Einer so viel sein als der Andere, daher kann hier nichts recht Ordentliches sein. Es ist hier kein Respekt, kein Vertrauen, keine Eintracht. 16. Es ist mit den Alumnis so weit gekommen, daß sie, was ihre Präzeptores sie heißen, am wenigsten thun, gleich Alle davon laufen wollen, daß die Präzeptores sie noch um Gotteswillen bitten müssen, allhie zu beharren. Sie expostuliren, trotzen, pochen. Sie sind Herren, die Präzeptores müssen fast nichts sein, sonderlich, da sie wissen, daß sie, wenn die Präzeptores schriftlich wider sie geklagt, meistentheils recht, die Präzeptores unrecht gehabt haben. Wie es so weit gekommen, weiß ich nicht. Und ist eben die Summa: ein gänzlich verdorbenes Gymnasium. Wird dem durch eine Generalvisitation nicht geholfen und Alles aufs Neue in die alte Fundation und Ordnung de pietate, doctrina et cultura morum eingerichtet, so werden die aufgewendeten schweren Kosten ihren Zweck, als zur Ehre Gottes und christlichen Wesens Besten nimmermehr erreichen. Diese christlich gemeinten Erinnerungspunkte habe ich von Amts- und Gewissenswegen zu Papier gebracht, um solche bei künftiger Visitation einzuliefern oder einigen Kulmbachischen Räthen, so hieher kommen, zur Betrachtung zu übergeben. Geschrieben in Heilsbronn, den 15. Febr. 1671. Händel.“
Dem vom Prediger Händel gestellten Antrage wurde sofort entsprochen: die beiden Fürstenhäuser beschlossen eine Visitation. [100] Es erschienen bei derselben im April 1671 kulmbachischerseits der Generalsuperintendent von Lilien und der Justizrath Gabr. Luther, onolzbachischerseits die Räthe Benz und Hammerschmit. In dem dabei aufgerichteten Rezeß hieß es: „Nachdem viele Beschwerden eingelangt wegen des Schulwesens zu Heilsbronn, zumal wegen der von den Alumnis verübten Exorbitancien, haben sich die Unterfertigten dahin verglichen: 1. Die Alumni werden ermahnt, nach der Fundation und den Rezessen zu leben. 2. Zur Abwendung der Beschwerungen sind die besten Mittel Visitationen, welche also, wie sonst, alljährlich im Mai gehalten werden sollen, wenn die beiderseitigen Räthe ohnehin wegen der Rechnung hieher kommen. 3. Der Prediger und der Rektor sollen gemeinschaftlich die Inspektion haben. 4. Aufsicht auf die deutsche Schule und die Bibliothek führt allein der Prediger Händel. 6. Die Inspektion beim Essen haben Prediger, Rektor, Konrektor und Kantor wechselsweise einen Tag um den andern, auch über die Zellen, Truhen und Betten. 8. Die deutsche Schule wird einem Alumnus übertragen, welcher nicht mehr Locat, sondern Collaborator heißen und von beiden Häusern wechselsweise gewählt werden soll. 10. Prediger und Präceptoren, welche eine Zeit her mißhellig waren, sollen sich vertragen. 11. Den Alumnis sollen ihre bisherigen Exzesse, Leichtfertigkeit, Pasquillmachen, Gotteslästerung, Fluchen, nächtliches Ausstreunen, Einsteigen in die Gärten etc. ernstlich vorgehalten werden bei Androhung der Entziehung des Benefiziums, des Ersatzes der sumtuum und der Relegation ohne Hoffnung auf Anstellung. 12. Die Schulgesetze sollen alle Vierteljahre vorgelesen, halbjährlich die Censuren über jeden Schüler an die Konsistorien eingeliefert werden etc.“ Diese Anordnungen waren recht gut gemeint; allein es fehlte die Durchführung. Daher die sehr richtige Fragstellung des damaligen Verwalters Stör: „Wie, wenn das im obigen Rezeß Verordnete nicht geschieht? wer wird die Mängel bei den Konsistorien anzeigen?“ Daß der Rezeß den gewünschten Erfolg nicht hatte, ergab sich drei Jahre darauf, als dieselben Räthe (nur an Luther’s Stelle der Rath Hofmann) wieder visitirten und das alte Thun [101] und Treiben vorfanden. In ihrem Bescheid vom 6. Mai 1674 hieß es: „1. Trotz dem Rezeß von 1671 sind die Schulgesetze nicht vierteljährlich verlesen worden; noch weniger haben die Alumni denselben Folge geleistet. Es wird daher die Vorlesung neu eingeschärft. 2. Die Präceptores haben dennoch Lectiones ausgesetzt, ohne Anzeige beim Prediger und Rektor. 3. Die angeordnete halbjährliche Einsendung der Censuren ist unterblieben; wird neu eingeschärft. 4. Die 1671 gerügten Mißhelligkeiten zwischen Prediger und Präzeptoren sind glücklicherweise unterblieben. 6. Die angeordnete Inspektion beim Essen etc. ist vielfach unterblieben; wird abermals eingeschärft. 8. Die vorgeschriebene Kleiderordnung ist nicht eingehalten worden; denn die Alumni, mit den ihnen gegebenen Kleidern nicht zufrieden, haben sich nach französischer Mode mit bunten Bändern behängt, gelbe lederne Hosen und Strümpfe, weiße und gefärbte hohe Schuhe getragen, was bei Strafe der Entziehung des Benefiziums aufs Neue verboten wird. 10. Bei den Alumnis ist wenig Pietät; sie plaudern unter der Predigt, daß es der Prediger auf der Kanzel hört; unter dem Morgengebet unternimmt der Eine dieß, der Andere das; ein solcher soll mit dem Karzer bestraft werden. 13. Die Einwohner sollen den Alumnis keinen Unterschleif geben. Letztere sollen im Sommer um 9 Uhr, im Winter um 6 im Kloster sein; wo nicht, so sollen sie aufgegriffen und bestraft werden.“
Der Prediger Händel wurde nach vierjährigem Aufenthalt in Heilsbronn Generalsuperintendent in Ansbach und somit in den Stand gesetzt, das von ihm, wie vorhin berichtet, unt. 15. Febr. 1671 vorgeschlagene Heilmittel, die Visitation, recht in Anwendung zu bringen. Demungeachtet erfolgte keine Heilung; ja es wurde schlimmer als zuvor, schon dadurch, daß Onolzbach und Bayreuth bei der Visitation nicht Hand in Hand gingen. Onolzbach befahl, halbjährlich zu visitiren, was auch geschah, aber ohne Rücksichtnahme auf Bayreuth. Kaum erhielt man hier Nachricht von der ersten abgehaltenen Visitation, als das Konsistorium Bayreuth, von Lilien an der Spitze, den Verwalter in Heilsbronn aufforderte, [102] zu berichten: „wer die Visitation angeordnet, wer sie vollzogen und was dabei geschehen?“ Der Verwalter berichtete hierauf nach Bayreuth: „Die Visitation wurde von Onolzbach angeordnet, vom 23. bis 28. Juni 1683 vom Generalsuperintendenten Händel, Konsistorialrath Bentz und Sekretär Kohl abgehalten; dieselben examinirten aber nur die onolzbachischen Fürstenschüler. Auch wurde ein Gottesdienst gehalten. Die Visitatoren logirten im Verwaltershaus und erhielten von den Alumnis eine Nachtmusik. Die Zehrungskosten wird Onolzbach allein zu tragen haben. Die Visitationen sind höchst nöthig, und zwar gemeinschaftlich, damit die täglich accrescirenden Schülerexzesse und bösen Unordnungen abgestellt werden. Die Visitation schloß aber fast mit einem Unglück, indem bei der Rückfahrt eine Achse brach, der Sekretär Kohl eine Zeit lang bewußtlos lag und Herr Bentz auf Herrn Generalsuperintendenten zu liegen kam.“ Auch in den folgenden Jahren visitirte Händel nur die onolzbachischen Schüler, wodurch immer aufs Neue Öl ins Feuer gegossen wurde. Die Ueberhandnahme der Zuchtlosigkeit hatte auch darin ihren Grund, daß oberländische Wüstlinge, deren Bestrafung Onolzbach beantragte, in Bayreuth Schutz fanden. Einer dieser Wüstlinge, J. K. Pertsch aus Münchberg, von Onolzbach aus zur Relegation verurtheilt, floh zu seinem Bruder nach Wunsiedel und brachte es durch Protektion seines Vetters, des Generalsuperintendenten von Lilien zu Bayreuth, dahin, daß die Relegation vorerst unterblieb; aber im Jahr darauf wurde sie, wegen gehäufter Exzesse, dennoch vollzogen. Der Verwalter Jung berichtete darüber im Jan. 1677: „Je und je kommen unter den hiesigen Alumnis böse Gesellen und grobe Exzesse vor, und will dem Ansehen nach noch weiter einreißen. Denn im vorigen Jahr sind Schradin und Rosch relegirt worden, wobei auch Pertsch schon betheiligt und der Relegation nahe war, aber pardonnirt wurde um vornehmer Freunde Fürbitte willen. Er wurde dadurch nicht besser und setzte seine Debauchen fort. Allein man glaubt in Bayreuth dem Pertsch mehr als mir, dem Prediger und den Professoren. Man ist dort uns Unterländern insgemein gehässig.“ 1678 wurde der Alumnus [103] Sal. Rummel, Pfarrerssohn aus Ipsheim, relegirt wegen Schwängerung und entfloh mit der Dirne. 1679 wurde Geld- und Thurmstrafe über den Wirth Oswald verhängt, weil er, wider Verbot, den Schülern Wein und Bier gereicht. 1681 wurde G. H. Graff aus Baiersdorf relegirt wegen grober Mißhandlung eines Mitschülers. In der Rechnung von 1672 bei dem Titel „Bierausgaben“ lautet der Vortrag: „Am 20. Oktober Nachts sind die Alumni in den Keller gebrochen, haben nicht allein ein volles Faß, 1 Eimer und 32 Maas haltend, hinaus und auf das Gymnasium praktizirt, sondern auch noch 40 Maas aus einem andern Faß genommen sammt 12 Maas Branntwein; hernach aber, weil es lautbar worden, in der Nacht das Faß voll wiederum durch die Kirche in den Kreuzgang geliefert, die 40 Maas Bier aber sammt dem Branntwein verzehrt, daher hier in Ausgab gebracht.“ In den Rechnungen von 1674 und 76 heißt es: „In Anwesenheit fürstlicher Herrschaften sind von den Alumnis aus dem Schulkeller durch gewaltsamlich Einbrechen 24 Maas entwendet worden. Der Thorwart Link ist um 5 fl. gestraft worden, weil er, wider oftmaligen Verbot, die Schüler, in specie den Schradin, zu seiner Stieftochter einschliesen lassen.“ In den Jahren 1679 und 80 fand sich Niemand mehr für den Nachtwächterdienst, so nöthig er auch war, wegen der Alumnorum nächtlichen Muthwillens.
Nach diesem Einblick in das wüste Schülerleben fragen wir billig: War unter den Professoren keiner geeignet, die Schule zu beleben, zu heben und dem zügellosen Treiben der Jugend Einhalt zu thun? Die betrübende Antwort lautet: Keiner der bisher, auch keiner der späterhin bis an das Ende des Jahrhunderts fungirenden Professoren. Sie waren zwar meist gelehrte und wohlgesinnte Männer, aber insgesammt ohne pädagogischen Takt, einige selbst nicht wohlgezogen. Man suchte dadurch zu helfen, daß man den Prediger ihnen an die Seite oder über sie setzte; allein dadurch wurde es nicht besser. Sie waren insgesammt heilsbronnische Stipendiaten, welche von der Universität, wo sie gewöhnlich auch magistrirten, heimberufen, sofort an der [104] Fürstenschule als Professoren angestellt wurden, unerfahren in’s Amt traten und nicht geeigenschaftet waren, die wieder eröffnete Schule zu beleben und zu leiten. Dieß galt schon von den bereits genannten drei Professoren Coeler, Faber und Precht, mit welchen die Schule eröffnet wurde. M. Martin Clemens Coeler, Dekanssohn aus Krailsheim, konnte seine Gymnasialbildung nicht in Heilsbronn erhalten, da während seiner Jünglingsjahre die Fürstenschule geschlossen war. Er besuchte daher die Lateinschule zu Ansbach, bezog aber daselbst ein heilsbronner Trivial–(Gymnasial–)Stipendium. Von 1632 bis 42 konnte, wegen gänzlicher Verarmung, gar kein Stipendium gezahlt werden. 1642 wurden, laut beiderseitigem Regierungsbeschluß, wieder 6 Trivial- und 2 Universitätsstipendien ermittelt. Eines der letzteren erhielt Coeler, als er, 20 Jahre alt, die Universität Wittenberg bezog. Nachdem er dort studirt und magistrirt hatte, wurde er, 26 Jahre alt, 1655 heimberufen zur Übernahme des Rektorats an der Fürstenschule. Vorläufig fungirte er aber unter dem Titel Konrektor bis zur Ermittelung einer Rektoratsbesoldung. Erst nach vier Jahren konnte er als Rektor eintreten. Nach zwanzigjähriger Führung des Rektorats erhielt er die Predigerstelle zu Heilsbronn und starb 1691. Siehe seinen Grabstein bei Nr. 91. M. Joh. Ad. Faber, aus Münchberg, erhielt als Lateinschüler in Hof das heilsbronner Trivialstipendium (30 fl.) und das akademische (50 fl.) in Wittenberg, wo er, wie Coeler, magistrirte und gleichzeitig abberufen wurde, um die zweite Professur in Heilsbronn zu übernehmen. Allein er zog schon nach vier Jahren weg, nachdem er dort nicht mit Allen friedlich gelebt hatte, insonderheit nicht mit dem Prediger Schöderlein, welcher beim Eintrag seines Namens im Kommunikantenregister beischrieb: „meus adversarius.“ M. Erhard Brecht, der dritte Professor und Kantor, nach Faber’s Austritt zweiter Professor oder Konrektor, gleichfalls ein heilsbronnischer Stipendiat, erst Pfarrer in Tiernspach, bis er nach Heilsbronn kam, seine Übersiedelung dahin bitter bereuend, laut folgender Äußerung: „Hätte mit auf meiner Pfarrei der Amtsschreiber nicht so gar wehe gethan, so hätte ich [105] nimmermehr eine Mutation im Sinne gehabt. Mir, wie meinen Kollegen, wird Gemüse, Hirse, Heidel, Habermehl, Bier etc. nicht richtig geliefert, bitte daher um Vergütung für den Fall, daß ich nach Gottes und der beiderseitigen durchlauchtigsten Fürsten gnädigem Willen wider Verhoffen noch länger an diesem mühseligen Kantorat hangen bleiben soll.“ Sein Pensum war allerdings mühselig, da er neben seiner Funktion als Gymnasiallehrer und Kantor auch die deutsche Schule und die Meßnerei zu besorgen hatte. Seine Lage verbesserte sich, da er vorrückte und Konrektor wurde. Als solcher starb er 1675 nach zwanzigjähriger Amtsführung in Heilsbronn. Nach ihm wurde J. Stübner Konrektor, über den nachher Mehreres berichtet werden wird. Kantor oder Tertius wurde M. Ant. Ad. Goldner aus Hof, von 1655 bis 59 Fürstenschüler in Heilsbronn, dann Student und Magister in Tübingen, dann gleichfalls heimberufen nach Heilsbronn, wo er 12 Jahre lang fungirte, bis er die Pfarrstelle in Goldkronach erhielt. Er sehnte sich weg von Heilsbronn und der rohen Fürstenschuljugend laut seiner oben angeführten „Beschwerde über die Alumnos, welche wie Nachtraben umschwärmten, ihm Obst und Bier stahlen und sein Haus zu erbrechen trachteten.“ Nach ihm wurde J. Lor. Beyer Konrektor, wie die bisher Genannten ein heilsbronner Stipendiat, von der Universität heimberufen und an der Schule angestellt, aber bald darauf abgesetzt wegen grober Exzesse: Trunksucht, Raufhändel, Mißhandlung seiner Schwiegermutter und seiner Frau, welche auf Scheidung drang. Nach seiner Kassation wurde er aus Heilsbronn verwiesen. Nach Coeler’s Beförderung zur Predigerstelle erhielt Krebs das Rektorat, nach Brecht’s Tod Stübner das Konrektorat, beide ebenfalls von der Universität heimberufene heilsbronner Stipendiaten, kenntnißreich, aber ebensowenig wie ihre Vorgänger qualifizirt, der Schule einen besseren Geist einzuhauchen. M. J. Friedr. Krebs, 1651 in Bayreuth geboren, studirte und magistrirte in Jena, wurde 24 Jahre alt heimgerufen zur Übernahme des Rektorats, 17 Jahre darauf Prediger in Heilsbronn, wo er 1721 starb. Siehe seinen Grabstein. M. Joh. Stübner, geboren 1649, war, wie [106] er selbst berichtet, der Enkel eines Protestanten in Leobschütz in Schlesien, welcher 1622, wie viele Andere, um des Glaubens willen von dort vertrieben, in den beiden Fürstenthümern ein Asyl fand. David Stübner, Joh. Stübner’s Vater, war während des 30jährigen Krieges Pfarrer in Urfersheim und Schwebheim. Unser Joh. Stübner trat laut Regierungsentschließung d. d. Bayreuth 1663 als Zögling in Heilsbronn ein, studirte in Tübingen, wo er das heilsbronnische Stipendium vier Jahre lang bezog und magistrirte, worauf man ihn, 26 Jahre alt, 1675 heimberief und an der Fürstenschule als Konrektor anstellte. 1692 wurde er nach Krebsens Beförderung Rektor, 1700 abgesetzt, dann Pfarrer in Goldkronach, wo er starb.
Am 5. April 1682, da Krebs noch Rektor, Stübner noch Konrektor war, wurde die Sekularfeier zur Erinnerung an die Eröffnung der Fürstenschule vor hundert Jahren begangen. Dem Einladungsprogramm zufolge wurde es dabei gehalten, wie folgt: Predigt; 6 Alumnen hielten Reden, und zwar Sylvester Schmidt (nachmals Rektor) lateinisch in Versen über den Einfluß der Klöster auf die Wissenschaften; J. Phil. Coeler lateinisch in Prosa über Georg Friedrich; J. Achat. Coeler französisch über den Markgrafen Christian; J. Lor. Samstag griechisch über Joachim Ernst; G. F. Hamberger italienisch über Albrecht, den Restaurator der Fürstenschule i. J. 1655; J. Kraus deutsch über Johann Friedrich; K. F. Beck hebräisch, ein Dankgebet. Zwei von diesen Alumnen perorirten französisch und italienisch; denn seit vier Jahren wurde auch in diesen Sprachen Unterricht ertheilt. Da aber die Theilnahme daran nicht obligatorisch war, so benützten nur Wenige die dargebotene Gelegenheit. Der erste Sprachmeister hieß Mich. Stephani, welcher freie Wohnung, Verköstigung wie ein Alumnus, täglich eine Maas Bier, jährlich 25 Pfund Lichter etc. erhielt, aber keine Baarbesoldung. Er war unverheirathet, ging durch, kam aber nach vier Jahren wieder, blieb noch eine Zeitlang, worauf der Markgraf Georg Friedrich unterm 5. Nov. 1696 dekretirte: „die vakante Sprachmeisterstelle dem refugirten Franzosen de Vallone zu übertragen und zu [107] seinem löblichen Vorhaben in Ergreifung der alleinseligmachenden evangelisch-lutherischen Religion behilflich zu sein.“ De Vallone machte sich schon nach zwei Jahren davon. Seine Stelle erhielt Louis Paques, gleichfalls ein in Folge der Aufhebung des Edikts von Nantes aus Frankreich vertriebener Protestant. Schon nach einem Jahre machte er sich heimlich davon. Er und sein Vorgänger verstanden nicht deutsch; die wenigen Alumnen, welche französisch trieben, lernten nichts. Der folgende Sprachmeister d’Orcinval, verheirathet, verließ Heilsbronn nach vier Jahren und zog nach Berlin. Sein Nachfolger Ravanel, ein vertriebener verheiratheter Edelmann aus Languedoc, war erst Sprachmeister in Schwabach, dann in Heilsbronn, wo er auf vieles Bitten eine kleine Addition zu seiner kärglichen Besoldung erhielt, 1719 starb, eine Wittwe mit acht unversorgten Kindern hinterlassend. Sein Nachfolger war J. St. Dümas.
Unter den Sprechern bei der gedachten Sekularfeier war auch Stübner, damals noch Konrektor. Schon als Fürstenschüler fertigte er „eine deutsche Ovation in Versen auf den Geburtstag des Herrn Markgrafen von Bayreuth“. Verse anderer Art brachten ihn nebst Anderen seiner Mitschüler in Untersuchungshaft auf dem weißen Thurm. Es handelte sich um die Ermittelung der Verfertiger eines Pasquills. Bei der Sekularfeier rezitirte er ein Gedicht; darin hieß es u. A. nach einer Aufforderung an Himmel und Erde, Gott zu preisen:
„Denn heute dieser Tag ist hundertmal vergangen,
Seit der hochselige Markgraf Görg Friederich,
Dem ganzen Land zu Gut, nach allem Wunsch-Verlangen,
Die liebe Fürstenschul zum Denkmal stiftet sich.“
„Geh ferner auf den Saal, betrachte jene Zellen!
Schau, wie so mancher Kopf guckt durch die Thür herfür!
Das sind die Pallas-Söhn, die hier an meinen Quellen
Stets werden kunstgetränkt, dem Vaterland zur Zier.
Hieher, wer Gottesfurcht und Künste will erlernen!
Hieher, wer Weisheit ehrt und fremde Sprachen liebt!
Hieher nur, wer sich will vom Pöbelstaub entfernen!
Hieher, wer seine Zeit dem Tugendruhm ergibt!
Daß wir jetzo nicht mehr sitzen an der falschen Lehre Pfützen,
Sondern durch des Geistes Saft, Gott recht glauben, selig lehren,
Christlich leben, nützlich hören: das ist, Höchster, deine Kraft.
Liebe Schul, leb mit den Deinen ohne Unglück, ohne Weinen.
Pflanze fort die reine Lehr. Heg die Künste, lehr die Sprachen,
Daß man überall mög sagen: Heilsbronn fördert Gottes Ehr.
Himmel, dieses Wünschen höre! Meine Bitte mir gewähre:
Oeffne deine Gnadenhänd! Gottes Güte dich bewahre
Noch viel Hundert solche Jahre! Heilsbronn blühe sonder End!“
Stübner veröffentlichte dieses Gedicht nebst einer historischen Beigabe unter folgendem Titel: „Das altberühmt Kloster Heilsbroun sammt dessen edelsten Kleinod und besten Landesschatz, der löblichen Fürstenschul, auf hochgebietenden Befehl mit poetischer Feder entworfen bei desselbigen Schuljubiläo, auch 1682 den 5. April bei dessen solenner Feier im Kapitolio öffentlich vorgestellt, anjetzo aber mit einem historischen Anhang, des Klosters und der Fürstenschule Ursprung, Aufnahme, Zustand und Bediente betreffend, vermehrt und erklärt, auch der werthen Posterität zu Lieb aus heiliger Gemüthsneigung gegen das liebe Kloster zum Druck ausgefertigt von M. Joh. Stübner, Konrektor, 1690.“ Zugleich gibt der Verfasser eine Selbstbiographie, worin er u. A. sagt: „Liebes Kloster! So verdanke ich dir, daß kein verwerflicher Erdenklump aus mir geworden ist. Bis daher noch mit Kräften ausgerüstet, das Werk des Herrn bei der lieben Landesjugend freudig zu treiben an diesem heilsamen Musenbronnen, wo Gott mir die reine Kunst- und Tugendquelle eingeflößt hat, kann ich dir seit 15 Jahren die erwiesene Treue an deinen lieben Schoßkindern erwidern. Du, allwissender Gott, hast zu meinem Pflanzen und Begießen dein Gedeihen gegeben, daß mit Hilfe meiner lieben Kollegen diese Schul mit solchen Subjektis ist angebaut worden, die dereinst mit Nutzen dem Vaterland dienen werden. Du hast mich wider des Satans Tücke, wider manches [109] Verleumders Haß und Neid beschützt, daß ich den Neid verlachen kann. Erhalte mich durch deinen heiligen Geist, daß ich das Amt meines Heilands führe mit sanftmüthigem Geist, die zarten Herzen zu bessern, allem ärgerlichen Wesen herzhaft zu widerstehen und mit einer solchen Lebensart der lieben Jugend vorzuleuchten, damit ich mit all meinen Discipulis vor dem Thron des Lammes mit Freuden stehen könne. Du aber, liebes Kloster, nimm hin dieses mein Dankmal. Gebe der Höchste, daß, sofern nicht inzwischen der Garaus mit der ganzen Welt erfolgt, über hundert Jahre du dein zweites Jubiläum mit weit größerer Freude feiern könnest. Meine Seele, ja meine Gebeine, die derweilen längst vermodert sind, sollen sich inniglich darüber freuen, bis uns der jüngste Tag wird vor Gott versammeln. Was für Ehre wird es dann sein, wenn so viel gottesfürchtige Theologi, so viel christliche Juristen und andere in der Welt nützlich gewesene gelehrte Leute auftreten und rühmen werden, was unsere Fürsten an unsere liebe Fürstenschul gewendet. Indessen widme ich mich Euch, Ihr hochfürstlichen Seelen, Ihr Räthe, Präzeptoren, Kollegä, Studirende und dem ganzen lieben Kloster zum unverweltlichen Andenken und versichere, daß, solang ich Athem habe, ich mich befleißigen werde, zu verbleiben der treue Soterocrener.“ Über die Anfechtungen, welche Stübner (der „Soterocrener“, d. h. Heilsbronner) hier kurz andeutet, Mehreres hernach. Er hatte derselben viele schon als Konrektor, mehrere noch als Rektor; die letzte war seine Kassation. Was er im Vorstehenden über sich und über die Fürstenschule Rühmliches schrieb, steht vielfach nicht im Einklang mit dem, was im Folgenden über ihn und seine Schule aus den Alten mitgetheilt werden wird. Die Schulverhältnisse wurden während seiner langen Amtsführung und großentheils durch sein Verschulden höchst traurig.
In dem „historischen Anhang“, welchen Stübner seinem Buche beigefügt hat, berichtete er über Heilsbronns Ur- und Klostergeschichte, aber meist Unwahres, da er, unbekannt mit den Urkunden, nur nach Hörensagen berichtete und Anderen Irriges nachschrieb. Hier eine Probe seiner leichtfertigen Berichterstattung: [110] „Diese Gegend war um das 10. Jahrhundert meist mit Wald und nur mit wenig Bauernhütten angebaut, so um den dazumal sogenannten Hagelsbronnen standen. Nachdem aber die Grafen von Abenberg, durch die anmuthigen Waldungen und Wiesen angereizt, sich mehrmalen mit Lustjagden daherum ergötzten, haben sie ein Landgut oder Jagdhaus dahin gelegt, um des Ortes Anmuthigkeit und frischer Brunnenquellen willen, aber Hagel in Heil und den hartklingenden Hagelsbronnen in den lieblich lautenden Heilsbronnen verwandelt. Andere wollen, daß solcher Name erst dann dem Kloster zugewachsen sei, nachdem die Mönche diesem Bronnen eine gewisse Heilungskraft beigelegt. Weil aber der Stifter diesen Ort schon ausdrücklich Heilsbronn nennt, also kann der letzteren Meinung nicht wohl Beifall gegeben werden. Die Anmuthigkeit dieser Gegend war so groß, daß Otto, Graf Berthold von Andech’s Sohn, solches Landgut gekauft und zu einem Mönchssitz gewidmet hat. Zum ersten Abt wurde Grafen Konrad’s von Abenberg Bruder Rapotho erwählt. Die Kaiser haben dieses Kloster an die Burggrafen und deren Nachkommen überlassen. Die Herren Burggrafen haben dessen herrliche Kirche zu ihrem Erbbegräbniß gewidmet, auch die Herren Markgrafen, darunter zwei Kurfürsten, Friedrich I. und Albrecht Achilles, so daß es mit allem Recht an das Haus Brandenburg gekommen ist, zumal es vorhin in dero Territorio gelegen gewesen. Der Glaubensheld Georg der Fromme wollte, nachdem durch Luther die Sonne ausgezogen, dessen Lehre allgemein in seinen Landen eingeführt wissen, und auch unser Abt Schopper hat die päpstlichen Irrthümer erkannt und mit Hilfe Georgs, dem er sich unterworfen, eine gute Schule hier angeordnet, welche 1582 am 5. April als ein Gymnasium illustre eingeführt worden ist. Was für fruchtbare Bäume an diesem Brunnen gewachsen, will zu Vermeidung eitlen Ruhmes vorbeigehen.“ Dann folgen die Namen der Äbte (der 33. Abt Schörner wird „Pfarrer zu Mönchberg“ genannt), Prediger, Rektoren und Professoren, die Statuten für die Fürstenschüler und das tägliche Gebet im Kirchenchor. Der Legenden von der heiligen Stilla und von einem Ritter, welcher in der [111] Urzeit Heilung an der Heilquelle fand, gedenkt Stübner selbstverständlich nicht, da diese Dichtungen zu seiner Zeit in Heilsbronn noch nicht bekannt waren und erst im 18. Jahrhundert vom Nonnenkloster Marienburg aus dort importirt wurden.
Durch die Sekularfeier am 5. April 1682 wurde nichts besser. Der Richter Appold berichtete im Sekularjahr an die Regierung: „Es ist bekannt, daß eine Zeither das Laster des Diebstahls unter den Schülern sehr gemein geworden. Deßhalb kam H. P. Wolf, Bürgermeisterssohn aus Bayreuth, der stetig Geld zum Spielen, Trinken und Kleidern gehabt, ins Schülergefängniß, durchbrach aber die Mauer mit einem Instrument und entlief. Nächtlicher Skandal zwischen des Verwalters Schreiber und dem Alumnus Gunkel. Der Alumnus von Eib, Sohn des Alb. Lud. von Eib, Oberamtmannes von Wassertrüdingen, entritt dem Bäcker Käser ein Pferd. Die Metzgerin ist mit dem unterländischen Alumnus Meyer in Verdacht der Fornikation und beide in die Inquisition in das Fraischamt Windsbach kommen.“ Es folgten Untersuchungen und Strafen, aber keine Früchte der Besserung. Es blieb bei Regierungsbescheiden und fruchtlosen Weisungen. 1690 beschwerten sich 14 Alumnen bei der Regierung über den Koch Lieb und den Küchenmeister Weber „wegen schändlicher Kost“, worauf die Regierung einen Koch nach Heilsbronn sandte, welcher vier Wochen lang in Gegenwart von zwei Alumnen kochen mußte. Jedesmal wurde darüber ein Protokoll aufgenommen, von den ältesten Alumnen unterzeichnet und allwöchentlich über den Befund nach Onolzbach berichtet. Koch und Küchenmeister wurden removirt.
Die Zustände in der Schule waren beklagenswerth schon während der ersten zwanzig Jahre nach ihrer Wiedereröffnung; aber noch weit beklagenswerther waren sie während der darauffolgenden 25 Jahre, besonders zur Zeit des Rektors Stübner und durch ihn. Noch als Konrektor kaufte er einen freien Platz nicht weit von der Mühle, baute darauf sein Wohnhaus, jetzt Hs. Nr. 22, und bezog von demselben durch Aufnahme von Gymnasiasten eine gute Rente. Neben diesem Gewinn brachte [112] ihm das Haus auch unsäglichen Verdruß. Er hatte es kaum ein Jahr lang bewohnt, als er sich beim Konsistorium beschwerte „wegen roher Beschimpfung und wegen Beschmierung seines Hauses mit Koth durch die Gymnasiasten Volz, Keppel und Ch. Ernst von Machwitz.“ 1690 züchtigte er (damals noch Konrektor) einen demnächst absolvirenden oberländischen Alumnus, J. A. Köhler, mit dem Stock. Die verwittwete Mutter klagte beim Konsistorium in Bayreuth, „damit ihr Sohn nicht als Krüppel aus dem Kloster komme.“ Darauf reskribirte das Konsistorium an Prediger, Rektor und Verwalter: „Derjenige, den diese Klage angeht, möge seinen Exzeß erkennen und sich dergleichen nicht mehr zu Schulden kommen lassen, damit er sich nicht ein empfindliches Ressentiment über den Hals ziehe. Es langt uns glaublich an, daß ihr, die Präzeptores, die Stipendiaten nicht modice diszipliniren lasset. Also werdet ihr angewiesen, die Jugend mit Vernunft zu regieren und dabei keine Passion zu adhibiren. Dem Köhler habt ihr ein Thema zu geben, daß er dasselbe elaborire, publice deklamire und zugleich dem Gymnasio vale sage. Er soll von Perzipirung des beneficii nicht ausgeschlossen werden.“ So verfügte das Konsistorium, ohne den Konrektor Stübner erst gehört zu haben. Dieser wußte wohl, daß bei dem Handel sein Todfeind, der Verwalter Bachmann, die Hand im Spiele hatte; er schrieb daher an diesen: „Nicht aus passionirtem Gemüthe habe ich den Köhler gezüchtigt, sondern, wie auch Andere, wegen grober nächtlicher Exzesse, Vollsaufens und Widerspännstigkeit. So habe ich immer, wenn ich an meinen Inspektionstagen die Thäter über der That angetroffen, gestraft, werde auch nicht müde werden, Stab und Ruthe zu appliziren. Meine Verleumder werde ich injuriarum belangen und beim Konsistorium darauf dringen, meine Verleumder kund zu geben. Ich verlange, daß diese meine Erklärung den Akten über die Dimission des Köhler beigelegt werde.“ Der Delinquent bezog bald darauf die Universität.
Stübner wurde 1692 Rektor und fungirte als solcher acht Jahre lang, – wohl die trübste Periode in der Fürstenschulgeschichte. [113] Die beiden Fürstenhäuser fortwährend widereinander; die Gymnasiasten ausschweifender als je; das Verhältniß zwischen dem Rektor und dem Verwalter höchst gemein, Jeder suchte dem Andern die Grube zu graben, bis sie schließlich Beide in dieselbe stürzten und Beide kassirt wurden. Der Eine nahm Gymnasiasten, oft gerade die verworfensten, in Schutz, um dem Andern zu schaden, während Dieser die Ortseinwohner gegen Jenen aufwiegelte. Im Anfang des Jahres, in welchem Stübner Rektor wurde, dekretirte die Regierung zu Onolzbach: „J. J. Hauck, Pfarrerssohn von Petersaurach, ist, wegen Schwängerung, zu relegiren und des Landes zu verweisen; der Vater hat die auf seinen Sohn verwendeten Kosten zu restituiren.“ In zwei Regierungserlassen desselben Jahres heißt es: „Nachdem vorgekommen, daß die Schüler fast täglich sich häufig im Wirthshause einfinden, lang in die Nacht hinein trinken und schwärmen und die Reisenden inkommodiren, so wird dem Verwalter Bachmann befohlen, dem Wirth bei Strafe zu gebieten, daß er die Schüler Nachts, außer den Posttagen, gar nicht im Wirthshaus leiden, an den Posttagen aber dieselben, sobald sie ihre Verrichtungen bei der Post abgelegt, fortschaffen soll. Auch haben die Präzeptores das nächtliche Ausstreunen nicht zu verstatten. Nachdem der Regierung vorgekommen, daß sich die Scholaren dergestalt undisziplinirt erweisen, daß sie sich im Kloster mit Degen sehen lassen, spazieren reiten, sich die Post in das Kloster herein blasen lassen und andere Ungebühr vollführen, so sollen Prediger, Verwalter, Rektor und Präzeptores einschreiten, strafen, berichten, bessere Disziplin halten, zur Gottesfurcht anweisen und nicht den Zaum zu aller Bosheit lassen.“ Im Herbst desselben Jahres berichtet der Verwalter Bachmann nach Onolzbach: „Der Alumnus G. S. Kestner, Pfarrerssohn von Vach, und A. Held, Kastnerssohn aus Kunreuth, Kostgänger beim Rektor, haben den Kirchner Dill mit Schlägen traktirt, weßhalb dieser beim Amt klagte. Ich verlangte vom Rektor Auslieferung der Thäter, aber vergebens. Da ließ ich das Klosterthor und das Viehhofthürlein schließen und besetzen, auch den Eingang vom Gymnasium besetzen und [114] ging mit dem Amtsknecht und einigen bewaffneten Bürgern auf das Gymnasium, von da in die Kirche, wo der Rektor sich mit seinen Kollegen über die Sache besprach. Der Prediger Krebs entschied, den Kestner, welcher keine Rücksicht verdiene, auszuliefern. Inzwischen ließ sich Kestner an einer Stange aus einem Fenster des Gymnasiums herab und echappirte über die Klostermauer. Als es inzwischen zwei Uhr schlug, gingen etliche Alumnen an uns vorbei in den Chor, wo sie täglich ein Lied singen, ein Kapitel aus der Bibel und ein Gebet lesen. Nachher ging aber Keiner auf’s Gymnasium zurück, sondern Alle mit Degen, Stangen, Prügeln und Besen vor des Kirchners Haus, ihn und sein Weib schmähend und ihm ankündigend, daß ihm kein Fenster ganz bleiben sollte. Sie erklärten, das Gymnasium nicht mehr betreten zu wollen, worauf der Prediger ihnen erklärte: „man werde sie nicht eher zum Essen zulassen, bis sie parirten,“ worauf sie zu pariren versprachen. So steht es mit der Schuldisziplin, fürstlichen Dekrets vom 12. August ungeachtet, nach wie vor ganz zerrüttet. Die Bürger finden beim Rektor keinen Schutz gegen die Schüler. Es ist nicht zu beschreiben, was für Laster vornämlich von des Rektors Hausburschen vorgehen; denn man s. v. huret, bubet, rauft und schlägt, spielt, doppelt, frißt, sauft, flucht und schwört, raubt, stielt, schreit, tobt und manchmal ein so wüstes Wesen vollführt, als wenn alle Furien aus der Hölle allda zusammen gekommen wären. In den Gärten und Feldern ist nichts sicher; nur in des Rektors Garten wird nichts verderbt und entwendet. Wenn dann die Bürger beim Amt Hilfe suchen, wird ihnen von den Verbrechern Nachts mit mörderischen Prügeln aufgepaßt. Das haben wir Ew. Gnaden berichten wollen, da das sonst weitberühmte Gymnasium ganz deteriorirt wird. Bitten daher, daß Alles auf den Grund untersucht und Abstellung verordnet werde. 1. Sept. 1692, Verwalter und Gegenschreiber.“ An demselben Tage reichte der Rektor Stübner einen Bericht in Onolzbach ein, worin er den Handel zu seinen Gunsten und recht gravirend für den Verwalter darstellte, und zwar in folgender Weise: „Der Verwalter zog mit vier Musketiren und dem [115] Amtsknecht auf’s Gymnasium, den Kestner zu arretiren und rief: Wie euer Hirte, so ist auch die Herde! Darauf schlug er den Alumnus Schenk mit seinem Stock über den Kopf, daß diesem das Blut herablief. Dann kam er zu mir und meinen Kollegen in die Kirche, hieß mich einen Mameluken, beschuldigte mich, als hänge ich den bösen Buben an, mein Haus sei werth, daß man es schleife. Sein Gegenschreiber stimmte ihm bei. Darauf ging er wieder auf’s Gymnasium, fand aber dort den Kestner nicht. Satan opponirt meinem Amt, aber ich will ihm auf den Kopf treten. Gott wird meinen und der lieben Schule Feinden den Zügel nicht weiter lassen. Laut der Schulfundation dürfen zwar die Beamten die auf der Gasse Delinquirenden verhaften, müssen aber dieselben an uns abliefern, worauf wir dann an’s Konsistorium zu berichten haben. Ich verlasse mich auf Gott und die Entscheidung des fürstlichen Rathskollegiums. Bitte um Verhaltungsbefehl, den Verwalter zur Verantwortung zu ziehen und die Sache des Kestner zu untersuchen. Stübner.“ Dieser Bericht wurde von den Räthen dem Verwalter zur Äußerung zugeschlossen, worauf sich dieser dahin äußerte: „Die meisten Exzesse kommen aus dem Rektorshause, in welchem in die 28 Scholaren wohnen und ihm 600 fl. eintragen. Dort herrschen alle Laster, so daß nur noch das Morden fehlt. Vor einem Jahr vergrub die Magd des Rektors, von einem seiner Kostgänger geschwängert, das Kind, so sie geboren, unter die Späne, welches aber von dem Hahn hervorgekratzt und von mir nach Onolzbach geschickt wurde, wohin die Magd sich verdingt hat. Der Kostgänger machte sich aus dem Staub, wurde relegirt und des Landes verwiesen. Der Rektor hat die That selbst bestätigt und bemerkt, daß die Mißhandlung von der hohen Obrigkeit genugsam bestraft worden sei. Der Rektor ist in Lastern erstickt, schlägt die Schüler blutig, hilft den Schlechten über, z. B. dem Kestner, Schenk und Schlammersdorf und seinen eigenen Söhnen. Sein Wesen ist Hochmuth, Lüge, Falschheit, Schein von Pietät, Bosheit, unersättlicher Geiz. Er wickelt seine Praktiken ein in lauter Contestationen von Gottes Beistand; er contracarirt dem Prediger Krebs in Allem.“ [116] Auf diese beiderseits galligen Ergießungen resolvirte die Regierung: „Kestner ist zu relegiren vor dem ganzen Coetus und in eurer Aller Beisein unter Vermahnung der Alumnen. Der Prediger Krebs, Rektor Stübner, Konrektor Schülein und der Verwalter Bachmann werden zu einem besseren Comportement ermahnt. Die bisher so vielfältigen Exzesse der Schüler sind abzustellen, die Verbrecher ohne Connivenz zu strafen und Anzeige zu erstatten.“ Gleich in den ersten Tagen nach dieser Resolution wurden in drei Nächten dem Meßner die Fenster eingeworfen. Der Meßner klagt beim Verwalteramt und bezeichnet als Anstifter des Rektors mittleren Sohn, welcher bei allen schlimmen Händeln der Anführer sei. „Auch dem Bader seien dieser Tage vom Schlammersdorf die Fenster eingeworfen worden; die Thäter seien Alle in des Rektors Haus gelaufen. Auch erbrachen die Bursche die Thür, so bei der alten Orgel in die Kirche führt, erbrachen das Gehäus der Uhr, ließen diese laufen und verdarben sie. Dazwischen verfolgten Grafenreuth, Schenk und Lettenmeier die Handwerksburschen, welche die Hüte nicht abzogen, mit Degen und hundsfotteten sie.“ Fortsetzung der Exzesse im zweiten Amtsjahre des Rektors Stübner; daher unt. 6. Sept. 1693 folgender Konsistorialerlaß: „Nachdem man mit besonderem Mißfallen vernehmen müssen, wasgestalten zwei von hiesigen onolzbachischen Alumnis: J. B. Spieß und J. C. Schumm und die zwei oberländischen Reizenstein und Dietrich, nächtlicherweil aus dem Contubernium heimlich gestiegen, ins Wirthshaus gegangen, allda sich betrunken, der Wirthin böse Reden gegeben und sonst noch mehr höchststrafbare Exzesse begangen, überdieß auch von einigen Scholaren ein leichtfertiges Pasquill gemacht worden ist, wovon, wie verlautet, der Rektor und Konrektor Nachricht erlangt und unverantwortlich dazu geschwiegen, insonderheit aber die in des Rektors neuem Haus befindlichen Domestici die meiste Bosheit verüben und Andere verführen sollen: als wird dem Prediger, Rektor, Verwalter und übrigen Kollegen befohlen, eifrige Inquisition zu halten und zu berichten.“ Leider konstatirte die Inquisition die Wahrheit aller dieser Angaben. Das nächtliche Aus- und [117] Wiedereinsteigen geschah beim Sekret des Gymnasiums. Es erfolgten Relegationen etc., aber unmittelbar darauf schlugen Held und Konsorten bei einer Hochzeit dem Wirthe die Fenster ein und warfen der Badersmagd ein Loch in den Kopf. Kollisionen und Quälereien veranlaßten auch die Gratuiten oder Supernumerarien. Man fing nämlich um diese Zeit an, außer den circa 50 Alumnen noch einige arme Schüler aufzunehmen, besonders des Orgelspiels kundige, deren Verköstigung aber nicht direkt aus der Amtskasse bestritten und in derselben nicht verrechnet werden sollte. Sie mußten, was bisher die jüngsten Alumnen zu besorgen hatten, die Speisen aus der Küche holen und auf die zehn Eßtische tragen, wofür ihnen jeder Tischgenosse von seiner Portion etwas abgab. Dieser neue Brauch führte bald zu Quälereien unter den Schülern, indem die Gratuiten das Geschäft des Auftragens wieder den jüngeren Alumnen aufbürdeten und diese, wenn sie sich deß weigerten, mißhandelten. Der neue Brauch führte auch zu steten Kollisionen zwischen Onolzbach und Bayreuth und zwischen dem Rektor und Verwalter. War die Zahl der unterländischen Gratuiten um ein Paar größer als die der oberländischen, so drang Bayreuth auf Gleichstellung oder Ersatz für den Mehrbezug an Viktualien und forderte Bericht, einmal vom Rektor und Verwalter gemeinschaftlich; statt dessen berichtete Jeder für sich, um sich wieder in observanzmäßiger galliger Weise aussprechen zu können. Bachmann bemerkte in seinem Bericht: „Stübner sucht dabei nur seinen eigenen Nutzen. Der Konrektor Schülein ist weder kalt noch warm. Möge dieses die geringste Unordnung sein. In den letzten Nächten haben die Scholaren vor meinem Haus gejauchzt, schandbare Lieder gesungen, so daß zu besorgen ist, es möchte noch größeres Unglück entstehen, als das neulich mit dem L. L. Dietrich. Beim Rektor ist keine Hilfe zu hoffen, es mögen die Befehle so scharf sein als sie wollen.“
In seinem dritten Rektoratsjahre, 1695, schrieb Stübner an den Verwalter, um ihn zum Einschreiten gegen Exzedenten zu veranlassen: „Beim hiesigen Wirthshaus habe ich observirt, daß man das Bier fässer- und humpenweis auf das Contubernium [118] abfolgen läßt. Am Sonntag Nachts haben Etliche in Bonhof getanzt und gezecht und Steinhofer seinen Mantel im Stich gelassen. An demselbigen Sonntag unter der Frühpredigt haben K. H. Hornberger und L. Rößler beim neuen Becken gesessen und Brantwein getrunken. Gestern waren Nachts 9 Uhr Reuter, Rößler und Lockel auf dem Contubernio nicht anzutreffen. Döhmel hat sich dergestalt in Brantwein besoffen, daß man ihn eine Stunde lang für todt gehalten.“ Als besonders bösartig wird J. A. Held aus Kunreuth von Stübner bezeichnet. Die Zuchtlosigkeit der Schüler war in diesem Jahre entsetzlich; Verwalter und Rektor fortwährend Todfeinde; der Prediger hielt es mit Jenem, der Konrektor und der Kantor mit Diesem; dazu Zwietracht unter den Schülern selbst. Am 25. April, Geburtstag des Markgrafen von Ansbach, erhielten die Schüler ihren observanzmäßigen Eimer Bier in der Eßstube. Dabei gab es Reibereien und blutige Köpfe. Hauptsächlich betheiligten sich an der Schlägerei Betz, Schreiber und der Sohn des Rektors. Die Räthe in Bayreuth erhielten Kunde davon und reskribirten an den Verwalter und Prediger u. A.: „Als habt ihr die Präceptores, jedoch nicht den Rektor, an euch zu ziehen und mit ihnen den Handel zu untersuchen.“ Wegen einiger den Rektor gravirenden Ausdrücke im Untersuchungsprotokoll verweigerten der Konrektor und der Kantor die Mitunterschrift; nur der Prediger und der Verwalter unterschrieben. Das Konsistorium verfügte hierauf, den Betz zu entlassen, nachdem sein Vater um die Entlassung gebeten und er sich vieler groben Exzesse schuldig gemacht habe, auch jüngst wieder eines nächtlichen Diebstahls. Im August desselben Jahres lief Rosa, Pfarrerssohn aus Breitenau, Gratuit, „ein simpler einfältiger Tropf“, erst 3/4 Jahre auf der Schule, mit einem Werber davon, um Soldat zu werden, wurde aber vom Verwalter bei Katterbach eingeholt und zurückgebracht. Rosa, sonst nicht bösartig, sagte schreckliche Dinge aus, z. B.: „Zeit meines Hierseins bin ich von Alumnen drangsalirt worden, besonders von Langenauer, Reizenstein, Spieß, Fleischer, Betz und Schreiber; ich wollte nur darum von hier wegkommen. Döhmel, [119] Betz, Rößler und Andere hatten gleichfalls Lust, fortzugehen. Einst kugelten wir in der alten Komödie unter dem Saal; da lief des Bräumeisters Bock über die Bahn. Reizenstein tödtete den Bock mit der Kegelkugel, verbarg ihn in seiner Schlafzelle unter dem Stroh, bis die anderen Bursche sich verlaufen hatten, trug dann den Bock auf den Kirchthurm, wo er tranchirt und vertheilt wurde. Das Fleisch wurde vom alten (abgesetzten) Koch gebraten. Der Kirchner Dill, welcher um alles wußte, erhielt den Kopf, das Häutlein und die Eingeweide und verwischte das Blut auf dem Kirchthurm. Reizenstein stahl Bücher, indem er sie aus der Bibliothek mit einem Haken an einer Stange durch ein Fenster hinauszog, indeß Göhring Observanz hielt. Kestner und Reizenstein stahlen dem Wirth Nachts ein halbes Kalb. Reizenstein besaß selbstgemachte Dietriche. Mit seinen Spießgesellen Held, Schreiber, Steinhofer, Göhring, Betz, Rößler, Fleischer, beiden Schaller, Lockel, Döhmel, Esper, Nandwig, Weber, Winter und Lieb stahl er Obst, brach dem Forstmeister in den Keller und stahl Bier und Käse. In des Rektors Klasse haben sie Steine ausgehoben und eine Kloake gemacht, vor die Klassen hofirt und in die Betten ihrer Kameraden. Wenn sie bis nach Mitternacht gesoffen und das Bier nicht haben trinken können, haben sie ihren Urin darein gemengt, die Kleinen aus dem Schlaf gejagt und solche Unreinigkeit zu saufen genöthigt, und so diese es nicht saufen wollten, haben sie es über den Leib und in ihr Bett gegossen. Das haben sie mir selbst und all den Kleinen gethan. Sie haben neuerlich eine völlige Kompagnie der Liederlichkeit unter sich aufgerichtet, mit der Schreiners- und der Küchenmeisterstochter und der Magd des Meßners und des Kochs Freundschaft aufgerichtet. Göhring warf mir, dem Aufträger des Essens, den Kalbsbraten an den Kopf, weil es kein Nierenbraten, sondern nur ein Schlägel gewesen. Sie riefen oft: Wer heute seine Lektion kann, der ist ein Hundsfott! Eine Unzucht des Held, Betz und Göhrung in ihren Zellen habe ich und Döhmel mitangesehen, schäme mich aber, es anzusagen.“ Diese skandalöse Vernehmung schickte der Verwalter nach Bayreuth mit folgendem Beibericht: „Hier ein [120] Beweis, wie die Disziplin immer schlechter wird. Die grausamsten Laster gehen auf der Schul im Schwang, daß man solches unmöglich beschreiben kann. Kein Wunder, wenn Gott eine grausame Strafe über solch Lasterleben ergehen ließe. Es kann nichts anderes als der gänzliche Ruin des Gymnasii erfolgen. Die Exzedenten wurden mit Rosa konfrontirt und konnten ihre Exzesse nicht leugnen. Zur Salvirung meines Gewissens habe ich nicht umhin gekonnt, solches E. G. zu hinterbringen.“ In gleichem Sinne berichtete der Verwalter drei Tage darauf nach Onolzbach. Die beiden Regierungen verfügten hierauf: „Wir haben eine gemeinschaftliche Visitation beschlossen; bis dahin ist der Sache Anstand zu geben. Vorläufig aber haben der Prediger, Rektor und die übrigen Präceptores ihrerseits zu berichten über das den Räthen zu Ohren gekommene gräuliche Leben der Alumnen, namentlich darüber, daß sie einander ihre Effekten verderben und entwenden, daß die Großen den Kleinen allen Tort zufügen, die Großen sich oft besaufen, die Kleinen zum Trinken ihres Urins nöthigen, sich frech gegen ihre Vorgesetzten aufführen, einander verwunden, so daß Mord und Todtschlag daraus folgen wird; warum man nicht dergleichen bei den Räthen angezeigt und warum man bisher so sträflich und unverantwortlich bei so teuflicher Bosheit nachgesehen hat.“ Mag auch Bachmann nach seiner Gewohnheit die Farben etwas grell aufgetragen haben, so ergibt sich am Ende doch, daß er wahrheitsgetreu die Zustände der Schule als grauenvoll dargestellt hat. Denn auch sein Todfeind Stübner schrieb unt. 18. Dez. 1695 in dem von den Räthen verlangten Berichte über die Schulzustände an das Konsistorium wie folgt: „Nachdem man ohne unser, der Kollegen, Vorwissen den Scholaren Bier verabfolgt so viel sie verlangen, so ist des Säufens kein Ende. Die Mäntel werden versetzt, die Bücher verkauft, die Teller und Kannen verschmelzt und alles durch die Gurgel gejagt. Hernach erfolgt aus solchem Schwelgen Schlägerei, Dieberei und heimliche Buhlerei und viel ander unordentlich Ding mehr. Die jungen Leute trinken sich ungesund. Der gute Geist Gottes wird verjagt, die Studia werden nachlässig [121] traktirt. Kommt dazu, daß sich dieß Kloster meistentheils mit sehr nothdürftigen Inwohnern anfüllt, welche bald da bald dort einen Mantel, ein Hemd, ein Kleid an sich handeln und es hernach verleugnen. Da das Kloster noch nicht also angefüllt und noch ein Monasterium verum war, konnte die Disziplin viel bequemer geführt werden, als jetzo, da sich Jedermann von diesen jungen Leuten Pfeifen schneiden will. Wären Neid, Verleumdung und Ohrenbläserei nicht so tief allhie eingewurzelt, so stünde es auch besser um die Schule.“
Die verheißene gemeinschaftliche Visitation kam wegen der steten Zwietracht zwischen Onolzbach und Bayreuth in diesem Jahr noch nicht zu Stande; daher wurde das wüste Treiben fortgesetzt. Der Verwalter berichtete im Dez. 1695 nach Bayreuth: „Zweifelsledig hat Herr Rektor schon berichtet, wie vor vier Wochen Rößler, Schreiber, Betz und Lockel wegen zweier dem Wirth entwendeten Ferkel ausgetreten und angeblich Dragoner geworden sind. Die Inwohner sind nicht mehr in ihren Häusern sicher. Dietrich, Pfarrerssohn von Sachsen, und sein Mitschüler Weber sind in Untersuchung wegen Weißzeug, beim Schuster Müller aus dem Schrank gestohlen, während die Frau in der Betstunde war. Am Katharinentage tanzten und tranken beim Döninger die Scholaren Wild, Schreiber, Betz, Neudorf, Reuter, Schumm, Fleischer, Kuhn, Feuerlen und Schülein bis früh 5 Uhr.“ Am 6. Febr. 1696 befahlen die Räthe, den Rößler von Kirchenlamitz und den Loekel von Bayreuth zu relegiren und die auf sie verwendeten Kosten von den Vätern zu erheben, z. B. 37 fl. dem Hofmusikus Lockel in Bayreuth an seiner Besoldung abzuziehen. Im Oktober attakirten Dietrich und Konsorten den Amtsschreiber Wolf Nachts 11 Uhr auf dem Marktplatz mit Säbeln. Der dazugekommene Amtsknecht verwundete mit einem Pistol den Dietrich gefährlich. In Folge dessen wurde von Bayreuth aus verfügt: „Demnach vorgekommen, daß sich die Scholaren unterstehen, Säbel zu kaufen und Vornehmens sind, auch mit Schießgewehr sich zu versehen und damit gewisse Personen unter hochsträflichen Verschwörungen gefährlich zu traktiren drohen, so befehlen wir euch, [122] dem Verwalter, Rektor und Präzeptoren, den Schülern anzudeuten, im Kloster und dessen Grenzen kein Gewehr zu führen, ausgenommen auf einer Reise, bei Vermeidung von Leibesstrafe. Bis zu seiner Abreise hat Einer seinen Degen dem Rektor zu übergeben, ebenso nach seiner Rückkehr.“ Die verheißene gemeinschaftliche Visitation kam vorerst nicht zu Stande. Nur dann und wann traf ein bayreuther Rath mit einem onolzbacher in Heilsbronn zusammen, um eine Untersuchung zu pflegen. So kamen am 10. April 1696 zwei Räthe nach Heilsbronn, beschieden in das Wirthshaus den Prediger, Konrektor, Kantor und Gegenschreiber und verpflichteten sie durch einen Eid, die in Betreff des Verwalters und des Rektors, welche nicht vorgeladen waren, ihnen vorgelegten Fragen zu beantworten. Es handelte sich um den Gymnasiasten Freiding, welchen der Verwalter bestraft, der Rektor aber beschützt hatte. Die beiden Kommissäre gaben dem Verwalter Recht, verurtheilten den Rektor in die Kosten und kündigten an, daß andere Kommissäre zur Untersuchung anderer Exzesse kommen würden. Die Todfeindschaft zwischen Verwalter und Rektor dauerte fort. Stübner schrieb an die Regierung: „Bachmann ist eine gottlose Seele, ärger als der Teufel; aus seiner fluchenden, todten und stinkenden Seele können nur solche vergiftete Haß- und Rachebrocken gegen mich herauskommen.“ Bachmann schrieb an die Regierung: „Stübner ist ein verboster Mann, unter dessen Patrocinio die himmelschreiendsten Scelera begangen werden; er ist ein perfekter Advokat aller bösen Buben.“ Dazwischen verklagte der Kantor den Rektor beim Konsistorium, weil er die Schüler gegen ihn aufgereizt. In seinem Verantwortungsschreiben bezeichnet der Rektor den Kantor als einen groben Mann, der seine Schüler schimpfe und prügle.
In den Jahren 1698 und 99 waren die Zustände, wo möglich, noch schlimmer als zuvor: Zuchtlosigkeit unter den Scholaren, Hader unter den Lehrern und Beamten und, mehr als je, Zwiespalt zwischen Bayreuth und Onolzbach. Durch die im Gymnasialgebäude herrschende maßlose Rohheit wurden mehrere Eltern veranlaßt, zu bitten: ihre Söhne in Privathäusern unterbringen [123] zu dürfen. Onolzbach und Bayreuth gingen gerne darauf ein, weil dadurch die Amtskasse Licht und Holz ersparte. Diese Praxis wurde bald allgemein, so daß um diese Zeit fast alle Zellen unbewohnt waren. Nur zur Essenszeit versammelten sich alle Gymnasiasten im Contubernium. Im April 1698 wohnten dort nur noch sechs: Esper, Nantwig, Esenbeck, Hornberger, Kuhn und Meyer. Alle sechs waren Exzedenten der schlimmsten Art, vom Rektor gehaßt und von ihm zur Strafe im Gymnasium zu wohnen verurtheilt; vom Verwalter dagegen geschützt und in dem Verlangen, gleichfalls auswärts wohnen zu dürfen, unterstützt. Ein von ihnen deßhalb eingereichtes Gesuch wurde vom Konsistorium dem Rektor zur Begutachtung zugeschlossen. Das Gutachten ging dahin: die sechs Petenten abschlägig zu bescheiden. Der Verwalter, gleichfalls zum Gutachten aufgefordert, berichtete im entgegengesetzten Sinne: „Was Anderen gestattet wird, sollte man auch diesen gestatten. Das Wohnen in Privathäusern ist wohlfeiler für die Herrschaft; denn das Wohnen der Sechse auf dem Contubernio fordert denselben Aufwand von Holz und Licht, als wenn alle 50 dort wohnen. Dort sind Alle sich selbst überlassen und ohne Inspektion, während in Privathäusern bessere Inspektion ist. Nur der boshafte, zanksüchtige, ehr- und geldgeizige Rektor will es nicht leiden.“ Die sechs Petenten quartierten sich beim Postbäcker und beim Gegenschreiber ein, so daß in diesem Jahre das Contubernium ganz unbewohnt war. Nach allgemeiner Übersiedelung in Privathäuser blieb das Thun und Treiben der Schüler zügellos wie zuvor. Der arretirte Tumultuant Weber schoß aus dem Fenster seines Gefängnisses. Am Weiterndorfer Brücklein Schlägerei zwischen Scholaren und Bauernknechten. An den Sonntagen Jubilate und Cantate tanzten die sieben Scholaren Lang etc. im Wirthshause zu Heilsbronn bis Nachts zwei Uhr mit des Rektors Kostjungfer, des Küchenmeisters Tochter und des Rektors und des Kastenmessers Mägden. Zur Verhandlung über diesen Exzeß lud der Verwalter die sämmtlichen Lehrer ein, welche sich auch einfanden, nur der Rektor nicht, welcher sagen ließ: „er habe auf dem Amthause nichts zu thun.“ [124] Bei der Vernehmung und Verhandlung ergab sich, daß bei der Sache des Rektors Haus besonders gravirt, daß des Rektors „Kostjungfer“ Nachts durchs Fenster aus- und eingestiegen war, wobei die Scholaren ihr die Leiter hielten. Unter den Vernommenen war des Kastenmessers Sohn, welcher mit der Harfe zum Tanz aufgespielt hatte.
Gegen Ende des Jahres 1698 befürchtete der Rektor einen mörderischen Überfall und berichtete daher an das Konsistorium: „Über Kuhn wird wegen seiner Hurerei beim Fraischamt Windsbach verhandelt. Dieses, so wie seine anderen groben Laster sind der ganzen Schuljugend höchst anstößig. Er ist deßhalb flüchtig geworden, aber wiedergekommen und wollte um drei Uhr in die Klaß gehen; so auch ich, als mich Jemand warnte, da Kuhn nichts Gutes im Schild führe. Schon früher hat er geäußert, mir vor seinem Abschied noch Eins zu versetzen. Dazu ist die übrige böse Rotte ebenfalls schwierig gegen mich. Ich bitte um schleunige Hilfe zur Abwendung eines großen Unfalles und um Schutz gegen dergleichen Bösewichte. Vor wenigen Jahren schon haben einige Unglücksvögel kurze Gewehre gegen mich getragen und einst um Mitternacht in meiner Studirstube mich überfallen wollen; aber mein Hündlein spürte sie noch zu rechter Zeit, wodurch ich erwachte. Ich habe um so mehr zu befürchten, weil ich hier von aller Hilfe verlassen bin. Ich flehe also nochmals um Schutz gegen diese Rotte, absonderlich gegen den frevelhaften Kuhn.“ Vier Tage darauf schrieb der Rektor an den Markgrafen selbst: „An E. F. D. Consistorium habe ich mehrmals berichtet, welche Exorbitantien einige Scholaren dieses Jahr herein verübt haben. Dieweil aber bis daher diesem Unheil nicht gesteuert worden, so hat die Bosheit dergestalt überhandgenommen, daß fast kein Laster ist, welches diese Leute nicht ausüben. Diese Woche haben sie mit nicht allein im Stall ein Schwein mit dem Degen erstochen, sondern ich werde auch berichtet, welchergestalt Kuhn einen starkgeladenen Puffer stets bei sich trägt, um mir, wenn ich in die Lektion gehe, das Licht auszublasen. Bitte daher E. F. D. mich zu sekundiren, daß solch greulich Vorhaben durch [125] diese des Mords- und Hurengerichts Instrumenta nicht ins Werk gerichtet werde.“ Umgehend erhielt der Verwalter aus der markgräflichen Kanzlei Befehl, den Kuhn zu vernehmen. Dieser stellte alles in Abrede, was ihm wegen Schwängerung und Mordversuch zur Last gelegt wurde; dagegen behauptete er: „der Rektor habe gar wenig Lectiones gehalten, und wenn des Nachmittags, so sei er mehrmals voll hinein gekommen und habe allerhand närrische Possen vorgebracht.“ Der Verwalter schützte zwar den Angeschuldigten, konnte ihn aber nicht retten. Kuhn und Weinsperger, Pfarrerssohn aus Ellrichshausen, wurden wegen Schwängerung zweier Dirnen relegirt; bald darauf auch Seyffert und Bachmann wegen Fornikation. Der Verwalter, des Letztgenannten Vetter und Beschützer, fand bald Gelegenheit, sich an dem Rektor zu rächen. Der Alumnus Falkner aus Lauf, Kostgänger beim Rektor und von ihm begünstigt, wurde beim Verwalter wegen Fornikation verklagt, worauf der Verwalter mit zwei Amtsknechten und bewaffneten Bürgern vor das Gymnasium zog und die Herausgabe des Verklagten forderte. Dieser entwischte aber und begab sich zu seinem Bruder, dem Doktor Falkner in Nürnberg, welcher sich an den Markgrafen in Bayreuth wendete mit der Bitte, seinen Bruder gegen den Verwalter zu schützen. Darauf schrieb Christian Ernst von Bayreuth unt. 12. April 1699 an Georg Friedrich von Onolzbach: „Vielgeliebter Herr Vetter und Sohn. E. E. belieben aus der Anlage zu ersehen, was der Doktor Falkner wider den Verwalter Bachmann für Beschwerung führt. Da nun dessen Bruder des angeschuldigten Fornikationsdelicti nicht schuldig, sondern dasselbe auf einen Andern gebracht worden ist, mithin es das Ansehen hat, daß der Verwalter sich an dem jungen Falkner reiben und dadurch auch seine Passion gegen den Rektor ausüben will: also sind wir von E. L. versichert, daß sie an des Verwalters Verfahren kein Wohlgefallen haben und es ihm nachdrücklich untersagen werden, damit er den jungen Falkner künftig außer Sorgen lasse, dem wir bereits ein Protectorium aushändigen lassen. E. E. dienstwilliger Vetter und Vater Christian Ernst.“ Im Juli d. Js. wurden dem Kantor M. Wetzel zweimal die Fenster eingeworfen, [126] dem Gegenschreiber 5 Schinken und 10 Speckseiten vermittelst eines Hakens aus dem Keller gestohlen. Onolzbach befahl strenge Untersuchung. Ein halbes Jahr lang wurde darüber verhandelt. Aus der vom Verwalter, Prediger und dem Lehrerpersonal gemeinschaftlich gepflogenen Verhandlung ergab sich folgendes Resultat: Der That verdächtig waren Weber, Dietrich und Seyffert; als Mitwisser wurden bezeichnet Wokurka und Schwalb. Die beiden Letztgenannten erschienen auf Vorladung nicht, da sie Oberländer seien; zugleich beriefen sie sich auf das vorhin besprochene, dem Falkner ertheilte Protektorium. Sie leisteten erst Folge, nachdem von Onolzbach her ein fulminanter Befehl ergangen war, sie durch Musketire zu zwingen. Die Erstgenannten bedrohten ihre jüngeren Mitschüler mit Schlägen, wenn sie die Wahrheit reden würden, und schlugen sie, nachdem sie die Wahrheit geredet hatten. Die drei Diebe leugneten dreist; allein durch Zeugen wurde Folgendes konstatirt: „Die Diebe stiegen noch in derselben Nacht über die Klostermauer, zündeten beim mittleren Weiher bei Weißenbronn ein Feuer an, kochten und verzehrten einen Theil der Schinken.“ Die nach Onolzbach eingesendeten Verhandlungen waren allseitig unterschrieben worden, nur nicht vom Rektor, „weil Weber gar zu schwarz geschildert sei.“ In Onolzbach wurde erkannt wie folgt: „Weber, Dietrich und Seyffert, des Diebstahls und anderer Exzesse überführt, sind zu relegiren; ihre Eltern haben die auf sie verwendeten Kosten zu ersetzen und das Fleisch zu vergüten. Die Mitwisser sind zu verwarnen. Der Rektor erhält einen ernstlichen Verweis, weil er einen besondern Bericht eingegeben, um dem Weber durchzuhelfen. Wir erwarten, daß er, Stübner, sich besser als bisher in zur Untersuchung gekommenen Fällen aufführe, seinem Amt fleißiger vorstehe und bessere Disziplin halte.“ Die drei Relegirten entwichen schon vor der Publikation. Allein nach drei Wochen kam Seyffert zurück, trat, den Degen an der Seite, in die Eßstube und verlangte seine Portion. Der Verwalter berichtete nach Onolzbach und erhielt die Weisung, den Seyffert fortzuschaffen. Es stellte sich heraus, daß dieser solchen Trotz nicht aus eigenem Antrieb geübt hatte, [127] sondern auf Anstiften des Rektors und der Räthe in Bayreuth, welche hier eine erwünschte Gelegenheit fanden, sich an Onolzbach und an dem Verwalter zu reiben und den Relegirten veranlaßten, beim Markgrafen in Bayreuth eine Beschwerde- und Bittschrift folgenden Inhalts einzureichen: „Wegen unbegründeter Beschuldigung, ohne Fug und Recht mußte ich von meinen Antagonisten Schaden leiden und wurde des Beneficii in Heilsbronn beraubt, welches doch allein von E. F. D. Huld dependirt etc.“ Die Räthe von Bayreuth schickten dieses Schriftstück nach Onolzbach mit dem Beifügen: „Seyfert ist des beschuldigten Diebstahls nicht rechtsbeständig überwiesen. Was zu seiner Defension gedient, ist aus dem Protokoll weggelassen, die Untersuchung, wider alle Observanz, auf dem Amthause gepflogen, mit dem dießseitigen Consistorio dieses Stipendiaten halben nicht kommunizirt, die Relegation praecipitanter verhängt, ihm das Beneficium, so ihm das Haus Onolzbach nicht conferirt hat, genommen worden. Also können wir nicht sehen, mit was Fug und Recht diese Relegation erkannt werden möge, wohin das passionirte Verfahren des Verwalters zu excusiren sei. Unser gnädigster Fürst hat daher hohe Ursache, diese unstatthafte Relegation zu kassiren und den Seyfert de novo zu introduziren. Bayreuth, 7. Nov. 1699. Kanzler und Geheimräthe: Freiherr von Reichenbach etc.“ Der Verwalter, von Onolzbach aus zur Äußerung hierüber aufgefordert, antwortete: „Seyfert ist des Diebstahls rechtsbeständig überwiesen. Wir haben ganz auf Befehl von Onolzbach so gehandelt. Aus dem Protokoll ist nichts weggelassen, was zu seiner Entschuldigung gedient hätte. Wäre etwas zu seiner Entschuldigung beizubringen gewesen, so hätte es der Rektor gewiß beigebracht. Die Verhandlung wurde auf dem Amthause vorgenommen auf ausdrücklichen Befehl von Onolzbach; so geschah es auch sonst. Der Vorwurf wegen Nichtkommunikation mit Bayreuth und einseitig von Onolzbach verfügter Relegation berührt mich nicht, sondern die Räthe in Onolzbach. Seyfert fand gewissenlose Assistenten, die nach Bayreuth berichteten, ohne Zweifel der Rektor, dieser böse Mann, der durch Intriguen den Weber, wiewohl vergeblich, durchzubringen [128] gesucht und nun auch den Seyfert durchbringen will. Er sucht die beiden Häuser zu meliren. In seinem Hause werden alle Laster gelernt und getrieben.“ Noch nach Jahren haderten Bayreuth und Onolzbach miteinander wegen dieser Relegation. Nachdem Seyfert Heilsbronn verlassen hatte, verlangte Bayreuth für ihn Viatikum und Stipendium, allein Onolzbach verbot dem Verwalter die Zahlung. Der Verwalter schickte dieses Verbot nach Bayreuth und erhielt zur Antwort: „Ihr seid einer Herrschaft wie der andern verpflichtet. Wir lehren uns an das onolzbachische Kammerdekret gar nicht. Anstatt schuldiger Parition habt ihr euch an die fürstliche Kammer zu Onolzbach gehängt und bei derselben ein Dekret extrahirt, mittelst dessen ihr von der Zahlung des Seyfertischen Viatici befreit zu sein vermeint. Nachdem uns aber nicht gelegen sein will, uns mit dem naheverwandten Haus Onolzbach zu meliren, als ist unser nochmaliger ernstlicher Befehl, ohne fernere Tergiversation zu zahlen.“ Diesem Befehl folgte Androhung der Exekution, dann ein Wartbote, worauf der Verwalter Zahlung leistete. Seyfert bezog die Universität, erhielt ein Stipendium und magistrirte. Bayreuth schickte um diese Zeit nicht mehr seine 25 Gymnasiasten vollzählig nach Heilsbronn, sondern nur 15 bis 18, ließ die übrigen anderwärts unterrichten, verlangte aber für jeden derselben jährlich 40 fl. von Heilsbronn, was stete Monitorien und Wartboten zur Folge hatte, da Onolzbach dem Verwalter befahl, die von Bayreuth verlangten Zahlungen nicht zu leisten. Da auch Onolzbach anfing, seine Gymnasiasten anderwärts unterrichten zu lassen, so sank um diese Zeit die Zahl der Schüler in Heilsbronn unter 40 herab. 1698 war der Schülerstand folgender: 22 Unterländer und 15 Oberländer, zusammen 37, von welchen 12, sonach der dritte Theil, an die Fraischgerichte abgeliefert werden mußten, da ihre Rente krimineller Natur waren.
Das letzte Jahr des Jahrhunderts war auch das letzte Jahr der Amtsführung des Rektors Stübner. Kurz vor dessen Kassation berichtete der Verwalter nach Ansbach: „Es hat sich seit acht Tagen zweimal Folgendes ergeben: Das erste Mal haben [129] hiesige Scholaren den auf die Universität gehenden Nantwig begleitet, sich als Husaren zu Pferd gesetzt, in Petersaurach Üppigkeit getrieben. Abends im hiesigen Wirthshaus Fenster eingeschlagen und Tische zerhauen. Das zweite Mal, letzten Sonntag, sind sie abermals ins Wirthshaus mit Säbeln, Ballaschen und Hirschfängern gekommen, haben bis Mitternacht getrunken, Tische und Bänke in kleine Stücke zerhauen. Das liederliche Leben ist dergestalt eingerissen, daß zu großem Unglück Anleitung gegeben wird. Ja voriger Nacht ist das Grab der Kurfürstin Anna (auch der Markgräfin Emilie) erbrochen und der zinnerne Sarg beim Kopf abgehauen worden, vermuthlich um Schmuck an Hals und Händen zu erlangen. (Beitr. S. 209.) Es ist alles durchsucht worden, weil man einen Strumpf über dem Kopf liegend gefunden. Ob aber etwas entwendet wurde und wer die Thäter sind, wissen wir nicht.“ In Folge dieser Anzeige kamen onolzbachische Untersuchungskommissäre, welche zugleich die unter Stübner herrschende, immer zunehmende Zuchtlosigkeit ins Auge faßten. Stübner wurde kassirt. Der Markgraf von Ansbach hatte ihn angestellt und hielt sich daher für berechtigt, ihn, ohne vorgängiges Benehmen mit Bayreuth, zu kassiren, wie früher den Kantor Bayer. Georg Friedrich von Onolzbach verfügte unterm 20. März 1700: „Nachdem uns aus den Inquisitionsprotokollen referirt worden, wasgestalten der Rektor Stübner seinem Amt nicht wie sichs gebührt obgelegen, sondern eine solche Conduite, wodurch das Gymnasium in Desordre verfallen, sich zu Schulden kommen lassen: als befehlen wir, daß er seines Rektorats hiermit entlassen und kassirt sein soll, welchen Befehl ihr ihm anzudeuten habt. Auch habt ihr selbigen die Unkosten für die angeordneten Kommissionen bezahlen zu lassen. Ihr habt davon an unsern Herrn Vetter, Markgraf zu Bayreuth Liebden. Notifikation zu thun, damit nach einem andern tauglichen Subjekt getrachtet werde.“ Stübner, welchem diese Entschließung durch den Prediger Krebs eingehändigt wurde, schrieb an den Markgrafen in Ansbach: „Die erste Kommission untersuchte mein Einschreiten mit Waffen. Allein von aller Amtshilfe verlassen, blieb mir nichts übrig, als Gewalt [130] mit Gewalt zu vertreiben, da gewisse Discipuli Nachts, als Bauern verkleidet, in dem Meinigen mich infestirten. Ich entblößte den Degen, weil der eine verkleidete Bauer mir zuerst mit dem Degen auf den Leib ging. Wäre die Visitation gemeinschaftlich gewesen, so würde meine Unschuld an den Tag gekommen sein. Die zweite und dritte Kommission inquirirte mich wegen Mißbrauch von Aktenstücken in Lehenssachen und wegen meiner Korrespondenz deßhalb mit Bayreuth, was aber auf heimlichen falschen Anklagen beruht. Ich mußte mich nothgedrunge zu Ihre Durchlaucht nach Bayreuth retiriren, da ich in Onolzbach keine Hilfe fand. Dazu verurtheilt man mich in die Kosten: eine himmelschreiende Sünde. Meine Kassation ist schon Strafe genug nach sauerer Arbeit 24 Jahre lang. Wenn ich die ganze Sache liquidiren und dociren dürfte, so würde Jedermann erkennen, daß die lautere Unschuld auf meiner Seite ist. Ich habe es inzwischen in Bayreuth gethan und hoffe, man wird von dortaus mein Glück zu testituiren geneigt sein. Auch muß ich mit Entsetzen vernehmen, daß alle Exzesse in allen Klassen und die Erbrechung des Grabes mit imputirt werden will.“ Nach Einhändigung des Kassationsdekrets durch den Prediger wurde Stübner, wie der Verwalter berichtet, nicht traurig; vielmehr erklärte er vergnügt: „er danke Gott, nun des beschwerlichen Amtes los zu sein und könne als ein wohlbegüterter Mann sich ohne Herrendienst wohl nähren.“ Der Markgraf von Bayreuth schrieb an den Markgrafen von Ansbach: „Die Sache hätte nicht einseitig, sondern gemeinschaftlich untersucht werden sollen, dann hätte Stübners Innozenz an den Tag kommen und er bei seinem Officio belassen werden können; seine Kassation sollte daher suspendirt werden.“ Die Antwort des Markgrafen von Ansbach lautete: „Stübner hat sich solche Exzesse zu Schulden kommen lassen, welche malefizisch zu traktiren gewesen wären. Dazu wurde er seinen Discipulis zu einem Ludibrium, so daß seine Disziplin ganz zerfiel. Auch that er noch viele andere unverantwortliche Dinge und trat unserem fürstlichen Respekt zu nahe, weßwegen er confessus und convictus von uns zur Strafe kassirt worden. E. Liebden werden es daher nicht [131] ungünstig nehmen, wenn wir bei der Kassation beharren.“ Stübner blieb noch ein Jahr lang in seinem Hause zu Heilsbronn, bis ihm der Markgraf von Bayreuth die Pfarrstelle in Goldkronach verlieh. Die durch ihn veranlaßten Untersuchungskosten (207 fl.) sollte er zahlen, wenn er dereinst sein Haus in Heilsbronn verkaufen werde. Die Wahl seines Nachfolgers stand, dem üblichen Turnus zufolge, Bayreuth zu.
M. Sylv. Hein. Schmidt, Stübners Nachfolger, gleichfalls heilsbronnischer Stipendiat, dann Konrektor in Kulmbach, hierauf Rektor in Heilsbronn, trat mit den besten Vorsätzen ein. Am 26. Dez. 1700 reichte er, gemeinschaftlich mit seinen Kollegen, bei den beiden Konsistorien folgenden Bericht und Besserungsvorschlag ein: „Durch den Rektor Stübner ist durch übelgeführte Disziplin das Gymnasium in Grund verdorben. Die heilsamen Leges der Schule sind sehr schlecht beobachtet worden, daher man, da nun das Rektorat neu besetzt worden, eifrigst bedacht ist, diesem Unheil abzuhelfen. Ungeachtet oftmaliger Bestrafungen haben sich Viele erst spät, wenn schon einiger Gesang und Lektion vorbei gewesen, eingefunden, die Erwachsenen ohne Gesangbücher, welche dann nicht mitsingen, sondern mit faulen und wilden Geberden und Plaudern Andere in der Gemeinde ärgern; oder sie nehmen den Kleinen ihre Gesangbücher und bedrohen sie, wenn sie sich deßhalb beklagen würden. Sie schämen sich der Gesangbücher. An Sonn- und Feiertagen lassen sich Unterschiedliche mit dickeingepudertem Kopf, Ohrengehängen und anderen Eitelkeiten sehen, daß Niemand sie ohne Ärgerniß ansehen kann. Die Leges verbieten spitzige Hüte, unförmliche Hauben, lange Überschläge mit offenen Hälsen, bunte oder ausgefüllte große Hosen, lichtfarbe Strümpfe und andere höfische Kleider; die Leges gebieten, sich an der ehrlichen Schülertracht begnügen zu lassen, was aber die Wenigsten thun. Dem entgegen geschieht es oft, daß die Haube grün, der Rock weiß, das Kamisol gelb, die Hosen scheckig, die Strümpfe roth, der Mantel blau und also die Person in so viel Farben, als Stücke, gekleidet ist. Es haben sogar bei den Scholaren die Perüken, Ohrengehänge etc. gemein zu werden [132] angefangen, so daß Viele keine Gnadenschüler, sondern wohlbestellte politische Bediente repräsentiren. Dabei haben die Eltern viel Schuld, welche einwenden: die Welt sei jetzo geändert, ein junger Mensch müsse sauber und nett dahergehen. Alle Alumnen sollten auf dem Contubernio beisammen wohnen, was seit vielen Jahren nicht geschehen, da Jeder nach eigenem Gefallen bald auf das Contubernium, bald wieder herunter gegangen ist. Durch Inspektion bei Tag und Nacht ist zu verhüten, daß nicht die Kleinen von den Großen übel traktirt werden. Lex 30 befiehlt, sich nicht zu Weibspersonen zu halten. Allein dawider sind in Kurzem verschiedene grobe Delicti ausgebrochen, so daß man der überhandnehmenden Büberei nicht steuern kann, was aber desto nothwendiger ist, weil dermalen viel freches Weibervolk sich hier befindet. Dazu werden die Scholaren von unterschiedlichen Inwohnern geheimst zu Karteln, Schmäusen etc. Diejenigen, welche Fähigkeit und Lust zum Studiren haben, haben bisher den kleinsten Theil ausgemacht. Viele sind im Jahr mehr daheim als im Kloster, und die Studia sind ihnen eine Last. Die meisten Exzesse rühren her von der Schwelgerei theils im Wirthshaus, wo sie übermäßig saufen, theils wenn Novicii ankommen, welchen sie Einstände extorquiren, acht Gulden und mehr. Dazu kommen Saufereien auf den Dörfern. Das Collegium ist nicht sufficient, dergleichen Gesäuf abzustellen, so daß eine höhere Autorität unumgänglich wird. Eine Emendation wird bei der rohen Jugend nicht erfolgen, wenn nicht das Amt von Neuem angewiesen wird, wie es die Disciplin bei der unbändigen Jugend manuteniren helfen soll.“ Hierauf erfolgten fulminante Reskripte des Inhalts: „Der neue Rektor wird sonderlich auf die unverantwortlich erlegene Disciplin bei dem in sehr üblen Ruf gefallenen Gymnasio sehen. Wir vernehmen, wasmassen die Alumni weder in studiis noch moribus sich der Gebühr nach aufführen, sondern sich im Wirthshaus und anderswo Excesse zu Schulden kommen lassen, obgleich von euch, dem Prediger und Präceptoribus, geschärfte Censuren vorgenommen worden sind. Ihr habt nun allen Schülern zu injungiren, daß Jeder sich eines christlichen Lebens befleißige, den [133] Präceptoribus gehorche, verdächtigt Zusammenkünfte meide, bei Strafe des Carcers. Dem Furtenbach, Weiß, Zinn und Schäfer ist anzudeuten, daß, wenn sie ihre incorrigiblen mores und studia nicht bessern, sie die beneficia verlieren. Bub ist durch sondern Verweis zur Besserung seiner morum anzunehmen und über den Effect zu berichten.“ Inmitten aller Reskripte und Berichte ergaben sich unter dem neuen Rektor die alten Exzesse, z. B. fortgesetzte schamlose Unzucht, daher Relegation des W. Pertsch, Sohn eines geachteten Vaters, des Superintendenten J. G. Pertsch in Wunsiedel. Der unterländische Alumnus Döderlein erstach in der Christnacht mit dem Messer seinen Mitschüler Förster.[1] Unter den nunmehrigen Leitern der Schule war mehr Zusammensicht, als unter den früheren; zwischen den beiden Regierungen aber die alte Zwietracht. Bat der Verwalter bei der Regierung in Onolzbach um eine Kommission zur Untersuchung von Exzessen, so erhielt er aus Bayreuth einen Verweis und den Befehl, in der Sache nicht einseitig zu verfahren. Im Spätherbst 1708 berichtete er an beide Regierungen: „Bei der hiesigen Schuljugend liegt alle gute Ordnung über einem Haufen. Obwohl man von Amtswegen mit den Schulkollegen in vielfältiger Kommunikation steht, so ist doch keine Remedur zu hoffen, wenn nicht beide Häuser zu einer endlichen Schulvisitation sich resolviren. Man ist des Nachts in den Häusern nicht mehr sicher. Die Rektoristen Häffelein, Herold, die beiden Bauriedel und Donner verfügten sich am Montag statt in die Klasse – nach Weißenbronn auf die Kirchweih, trafen dort die hiesigen Handwerksgesellen, denen sie schon geraume Zeit nachgegangen, tanzten mit bloßen Degen und gespannten Pistolen, fingen Schlägerei an, wobei es viele Verwundungen gab und ein Daumen entzweigehauen wurde. Die Untersuchung führt das Fraischamt Windsbach. Der Kantor Pöschel hat schlechte Autorität, da er schon von den jungen Leuten mit s. v. Hundsfott traktirt worden.“ Häffelein, der Sohn eines Bereiters, und Donner, der Sohn einer Wittwe, wurden [134] relegirt. 1709 berichtete der Verwalter: „Solch liederliches Leben kann keinen guten Ausgang nehmen. Viele Eltern werden noch darüber seufzen. Die vorige Woche hat man das Haus angezündet. Wenn es in der Nacht geschehen wäre, so würde man die alte Laterne in Rauch haben aufgehen sehen. Enfin, ich mag nicht schreiben, wie es zugeht. Die Kinder auf der Gasse reden von der Prostitution. Ich eröffne dieses als ein treuer Diener. Die Scholaren sind Nachts, statt im Contubernio, bis 12 und 1 Uhr in des Herrn Küchenmeisters Jung Haus, spielen und tanzen mit der Frau. Ich habe es dem Herrn Prediger und Präceptoribus eröffnet, worauf es etwas besser wurde. Die Herren Geistlichen haben an die Eltern geschrieben und eine Änderung verlangt.“ Dagegen äußerte sich der Küchenmeister in seinem von der Regierung verlangten Rechtfertigungsbericht wie folgt über den Verwalter: „Dieser heilsbronnische, von Hochmuth aufgeblasene und fast zerberstende Despot, welcher vorgibt, daß auch der Prediger bei ihm das Forum erkennen müsse, hängt das Amt an den Nagel, überläßt es den Schreibern und kutschirt draußen herum.“ Dieser Küchenmeister veranlaßte weitläuftige Verhandlungen, welche gleichfalls einen recht betrübenden Einblick in das damalige Thun und Treiben in Heilsbronn gewähren. Zunächst handelte sich’s um den Rang, und die Regierung entschied, daß dem Küchenmeister der Rang vor dem Kollaborator und dem Sprachmeister gebühre. Vergebens stellte der Kollaborator vor: „Der Vorrang gebührt mir, habe ihn von jeher gehabt, auch mein Antecessor. Schon die Äquität gebietet, daß ein Literatus und Philosophiae Magister einem Illiterato vorgehe. Dazu lebt dieser mit Hoch und Niedrig in Zank und Streit, geht selten zum Abendmahl, und wenn er es thut, so beunruhigt er dabei andere fromme Christen.“ Die Regierung verlangte darüber Bericht vom Prediger Krebs, und dieser berichtete gegen den Küchenmeister. Gleichwohl entschied die Regierung für denselben. Das gegenseitige Verklagen dauerte fort, auch unter Betheiligung der Frauen, die zum Ärgerniß der Gemeinde am Altar und bei einer Taufprozession einander zurückstießen. Inzwischen lief bei der [135] Regierung Beschwerde der Gymnasiasten gegen den Küchenmeister ein. In der Beschwerdeschrift hieß es: „Der Metzger liefert dem Küchenmeister krankes Vieh, der Braumeister verdorbenes Bier, und so schon zwei Jahre her. Unsere Herren Präceptores haben es zwar untersagt, aber es wurde nicht besser, sondern schlimmer.“ Der Küchenmeister, welchem die Beschwerde zur Äußerung mitgetheilt wurde, erklärte: „Das sind Satansränke der Gymnasiasten, welche bei Nacht aus dem Gymnasio steigen und die Nacht hindurch Sünde treiben. Man frage den Konrektor. Das ist bloß Verhetzung durch den boshaften Koch und sein Weib. Die kleinen Alumni haben mitunterschrieben, um nicht von den großen viehisch tractirt zu werden.“ Dieser an den Markgrafen gerichteten Replik fügte der Küchenmeister eine sechs Bogen lange Aufzählung der seit einem Jahre vorgekommenen lasterhaften Gymnasiastenexzesse bei. Die Regierung schickte eine Untersuchungskommission. Küchenmeister und Metzger wurden entlassen, der Braumeister verwarnt. Die Untersuchungskosten mußten Gymnasiasten, Küchenmeister, Koch, Metzger und Braumeister zahlen.
Als nach zwanzigjähriger Amtsführung des Rektors Schmidt nirgends Besserung eintrat, erging am 2. Jan. 1711 vom Markgrafen Wilhelm Friedrich folgender Erlaß an den Prediger, Rektor, Konrektor und Verwalter: „Aus den vielen bisher vorgekommenen Exzessen, wovon ihr, die geistlichen Inspectores, weder an uns noch an unsere Rathsstube das Geringste nicht habt gelangen lassen, noch selbst etwas zu untersuchen begehrt, ist sonnenklar abzunehmen, daß bei der euch anvertrauten Schuljugend überaus schlechte Disziplin gehalten, allen Untugenden derselben nachgesehen und durch eine ungezähmte Licenz selbe auf das Äußerste verderbt, mithin gutentheils durch euer Verschulden ein so herrliches Beneficium unverantwortlich abutirt wird. Wir bezeugen hierüber unser äußerstes Mißfallen. Bei der hiernächst vorsichgehenden Generalvisitation wird sich ergeben, an wem die Schuld haftet, daß bisher so gar schlechte Aufsicht und Disziplin gehalten worden. Wir befehlen euch sammt und sonders, daran zu sein, daß allen Exzessen durch fleißige Inspektion und scharfe [136] Disziplin vorgebogen, insonderheit die Jugend zu fleißiger Besuchung des Gottesdienstes und Gebrauch des h. Abendmahles angewiesen und gute Zucht erhalten werde.“ Einige Wochen darauf befahl die Regierung, das Tragen von Gewehren zu verbieten, auch den Handwerksburschen im Orte. Die verheißene Generalvisitation kam 1711 nicht zu Stande; Alles reduzirte sich wieder auf fruchtlose Korrespondenzen zwischen den beiden Häusern und Erlasse nach Heilsbronn. Der Verwalter erhielt einen scharfen Verweis wegen seines Verhaltens bei Schlägereien zwischen Scholaren und Handwerksburschen und wegen seiner Querelen mit dem Prediger, Rektor und den Präzeptoren. Er kam noch vor Jahresschluß in Untersuchung, nach Ansbach in Arrest, worauf seine Kassation folgte. Seine Stelle blieb Jahre lang unbesetzt und wurde durch Urban Zindel verwest, da die beiden Häuser über die Gebietsabtheilung miteinander verhandelten. Mittlerweile dauerten die Exzesse fort, daher fortwährende Untersuchungskommissionen, z. B. 1716 und 17 Inquisitionen gegen die Scholaren von Tanner, von Rothschütz, Wörner, Hartmann, von Reibnitz, Dietlein, Pöhlmann, von Resondi, von Nachtrab und Andere wegen Verwundungen mit Degen. Einige der Delinquenten saßen Monate lang in Untersuchungshaft im obern und untern Wachhause, Einige entwischten. Der Amtsverweser Zindel berichtete über den kassirten Verwalter Bachmann: „Hat vor seiner Abkunft nach Onolzbach und daselbst angegangenem Arrest die austräglichsten Geldgefälle an sich gezogen, der Schulden gar zu viele hinterlassen. Das Amt wird Jahre zu seiner Erholung nöthig haben und hat keinen Kredit mehr, so daß ihm (dem Amt) Niemand mehr Darlehen machen will.“
In Folge der ebengedachten Gebietsabtheilung von 1719 kamen viele Ortschaften des ehemaligen Mönchsstaates in der Nähe von Heilsbronn an Bayreuth; Heilsbronn selbst aber blieb theilweise gemeinschaftlich und daher nach wie vor der Zankapfel. Lediglich onolzbachisch wurde: 1. Die Pfarrstelle mit der Bestimmung: „Onolzbach hat künftig allein die Stelle zu besetzen.“ 2. Die (1771 abgetragene) Katharinenkirche, als künftige Pfarrkirche, [137] in welcher Onolzbach allein den Gottesdienst auf eigene Kosten anzuordnen hat. In derselben haben die Inwohner die sacra zu suchen; doch bleibt ihnen unverwehrt, zu Gebet und Predigt in die Klosterkirche zu kommen. 3. Der Ort Heilsbronn selbst mit Ausnahme dessen, was dort gemeinschaftlich bleiben soll. Und gemeinschaftlich soll bleiben: a. die Fürstenschule mit Personal und Gebäuden; b. die Wohnungen des Predigers und aller Bediensteten; c. die Jurisdiktion über die Fürstenschüler; d. das Schulgebäude sammt Küche, Keller und Utensilien; e. die Klosterkirche; f. der Kirchhof daran; g. die Bibliothek und Registratur; h. der heilsbronner Hof in Nürnberg; i. Randersacker. In der Klosterkirche hat der Pfarrer als gemeinschaftlicher Klosterprediger den Präzeptoren, Gymnasiasten und Schulbedienten zu predigen, Betstunde zu halten und für beide Herrschaften zu beten. Die Präsentation der Stipendiaten steht, wie bisher, den beiden Konsistorien zu. Klag- und Schuldsachen eines Gymnasiasten behandelt der Rektor, und wenn er Bedenken hat, so berichte er an dasjenige Konsistorium, welches den Gymnasiasten präsentirt hat. Fornikationen oberländischer Gymnasiasten behandelt das zunächst gelegene bayreuthische Amt (Neuhof). Bei Fällen der niedern Gerichtsbarkeit strafen die von beiden Häusern aufgestellten Beamten, Vergehungen gegen die Disziplin die Präzeptoren. Die Jurisdiktion quoad criminalia steht Onolzbach zu.
Durch die Gebietsabtheilung von 1719 wurde die Zwietracht der Fürstenhäuser nicht beseitigt, der trostlose Zustand der Fürstenschule nicht besser, ja Manches wurde noch schlimmer in Folge der Abtheilung, was sich schon im nächsten Jahre nach derselben herausstellte. Der neben dem Verwalterverweser angestellte Adjunkt Mich. Beer berichtete am 17. März 1720 nach Onolzbach: „Seit 10 bis 15 Jahren haben die beiderseitigen Alumni so viel Exzesse mit Saufen ganze Tage und Nächte, Spielen, Fluchen und Schlagen verübt, daß verschiedene Kommissionen zu deren Untersuchung hieher abgeordnet worden sind. Die jungen Leute sind in ein so liederliches Leben verfallen, daß die mehresten heimlich echappiren, viele aber, weil sie den [138] studiis gar schlecht obgelegen, von den Universitäten weg in den Krieg sich begeben, oder andere schändliche Lebensarten angenommen. Zur Abstellung dieses Unwesens kommunizirten Rektor Schmidt, Konrektor Pöschel und Magister Oeder mit mir, und wir kamen überein, dem Bräuer und der Wirthin und dem Thorwart bei 10 Thaler Strafe zu verbieten, den Stipendiaten Bier oder Anderes abzureichen, was der Rektor dem Coetus eröffnete. Dem zuwider forderten die drei bayreuther Alumni Memminger, Schneider und Neuper beim Bräuer Bier, und als sie keines erhielten, griff Memminger nach dem Degen. Da holte der Bräuer mich, und ich kam mit dem Amtknecht und zehn Bürgern, nahm ihm den Degen ab und arretirte ihn. Schneider und Neuper echappirten und gingen zum bayreuthischen Oberamstmann von Korff nach Neuhof. Dieser, hatten sie gesagt, habe befohlen, daß man ihnen Bier geben solle. Es war eben Markt in Neuhof und einige heilsbronner Handelsleute dort. Da ließ der Oberamtmann ihre Waaren in Beschlag nehmen und will sie nicht eher zurückgeben, als bis Memminger seines Arrests entlassen sei. Ich bitte nun um Verhaltungsbefehl und zugleich zur Abstellung der vielen Excesse der ganz außer aller Ordnung lebenden Schuljugend, in specie der bayreuther bösen Buben, ein Kommando von 20 bis 30 Mann regulirter Soldaten hieher abzuordnen, welche unter beiden Thoren die Wache versehen und das verruchte Volk in Gehorsam bringen. Die Bürger – mehrentheils liederliche versoffene Tropfen und zum Arretiren untüchtige Leute, die im Wachhaus den Stipendiaten allen Muthwillen gestatten – mögen zur Strafe für die Soldaten Quartier schaffen. Sonst möchte Mord und Todschlag entstehen.“ Der nachgesuchte Verhaltungsbefehl lautete: „Memminger ist auf Angeloben des Wiederstellens und ruhigen Verhaltens freizulassen, an den Kastner Heim in Neuhof protestando zu schreiben und von ihm die Auslieferung der Waaren der heilsbronner Bürger und künftig bessere Nachbarschaft zu verlangen, wegen des Verfahrens des Oberamtmanns von Korff höheren Ortes Beschwerde einzureichen.“ Der Kastner Heim [139] erklärte sich willfährig, rechtfertigte aber das Verfahren des Oberamtmannes von Korff, da Heilsbronn, dem neulichen Rezeß entgegen, dem Herrn von Korff keine Notifikation gemacht und ihn nicht zur Untersuchung beigezogen habe, weßhalb er zu Repressalien veranlaßt worden sei. Wenige Wochen nach diesen Vorgängen zeigte Beer die Alumnen Ulmer, Crailsheim, Frobenius und Burkhard wegen Schlägerei auf dem Keller an mit dem Beifügen: „Fast alle Demuth und Gottesfurcht ist ausgetilgt; man sehe die Verhandlungen über Fornikation seit 8 Jahren.“ Auf diese Anzeige erging ein scharfes Reskript von Onolzbach an die Präzeptores mit der Aufforderung, sich zu verantworten. Rektor, Konrektor und Kantor erklärten in ihrem Verantwortungsschreiben: „Hochwürdige Herren Patroni! Dero etc. haben durch ein ernsthaftes Reskript uns zu erkennen gegeben, daß die Alumni mit täglichem Schwelgen, Vagiren, Beleidigen der onolzbachischen Beamten und andere ärgerliche Bezeigungen dero großes Mißvergnügen erweckt. Wir haben viel Mühe angewendet, dieses abzustellen und in Bayreuth und Onolzbach inständigst um Securs angehalten, sind aber nicht mit Nachdruck secundirt worden. Man könnte in folgender Gestalt den Mißbräuchen begegnen: Die Eltern sollten ihren Söhnen kein Geld geben. Nicht die Scholaren, sondern deren Eltern sollten das Geld für Kleider in Empfang nehmen. Einschreiten gegen Erpressungen von Noviciis. Verbot an Wirthe. Bei Hochzeiten und Leichen sollte man das Singen dem Collaborator mit seinen deutschen Schülern übertragen, nicht mehr den Scholaren, welche sich dabei Exzesse erlauben und die Leute prellen. Keine Dienstleistungen mehr im Contubernio durch Mägde. Man verbiete den Inwohnern, den Scholaren Wohnung und Kost zu geben. Die Scholaren sollten nach dem Abendgebet zu Bett gehen, kein Feuer unterhalten dürfen; an die Rauchfänge sollten Schlösser gelegt werden. Außer den gewöhnlichen Vicarien sollten in jeder Klasse noch zwei Seniores angestellt werden. Weniger Vakanzen. Man sollte nur einen Eingang offen lassen, damit kein Schüler ohne unser Wissen ausgehen kann. Man gebe dem hiesigen Beamten Vollmacht, [140] das vagirende, mit Degen hinauslaufende Volk zu hindern; die Thorwache und alle Inwohner sollten angehalten werden, die Herumschweifenden zu desarmiren und einzuliefern etc. Wir haben solche Exorbitantien durch unsere Schuldisziplin nicht abstellen können. Dero etc. wollen doch selbsten einmal Disziplin führen, nicht nur durch Reskripte und Bedrohungen, welche bisher von bösen Buben nur wenig considerirt worden, sondern durch Execution dessen, was angedroht worden, damit ein boshaftiger junger Mensch Devotion gegen Gott und die Serenissimos und Vorgesetzte lerne.“ Diese gleichzeitig nach Ansbach und Bayreuth eingereichte Erklärung kam zurück an den Adjunkten Beer zur gutachtlichen Äußerung. Beer äußerte sich beistimmend, verlangte aber noch schärfere Strafen und fügte bei: „Die hiesige Schuljugend ist fast mehr den vitiis als den studiis ergeben. Die Pfarrerssöhne Meyer aus Frauenaurach und Schumm aus Wiesenbach, ruchlose Bursche, hatten Schlägerei mit Soldaten und dem Bräuknecht. Es geschehen Diebstähle von diesen jungen Leuten, die ganze Nächte im Kloster herumschwärmen.“ Die beiden Konsistorien korrespondirten nun miteinander und kamen überein: „der fast gänzlich verfallenen Disciplin aufzuhelfen.“ Sie schickten Untersuchungskommissäre und dekretirten auf deren Referat wie folgt: „Wir haben durch Abschickung einer Kommission vernommen, was für ein rohes und sündliches Leben fast durchgehends in unserem Markt und Kloster geführt wird. Als befehlen wir, das Aussteigen mit Relegation zu bestrafen etc. Münzmeyer, Vogtherr, Meyer und Hahn, die sich durch Entheiligung des Sabbaths am Pfingsttag sehr versündigt, habt ihr künftigen Sonntag zum Tisch des Herrn zu lassen, bei der Absolution ihre Sünden vorzuhalten, auch solche pro concione, jedoch nur in terminis genaralibus melden zu lassen etc.“ Das Fraischamt verurtheilte die Delinquenten zu viertägiger Thurmstrafe bei Wasser und Brot.
Der neuernannte Verwalter Rosa gerieth gleich bei seinem Eintritt in Konflikt mit den Professoren, nach deren Ansicht er bei Gelegenheit einer Schlägerei die Scholaren zu hart, die Handwerksburschen [141] zu gelind bestraft hatte. Der Verwalter und der Adjunkt bemerkten in einem von der Regierung hierüber verlangten Bericht: „Wir werden jederzeit in Schulsachen thun, was unsere Amtspflicht ist. Es steht aber zu besorgen, daß, wenn man zwischen den Schulkollegen und dem Amt keine genaue Harmonie beobachtet, vielmehr dem Amt contradicirt und die ganz verwilderten Scholaren in ihrer boshaften Aufführung nicht gehörig bestraft, mithin denselben Polster untergelegt werden, der heilsame Zweck nicht zu erlangen sein dürfte.“
Am 21. Aug. 1721 starb Krebs, nachdem er 46 Jahre lang in Heilsbronn gewirkt hatte, erst als Rektor, dann als Prediger. Im folgte 1722 als Prediger Ludw. Hocker, über dessen Verdienste in den Beitr. ausführlich berichtet worden ist. Auch unter seiner Mitleitung blieb die Schule verwildert wie zuvor. Er überzeugte sich bald von der Erfolglosigkeit der ihm zu Gebot stehenden Schulstrafen und nahm, wie Alle vor ihm, seine Zuflucht zu Anzeigen und Nothrufen. Im Verein mit seinen drei Kollegen zeigte er dem Verwalter Rosa und dem Adjunkten Beer an: „Der Kantorswittwe wurden die Fenster eingeworfen. Der Verdacht ruht auf einigen Schülern, die nach dem Abendgottesdienst im Wirthshaus zu Weißenbronn Fische aßen, Wein tranken, zwar um acht Uhr bei der Inspektion anwesend waren, aber dann in der Nacht ausstiegen, in der Stube der abgeschiedenen Lieutenantin Lubetich aus Hof mit deren Sohn und einem Zimmergesellen Bier tranken. Dabei ergab sich, daß die Wirthe nicht ablassen, zu verbotenen Zeiten Trunk abzugeben und daß Frau Lubetich Unterschleif gewährt.“ Frau Lubetich wurde angewiesen, mit Sohn und Tochter Heilsbronn zu verlassen, „da sie und ihre Tochter nichts tauge und die Schüler verführe, namentlich den Reinert.“ Der an die Stelle des verstorbenen Verwalters Rosa gekommene Verwalter Bernhold (Mitschöpfer des Heilbrunnens, lt. Beitr. S. 28 bis 30) berichtete 1724 an die Markgrafen: „Ich habe die kurze Zeit meines Hierseins schon Verschiedenes von der Bosheit der Schuljugend erfahren müssen. Der Meister von allen Exzessen ist Beyerlein, der von groben [142] Lastern Profession macht. Bitte, dergleichen in Lastern versoffene Leute zu strafen und zu entfernen.“ Beyerlein, Pfarrerssohn aus Ursheim, wurde wegen Nothzucht relegirt. Bernhold und Beer erhielten von Ansbach folgende Weisung: „Nachdem man wahrgenommen, was von der studirenden Jugend in Heilsbronn für ein gottloses Leben geführt wird, als ergeht zum Verwalteramt der Befehl, dergleichen sündhaftes Leben abzustellen und weiter darüber zu berichten.“ Der weitere Bericht lautete: „Bei diesem ganzen Coetu ist wenig oder wohl gar keine Gottesfurcht zu spüren, keine Ehrbarkeit, Mäßigkeit, Respekt gegen Obrigkeit und Präzeptoren, mehrentheils Gelächter über ihre Übertretungen und beim Ablesen von den Legibus, Fluchen, Saufen, Hoffahrt in Kleidern, bordirte Hüte, Perücken, weiße Mäntel, Haarzöpfe etc. Sie verkaufen das ihnen von der Herrschaft gegebene Tuch und verthun das Geld. Beim Essen, wobei unter Inspektion eines Präzeptors in der Bibel gelesen wird, werfen sie einander mit Brot, schlagen und raufen, welches sie auch öfter in der Kirche gethan. Sie malen und schreiben die schändlichsten Figuren und Worte aller Orten in der Kirche, versetzen und verkaufen Bücher, Kleider und Betten in loco oder auf den Dörfern, achten die Schulstrafen für nichts. Die Besseren werden gleich bei der Hieherkunft zur Hartnäckigkeit verleitet. Es ist auch die Harmonie der Präzeptoren ziemlich schlecht. Der Prediger Hocker bezeigt zwar viel Eifer, wie auch der Rektor Schmidt noch viel Autorität hat. Hingegen ist die Autorität beim Konrektor und Kantor desto schlechter. Die Musik liegt sehr darnieder.“ In gleichem Sinne berichtete Hocker an die Regierung: „Loder, Beck und Arzberger, onolzbachische Beneficiarii, sind nach Distrahirung ihrer Sachen ausgetreten. Wir wissen mit aller möglichen Aufsicht und Korrektion das Spielen und Saufen nicht zu verhüten. Unsere gewöhnlichen Schulstrafen wollen kaum mehr zureichen. Wir bitten daher um ein bedrohliches Monitorium gegen das Spielen, Trinken, Veralienirung der Bücher, rüdes Traktament gegen die Unteren. etc.“ Den Einen und Andern der Wüstlinge nahm Hocker zu sich in das Haus, z. B. auf Bitten des Vaters den Doktorssohn [143] Keck aus Bayreuth, aber ohne Erfolg. Bayreuth fuhr fort, seine Wüstlinge in Schutz zu nehmen, während Onolzbach sie bestrafen wollte. Dazwischen erhielt Hocker von Eltern Briefe voll Klagen über den Kantor Pöschel, der seine Schüler mörderisch prügelte. 1727 war der Stand der Schule wie folgt: Nur 12 Schüler wohnten im Gymnasium, 4 bei Hocker, die übrigen bei andern Lehrern oder in Bürgerhäusern. Bernhold und Beer berichteten: „Es fehlt fast mehr an den Docentibus als an den Discentibus. Der Rektor ist ein alter Mann, dem das bei dieser rohen Jugend nöthige Visitiren bei Tag und Nacht zu beschwerlich sein will. Bei einer Visitation des Abends acht Uhr fanden sich auf dem Contubernio anstatt 12 nur 2 beim Gebet, denn 10 waren im Bräuhaus und machten Skandal. Der Konrektor und der Kantor wollen das Visitiren nicht besorgen, weil es ihrem Karakter und ihrer Kommodität nachtheilig sei. Diese Beiden haben einander durch die härtesten Injurien prostituirt, gebrauchen unverantwortliche Passiones bei der Information, Parteilichkeit gegen Arme, welche bei ihnen keine Privatstunden nehmen, haben allen Respekt verloren. Der Wohlstand der Schule ist schwerlich zu hoffen, als bis nach dem Willen Gottes und beiderseits hochfürstlicher Häuser gemeinschaftlich näherer Einsicht eine Änderung mit diesen beiden Collegis getroffen und an deren Stelle andere Subjekte bestellt werden.“ Allein es geschah in den nächstfolgenden vier Jahren nichts, als daß die beiden Konsistorien reskribirten: „Nachdem der Konrektor Pöschel und sein Tochtermann, Kantor Haberstumpf, beständig in Haß und Feindschaft leben, also werden sie erinnert, sich besser zu betragen; wo nicht, so wird mit Beiden eine Änderung vorgenommen werden.“
Inzwischen dauerte die Zuchtlosigkeit fort. Drei Jahre später berichteten Bernhold und Beer: „Zufolge der geschärften Verordnungen hat man öfters um der meist boshaften Scholaren willen nächtlich patrouillirt und selbige theils gütlich zum Heimgehen gemahnt, oder zu Arrest gebracht, oder mit dem Karzer bestraft. Es ist aber mit solch bösen Buben dahin gediehen, daß sie ihre Präzeptores gar nicht achten, auf der Gasse entsetzlich [144] fluchen, wie bei ganzen Armeen nicht erhört, und Zoten treiben. So wieder in voriger Nacht, als ich selbst mit dem Amtknecht herum ging, auf dem Contubernio keinen einzigen fand, aber bei dem Rosaischen Haus einen Complot von 20, die ich zum Heimgehen ermahnt. Die Meisten antworteten: „Donner und Wetter soll drein schlagen, alle Teufel sie holen, so ließen sie sich nicht einschränken!“ Ich ließ den Prediger Hocker und bewaffnete Bürger rufen. Es waren meist besoffene böse bayreuther Buben, die bereits Zaunstükel vom Rosaischen Garten gerissen hatten. Endlich brachten wir sie aufs Contubernium. Ich schlage vor, die Relegation wenigstens anzudrohen, da sonst Niemand mehr auf der Gasse sicher ist.“ Auf die Rückseite des Konzepts schrieb Bernhold: „Haben mich und Herrn Prediger cujonirt, brüllen Nachts wie das Vieh, tanzen in Bonhof, Oertel aus dem Bayreuthischen wegen Schwängerung relegirt.“ Monate vergingen, bis sich die beiden Konsistorien wegen Absendung einer Untersuchungskommission einigten. Die Räthe Schwarz und Cleminius inquirirten vom Januar bis März 1731, nachdem ihnen Hocker und Bernhold ein Promemoria über den kläglichen Stand der Schule eingehändigt hatten. Unter Bezugnahme auf die oben besprochenen Schulgesetze bemerkte Hocker in seinem Promemoria: „Jedes dieser Gesetze wird schändlich übertreten. Schwören und Fluchen ist unter den kleinen und großen Alumnen so gemein wie bei Soldaten. Das Abendmahl wird selten gehalten, ohne daß ein Unfug vorkommt. Von langen Jahren her werden alle Bosheiten geheim gehalten oder einstimmig geleugnet. Die Kleineren werden von den Größeren brutal traktirt, wagen daher nicht zu klagen. Ihre Kleider verkaufen und verludern sie. Seit dem letzten Tumult sind ihnen ihre Degen abgefordert worden; sie wissen aber dergleichen bei der Bürgerschaft zu verstecken. Seit langen Jahren ist Saufsucht unter ihnen. Aus der Inkarzerirung macht sich mancher böse Bube noch eine Ehre. Die Baculirung coram coetu hat die gehoffte Emendation nicht nach sich gezogen.“ Bernhold bestätigt und vervollständigt dieses Sündenregister in seinem Promemoria und bemerkt: „Diese unzähligen Verbrechen [145] sind anders nicht zu emendiren, als durch Bestellung von solchen Präzeptoren, welche mehr Autorität gewinnen.“ Während der ersten Anwesenheit der genannten Untersuchungskommissäre erschien ein „schändliches pasquillantisches Lied, welches von den Schülern im Wirthshause abgesungen wurde,“ und die abermalige Abordnung der beiden Kommissäre veranlaßte. Der Kommissär Schwarz sagte u. A. in seiner Relation: „Bei der ersten Kommission ergab sich, daß Aufsicht und Zucht fehlt, massen der Prediger Hocker an den Sonntagen sich der Inspektion gänzlich entzieht, der Rektor wegen Apoplexie den Schülern nicht nachsehen kann, der Konrektor und Kantor sich durch ihre Conduite verächtlich gemacht haben. Ich habe die Schüler versammelt und ihnen die Gebote über die Sonntagsfeier, auch Taulerei Bedenken vorgehalten, und wie unverantwortlich es sei, das Benefizium für Arme so zu mißbrauchen. Aber statt der versprochenen Besserung sind von einigen Alumnen obscöne Lieder im Posthause und in den Klassen gesungen und vier derselben nach Onolzbach geschickt worden, wo man für nöthig fand, auf die Autores zu inquiriren; wir konnten aber diese nicht offenbar machen.“ Die beiden Regierungen erklärten, daß eine totale Änderung bei der Schule nöthig sei, und verurtheilten die Tumultuanten zur Zahlung von 142 fl. Untersuchungskosten. Die Haupttumultuanten waren Pöhlmann, Rößler, Seyfert, Schülin, Hofmann, Schifferer, Herrgott, Held, Pertsch, Vogtherr, Bart, Oertel, Osterwald, Pühl, Otto, Maler, Sehner und Döbler. Ueber zwei derselben, Oertel und Sehner, verhandelte und erkannte das Fraischgericht Windsbach wegen Schwängerung. Sehner, Dekanssohn aus Langenzenn, entfloh. Die Strafe der Geschwängerten (Schulpachterstochter), welche bereits ein Kind von einem Alumnus hatte, bestand darin, daß sie 6 fl. an die Herrschaft und 7 fl. Sporteln zahlen mußte. Die zweimalige Untersuchung hatte nicht den gewünschten Erfolg. Der Verwalter Bernhold starb noch in diesem Jahre. Sein Nachfolger Kern berichtete i. J. 1733: „Es ist am Trinitatisfest auf Anstiften einiger Scholaren, welche sich bekanntlich mehr mit Brutalisiren und Saufen als Studiren distinguiren, über die [146] Handwerksbursche eine völlige Jurisdiktion behaupten und sie als Sklaven und Leibeigene mit Schlägen und Injurien angehen, wieder Schlägerei vorgefallen und die Scholaren mit blutigen Köpfen abgefertigt worden. Die sechs Tumultuanten haben sich nicht gescheut, während der Untersuchung auf das Amthaus, wo die Untersuchung geführt wurde, heimlich eine Stütze Bier praktiziren zu lassen, um im Saufen nicht aus der Gewohnheit zu kommen.“
In dieser Weise dauerten die Exzesse noch drei Jahre lang, bis zur Schulaufhebung fort. Im Aufhebungsjahre verhandelte das Fraischamt Windsbach noch über zwei Schwängerungsfälle. Des Kollaborators Magd hatte bereits zwei Kinder und gebahr nun das dritte, erzeugt mit dem Alumnus Brendel, Kriegskommissärssohn aus Bayreuth. Das Erkenntniß ex consilio aulico lautete: „Die Magd ist aus dem Fürstenthum zu schaffen und wegen der Kindesalimentation an den Brendel zu verweisen.“ Der andere, gleichfalls in Windsbach verhandelte Fall betraf die Metzgerstochter und den Alumnus Rauh, Amtmannssohn aus Frauenaurach. Mit Bedauern liest man in den Gymnasialakten folgende Notiz aus den vier letzten Jahren vor der Schulaufhebung über einen Mann, den wir bisher als achtungswerth kennen gelernt haben: „Der alte Rektor Schmidt schrieb ein anzügliches Carmen auf den verstorbenen Verwalter Bernhold.“ Die Regierung verurtheilte ihn deßhalb zu einer Strafe von 30 Thalern mit dem Bemerken: „Der Rektor Schmidt bezeigt eine seinem Alter ganz unverständige Conduite und legt in diesem Carmen sein vergalltes Gemüth an den Tag.“
Der Stand der Schule war, wie wir gesehen haben, fortwährend trostlos und nirgends eine Aussicht auf Besserung; die beiden Fürstenhäuser beschlossen daher, sie aufzuheben und auch das seit der Abtheilung von 1719 noch gemeinschaftlich Gebliebene zu vertheilen. Nachdem man sich über das jedem Theile Zukommende verständigt hatte, wies der Markgraf Friedrich von Bayreuth unt. 22. Sept. 1736 die oberländischen Gymnasiasten an, Heilsbronn zu verlassen und nach Bayreuth überzusiedeln. [147] Zugleich notifizirte er, daß vom 1. Nov. an Bayreuth keine Besoldungen mehr nach Heilsbronn zahlen werde. Die unterländischen Gymnasiasten und sämmtliche Lehrer blieben vorerst noch an Ort und Stelle bis zur Entscheidung der Frage: Ob es rathsam sei oder nicht, die Fürstenschule als eine lediglich onolzbachische in Heilsbronn fortbestehen zu lassen. Hocker sprach sich bejahend aus aus folgenden Gründen: „Der Abt Schopper stiftete seine Schule in Heilsbronn, was Melanchthon, Brenz, Osiander, auch Luther rühmend anerkannten. Georg Friedrich stiftete die Fürstenschule daselbst, fern von dem geräuschvollen Hofleben, was heilsam für Lehrende und Lernende ist. Dadurch vermied er auch den Schein, als habe er das Kloster sekularisiren und die kaiserlichen und päpstlichen Privilegien aufheben wollen. Durch Aufhebung der Fürstenschule gibt man dem päpstlichen Stuhle Anlaß, seinen Anspruch an die Klostergüter zu erneuern. Dadurch verliert Heilsbronn seinen 600 Jahre lang behaupteten Ruhm. Die hiesigen 100 Familien verlieren ihre Nahrung und werden gar Bettelleute. Man lasse die Schule für 25 bis 30 unterländische Alumnen fortbestehen, führe, wie in Schulpforta, eine bessere Disziplin ein und stelle durch Visitationen die eingerissene Unordnung ab; dann werden sich auch Leute finden, die auf eigene Kosten ihre Kinder hieher schicken.“ Gleichzeitig stellten sämmtliche Bürger dem Markgrafen vor: „So lang das Gymnasium besteht, ist herkömmlich, daß die Gottesdienste, Hochzeiten und Leichen mit dem Gesang der Alumnen und der Präzeptoren allein versehen werden. Gehen diese ab, so bleiben in der deutschen Schule nur wenige Knaben für den Gesang und der Gemeinde fehlt das angenehmste Stück des Gottesdienstes, ihre Todten müssen ohne christgewöhnlichen Gesang begraben werden. Die hiesigen Bürger und Bedienten, meist arm, konnten bisher ihre zum Studiren tauglichen Söhne hier unterrichten lassen, dann aber nicht mehr. Wir verlieren unsere Hauptnahrung, denn Feldbau und Viehzucht haben wir nicht, wir leben bloß vom Gymnasium.“ Selbstverständlich blieb es trotz aller dieser Vorstellungen bei dem einmal gefaßten Beschlusse. Am 31. Jan. 1737 wurden auch [148] die noch vorhandenen 15 unterländischen Gymnasiasten angewiesen, in Onolzbach einzutreffen. Das Bettwerk, alles schadhaft und schlecht, Bücher, Geräthe etc. wurden an den Rektor Oeder in Ansbach abgeliefert. Fortan hatte das Klosteramt jährlich an das Gymnasium in Ansbach abzuliefern: 2537 fl. 30 kr. baar und 70 Klafter Brennholz. Einheizer, Metzger, Bettwärterin und die beiden Nachtwächter erhielten kleine Pensionen. Hocker wurde für den erlittenen Verlust in der Weise entschädigt, daß er eine Personalzulage von Onolzbach erhielt. Der 77jährige Rektor blieb in seiner Wohnung in Heilsbronn, erhielt einen Ruhegehalt und starb nach zwei Jahren. Der Konrektor Pöschel zog weg und starb nach einigen Monaten. Der Kantor Haberstumpf wurde anderwärts angestellt. So endete die Fürstenschule. Das Gymnasialgebäude (Dormitorium zur Zeit des Klosters, Contubernium zur Zeit der Fürstenschule genannt) stand nun eine Zeitlang leer, wurde dann Getreidemagazin, neuerlich zum Theil Frohnfeste, zum Theil ganz abgetragen, die Bibliothek nach Erlangen gebracht, nachdem, wie in den Beitr. S. 246–49 berichtet wurde, das Projekt, in Heilsbronn eine Universität zu errichten, gescheitert war.
Man sieht beim Rückblick auf Abschn. IX und XI, daß der Stand des religiös-sittlichen Lebens in der Fürstenschule zu keiner Zeit ein recht erfreulicher, sondern im Gegentheil meist ein sehr unerfreulicher war. Georg Friedrich und seine Rathgeber beabsichtigten, in ihrer neuen Pflanzschule wissenschaftlich-gebildete, religiös-sittliche Männer für den Staats- und Kirchendienst heranzuziehen und durch dieselben bessernd auf das religiös-sittliche Volksleben einzuwirken. Ihre konfessionelle Richtung war streng lutherisch gemäß der Formula Concordiae. Dieses kurz vor Errichtung der Fürstenschule verfaßte, bereits oben erwähnte Buch sollte den Zwiespalt in der lutherischen Kirche beseitigen und das strenglutherische Bekenntniß aufrecht erhalten; es sollte Eintracht bringen und erhalten; daher obiger Name: Concordien- oder Eintrachtsbuch. Jeder heilsbronnische Lehrer und Prediger mußte es zum Zeichen der Anerkennung unterschreiben. Man [149] erklärte, wie Abschn. IX u. XI oft erwähnt wurde, die strenglutherische Anschauung bald für die allein wahre, bald für die allein seligmachende und erwartete zuversichtlich, daß der gereinigte Lehrbegriff das religiös-sittliche Leben in allen Schichten des Volkes verbessern werde. Daß man sich in dieser Erwartung getäuscht hat, sahen wir bereits oben im VI. Abschnitt, wo über den Stand des religiös-sittlichen Lebens in allen Klosterpfarreien im Reformationsjahrhundert berichtet wurde. Wie in den Klosterpfarreien, so wurde auch in der Fürstenschule das religiös-sittliche Leben durch den gereinigten Lehrbegriff nicht besser. Liturgie, Predigt, Beichte und Abendmahl, Religionsunterricht, die täglichen zweimaligen Gottesdienste, Bibellektionen während des Essens –, das Alles wurde in strenglutherischem Sinne vollzogen, der Katechismus Luther’s in drei Sprachen eingeprägt; die Predigten mußten von den Scholaren summarisch nachgeschrieben werden; Jeder mußte bei seiner Aufnahme durch Unterschrift versprechen, die Leges über das Verhalten zu befolgen. Gleichwohl war das Leben der Schüler irreligiös und unsittlich schon in der ersten Zeit; noch schlimmer wurden und blieben die Zustände nach dem 30jährigen Kriege in Folge der durch ihn herbeigeführten allgemeinen Verwilderung, namentlich im Familienleben. Augenfällig waren die nach dem Kriege in die Schule aufgenommenen Knaben schon bei ihrer Aufnahme roher als die vor dem Kriege aufgenommenen. Durch das Zusammenleben mit Gleichgesinnten wurden sie noch roher; die verhängten Strafen und die angewendeten religiös-kirchlichen Erziehungsmittel hatten bei ihnen nicht den gewünschten Erfolg; am allerwenigsten die höheren Ortes erlassenen Reskripte und angeordneten Visitationen. Die Prediger, Rektoren und Professoren waren (Hocker ausgenommen) Zöglinge der Fürstenschule. Keiner unter ihnen war im Stande, die Schule zu heben. Obgleich stets von den Regierungen gemaßregelt, blieben sie dennoch, wie sie waren; durch zahllose Reskripte und Verweise wurde nichts gebessert. Es fehlte bei ihnen, wie bei den zwei Regierungen und Fürstenhäusern, Zusammensicht. Die Erfahrung hat jederzeit gelehrt, daß dergleichen [150] Schulen nur dann gedeihen, wenn sie von tüchtigen Männern gegründet oder geleitet werden, welche ohne Einmischung von Oben selbstständig handeln, ihre Hilfslehrer nach eigenem Ermessen wählen können und ohne detaillirte Regulative ihre Schüler zu leiten verstehen. Ganz anders war es bei der Fürstenschule, deren Leiter und Lehrer alternirend von Bayreuth und Onolzbach ernannt wurden, wodurch stets Elemente zusammengewürfelt wurden, die nicht zusammen paßten.
Wohlmeinend, aber ebenfalls erfolglos, suchte man durch Musik auf das religiös-sittliche Leben bessernd einzuwirken. Es wurde Musik gelehrt, ein neues Gesangbuch eingeführt, der Chorgesang beim Gottesdienst durch Instrumentalbegleitung gehoben, bei Leichen erbaulich gesungen. Auch hierbei entsprach der Erfolg den Erwartungen nicht, das Leben der Zöglinge wurde dadurch nicht veredelt. Man durchschaute damals noch nicht, was späterhin die Erfahrung gelehrt hat, nämlich folgendes: Die Künste insgesammt, darunter die Musik, tragen unendlich viel bei zur Verschönerung des Lebens, insonderheit zur Verherrlichung des kirchlichen Gottesdienstes; aber feste religiös-sittliche Grundsätze werden dadurch nicht eingepflanzt. Diese sind nicht die Frucht künstlerischer momentaner Erregungen, sondern lediglich einer andauernden Gewöhnung. Nur da findet man ein besseres religiös-sittliches Volksleben, wo Staatseinrichtungen bestehen, durch welche durchgreifend und andauernd das Böse gehindert, das Gute durch andauernde Gewöhnung an dasselbe gefördert wird. Wo diese, Staatseinrichtungen fehlen, wie sie in dem heilsbronner (nachmals markgräflichen) Mönchsstaate gefehlt haben, da steht es auch nicht gut mit dem religiös-sittlichen Familien- und Volksleben, da müht man sich vergebens ab, durch Schule, Kirche, Kunst, Musik etc. zur Religiosität und Sittlichkeit zu erziehen. Altersgenossen des Verfassers, welche mit ihm vor fünfzig und sechzig Jahren bemüht gewesen sind, religiös-sittliches Leben zu wecken und zu fördern, werden sich erinnern, daß wir durch Schule, Kirche, Künste, namentlich durch Musik, bessernd einzuwirken suchten, insonderheit durch Veredlung des Schul-, Kirchen- und Volksgesanges, [151] durch liturgische Gottesdienste etc. Allein eine fünfzig- und sechzigjährige Erfahrung hat uns gelehrt, daß es dadurch im religiös-sittlichen Volksleben nicht besser geworden ist. Es ist bekannt, wie ermuthigend, erschütternd, erbaulich und rührend Musik einwirkt auf den Schlachtfeldern, in Theatern und Kirchen, wie ergreifend ein tausendstimmiges „Nun danket Alle Gott“, oder „Ein veste Burg ist unser Gott.“ Allein eben so bekannt ist, daß alle diese Erregungen vorübergehend sind, daß durch dieselben feste und bleibende religiös-sittliche Grundsätze nicht eingepflanzt werden. In Deutschland findet man musikalische Begabung weit häufiger, als in manchem andern Lande; kein anderes ist so reich an erbaulichen Kirchenliedern und Kirchenmelodien, wie das protestantische Deutschland; gleichwohl steht es in religiös-sittlicher Beziehung tiefer, als manches andere Land, wo musikalische Begabung seltener und ein so reicher Lieder- und Melodienschatz nicht vorhanden ist. Der Musikunterricht wurde in der Fürstenschule vom Kantor, dem dritten Gymnasialprofessor, einem Theologen, ertheilt. Organist war in der Regel ein Gymnasiast, welcher eine kleine Besoldung erhielt. Eine kleine Remuneration erhielt auch derjenige Gymnasiast, welcher beim Gottesdienste den Dulcin blies, ingleichen auch der Posaunenbläser. Eine Zeitlang besorgte der Wirth in Heilsbronn den Organistendienst. 1682 erscheint als Lehrer von Saiteninstrumenten Heinrich Kalkar, ein konvertirter Dominikanermönch, welcher 20 fl. Besoldung und seine Wohnung in der alten Schneiderei erhielt; „ist aber schon 1683 durchgegangen und hat seinen Abschied hinter der Thür genommen.“
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